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Das Konservative und das Liberale - gesellschaftspolitische Schwankungen in der Serie

1Das Konservative und das Liberale
Gesellschaftspolitische Schwankungen in der Serie

Betrachten wir den Perry über die Zeitläufe hinweg, so entwickelt er sich natürlich mehr oder minder parallel zur Gesellschaft in Deutschland. Das liegt natürlich daran, dass auch Autoren als Menschen kulturell geprägt werden von ihrer engeren Umgebung.Erziehungs-und Wachstumsprozesse gehen ebenso in die Schreibe mit ein wie Studium, Beruf oder Ausbildung. Auch die Art und Weise des Familienzustandes hat sicher verschiedene Ausprägungen im Perry.

Ein Jungeselle m/w schreibt nun einmal anders als ein Familienvater oder - Mutter. Jedenfalls dort, wo das Expose dem Autor persönliche Freiheiten überlässt. Auch die Genderfrage, heute  in der Gesellschaft vielfach verzerrt  und spitzfindig diskutiert, würde in eine Schreibe eingehen. Hinzu kommt natürlich noch die Verlagsvorgabe. Erinnern wir uns an die frühen Zeiten, als jede Form von Erotik oder Sex, ja selbst geringe Anspielungen tabu waren.Das war Verlagsdoktrin bzw. von K.H. Scheer ausgearbeitet.

Die Reihe sollte „sauber“ bleiben in dieser Hinsicht. Nun, sie entstammt ja auch den Anfängen der Sechzigerjahre. Eine konservative Zeit auch in der Wirklichkeit Deutschlands. Adenauer/Erhardt waren noch an der Regierung. Zwanzig Jahre konservative Partei in D-Land an der Macht. Das musste natürlich wegen des herrschenden Zeitgeistes auch auf den Perry durchschlagen. Hinzu kam natürlich die eher wertkonservative Auslegung von Scheers und Ernstings Charakter (wobei mir WE immer ein wenig lockerer vorkam. Er ließ ja auch den Alkohol in der Serie reichlich fließen, lange vor HGEs Whiskykenner Nelson). Jeder ist eben so geprägt, wie er es ist. Natürlich kann man sich in gewissem Maße an veränderten Zeitgeist anpassen. Im Laufe der Zeit wurde die Reihe liberaler, freizügiger auch in erotischer Hinsicht, wobei die Geschichte um Orana Sestore und Rhodan  noch reichlich verkrampft beim Leser herüberkam.

Aber das war ja teilweise auch der falsche Rhodan von Anti-ES, da war das dann noch verständlich. In den Taschenbüchern ging es spätestens mit Thomas Ziegler  wesentlich lockerer zu, als erste Tabus gebrochen wurden und der Sex Eingang in die Serie bekam. So wurde das konservative, doch etwas verkrampfte Weltbild dekonstruiert. Ach ja, bevor ich es vergesse: das (oder der) Comic war, wie so oft, seiner Zeit um Jahre voraus. Arbeitet es natürlich in erster Linie mit dem Bild, so waren Perry, Shira&Co schon früh klar herausgezeichnet. Wahre Augenweiden für den Leser (insbesonder den jugendlichen , männlichen Leser in seiner Adoleszenzphase … so wie ich). Sehr viel später von der alligatorfarm wieder aufgenommen, und ebenso gut zeitweise fortgesetzt.

Der Heftperry jedoch musste noch viele Jahre warten, bevor die wertkonservative Terraner-über-alles-Idee des Solaren Imperiums, bei dem die Fremdvölker natürlich eingebunden, toleriert und geduldet wurden, überging in ein echtes Multikulti der Liga freier Terraner, die bereits ganz anders mit anderen Galaktikern umging. Hier gab es bereits Schiffsmannschaften, sie aus allen Völkern der Galaxis zusammengesetzt waren ...etwas, das im Solaren Imperium schwerlich vorstellbar war. Mit der Multi-Kulti-Zeit, zu der vor allem auch die etwas freizügigeren Österreicher als Autoren beitrugen/tragen, kam die Freiheit auch endlich mehr im erotischen Bereich an.

Eine Ebene darüber wurden auch die Zweisamkeiten von menschlichen Beziehungen grundsätzlich überzeugender geschildert, wenn sie meines Erachtens auch nicht in eine SF-Serie gehören, es sei denn, als marginaler Nebensatz. Aber davon abgesehen, hat die multikulturelle Vielfalt nicht nur der Galaktiker ihren Ausdruck auch in der sexuellen Vielfalt gefunden, wie ganz jüngst von Leo Lukas kurz geschildert. Werden Gebiete wie Lepso beschrieben, wo ja nicht gerade die härtesten Gesetze gelten, schwankt die beschriebene Moral auch manchmal bis zum Anarchismus über.

Dadurch sollte natürlich in erster Linie damals die Kriminalität beschrieben werden, gegen die Atlans USO vorging. Wir sehen, dass auch hier ein eher wertkonservativer Ansatz (zum Schutze Terras) später  aufgegeben wurde zugunsten einer galaktischen, multikulturellen Vielfalt, die dafür sorgte, dass nicht mehr Terraner (allein) die Politik der Liga bestimmten. Vom klassischen Scheermotiv, das keine Erotik in der Serie zulassen sollte, bis zum heutigen „Anything-goes“ war es also ein weiter Weg.) 

© 2018 by H. Döring

Kommentare  

#1 Laurin 2018-05-29 15:09
Klar, in der Adenauer/Erhardt-Zeit lief man bekanntlich noch in der Öffentlichkeit mit der Kneifzange in der Hose herum, weshalb es z.B. der Sex in den Romanen mehr als nur schwer hatte. Aber selbst bei den Comics zeigte sich auch, wenn man mal dort die Leserbriefe gelesen hatte, dass der SF-Hardcore-Fan an sich schon verklemmt war bzw. auch noch heute ist. Ich erinnere mich da z.B. an einen Leserbrief, wo man weniger bis keine nackten Mädchen (Auris, Shira und Co.), dafür aber mehr Roboter zeichnen solle.

Und seien wir mal ehrlich, selbst viel später war Sex/Erotik eher verschämt dargestellt worden.

Zitat:
"Eine Ebene darüber wurden auch die Zweisamkeiten von menschlichen Beziehungen grundsätzlich überzeugender geschildert, wenn sie meines Erachtens auch nicht in eine SF-Serie gehören, es sei denn, als marginaler Nebensatz. "

Warum? Mal ehrlich, für den Anfang der PR-Serie mochte dies sogar noch gelten und richtig gewesen sein, zumal die Serie ja zuerst auf 50 Hefte angedacht war, dann aber durch den vorher unerwartet großen Erfolg faktisch zum Selbstläufer über viele Jahrzehnte wurde. Da steht dann natürlich erst einmal die SF und das Abenteuer im Zentrum und z.B. die zwischenmenschlichen Beziehungen absolut am Rande. Für eine Serie, die jedoch schon über 50 Jahre wöchentlich erscheint (EA) und ein Ende hierzu nicht absehbar ist, sollte man doch auch die Charaktere etwas mehr in die Tiefe beschreiben dürfen, was dann auch die zwischenmenschliche Ebene betrifft, welche dann auch mal vom Rand in das Zentrum der Handlung rücken kann und darf. Man muss das nur mal anhand nicht nur der rein menschlich geprägten Beziehungen betrachten. Wollen die Multi-Kulti-Beziehungen zwischen völlig unterschiedlichen Völkern der Galaxis in der Handlung überhaupt ernst genommen werden (also nicht so menschenähnliche Verbindungen wie zwischen Terranern und Arkoniden), sollte auch hier anhand der Verschiedenheiten der jeweiligen Partner tiefer und nachvollziehbarer deren Beziehung/Partnerschaft behandelt werden.

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