Advent der Bücher: Jiddisch für Anfänger
Dann geht die Verwirrung erneut los als mir das Ganze doch beginnt seltsam vorzukommen. Kann das denn stimmen? Wie wenig Ahnung habe ich eigentlich von Geschichte?! Ich komme ins Grübeln, bildete ich mir bisher doch ein, nicht ganz unbeleckt in dieser Hinsicht zu sein.
Dann wird mir klar, dass es sich bei der Geschichte um eine Alternativwelt handelt, und je länger die Geschichte dauert, desto glücklicher bin ich eigentlich darüber, dass es keine wahre Geschichte ist. Zu trübsinnig ist das, was sich als Welt abzeichnet.
Hintergrund dieser Alternativwelt sind einige kleine(re) Unterschiede in der Geschichte, die aber - ganz im Sinn des Schmetterlingseffekt - potenzierende Auswirkungen haben. Es ist nicht gelungen, einen existenten Staat Israel zu schaffen. Die Verteidigung der Neugründung bricht zusammen, die Juden machen sich auf die Suche nach einer neuen Bleibe und finden sie - im hohen Norden des nordamerikanischen Kontinents. Die USA geben den Juden die unwirtliche Region Sitka in Alaska als Siedlungsgebiet. Dort bauen sie sich einen kleinen Staat im Staat auf, mit Jiddisch als Verwaltungssprache. Die Situation spitzt sich zu, als das Jahr 2008 näher rückt, denn die Überlassung dauert genau 60 Jahre, die laufen bald ab. Nach dieser Zeit muss die Region an Alaska zurück gegeben werden.
Also ein echtes Alternativszenario, in dem sich die Geschichte um den etwas abgehalfterten Detektiv Meyer Landsman abspielt. In dem Hotel, in dem Landsman vorübergehend lebt (seine Ehe läuft mehr als schlecht) ist ein Mann ermordet worden. Landsman beginnt zu ermitteln, in der Hoffnung, mit der Lösung des Falls auch seine berufliche Welt wieder etwas in Ordnung bringen zu können - auch beruflich lief es bei ihm in letzter Zeit nicht gut.
Die Untersuchungen gehen in verschiedene Richtungen, es geht um Schach, die Verwaltung der jüdischen Enklave, religiöse Interessen.
Dabei taucht der Autor tief in die Welt dieses fantastischen jüdischen Staates ein, schafft eine ausführliche jiddische Welt, schafft eigene Begriffe und Regeln, die in dieser Welt stimmig sind.
Schließlich erhält Landsman den Auftrag, die Untersuchungen einzustellen - klar, dass Landsman dies nicht akzeptiert und heimlich weiter ermittelt.
Das Buch von Michael Chabon hat für einiges Aufsehen gesorgt, die Lesermeinungen waren sehr gespalten. Ich hatte das Hörbuch aus dem Lübbeverlag, bestehend aus 6 CD's in einer eher sparsam aber ansprechend gestalteten Faltbox. Das Buch wird gelesen von Armin Rohde, es sind insgesamt 433 Minuten.
Die Vereinigung jiddischer Polizisten ist wirklich außergewöhnlich, schon allein aufgrund seiner Grundidee. Diese Alternativwelt wirkt auf mich so düster, dass ich mir nicht wirklich wünsche sie könnte Realität sein. Ob sie schlimmer oder besser ist als die tatsächlich vorhandene, bleibt mal dahin gestellt.
Michael Chabon legt den Charakter Landsmans eher klassisch an: Versoffen, mit ruinierter Ehe, persönlich und beruflich am Rande des Abgrunds. Dieser Fall ist für ihn eine Chance.
Was es mir ziemlich schwer machte mich auf die Handlung zu konzentrieren waren die jiddischen Namen und Begriffe, die meistens schon wieder "vorbei" waren wenn ich mich gedanklich mit ihnen auseinander setzen wollte, auch die Tatsache, dass der Text im Präsens ist, machte es für mich etwas schwierig.
Wirklich außergewöhnlich ist das Hörbuch zur Vereinigung jiddischer Polizisten trotz dieser Schwächen, denn gerade die Idee der Alternativwelten ist hier besonders gut umgesetzt, hinzu kommt der Aspekt der jüdischen Kultur und die Tatsache, dass Armin Rohde der Sprecher ist.
Insgesamt ist dies erste Hörbuch, dem ich mit wirklichem Durchhaltevermögen gefolgt bin.
Details zum (Hör-)Buch