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# 1: Ein Besuch bei Basteis

As Time Goes By# 1: Ein Besuch bei Basteis

Irgendwann zu Beginn der 90er-Jahre besuchte ich Dr. Helmut W. Pesch im Lübbe Verlag (gleiches Gebäude wie Bastei, nur anderer Flur, was heutzutage ja alles die Verlagsgruppe Lübbe ist). Von dort aus betreut er die Hardcover von Autoren wie Ken Follett, David Baldacci, Wolfgang Hohlbein und anderen. Für die Jerry Cotton-Fans unter uns: Er betreute auch das Hardcover zum Jubiläum der Serie. Und von 1987 bis zum Anfang der Neunziger war er der SF- und Fantasylektor beim Bastei-Taschenbuch.


Wir besprachen die Möglichkeiten freier Mitarbeit meinerseits. Dies umfasste Gutachten und Inhaltsangaben zu eingesandten oder angekauften Manuskripten zu erstellen, reichte über Fahnenkorrektur bis hin zu Übersetzungen (die ersten beiden Dinge habe ich gemacht, das Übersetzen ließ ich sein).

Ich hatte Helmut auf dem Fest der Fantasie 1986 in Marburg kennengelernt. Das 'Fest' ist die wichtigste Veranstaltung der "Fellowship Of the Lords of Lands Of Wonder" (kurz: FOLLOW), dauert inzwischen neun Tage und macht mordsmäßig Spaß. FOLLOW gibt es seit 1966, das Fest seit 1971. Das Ganze ist also älter als das Genre Fantasy in Deutschland. Da wir beide Anhänger des großen und unerreichten J. R. R. Tolkien sind, haben wir uns den ganzen Nachmittag unterhalten. Anlässlich dieses Besuches lud er mich auch zum Fest der Fantasie 1991 (dem 20.) ein. Der Kontakt nach 1986 riss in der Folge nie ab und inzwischen haben wir zwei Bücher zusammen geschrieben. Weitere werden folgen. Dazu sind wir befreundet.

Manchen von euch mag er auch als Helmbrecht, der Redaktionshobbit ein Begriff sein, denn Helmuts Einstieg erfolgte bei Bastei, wo er die Heftreihe "Fantasy" sic! (28 Bände zwischen 1984 und 1986) betreute, für die unter anderem Wolfgang Hohlbein (Waldkönig zum ersten), Rolf W. Michael (Straße der Götter), Frank Thys (Rehfeld), Alfred Wallon (Thorin, der (denkende) Barbar) und Walter Appel (Morgana) geschrieben haben. Von den Heftstoffen fanden sich einige als Neuauflage, andere in der Fortführung im Taschenbuch wieder.

Helmut ist Doktor phil. (Anglistik) und seine Doktorarbeit "Fantasy – In Theorie und Geschichte" ist beim EDFC e. V., Passau erhältlich. Aber er ist auch Fan. Seit 1968 in FOLLOW dabei, Lord von FOLLOW (war auch mal meiner und ich bin durch seinen Vorschlag selbst zu einem geworden) und dem Ganzen, obwohl momentan inaktiv, immer noch verbunden (was sich auch darin zeigt, dass er die MAGIRA-Romane von Hugh Walker (Hubert Straßl) bei der Veröffentlichung der endgültigen Edition redaktionell betreut).

Helmut Pesch hat einen trockenen, teilweise feinen Humor. Auf seinen Vornamen angesprochen meint er manchmal:"Nenn mich Doktor". Dabei hat er es mit diesem akademischen Grad zumeist gar nicht so. Obwohl er manchmal nützlich ist. Während der gemeinsamen Arbeit an "Die Kinder der Nibelungen" (Ueberreuter/Bastei) wollte er etwas von der dortigen Chefin, einer Frau Doktor Rachinger. Es gelang Helmut nie zu ihr durchzudringen. Zurückgerufen wurde nicht. Aber als er die Lektoratssekretärin bat anzurufen und zu fragen, ob Frau Dr. Rachinger für Herrn Dr. Pesch zu sprechen sei, hatte er sie binnen zwei Minuten am Rohr. Eben typisch österreichisch.

Jedenfalls unterhielt man sich, plauderte und machte einige Details der Zusammenarbeit fest. Unter anderem wurde auch geklärt, was es zu verdienen gab. Danach gingen wir bei einem Griechen in der Nähe essen, nicht sonderlich mondän, aber was für mich wichtiger ist: die Portionen stimmten.

Gesättigt kehrten wir in den Verlag zurück. Helmut wusste auch, dass ich Anhänger des Heftromans war (wahrscheinlich fragt er sich noch heute: warum) und mir zu Gefallen bot er an, Hans Ullrich Steffan zu besuchen, der seinerzeit Redakteur bei John Sinclair war. Ich hatte ihn auf einem Con in Meerbusch (den er zusammen mit Jason Dark besuchte) Anfang der Achtziger kennengelernt, wo wir über "Ritter Roland" geplaudert hatten, der auch von Steffan betreut wurde. Aber zu dieser Serie ein anderes Mal mehr.

Wir betraten dann also das Büro und an einer alten, mechanischen Schreibmaschine saß das Kind einer Kollegin und tippte eifrig darauf herum. Das Mädchen mochte fünf oder sechs Jahre alt gewesen sein.

Helmut, Hans Ullrich und ich begrüßten uns und plauderten zwanglos. Währenddessen sah Helmut immer wieder zu dem Kind und lächelte. Das zeigt bei Helmut an, dass er einen seiner hintergründigen, ironischen Attentate vorbereitete. Wer würde das Opfer sein? Das wehrlose Kind? Nee, nicht bei Helmut. Ich? Warum? Vermutlich, so spekulierte ich, würde es Hans Ullrich Steffan sein, den Helmut als Opfer auserkoren hatte.

Das Mädchen tippte unverdrossen und unbeeindruckt von drei mehr oder minder alten Herren weiter. Leider weiß ich nicht, was aus dem Kind geworden ist. Aber bei ihrem Einsatz an der Tastatur und dem Enthusiasmus gehört sie vielleicht zur neuesten Generation der Heftromanautoren.

Helmut nutzte eine Gesprächspause, deutete mit einem Kopfnicken auf das Mädchen und sagte lächelnd zu Hans Ullrich Steffan: "Wenn Du das redigierst, wird’s 'n Sinclair."

Ich konnte nicht an mich halten und prustete los, während Hans Ullrich Steffan süß-säuerlich lächelte.  hhva

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