# 85: Ich nehm die Kisten...
# 85: Ich nehm die
Kisten...
Aber damals war das anders. Damals vor bald 30
Jahren (Gott werde ich alt!) war der Stader Flohmarkt im Gegensatz zu heute
ein echter Kracher für Heftroman-, SF- Horror- und Fantasysammler. Und im
Gegensatz zu heute musste man noch mit den anwesenden Profihändlern um die
Wette laufen, um die Angebote nicht teuer bei denen kaufen zu müssen.
Ich erschien zwar (weil sich die Stadt bis zehn Uhr
Morgens soweit gefüllt hatte, dass man sich wie in einer Büffelherde fühlte)
bereits mitten in der Nacht (meist so ab vier Uhr, manchmal auch erst um fünf
oder ich feierte gar durch) in der Fußgängerzone (die damals noch sehr neu war
ich glaube mich dunkel zu erinnern, dass der erste Flohmarkt sogar zur
Eröffnung der Fuzo stattfand). Zumeist begegnete man denen, die für den
Flohmarkt aufbauten und denen die von Festlichkeiten im Parkhaus oder so nach
Hause schwankten. Manchmal mussten Flohmarktstandbesitzer eingeschlafene Zecher
zur Seite räumen und ihre Ware vor Leuten schützen, die ein gewisser Drang
übermannte zuvor eingenommene Bratwürste und Fischbrötchen und hastig
getrunkenen Alkohol über die Zunge wieder in die Freiheit zu entlassen. Dazu
kamen auch welche, die die öffentlichen Urinale nicht fanden und in ihrem Suff
den Tapeziertisch für ein solches hielten.
Aber sobald es hell wurde begann die Jagd nach den
Objekten der Begierde. Lange bevor damals der Markt eröffnet wurde, begann die
Jagd und das Hökern und Handeln. Kartons wurden gesichtet. Western, Arzt- und
Liebesromane und Krimi schieden aus. Horror, SF und Fantasy sollten es sein. Wildes
Entzücken wechselte mit herben Enttäuschungen.
Aber es gab da einen Flohmarkt, da lief es so gut. Mag
es 1980 oder 1981 gewesen sein. Gegen 8:00 Uhr hatte ich drei Taschen und
meinen Rucksack voll und schon einiges am einem Stand meines Vertrauens
eingelagert. 50 Heyne SF-Taschenbücher, diverse Hefte aus den entsprechenden
Genres, Basteis SF, Tera Fantasy, Terra, Terra Astra, Utopias zählten zur
Beute.
Ich schwebte auf einer euphorischen Woge durch die
Fußgängerzone, ließ mich von meiner Intuition leiten. Drei Kartons eines
Nachzüglers zogen mich förmlich an. Da! ZbV, interessante Leihbücher und eine
Shocker-Silber-Krimi...
Ich erkundigte mich, was die Kosten sollten.
5 Mark, die drei Kartons überlasse ich Dir für 20,
sagte die Stimme.
Ich überschlug kurz was ich gesehen hatte. Das
lohnt sich. Ich nehm die Kisten! verkündete ich frohgemut.
Nun trug ich meine Beute zusammen und da es voll
wurde, sollte es nach Hause gehen. Drei Taschen, drei Kartons und meinen
Rucksack galt es zur Bushaltestelle zu schleifen.
Boah, war das schwer. Und als ich dann endlich die
Haltestelle erreichte war der Bus weg. Und: Der nächste würde erst in drei
Stunden fahren.
Verdauungsendprodukt!
Ich schleppte mich noch etliche hundert Meter
weiter und wollte per Anhalter Richtung Heimat fahren.
Ach so viele fuhren vorbei. Manche glaubten wohl,
ich wollte umziehen. Zwei Stunden brauchte ich, um jemanden zu finden der mich
mitnahm.
Aber wer mit Endorphinen vollgepumpt ist, der wird
sich von solchen Kleinigkeiten nicht irritieren lassen.
Aber das war mein erfolgreichster Flohmarkt aller
Zeiten...
Kommentare
Aber hier trifft der Kolumnentitel noch mehr zu als beim Schicksal des Heftromans: die Zeiten sind vorbei. Spätestens seit Ende der Achtziger sind die Flohmärkte zu sehr von schon fast bundesweit agierenden Profihändlern bestückt worden, die Zahl der ?Schätzchen? ist ohnehin nur endlich und seit die Ebay- und Netzzeit begonnen hat, darbt der Sammler in seinem (irgendwie kulturpsychologisch bedingten?) Drang und kann seine ?direkte Jagd? so nicht mehr abschließen. Da verlagert sich der fantasyhafte Wunschtraum; auf die gute Fee in Gestalt eines wohlmeinenden, nichtbuchinteressierten, hinterbliebenen Nachbarn oder Bekannten, der sagt: ?Ich muss das Haus hier ausräumen, und da sind auf dem Dachboden noch ein paar Kisten mit Heftchen und Büchern?....
Prinzipiell beobachte ich aber (neben den Profi-Händlern) vermehrt vollkommen Ahnungslose, die auf die Frage Wieviel kosten die alten zerfledderten Rhodan-Hefte denn pro Stück? doch tatsächlich allen Ernstes mit ihrer Standardantwort kommen: Ein Euro!
Ein Euro für ein schlechterhaltenes Heft Rhodan?
Na ganz sicher nicht!
Ach ,dass war toll
Hatte vor zwei Jahren auch noch einmal Glück, als ein Verkäufer einen land Shark von Motu und einen kompletten Webstor für läppische 2 ? verkauft hat. Irgendwie war in diesen Augenblicken seelig und völlig sorgenfrei