Zwei Frauen in Indien - »Hitze und Staub«
Zwei Frauen in Indien
»Hitze und Staub«
Die bekanntesten Arbeiten von Ivory/Merchant/Prawer Jhabvala sind sicherlich ihre drei E.M. Forster-Adaptionen „Zimmer mit Aussicht“, „Maurice“ und „Wiedersehen in Howards End“, die es insgesamt auf sechs Oscars brachten und in den 1980er Jahren mit dazu beitrugen, dass Historiendramen international in den Kinos boomten. Eine weitere gelungene gemeinsame Arbeit stellt auch die Kazuo-Ishiguro-Verfilmung „Was vom Tage übrig blieb“ dar, die es auf acht Oscar-Nominierungen brachte, u.a. auch jeweils eine für Ivory, Merchant und Prawer Jhabvala. Letztere war 1927 als Kind einer jüdischen Familie in Köln auf die Welt gekommen und floh mit ihren Eltern 1939 in Richtung Großbritannien. Dort studierte sie an der University of London nicht nur Englische Literatur, sondern lernte auch ihren indischen Ehemann Cyrus Jhabvala kennen, den sie 1951 heiratete und ihm nach Indien folgte. Zu Beginn der 1960er Jahre baten sie der amerikanische Regisseur James Ivory (geboren 1928 in Kalifornien) und dessen indischer Produktionspartner Ismail Merchant (1936-2005), ihren 1960 erschienenen Roman „The Householder“ für die Leinwand adaptieren zu dürfen. Prawer Jhabvala stimmte unter der Bedingung zu, selbst das Drehbuch verfassen zu dürfen. Es war die Geburtsstunde einer insgesamt 40 Jahre währenden erfolgreichen Zusammenarbeit der drei. Ihren 1975 erschienenen Roman „Heat and Dust“ adaptierte sie 1982 ebenfalls selbst für den gleichnamigen Film, den erneut Ivory inszenierte und Merchant produzierte.
Die Engländerin Anne (Julie Christie) ist zu Beginn 1982 nach Indien gereist, um mehr über das Leben ihrer verstorbenen Großtante Olivia (Greta Scacchi) in Erfahrung zu bringen. Die war in den 1920er Jahren als Ehefrau des Kolonialbeamten Douglas Rivers (Christopher Cazenove) nach Satipur im damaligen Britisch-Indien gekommen. Die Gepflogenheiten vor Ort folgten in der damaligen Kolonialzeit strengen Ritualen und Formen, denen sich Olivia nicht immer unterordnen möchte. In den heißen Monaten will sie ihr Ehemann in kühlere Gefilde schicken, zusammen mit den Frauen seiner Kollegen Crawford (Julian Glover) und Dr. Saunders (Patrick Godfrey). Aber Olivia besteht darauf, bei ihrem Gemahl zu bleiben. Nichtsdestotrotz verliebt sie sich in jener Zeit in den Nawab von Khatm (Shashi Kapoor), einen indischen Fürsten, was zu einem gesellschaftlichen Skandal heranwächst. Auch Olivias Großnichte Anne macht knapp 60 Jahre später in Indien ganz ähnliche Erfahrungen. Sie verliebt sich in Inder Lal (Zakir Hussain), bei dessen Familie sie auf ihrer Recherchereise unterkommt. Und wie einst ihre Großtante wird auch sie von ihrem Liebhaber schwanger…
„Hitze und Staub“ ist ein geschickt montiertes Drama, das die beiden unterschiedlichen Zeitebenen überzeugend miteinander in Bezug setzt und ganz selbstverständlich die indische Kultur präsentiert und dem europäischen Betrachter zugänglich macht. Die Dialoge sind bis ins kleinste Detail vorzüglich herausgearbeitet und die nostalgische Geschichte weckt nachhaltiges Interesse, nicht zuletzt dank einfühlsamer und authentischer Darstellungen durch herausragende Schauspieler. Die DVD-Erstveröffentlichung präsentiert den Film in sehr gutem Bild (im Widescreen-Format 1,66:1). Auch der Ton (Deutsch und Englisch in Dolby Digital 2.0 bzw. 5.1) ist nicht zu beanstanden. Die umfangreichen Extras umfassen eine hübsche animierte Bildergalerie, den englischen Original- und Wiederaufführungstrailer, sowie die Specials „Merchant Ivory’s Royal India – Ein Gespräch zwischen James Ivory und dem Drehbuchautor/Regisseur Chris Terrio“ (32 Minuten), „Greta Scacchi und Nickolas Grace erinnern sich an ‚Hitze und Staub‘“ (40 Minuten) und „Q&A mit Madhur Jaffrey“ (21 Minuten), jeweils produziert im Jahr 2017.