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# 78: Wasser und Schlick

As Time Goes By# 78: Wasser und Schlick

Der 3. Januar 1976 war ein Samstag. Das letzte Ferienwochenende der Weihnachtsferien in Niedersachsen. Ich befand mich im zwölften Lebensjahr, war richtig glücklich mit meinen Weihnachtsgeschenken. Als ich mich am Morgen erhob, tobte ein Orkan (schon am Tag zuvor war es stürmisch, aber nun wehte es richtig). Aber was so ein gestandener Niedersachse von der Küste ist (wie heißt es so schön im Lied der Niedersachsen: „Sturm verbunden und Erd verwachsen“), den schreckt ein bisschen Wind nicht.


Im Laufe des Vormittags aber kamen aus dem Radio beunruhigende Meldungen. Das Wasser werde zu einer Sturmflut vom Kaliber Februar 1962 auflaufen. Damals ertranken 315 Menschen in Hamburg. Aber wir machten uns keine Sorgen. 1962 war ja in Kehdingen nichts passiert.

Gegen Mittag fuhr ich gegen den Wind mit meinem Fahrrad Freunde in Dornbusch besuchen (wo ich für den ruhmreichen SV auch Fußball spielte). Kaum angekommen, rief uns der Vater eines Freundes. Es hieß Sandsäcke befüllen und stapeln. Das Wasser würde zu einer neuen Rekordhöhe auflaufen, die höher war als der Deich.

Kurzum: Der Deich konnte brechen. Das war übel.

Also hin und die Säcke den Deich hoch geschleppt. Unten schaufelten Männer Sand in die Säcke, die von Mädchen und den kleineren Kindern aufgehalten wurden. Wir Teenager schleppten die Säcke hoch. Oben auf dem Deich waren die Feuerwehrleute, stapelten die dann.

Wir hielten unseren Deichabschnitt in Dornbusch Nord bei der Zimmerei Funck. Aber...

... ein paar hundert Meter weiter die Elbe rauf, brach der Deich. Das Wasser strömte ins Hinterland. Ein Kappenbruch auf Höhe unseres Hauses (aber 800 m weg) und weitere Brüche zwischen Nindorf und Drochtersen brachten viel, viel Wasser.

Ich überlegte mir nun, ich müsse nach Hause. Aber zu Fuß war kein Durchkommen mehr. Das Wasser strömte kniehoch mit Wucht über die Landestraße 111. Das hätte mich gnadenlos mitgerissen.

Wat nu?

Der Fahrer eines Bundeswehr-LKW entedeckte mich, hielt an und nach einem kurzen Dialog nahm er mich mit. So fuhr ich durch die Fluten. Ich kam gerade noch rechtzeitig nach Hause, um ein paar Möbel und den Fernseher zu retten. Das Wasser drang durch jede Ritze ins Haus. Die Fenster hielten zwar, aber vom Keller stieg das Wasser und durch die Türritzen quoll es herein.

War schon ein komisches Gefühl, das Wasser an den Fenstern zu sehen.

Für meine Heftromane kam jede Rettung zu spät. Sie versanken in den Fluten. Meine komplette Sammlung versank in den Fluten.

Wir übernachteten trocken, aber ohne Strom auf dem Heuboden. Als wir morgens aufstanden war das Wasser weg, aber eine etwa zwei Zentimeter dicke Schlickschicht war geblieben. Alles in der Wohnung bis zu einer Höhe von etwa einem Meter war überzogen von stinkendem Schlick.

Die Hefte waren davon betroffen, vom Schlick überzogen. 150 - 200 Stück hatte ich zusammen. Der größte Posten war Larry Brent und Macabros. Diverse Dämonenkiller, Vampir-Horror und Gespenster-Krimi.

Ich schrieb (nachdem sich die Situation einigermaßen normalisiert hatte) voller Verzweifelung an Dan Shocker und klagte mein Leid.

Wochen später bekam ich einen Umschlag mit ein paar netten, sehr persönlichen Zeilen und zwei Romanen als Grundstock einer neuen Sammlung. Und im Grunde war das Initialzündung für die nächsten Jahre. Wer weiß, ob ich ohne diesen Brief und diese Hefte überhaupt so ins Fandom eingestiegen wäre.

Danke Jürgen.

Kommentare  

#1 Psycho-Krüppel 2011-05-05 20:32
Was hat Jürgen Grasmück nach dem Ende seiner Karriere als Dan Shocker gemacht? Die Buchhandlung in Hanau war auch irgendwann geschlossen...

Harantor sagt: Da hat er einen Verlag eröffnet und den zusammen mit Frau und Tochter von zu Hause aus geführt

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