Der Horror-Heftroman und ich
Der Horror-Heftroman und ich
Ich erinnere mich, dass ich mehrmals
aussetzte und erst im vierten Anlauf mit 20 geschenkten Mark meiner Großmutter
endgültig dem Groschenroman verfallen bin. Das war im Januar 1982, als Band
183, Das Knochenschiff, erschien. Von da an gehörte der dienstägliche Gang
zum Kiosk (meistens sogar schon am späten Montagnachmittag zur
Bahnhofsbuchhandlung) zum Leben wie Essen und Schlafen.
Andreas,
ein Junge aus dem Nachbarhaus, gehörte ebenfalls zu den Sinclair-Fans, und er
nannte bereits eine stattliche Sinclair-Sammlung sein Eigen. So schmökerten wir
zusammen die Leserseiten durch, und dabei stieß ich in einem älteren Heft auf
die Adresse eines Sinclair-Fanclubs in Hannover. Ich schrieb an den Clubleiter
und erhielt die Antwort, dass sein Club nicht mehr existiere. Ich möge mich
doch an einen gewissen Dieter Hoven aus Meerbusch wenden. Dieser habe gerade
einen neuen Club gegründet und suche noch Mitglieder.
Ich
schrieb also dorthin und erhielt als Antwort ein bisschen Info-Material und die
Einladung zum ersten Con in Meerbusch irgendwann im Sommer. Dieter warb sehr
intensiv für diesen Con, und ich fühlte mich fast schon genötigt, daran
teilzunehmen. Mit 14 Jahren allein in die weite Welt zu fahren (und eine Fahrt
in die Nähe von Düsseldorf erschien mir in dem Alter wie eine halbe Weltreise)
war mir aber nicht ganz geheuer, und ich schrieb daraufhin zurück, dass ich das
Ganze doch nicht wollte.
Eigentlich
war das Thema Fandom damit für mich erledigt, bevor es überhaupt begonnen
hatte. Aber Dieter ließ nicht locker, schrieb mir zurück nach dem Motto Beim
Treffen besteht natürlich keine Anwesenheitspflicht, und ein Brief kostet immer
das Gleiche, egal, wo man wohnt. Letztlich wurde ich dann doch Mitglied im
Horror-Magnet und erhielt regelmäßig das Pentagramm, das für mich etwas
völlig Neues war. Aus heutiger Sicht sehr einfach gestaltet, aber für
computerlose Zeiten wahrlich kein schlechtes Produkt.
Aus
dieser Zeit ist mir noch folgende Anekdote erinnerlich: Meine Tante wohnte
damals in einem superkleinen Kaff am Ende der Welt im hessischen Odenwald. In
diesem Dorf gab es damals (also etwa 1983) zwar einen Tante-Emma-Laden, der
jedoch weder Romanhefte noch die Fußballzeitschrift kicker führte. Kein
Problem: Mit dem Fahrrad waren die fünf Kilometer in die nächste Kleinstadt
schnell geschafft. Doch was für eine Enttäuschung erwartete mich dort: Das
Sinclair-Heft war schon mehrere Wochen alt und mir natürlich längst bekannt.
Erst später erfuhr ich den Grund für diese Pleite. Die Kleinstadt lag in
Bayern, und durch die Phasenauslieferung erschienen die Hefte hier neun Wochen
später als in Deutschland, äh, Entschuldigung, dem Rest von Deutschland...
Durch
das Pentagramm erfuhr ich auch, daß es außer John Sinclair noch andere
Gruselromane gab. Ganz besonders hatten es mir Professor Zamorra und Larry
Brent angetan. Beide Serien waren völlig anders gestaltet und gefielen mir
deutlich besser als der Inspektor von Scotland Yard. Zamorra hatte sich durch
das Engagement von Werner Kurt Giesa eher in Richtung Fantasy entwickelt, bei
Larry Brent gab es meistens irgendeinen wissenschaftlichen Hintergrund. Bei
Sinclair dagegen gab es immer die gleiche Dämonen-Suppe; John zog sein Kreuz,
und das Thema war durch. Dazu konnte Dan Shocker deutlich besser schreiben als
Jason Dark.
Nun,
da ich drei Serien sammelte, suchte ich natürlich regelmäßig - und mehrmals die
Woche die hannoverschen Romantauschläden auf. Es müssen damals um die 15
Stück gewesen sein, über das ganze Stadtgebiet verteilt. Mit dem Fahrrad habe
ich zwischen Stöcken und Wülfel, zwischen Vahrenwald und Linden so manchen
Kilometer zurückgelegt. Natürlich gibt es den Großteil dieser Geschäfte nicht
mehr. Meines Wissens existieren nur noch drei davon.
Aber
auch in fremden Städten war ich immer auf der Suche nach Romanläden. Da ich in
den Ferien immer wieder bei der besagten Tante war (die inzwischen wieder
direkt in Darmstadt wohnte), ließ ich auch in Südhessen viel Geld für Romane.
In
der Nähe von Darmstadt liegt die Burg Frankenstein. Hier traf sich der Dan
Shockers Fantastik Club, in dem ich inzwischen Mitglied war, mehrere Male.
Zweimal war ich auch dabei und lernte so Dan Shocker alias Jürgen Grasmück und
Leute aus dem Club wie etwa Uwe Schnabel kennen. Später nahm ich noch an
weiteren Marlos-Treffen teil und richtete den 1988er Con in Hannover selbst
aus. Später verschlechterte sich die Stimmung im Club rapide, und ich fuhr dann
nicht mehr auf Marlos-Cons, sondern trieb mich eher auf dem Buchmesse-Con rum.
So
etwa um 1985 herum ließ das Interesse für Sinclair völlig nach, und ich wandte
mich Professor Zamorra, dem Geister jagenden Parapsychologen aus dem
Loire-Schloß zu. Diese Serie habe ich von Band 1 bis etwa Band 200 nachgelesen,
habe dazu zu jedem Heft eine Inhaltsangabe geschrieben und ein Zamorra-Lexikon
erstellt. In dieser Zeit pflegte ich einen (für meine Verhältnisse) intensiven
Kontakt zu den Zamorra-Autoren Werner Kurt Giesa und Rolf Michael. Höhepunkt
dabei war ein Treffen mit Rolf, der gerade auf Verwandtenbesuch in Hannover
war, in der Gaststätte Frosch in Hannover, die heute noch existiert.
Die
Zeit von 1985 bis etwa 1990 war meine produktivste Zeit im Fandom. Ich schrieb
einige kurze Stories, jede Menge Rezensionen und Sach-Artikel (z.B. für
Merlins Stern und die Roman-Post von Rudolf Wildner), sammelte jede Serie,
die nicht bei drei auf den Bäumen war, hatte zu jeder Menge Leute Kontakt,
war in jedem Club Mitglied und arbeitete auch an einigen Projekten mit. Mir
fällt dabei der Omega-Plan ein, eine auf ca. 10 Ausgaben geplante Mini-Serie.
Ich glaube, davon sind nur drei erschienen. Eine davon enthielt eine längere
Story von mir, die ich heute als das beste betrachte, was ich für das Fandom
geschrieben habe.
Ganz
besonders erinnere ich mich an Kai Uwe Neubert. Irgendwann tauchte der wie aus
dem Nichts auf, wurde zum aktivsten Fandomler unter der Sonne, um dann von
einem auf den anderen Tag spurlos zu verschwinden. Ich habe nie wieder etwas
von ihm gehört.
Man
sagt, dass sich etwa alle sieben Jahre die Interessen der Menschen ändern. Bei
mir kommt das ungefähr hin. Ich war 13, als ich John Sinlcair und das
Horror-Fandom entdeckte, und etwa mit 22 ließ das Ganze dann nach. Ich war mittlerweile
berufstätig und fest liiert (übrigens noch mit derselben Frau wie heute), und
das Fandom stand nicht mehr an erster Stelle. Inzwischen hatte ich schon die
eine oder andere Serie verkauft, las zwar noch Fanzines, aber arbeitete nicht
mehr so aktiv mit.
Aus
dieser Zeit stammen meine einzigen eigenen Fanzines, nämlich Phantastic
Voyage und ein Zine zu irgendeinem Jubiläum von Werner Kurt Giesa. Auch die
Serie Brik Simon, die Volker Krämer schrieb, habe ich eine Zeitlang
herausgegeben.
Was
blieb, waren persönliche Kontakte zu Volker Krämer, Stefan Bayerl und Timothy
Stahl. Aber auch das hielt nicht ewig. Mittlerweile stehe ich nur noch Timmy in
losem Kontakt (das heißt etwa eine Email im Jahr). Volker und Stefan sind wie
so viele Fandomler spurlos verschollen, aber das bringt es wohl mit sich, wenn
beide Seiten das Interesse am einzigen gemeinsamen Hobby verlieren.
Im
letzten Jahr habe ich dann noch die letzten Schritte gemacht. Nahezu alle
Fanzines wurden bis auf die besten Artikel oder Stories dem Altpapier
übergeben, und meine komplette Larry Brent-Sammlung wechselte per eBay den
Besitzer. Geblieben sind nur ein paar ausgewählte Romane (z.B. der erste
Zamorra oder auch der SK 747, dessen Jubiläum wir in diesem Jahr feiern),
besagte Fanzine-Reste und die Sammlung von Jürgen Grasmück-Romanen, die nicht
in seinen Serien erschienen sind. Die Grasmück-Sammlung ist, soweit ich weiß,
sogar komplett und umfasst auch seltene 50er- und 60er-Jahre-Krimis. Übrigens
würde ich auch diese Sachen in gute Sammlerhände abgeben. Bei Interesse einfach
mal über die Redaktion anfragen.
Tja,
wie lautet das Fazit aus dieser Zeit? Es war eine schöne Zeit (ich denke an die
großen Pausen, in denen ich schnell mit dem Fahrrad nach Hause fuhr, um nach
Post, sprich neuen Fanzines, zu gucken). Stress, den es manchmal gab (im DSFC,
um die Fortführung der Larry-Brent-Reihe, um die Enthüllung, dass Helmut
Rellergerd doch nicht alle Sinclairs geschrieben hat), wirkt im Nachhinein
völlig belanglos. Viel habe ich nicht ins heutige Leben mitgenommen, aber ich
bedauere das nicht wirklich. Heute gibt es für mich andere Dinge.
Aber
das heißt nicht, dass ich nicht doch manchmal die eine oder andere Homepage im
Internet aufsuche und mich an die alten Zeiten erinnere. Und wenns mich doch
mal packt - der eine oder andere Roman liegt noch gut verstaut im Schrank...
© 2008 by Peter Roegner
Kommentare
Peter, ich wünsche dir alles Gute.
Über alle anderen Krimis, Western, SF und über die Leihbücher können wir aber reden.