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Wer heute ein anständiges Multiplex vor der Tür stehen hat, dem dürfte der Begriff der Matinee langsam abhanden kommen. Besagtes anständiges Multiplex beginnt grundsätzlich seine ersten Vorstellungen lange vor zwölf Uhr mittags, mit jedem seiner Filme. Vor vielen tausend Jahren waren die Matinee-Vorstellungen mehr auf den Sonntagvormittag ausgerichtet, damit Mutti in Ruhe dem Schweinebraten den letzten Schliff geben konnte. Derweil bekamen Papa und Anhang steife Hälse, weil Junior sich eingebildet hat, man müsse unbedingt weit vorne sitzen.

Ja, es gab eine Zeit, als es noch keine Amphitheater-Ränge in den Kinos gab.

Meine erste Matinee, an die ich mich erinnern kann, war das Dschungelbuch. Sie nannte sich bei uns allerdings Frühvorstellung, weil wahrscheinlich keiner wusste, wie man Matinee buchstabiert. Ich war fünf und wollte auf Grund dieser Vorstellung Schauspieler werden, weil Baloo so ein großartiger Darsteller war. Ja, auch das ist richtig: Es gab mal eine Zeit, da schrieb man den Bären mit zwei O. Und weil wir dabei sind, Bagheera schrieb sich auch ganz anders. Rechtschreibreform in Disneyland. Haben wir mittlerweile nur Deppen geboren?


An dem Ort, an dem ich meine erste bewusste Matinee-Vorstellung hatte, ist 1975 ein McDonald entstanden. Das Kino damals hieß, und das ist mal kein Witz, Bambi. Bambi musste McDonalds weichen. Und weil damals schottisches Essen wirklich angesagt war, besuchte ich häufig das neue Restaurant. Trotz meines kümmerlichen Alters und noch frei von Altersstarrsinn und Aberglaube setzte ich mich an den Tischen immer so, dass ich in Richtung der ehemaligen Leinwand blickte. Wie so mancher zu seinen Obsessionen kommt, ist schon erstaunlich. Meine begann im Bambi (und das hieß wirklich so).

Ein ordentlich geführter Haushalt lässt es zu, dass man ab und an einen zu früh begonnenen Sonntagmorgen mit einem netten Film abkürzt. Zum Beispiel mit John Landis’ erstaunlichem Frühwerk Schlock. Nach der erschütternden Absurdität von Kentucky Fred Movie schickte man sich auch in Deutschland an, schnelles Geld mit gerade populären Namen machen zu wollen. Dass Schlock zu diesem Zeitpunkt schon zehn Jahre alt war, störte niemanden, außer vielleicht das Publikum. 1983 war die Zeit dieser Perle längst vorüber, und man verwehrte dem Film den Erfolg, der ihm zustand.

SchlockMit 60.000 Dollar, die sich Regiedebütant John Landis bei Familie und Bekannten zusammenlieh, entstand ein so absurder Film, dass man über seine Qualität stundenlang kontrovers diskutieren könnte, ohne zu einem Ergebnis zu kommen. Tiefgründigkeit paart sich mit Slapstick, der Genius kreuzt Infantilität. Mit Schlock gibt Regisseur und Autor Landis alles. Im wahrsten Sinne der Worte.

Das Schlockthropus ist jenes berüchtigte fehlende Glied, das die Wissenschaft noch immer glaubt suchen zu müssen. Noch nach Jahrtausenden konnte ein Exemplar im wüsten Umland von Los Angeles überleben. Zu einem hohen Preis, weil schon Hunderte von Menschen dem aufrecht gehenden Mischling aus Affe und Mensch zum Opfer fielen. Doch Detectiv Wino und Professor Shlibovitz (!) sind dem Geheimnis der an den Tatorten zurückgelassenen Bananenschalen auf der Spur. Das Schlockthropus verliebt sich währenddessen in die blinde Mindy. Und Mindy verliebt sich in das Schlockthropus, weil sie es für einen Hund hält. Es kommt, wie es kommen muss, zu einer der bleihaltigsten Konfrontationen der Filmgeschichte.

Schlock mit Joe Putzman (Eric Alison)Selbst bei diesem geringen Budget sind Rick Bakers Maske und Kostüm ein Volltreffer. Mit Schlock hat sich Baker den Weg geebnet, der unangefochtene Meister von filmischen Affenmasken weltweit zu werden. King Kong, Gorillas in the Mist, Greystoke, Planet der Affen und so weiter, und so weiter. Und John Landis? Aus dem wurde auch ein ganz Großer, wenngleich ihm die Dreharbeiten zu Twilight Zone erhebliche Schwierigkeiten brachten. Aber nichts geht über die zügellosen, extrem anarchischen Unausgewogenheiten eines Schlock, bei dem nichts zu stimmen scheint und trotzdem alles bestens ist. Landis konnte es sich dank seines geringen Budgets noch nicht einmal leisten, seine vielen Filmzitate richtig auszuspielen. Und doch ist alles vorhanden. Das Monster, die Liebe, das Unverständnis und die National-Garde.

SchlockNein, ein wirklich guter Film ist Schlock wahrlich nicht. Doch er macht Spaß, ohne gleich die bösen Worte Kult oder Trash in den Mund nehmen zu müssen. Die teilweise aberwitzigen Situationen mit dem haarigen Zausel in unserer sauberen Vorstadt-Welt sind sich einfach selbst genug und manchmal echte Schenkelklopfer. Es ist einer der Filme, die man in meinem Bambi-Filmtheater gespielt hätte, weil die modern aufgerüstete Konkurrenz die kassenträchtigeren Filme von den Verleihern zugesprochen bekam. Und ich stelle mir vor, wie ich mich im zarten Alter über diese Albernheit scheckig gelacht hätte. Schlock hätte ich im Bambi wahrscheinlich von dem Platz aus angesehen, an dem McDonalds jetzt seine Tablettwagen stehen hat.

Nein, kein Kult, kein Trash, vergessen wir das. Schlock ist einfach nur ein klein wenig absurd. Und wenn er auch heute schon sehr angestaubt und an manchen Stellen auch angestrengt erscheint, war er doch der erste Film, der sich hemmungslos und ungeniert seinen filmischen Zitaten verschrieben hat. Ausufernder, wilder und böser wird es erst Jahre später. Mit Kentucky Fried Movie – von John Landis.

Schlock
Darsteller: John Landis, Saul Kahan, Joseph Piantadosi, Eliza Roberts, Tom Alvich, Harriet Medin, Eric Allison u.a.
Regie & Drehbuch: John Landis; Kamera: Robert E. Collins; Bildschnitt: George Folsey Jr.; Musik: David Gibson; MakeUp Artist: Rick Baker
USA / 1973; circa 80 Minuten  
 
 

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