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Der Magier, das Grautier und der Schuft...

Teestunde mit Rolf...Heute geht es um den Film zur Serie „Der Magier“, der da „Das Grauen aus der Gruft“ betitelt war. Rolf erzählt über die Widrigkeiten des Drehs und andere Probleme...

Der Magier, das Grautier und der Schuft...

Wie in der letzten Teestunde erzählt, haben wir mit dem Streifen „Draculord“ Werners ersten Film gedreht und dabei so unsere Erfahrungen gesammelt. Und nun brannte Werner darauf, einen richtigen Spielfilm mit Handlung zu drehen. Und zwar möglichst eine Filmhandlung, wie wir sie in Romanen beschrieben.

Irgendwann im Frühjahr 1982 war es soweit. Die Tage brachten längeres Licht und Werner war voller Tatendrang. Diesmal sollte ein abendfüllender Spielfilm realisiert werden.  Natürlich mit einer Handlung aus eigenem Ideenpotenzial. Und weil ich inzwischen voll im Heft-Geschäft, sprich im „Zamorra“  Fuß gefasst hatte war klar, dass Werner und ich die Filmhandlung gemeinsam erfinden würden.

 

 

Eine Film-Story zu erfinden, ist Werner und mir noch nie schwer gefallen - vor allem in den Zeiten, als wir beide noch nicht verheiratet waren, ergänzten sich unsere Ideen aufs Vorzüglichste.

Werner war recht oft zu Besuch in Helleböhn. Es wurden dann immer lange Nächte, denn zwei Wellensittiche (Perry und Moni), ein Hamster (Nadomir), ein Meerschwein (Cleopatra) und ein Kaninchen (Cäsar) lassen einen Ungeübten erst nach einem gehörigen Schlummertrunk in Morpheus Arme sinken. Ich war es ja gewöhnt, dass in der Nacht das „Karnickel“ und die „Seesau“ raschelte und Nadomir in seinem Laufrad Langstrecke lief. Aber Werner ist manchmal fast verrückt geworden.

Nach meinem Umzug aufs Land nach Ahnatal war Werner fast an jedem Wochenende da, denn da standen die lieben Tierchen dann in meinem separaten Arbeitszimmer. Nur 'Wotan', der Rabe, saß während der langen Nächte auf meiner Schulter und gab verschlafen krächzend seine Kommentare. Das war die Zeit, wo Werner und ich gemeinsam Ideen entwickelten, die in der 'Zamorra'-Serie bis heute noch nicht vergessen sind.

Anno 1982 hatte Werner dann genügend Geld und Enthusiasmus, ein neues Film-Projekt zu verwirklichen. Ursprünglich wollten wir schon damals einen Zamorra-Roman verfilmen.  Doch bei näherer Überlegung wussten wir nicht, wie wir diesen von der Sache her aufwändigen Stoff mit unserer spärlichen Trick-Technik realisieren sollten. Der 'Meister des Übersinnliche' schied bei der Planung also erst mal aus.

Auch eine Ren-Dhark-Verfilmung war im Gespräch. Nach einem Wochenende Brain-Storming hatte Werner das Drehbuch schon geschrieben. Aber auch der 'Weg ins Weltall' scheiterte an den zu erwartenden immensen Kosten für die Ausstattung. So ganz einfach war die Zentrale der 'Point-Of' trotz aller Abstriche auch aus Pappe und Silberfolie nicht herzustellen. Und einen geeigneten Studio-Raum für Innenaufnahmen fanden wir auch nicht. Werner war zwar der Meinung, mein Wohnzimmer würde ausreichen, wenn man die Möbel in den Garten stellte und mit viel Pappe und Silberfolie einige Steuerpulte bastelte, aber ich gestehe, dass ich ihm das ausgeredet habe. Irgendwo hat alles seine Grenzen - und die fangen bei meinen privaten Gemächern an.

Allerdings gab es tatsächlich einige Vorbereitungen für einen 'Ren-Dhark'-Film, weil wir am Schaltpult der Technik im Bürgersaal des Kasseler Rathauses mit Monitoren etc. eine Art Raumschiff-Zentrale hätten nachstellen können. Und in einem der recht ehrfurchtgebietetenden Konferenz-Zimmer hätte die terranische Regierung von Alamo-Gordo Platz nehmen können. Mein Bruder Peter war damals für die Rolle des Ren Dhark vorgesehen, Dan Riker und Anja Field sollte ein 'jugendliches Heldenpaar' aus unserer damaligen Langlaufgruppe übernehmen. Eine Insekten-Maske war ebenfalls vorhanden, so dass ein Vertreter der Nogks mitgewirkt hätte.

Auch unserem verstorbenen Freund Kurt Brand wollten wir einige Szenen schreiben, die wir dann in Kaltern aufgenommen und in den Film eingefügt hätten...wenn ich mich nicht irre war es die Rolle des wiedererstandenen Sam Dhark. Ach ja, Werner wollte in diesem Film den 'Intriganten' spielen, ich hatte mir die Rolle des Henner Travisheim rausgesucht und wenn ich nicht irre, war Hans Klipp für die Rolle des Bernd Eylers vorgesehen.

Aber wie schon gesagt, es wurde nichts draus und ich habe die geplante Handlung wie auch den Titel vergessen. Nur Crom mag wissen, ob Werner noch ein Exemplar des damaligen Drehbuches hatte – und wenn ja dürfte das mittlerweile auch den Gang alles Irdische gegangen sein. Eine Ren-Dhark- oder Professor-Zamorra - Verfilmung war für uns also einige Stiefelnummern zu groß.

Nach langer Suche nach einem geeigneten Filmstoff fiel uns  der 'Magier' ein.

Das Konzept der 'Magier'- Serie war gerade so weit, dass Werner und ich die ersten Romane schrieben, als das Filmprojekt konkret wurde. Auf die Magier-Serie will ich hier und jetzt nicht weiter eingehen, weil ich das schon in anderen Teestunden getan haben.

Dan Shocker war erst gar nicht begeistert von dem Film-Projekt. Er fürchtete, um sein Geheimnis. Später aber ließ er sich doch überreden - und grinst sogar mit Vampir-Gebiss im Vorspann auf der Leinwand.

    Der Arbeitstitel des Streifens lautete "Bald ist die Zeit veronnen". Da das aber wenig klangvoll und noch weniger aufreißerisch war, änderten wir den Titel bereits während der Dreharbeiten in:

"DAS GRAUEN AUS DER GRUFT"

Und mein Bruder Peter, in diesem Film unser Hauptdarsteller, der für seine spitze Zunge normalerweise einen Waffenschein benötigt, änderte den Titel auf seine Art in 'Das Grautier und der Schuft'.

Die Handlung des Films konzipierten Werner und ich während einer der vielen legendären Bier-Konferenzen in gemeinsamer Arbeit. Wir wussten, was wir an Requisite zur Verfügung hatten und konnten danach die Szenen planen. Und das gütige Schicksal verschaffte uns einige Girlies, die unwahrscheinlich gern Filmstars werden wollen - auch, wenn’s kein Geld brachte.

Durch ihren Vater, mit dem ich im Rathaus zusammenarbeitete, lernte ich Christina Berninger kennen. Richtig, das ist die Tina Berner aus den früheren Zamorra-Bänden. Die war damals süße Sechzehn und brachte ihre Freundinnen mit, die Werner und mich so richtig inspirierten. Die Girlies waren noch begeisterungsfähig, und problemlos zu motivieren... damals jedenfalls.

Besonders von Sandra Bätzing, die später als Sandra Jamis im Zamorra eine größere Rolle spielen sollte, waren wir sehr angetan. Sandra passte genau ins ursprüngliche Konzept des Films, dessen Drehbuch selbstverständlich im Verlauf der Dreharbeiten öfter geändert wurde als die politische Konzeption der Bundesregierung.

Denn Roy de Voss, der Magier und Oberheld der Serie, hatte in Yani Atawa bekanntermaßen eine Japanerin als Freundin. Wo aber, beim heiligen Hirohito und im Namen aller Götter Nippons, findet man eine Japanerin, die wir nicht extra aus dem Lande der aufgehenden Sonne einfliegen mussten, um eine Hauptrolle in unserem Film zu spielen?

Sandra Bätzing hatte, als wir sie kennen lernten, glatte, dunkle Haare und eine Gesichtsform, die man mit etwas Make-up zur Japanerin stylen konnte. Werner und ich jubelten. Da hatten wir unsere Yani Atawa.

Roy de Voss, den Magier und Serienhelden, sollte mein Bruder Peter darstellen. Werner bekam die Rolle des schwarzen Geister-Grafen und ich hatte die Ehre, den Sternenlichtzauberer Chris Johnson darzustellen. Sei noch die Nebenrolle von Willibald erwähnt - Werners Skelett, dass ihm frevelnde Hände vor einigen Jahren auf dem Zeltplatz in Wallenstein gestohlen haben. Möge Odin den Dieb in den Eisstrom von Hel-Heim stoßen.

Bevor ich die eigentliche Film-Handlung beschreibe, muss ich zum besseren Verständnis zur Handlung der ‘Magier-Serie’ doch noch Verschiedenes erklären. Der 'Magier' war für den Zauberkreis-Verlag kein besonderer geschäftlicher Erfolg und die wenigsten Phantastik-Fans der heutigen Tage kennen die Hintergründe dieses heute fast vergessenen literarischen Produktes. Deswegen zum besseren Verständnis hier eine kurze Einführung in die Rahmenhandlung vom ‘Magier’.

Roy de Voss, ist ein holländischer Öl-Magnat, gegen dessen Finanzen J.R. Ewing wie ein Sozialhilfeempfänger wirkt. Dieser Herr mit Hauptwohnsitz in Amsterdam wird bei einer Show im Variete mit der Macht des Bösen, vertreten durch den Schwarz-Zauberer Magiron, konfrontiert. Man beachte beim Oberschurken schon die geistvolle, den Vorschriften des Heftromans völlig angepasste Wahl des Namens.

Der Zauberer Ma-Ghone, der als Monstrum in einem schottischen See haust, macht Roy zum Erben seines Ringes (Armreif) und nennt ihn den 'Magier'. Zusammen mit Yani Atawa, seiner japanischen Freundin, führt Roy de Voss als „der Magier“ einen zamorra-haften Kampf gegen das Böse.

Einer seiner Mitstreiter ist der Abenteurer und Sternenlicht-Zauberer Chris Johnson, so eine Art Ahnherr von Robert Tendyke, den Werner damals noch nicht erfunden hatte. Johnson vermag perfekte Illusionen aller Art zu zaubern - jedoch nur so lange, wie die Sterne am Himmel strahlen. Da die Serie damals angeblich auf real geschilderte Ereignisse basieren sollte, steht im Vorspann des Filmes zu lesen, dass die Story auf einer wahren Begebenheit basiert und an Originalschauplätzen gedreht wurde.
 
Nun ja, die Menschheit glaubt so viele Dinge, warum nicht auch so was.

Das mit den ‘Dokumenten des Unheils’ , die ein gewisser, unter mystriösen Umständen zu Tode gekommener Erik van X aufgezeichnet hat, war natürlich eine der typischen Dan Shocker-Ideen. Jürgen  meinte, dass sich die Romane mit einem Anspruch auf reale Ereignisse  besser verkaufen.

Die Filmstory ist innerhalb der Serie nie erschienen, weil sie zu früh dicht gemacht wurde. Werner hat „Das Grauen aus der Gruft“ aber  später zu einem Zamorra-Roman umgebaut - wenn ich mich nicht irre hieß er: „Der Blutgraf erwacht“.

By the way, Werner hat auch noch zwei oder drei andere Manuskripte vom Magier, die wegen der Serienschließung nicht mehr angenommen wurden, mit Abänderung der Namen im Zamorra versteckt. Einigen Fans ist das damals aufgefallen, weil man in der Setzerei (damals wurde noch nicht mir Computer geschrieben und das Manuskript per Diskette oder E-mail abgeliefert) vergessen hatte, den Namen ‘Yani Atawa’ durch ‘Nicole Duval’ zu ersetzen.

Werner brachte damals dann die Erklärung, dass der Setzer eben ‘Magier-Fan’ gewesen sei und das verwechselt habe. So eine an den Haaren herbeigezogene Ausrede wäre sicher nicht mal dem Bundespresseamt eingefallen.

Eigentlich hatte ich das ja schon alles lang und breit in den früheren Teestunden erzählt – aber ich wollte den Artikel nicht kürzen – und vielleicht sind ja auch noch „Zugestiege“ dabei, welche die alten Teestunden nicht gelesen haben.

Nun aber zur Film-Handlung  'DAS GRAUEN AUS DER GRUFT':

Die Story beginnt wie eine B-Produktion Hollywoods aus den seligen 50ern. Drei Mädchen (Christina, Sandra und Regina) machen einen Ausflug zu einer Burg und finden in einem Verlies ein Skelett  (diese Charakterrolle wurde von Willibald meisterhaft gespielt). Übermütig rufen die Girls nach dem Schlossgespenst. Der herbeigerufene Geist erscheint auch in Gestalt eines schwarzen Ritters (Werner - oder wer?), mit dunkler Rüstung, Helm und Schwert. Na, wer wäre bei so drei hübschen Mächten nicht erschienen? Aber weil es sich hier eben um einen „Horror-Film“ handelt, ist das eben kein so liebes Gespenst wie „Hui-Bu“ oder „Casper“.  

"Ihr habt mich gerufen - nun bin ich bei euch! Und ich werde euch finden! Bald ist die Zeit verronnen...!" - Aha, daher der Arbeitstitel...

Die erschreckten Mädchen fliehen - aber der Geist ist unsichtbar immer um sie. Auch im Schlafzimmer Tinas erscheint der unheimliche Gast und sein Kopf wird zum Totenschädel, der ihr den nahen Tod verkündet.


Vor einer Eisdiele erzählt Tina ihren Freundinnen davon. Auf einer Brücke  im Wald erscheint der Geistergraf und weist auf Regina - sie ist ihm verfallen. Zauberei lähmt die Bewegungen der Erwählten, während Tina und Sandra entfliehen können.

Roy de Voss, Magier und Held seines Zeichens, der mit Chris Johnson unterwegs zu einem Magier-Convent ist, erkennt durch Ma-Ghones Ring die Gefahr. Der Ring weist ihnen den Weg – und der Magier ist noch rechtzeitig zur Stelle, um einzugreifen.

Aber obwohl Roy den Geistergrafen stellt und bekämpft (ein Stock wird durch die Magie des Ringes zum Schwert) gelingt es diesem, mit seinem Opfer zu fliehen. Ma-Ghones Ring zeigt dem Magier jedoch den künftigen Fluchtpunkt.

Das  ist natürlich die alte Burgruine. Tina und Sandra kommen hinzu und wollen Roy den Weg zur Burg beschreiben. Die Szenen wechseln zwischen der Autofahrt und dem schwarzen Geistergrafen, der die sich windende Regina gefesselt hinter sich her zieht.

Auf der Burg angekommen, werden die beiden Girlies von Roy in den Turm gewiesen, damit sie beim Kampf mit dem Unheimlichen nicht zu Schaden kommen können. Roy versiegelt die Tür zur Gruft auf magischem Wege durch Zaubersprüche. Also kann der Graf mit seinem Opfer nicht mehr in seine Gruft fliehen.

Dann überlässt Roy de Voss den Zauber-Ring Ma Ghones seinem Freund Chris Johnson, damit dessen Illusionen auch bei Tage wirken. Denn der Magier muss sich zurückziehen, um in höchstkonzentrierter Meditation Kräfte zu sammeln.

Es gelingt dem Sternenlichtzauberer, den Geistergrafen mit seinen Illusionen eine Weile aufzuhalten. Obwohl dieser mit gezücktem Schwert auf ihn eindringt, gelingt es Chris, mit kleinen, lustigen Zaubereien den Angriff zurück zu schlagen. Beispielsweise wird das Schwert des Grafen durch Zauberei in einen Blumenstrauß verwandelt, bevor es den Sternenlichtzauberer treffen kann. Das war einer jener spontanen Gags, die uns während der Dreharbeiten einfielen.

Dann aber schlägt der Graf zurück. Auch er versteht die Macht der Magie und Chris Johnson geht mit blutüberströmtem Gesicht zu Boden. Während der Graf die flüchtige Regina durch seine Zauberkräfte wieder heranholt, findet der Magier den sterbenden Freund. Die Kraft des Ringes mit den uralten Zaubersprüchen: "Chraiy, Chamaiy, Fathiyj, Khumaiy" heilt Chris Johnson zwar - aber er ist zu schwach, um Roy weiter gegen den Geistergrafen beizustehen. Der Magier muss alleine gegen diesen mächtigen Gegner kämpfen.

Die magische Versiegelung der Tür hat gewirkt. Noch während der Geistergraf wütet, erscheint Roy und Regina kann fliehen. Es folgt ein Schwertkampf, bei dem der Graf Roy ständig in andere Dimensionen mitnimmt, in denen er Vorteile hat. Zitat: „Du wirst mir folgen durch Zeit und Raum...“.

Dann gelingt es Roy, mit der Kraft des Zauberringes das Schwert des Gegners auf magischem Wege davon schweben zu lassen. Der Geistergraf will in seine Gruft entfliehen - doch Roy klammert sich an ihn und macht den Dimensionssprung mit.

Vor dem Tor der Gruft erreicht Roy den Geistergrafen und durchstößt ihn mit dem Schwert. Der Graf macht sein Sterbchen und wird zum Skelett (noch eine Charakterrolle, die nur Willibald darstellen konnte).

Mit Ma Ghones Ring gibt der Magier dem Geistergrafen Frieden. Per Überblendung verschwindet was Skelett. Am Schluss sind alle lachend vereint -- wie in Filmen dieser Art so üblich. Licht an, der Vorhang schließt sich, das Publikum geht..
 
Das war also in kurzen Zügen die Handlung eines Filmes, der unter den unmöglichsten Bedingungen gedreht wurde.

Der Ärger ging gleich am ersten Drehtag los. Die Rolle der Yani Atawa musste nämlich entfallen. Pünktlich zum Drehtag hatte sich Sandra Dauerwellen legen lassen, weil sie drei Tage später zu ihrer besten Freundin zur Konfirmation musste. Sie fand es schön – und wir waren entsetzt. Denn nun sah unsere Sandra einer Japanerin gar nicht mehr ähnlich.

Bei den ersten Aufnahmen, die wir drehten, waren es auch mehr als drei Girls. Tina und ihre Freundinnen hatten in der damaligen 'Star-Wars'- Euphorie einen Phantastik-Club gegründet und gaben das Magazin 'Sun-Rider' heraus - das nach der Nummer Eins aus Lustlosigkeit wieder eingestellt wurde. Aber wenigstens hatte Werner für „Sun-Rider“ das Titel-Cover geliefert, was beim ersten Ansehen Klein-Mädchen-Gekichere hervorrief. Nun ja, wir alle kennen ja Werners Zeichnungen.

Bei den ersten Außenaufnahmen in Frühjahr auf Burg Wallenstein wurde mehr gegackert und gekichert als ordentliche Szenen gedreht. Aber wer will hübschen Mädchen böse sein. Werner kurbelte viel Material herunter - dann fing es an zu regnen und die Arbeiten wurden eingestellt.

Bei Wolken kann man nicht filmen und Beleuchtung hatten wir keine - auf der Burgruine hätten wir auch keinen Strom dafür gehabt. Und als der Regen vorbei war, mussten die Girlies nach Hause und sich für das Saturday-Night-Fever fertig machen. Also wurde beschlossen, die Dreharbeiten am nächsten Wochenende fortzusetzen.

Aus Gründen, die ich heute vergessen habe, verschleppte sich das Projekt bis Ende August. Ich war gerade nach Ahnatal (eine Großgemeinde nahe meiner Heimatstadt Kassel) in eine größere Wohnung umgezogen, als Werner drängte, den Film endlich fertig zu machen. Eine Sichtung des vorhandenen Materials zeigte uns, dass davon absolut  nichts zu verwenden war, weil die meisten Mädchen kein Interesse mehr an dem Projekt hatten. Die erste große Liebe und so was... zähneknirschend spielten Werner und ich die Verständnisvollen.

Nur Tina und Sandra waren noch dabei - und Regina Stübgen, die in meinem Amt bei der Stadtverwaltung Kassel damals für einige Wochen als Auszubildende war. Regina war schon damals nicht nur eine absoute Schönheit, die nur das Pech hatte, dass sie nicht an Stelle von Claudia Schiffer entdeckt wurde, sie interessiert sich für alle ungewöhnlichen Dinge. Ein Film, der da gedreht wurde – das war doch was für sie.

Regina Stübgen sah (und sieht auch heute noch) aus, wie sich Werner Teri Rheken vorstellt und hat ein unglaubliches schauspielerisches Talent. Am Rande sei erwähnt, dass sie später über viele Jahre im Rahmen der Werbung für die Deutsche Märchenstraße das Dornröschen darstellte und selbst in Japan unsere Stadt vertreten hat. Im Zamorra habe ich sie als Regina Stubbe geschildert - besonders im 'Disco-Vampir' treten ihre Eigenschaften klar hervor.

Regina ist ein echtes Sonnenmädchen, das stets die ganze Welt umarmen könnte. Obwohl sie nie einen Grusel-Roman gelesen hat, verstand sie sofort, wie wir uns die Film-Handlung vorstellten und wie sie ihren Part zu spielen hatte. Sie guckte in den Spiegel, schnitt Grimassen - und brachte dann total überzeugend ihre Rolle.

Dass das bei den beiden anderen Girls nicht unbedingt so war und Regina nach diesen ersten, hier geschilderten Drehmomenten zum absoluten Filmstar der Lamontschen Produktionen aufstieg, soll die kurze Schilderung nachstehender Szene beweisen.

Wir beschlossen, eine Innenaufnahme an den Anfang der neuen Dreharbeiten zu stellten. Gekurbelt wurde in meiner alten Hochhauswohnung in Helleböhn (Insidern als ‘Turm des Schreckens’ bekannt), die inzwischen mein Bruder Peter bezogen hatte. Wie schon erwähnt, stellte mein ‘kleines Brüderchen’ (14 Jahre Altersunterschied) unter seinem Pseudo 'Karolus von Twerne' den Roy de Voß dar.

Die Szene: In Angstträumen wirft sich ein Mädchen im Bett hin und her. Aus dem Nichts erscheint der Geisterritter. Das Girl erwacht, erschrickt und zieht sich die Decke über den Kopf.

Peter war an der Kamera, ich führte bei dieser Szene Regie, da Werner als Geisterritter der Akteur war. Sandra sollte das von Alpträumen gepeinigte Mädchen darstellen.

Da wir grundsätzlich ohne Ton drehten (die Filme wurden nachvertont), bestand die Möglichkeit für klare Regie-Anweisungen. Und die bekam Sandra auch ganz klar und deutlich gesagt.

Aber anstatt das sie sich unter der Bettdecke in Fieberträumen drehte und herum warf (selbstverständlich voll bekleidet - Sandra ist ein anständiges Mädchen und dachte gar nicht daran, hier eine Szene in Unterwäsche hinzulegen), begann die Decke zu hüpfen, wie ein Lämmchen auf der Osterwiese. Sandra war darunter am Kichern und konnte sich nicht beherrschen. Verständlich, weil Werner in seiner Kostümierung nach den heutigen Vorstellungen des Horrorfilms nicht einmal die lieben Kleinen aus dem Kindergarten erschreckt hätte. Aber unser Kostümfundus ist nun mal arg begrenzt.

Sandra kicherte also - und die Szene war im Eimer. Wieder einige Meter Film zum Teufel - weil die Kamera vorher durch das Zimmer wanderte und sehr genau auf dem letzten herausgekommenen Zamorra verweilte - vom 'Magier' kam der erste Roman erst zwei Wochen nach diesem Drehtag. Also noch mal von vorn - bis zur Bettdecke. Und die  hüpfte schon wieder. Sandra konnte sich einfach nicht beherrschen.

Beim dritten Versuch hüpfte die Decke immer noch - aber nicht mehr so arg...also 'Action'. Fröhlich wie ein 'Good-Morning-Girl' der Fernsehwerbung tauchte Sandra aus den Federn, bekam einen Lachanfall, als sie Werner erblickte und rollte sich kichernd unter die Decke. "Aus ...aus...aus...gestorben...“ - jedenfalls Sandras Film-Karriere.

Ich tat, was jeder brave Hollywood-Regisseur auch getan hätte - ich strich Sandra die Szene. Ab dato war sie in diesem Film nicht mehr als schmückendes Beiwerk und brauchte nur noch hübsch zu sein. Tina stieg problemlos ins Bett (natürlich auch bekleidet - in diesen Dingen ist die Christina Berninger mit der Tina Berner aus dem Zamorra nicht identisch) und mit einer einzigen, kaum wahrnehmbaren Panne (ihr prüfender Blick zur Regie, ob sie sich jetzt unter der Decke verkriechen könnte) passte die Szene ohne jede Probe im ersten Anlauf.

Und da haben wir eine der großen Achillesfersen unserer Produktionen. Da Filmmaterial teuer ist, konnten wir, d.h. Werner, es sich nicht leisten, Szenen mehrfach zu drehen. Jeder halbwegs brauchbare Meter wurde akzeptiert. Und da die Zeit an den Dreh-Wochenenden noch knapper war als die Finanzen, bestand kaum die Chance, eine Szene mit den Darstellern einige Male zu proben.

Alles musste sofort sitzen. Denn wir hatten zum Drehen nur die Wochenenden - und da auch nur die Samstage. Dazu war alles eine Frage des Wetters und des Tageslichts. Außerdem durften sich die Dreharbeiten nicht über einige Wochen hinaus ziehen - da sonst der grüne Sommerwald zum bunten Herbstwald geworden wäre.

Bei den folgenden Aufnahmen brillierte Regina und avancierte auf der Stelle zum weiblichen Star. Täuschend echt wandt sie sich in den Fesseln des Geistergrafen, der sie durch eine öde Gegend, genannt die Dönche. Das ist heute ein Naturschutzgebiet, war damals ein Wildergelände und noch früher  ein ehemaliger Truppenübungsplatz in Kassel, den ich seinerzeit achtzehn Monate als Bundes-Landser, d.h. Panzergrenadier aus der Froschpespektive erleben durfte.

Bedauerlich ist, dass wir im Hintergrund der Szenerie der öden Heidelandschaft einige mächtige Baukräne mit aufgenommen haben - auch eine Art von Horror Das waren die Kräne, mit denen damals die weltbekannte „documenta-urbana“ gebaut wurde, die Zukunftsvision moderner Architekten auf die Struktur und das Leben einer Siedlung von Morgen. Allerdings – diese Art von Häusern und dieses Siedlungskonzept sind bisher einmalig geblieben. Documenta-Kunst eben – nicht das, was sich als Wohnkultur allgemein durchgesetzt hätte.

Eigentlich wollte Werner für die Szene, in der der Geistergraf seine Gefangene verschleppt, ja - hurre, hurre, hop, hop, hop - als Geisterreiter mit wehendem Mantel per Pferd über die Leinwand preschen. In einem professionellen Streifen hätte das sicher richtig romantisch ausgesehen.

Aber das Problem war hier nicht nur das Pferd, sondern auch der Reiter. Weil der Reiter nämlich eigentlich gar keiner war...

Die Sandra ist eine vorzügliche Reiterin und hätte auf die Entfernung die Regina bei einem „Höllenritt“ schon gedoubelt. Aber auf dem uns bekannten Ponyhof konnten wir anstelle des drehbuchgerechten nachtfarbenen Hengstes nur ein altes Fjordpferd bekommen. Und das wäre höchstens in einen Trab gefallen, bei dem man ihm die Hufe beschlagen kann. Dadurch hätte sie Szene beim Zuschauer dann kein romantisches Grauen, sondern ungebremste Heiterkeit hervorgerufen.

Naja, nicht nur wegen des edlen Rosses, sondern auch, weil Werner trotz Western-Kleidung nicht zu den erfahrenen Reitern gehört, änderten wir den Part.(Über unsere Reiter-Abenteuer berichte ich in der Teestunde ein anderes Mal)  Vielleicht hatte sich Werner das so vorgestellt, dass er dann hinter Sandra in den Sattel gestiegen wäre und mit ihr einen Teil der Polonaise-Blankenese lifehaftig durchgeführt hätte...die mit Erwin und der Heidi... ha, was habe ich heute wieder für schmutzige Gedankengänge.

Trotzdem gut, dass die Pferde-Reit-Szene schon in der Planung gestorben war, sie wäre nur lächerlich geworden und W.K. hätte sich bei dem „Stunt“ vielleicht „ein Ohr gebrochen“.

Eine ähnliche Pleite passierte bei den Aufnahmen, als Roy de Voß und Chris Johnson im Auto fahren.

Mein alter Daimler (die legendäre ‘Glarelion’) eignet sich recht gut als Auto für einen Gulden-Baron aus dem Lande des Kaas-Köppe. Für die Aufnahmen im Inneren des Wagens benutzen wir unbelebte Straßen in Helleböhn. Werner saß auf der Kühlerhaube des Autos und filmte in den Innenraum, während ich im Schleichgang durch die Straßen fuhr, die ausschließlich zu Garagen führte. Und in diesen Seitenstraßen sind Autos so häufig, wie sie sich unser Magistrat in der Innenstadt wünscht.

Dass Werner dabei den kleinen Jungen mitfilmte, der unsere Nobel-Karosse made im Schwaben-Ländle auf dem Fahrrrad überholte, ruft bei jeder Filmvorführung immer wieder ungebremste Heiterkeit hervor. Wäre ich aber schneller gefahren, wäre Werner vielleicht lifehaftig zum Geisterritter geworden.

Einige Knoten schneller gefahren und man hätte sagen können: „Ist es ein Vogel? Ist es ein Flugzeug? Nein – es ist W.K. Giesa...“.

Immerhin saß Werner ja völlig ohne Sicherung auf der Motorhaube und wäre bei rascherer Fahrt sicherlich abgerutscht. Also mussten wir die Szene so übernehmen.

Wilde Kämpfe mit Schwert und Streitaxt ist man auf der Burg von Wallenstein schon gewöhnt, wenn wir anrücken. Deshalb ruft keiner der dortigen Eingeborenen die Polizei, weil er dahinter vielleicht die Aktivitäten einer so genannten Wehr-Sport-Gruppe vermutet. Auch Willibald (den ein von Crom zu verdammender Dieb gestohlen hat), unser Skelett, ist dort bestens bekannt und so gab es bei den dortigen Außenaufnahmen keine  Probleme. Es ist dort bestens bekannt, dass Willibald aus Plastik und keine freundliche Leihgabe des Kasseler Hauptfriedhofs ist.

Regina spielte ihre Parts so echt, als hätte sie Zeit ihres Lebens Horror-Romane gelesen.  Bei der Szene, in der sie der Geistergraf ins Verlies zerren will, protestierte sie aber doch vorwurfsvoll: "Musst du mich ausgerechnet dahin packen!" Denn Werner hatte sie von hinten um die Hüfte gefasst und schickte sich an, von dort den bereits erwähnten Gottfried-Wendehals-Gedächtnis-Griff von Erwin und der Heidi zu machen.

Ich kann es ja gut, nur zu gut verstehen, dass in der Hektik so einer Action-Szene die Finger nach oben rutschen können. Und ich bin mir sicher, dass es Werner nie so sehr wie in diesem Augenblick bedauert hat, dass er bei seiner Rolle schwarze Gummi-Handschuhe tragen musste.

Wie die Wilden kurbelten wir am zweiten Drehtag alle Szenen runter, in denen die Girlies dabei waren. Der nächste Tag war Sonntag und da hatten alle unsere Mädels keine Zeit. Hans Klipp (besser bekannt als der ‘Herrscher von Helleb’) war bei diesem Film hauptsächlich unser Kameramann. Er ist auch in einer kurzen Szene als Langstreckenläufer zu sehen, der von den Mädchen nach dem Weg zur Burg gefragt wird. Auch ein Part, der nachträglich in die Handlung geflickt wurde, weil der 'Chef' maulte, er wolle auch mal mitspielen. Natürlich als „Läufer“, das Laufen war damals ja der Dreh- und Angelpunkt seines Lebens.

Zuerst wurde an diesem Samstag nur die gesamte Handlung in Wallenstein aufgenommen, bei der wir die Mädchen brauchten. Auf dem Weg zurück nach Ahnatal wurden die Anfangssequenzen des Films runtergekurbelt.

Jetzt wollten die Mädels aber nach Hause und hatten keine Lust mehr. Die Power war raus. Wir brauchten aber noch eine Szene, in der sich die Mädchen über die Erscheinung des Geistergrafen unterhalten. Und wieder führte der Zufall Regie.

Neben meiner Wohnung war eine Eisdiele. Und da alle Mädchen kleine Naschkatzen sind, wenns um Eis geht, brauchten wir nur einige Portionen Eis zu spendieren und die Dreharbeiten gingen weiter. Und so saßen Regina, Sandra und Christina vor der Eisdiele, lutschten an den Kugeln und unterhielten sich über Make-up und ähnlichen Firlefanz, der für Teenager unglaublich wichtig ist. Das Gespräch wurde selbstverständlich später anders synchronisiert. Aber die fehlende Szene war im Kasten.

Am nächsten Tag drehten wir den Endkampf an der schon genannten Kasseler Löwenburg. Hier befindet sich auch die Original-Skelett-Gruft, die wir in die Aufnahmen von Burg Wallenstein eingefügt hatten. Unsere Gruft ist eine Art Torturm, dessen Eisengitter sich öffnen lässt.

Allerdings gestalteten sich die Dreharbeiten diesmal etwas problematisch.
 
Es war nicht nur Sonntagnachmittag, sondern wir hatten auch ein absolutes Kaiserwetter. Natürlich war der Park voller Spaziergänger und wir wurden misstrauisch beäugt, als wir Schwerter und anderes mittelalterliches Kriegsgerät aus dem Wagen räumten. Die Vorbereitungen sahen aus, als gäbe Hägar, der Schreckliche, eine Party.

Bevor man die Polizei auf eine neue Anarcho-Truppe aufmerksam machen konnte oder uns de facto in die Klapsmühle einwies, erklärten wir uns für Studenten, die im Auftrage der damals neugegründeten Kasseler Uni eine Studie über Gewaltdarstellung u.s.w. und die Wirkung der unbeteiligten Bevölkerung auf Brutalo-Szenen drehen würden.

Ein genialer Einfall, der uns den Freiraum für die Drehs brachte, die wir brauchten. Das mit der Studie für die Uni sprach sich herum und deshalb hatten wir den Hintergrund unseres Kamerafeldes immer frei. Keiner der Besucher wollte im Hintergrund sichtbar sein und dokumentieren, dass er unsere Darstellung 'brutaler Gewalt' genoss. Aber hinter der Kamera, da staute sich der gaffende Pöbel.

Ich gab meinem Bruder noch einige Lektionen im Schwertkampf, weil er die Klinge immer wie ein Florett schwang. Die Fechtkunst im Stil von d' Artagnan war hier völlig fehl am Platz, mit dem Schwert muss man rumrüpeln können wie der selige Prinz Eisenherz.  

Einige kurze Übungen mit Angriff, Parade und Finte, dann klirrten die Waffen. Die Waffengänge gingen mit so viel Action ab, dass sich die Leute rasch verdrückten, um ja nicht ins Bild zu kommen und zu demonstrieren, dass sich Menschen von Heute für Gewalt und Gladiatorenspiele begeistern können. So gelang es uns, einigermaßen rasch unsere Einstellungen runter zu kurbeln.

Leider klappte es nicht, das Schwert des Geister-Ritters mittels Angelschnur kunstvoll durch die Luft schweben zu lassen. Senkrecht pendelt die Klinge zwischen zwei Sträuchern aus den Händen des Bösen, der gerade zum Karnickelfangschlag auf den unterlegenen Helden ausholen will. Aber weil das Filmmaterial alle war, hatten wir keinen neuen Versuch und konnten den Trick mit dem schwebenden Schwert nicht wiederholen. Und so war das die letzte Szene des Magier-Films. Blieb nur noch das Bier danach auf Kosten des Produzenten.

Den Filmschnitt und die eingespielte Tricks samt dem Vorspann nahm Werner in Lippstadt vor. Der Film war bei der ersten Betrachtung gar nicht so schlecht, Und durch die unterlegte Musik wurde die Handlung noch wesentlich lebendiger.

Das Roy de Voss-Thema entnahmen wir dem Film 'Blade-Runner' (es kommt in diesem SF-Streifen am Schluss). Ansonsten benutzten wir sehr viel Musik aus dem Film 'Conan, der Barbar'. Dazu kam diverse Action-Musik aus Winnetou-Filmen und natürlich 'Siegfrieds Trauermarsch' aus der 'Götterdämmerung' von Richard Wagner. Diese grandiose Musik war damals gerade durch den Film 'Excalibur' wieder populär geworden.

Und siehe da, jede der Musiken fügte sich in die Szenen ein, als seien sie nur für uns komponiert und aufgenommen worden. Es war schon fast unheimlich, wie alles zusammen passte.

Dass die Vertonung des Filmes alleine ungefähr zwölf Stunden Arbeit kostete, d.h. die ganze Nacht, sei nur am Rande erwähnt. Da es ein Tag mitten in der Woche war, durfte ich am nächsten Morgen gleich wieder zur Schicht, während Werner geruhte, zu Bette zu schreiten.

Und dann kam etwas, was wir bei unseren Filmen besser gelassen hätten - die Synchronisation der Dialoge.

Für den Betrachter des Films wäre es besser gewesen, wir hätten zur Musik einen spärlichen, erklärenden Text gesprochen. Das Fiasko kam, weil wir keine feststehenden Texte besaßen, nach denen sich Schauspieler und Synchro-Sprecher richten konnten.

Wie ich schon berichtete, hatten wir für den Magier-Film nicht mal ein Drehbuch. Wir filmten die einzelnen Szenen völlig aus dem Gedächtnis. Ein Dialogbuch für die Film-Szenen zu schreiben, hätte uns Zeit gekostet. Und Zeit hatten wir nicht, weil  wir beide voll im Romangeschäft waren und uns außer Romane und Leserpost nichts an die Schreibmaschine brachte.

Also wurde wie üblich auf die Kunst der Improvisation vertraut und die Girls an einem Nachmittag nach Ahnatal geholt. Sie waren wild darauf, das fertige Produkt zu sehen und hatten nichts dagegen, zur Hintergrundmusik noch einige Dialoge auf den Film zu sprechen. Pech war, das Sandra an diesem Tag nicht konnte. Also blieb uns nichts anderes übrig, als auf die dritte Mädchenstimme zu verzichten.

Das ging aber leidlich gut und fällt dem unvoreingenommenen Betrachter kaum auf, dass Sandra gar nichts sagt.  Und eigentlich kam es auch nicht mehr drauf an, weil ohnehin keine nachträgliche Lippen-Synchro möglich war. Denn die improvisierten Texte der Dreharbeiten waren schon längst vergessen.

Ich erinnere hierbei nur an die schon geschilderte Szene in der Eisdiele, wo die Girlies statt über die nächtliche Spukerscheinung über Make-up und Traum-Boys redeten. Und außerdem hatte Sandra, nachdem wir ihr Talent als Anti-Schauspielerin im Charakterfach klar erkannte hatten, in diesem Film ohnehin nichts mehr zu sagen, sondern nur noch hübsch zu sein.

Die Synchron-Arbeiten gingen los, indem wir uns den kompletten Film nur mit Musikuntermalung ansahen und den Girlies dabei erklärten, was sie zu den einzelnen Szenen zu sagen hatten. Extreme Dinge wie Angstschreie oder Stöhnen wurden natürlich sofort zwischen Kaffee und Kuchenkrümeln während des laufenden Films ausprobiert.

Besonders erheiternd war es für die Tina und Regina, den Schreckensschrei zu üben, als das Skelett in der Gruft zusammenbricht. Beide  kreischten los, als wollte ihnen ein Buhldämon an die Wäsche.

Das wurde natürlich unten auf der Straße gehört und sorgte für einen mittleren Volksauflauf vor dem Haus. Auf dem Land ist es ohnehin verdächtig, wenn man Schriftsteller ist. Hat man noch diverse Schwerter und einen Raben in der Wohnung und bekommt außerdem noch ständig Besuch von einem Cowboy mit seinem Skelett, liegt die Vermutung nahe, dass es sich bei diesem Herrn im aufgemotzten Opel-Diplomat  um einen der Hammer-Produktion entsprungenen Mad-Scientist handelt.

Es ist mir heute noch unbegreiflich, da- der sich auf den Straßen zusammenrottende Mob mir nicht die Hütte stürmte, als Tinchen und Reginchen in höchsten Tönen quietschten. Ach, was war ich froh, als der Kreischer (wenn auch mit zwei-sekündiger Verspätung) auf der Tonspur aufgenommen war.

Ansonsten wusste keiner der Sprecher so recht, was er sagen sollte. Alle Akteure, meiner einer inklusive, haben uns mehrfach im Text verhaspelt. Dazu kommt beim kompletten Ensemble (außer bei Werner) bei den Dialogen unser schöne Kasseläner Dialekt so richtig zur Geltung.

Tina und Regina plapperten allerdings munter drauf los und erst ein 'Ach, Scheiße' zeigte an, dass Tinchen in der Szene nicht mehr wusste, was sie sagen sollte.

Zeit, die Dialoge noch einmal aufzunehmen hatten wir nicht - die Mädchen mussten wieder nach Hause. Immerhin war Samstag und da ist Disco- und Party-Time. Und der Film musste fertig werden, weil er eine Woche später auf einem Con gezeigt werden sollte.

Da man die auf den Film neugierige Fangemeinde nicht enttäuschen wollte, konnte auf Pannen bei der improvisierten Rhetorik keine Rücksicht genommen werden. Die so entstandenen miserablen Texte und ungenauen Einschübe erklären einen Großteil der negativen Wirkung des Gesamtwerkes auf den Betrachter.

Dazu kommt, dass wir möglichst viel Filmmaterial erhalten wollten und alles daran setzten, dass möglichst wenige Aufnahmen weg geschnitten werden mussten. Dadurch wurden einige Einstellungen zu lang und Handlungsstränge wurden schleppend. Aber bei dem teuren Filmmaterial wollten wir so viel wie möglich an Zelluloid erhalten.

Die über die Dialoge gesetzten Synchro-Geräusche aus dem Hintergrund bilden auch Probleme. Sie wurden während des laufenden Films auf ein Tonband aufgenommen. Doch leider haben keine zwei Bänder ein völlig synchrones Laufwerk. Und schon hatten wir Zeitverzögerungen, die zwar nur Sekunden ausmachen, die jedoch im Film voll zu erkennen sind.

Ich hatte bei den Schwertkämpfen (die leider nicht, wie beim Draculord, mit schnellerer Drehzahl gefilmt wurden und deshalb auch nicht so dramatisch wirken) mit zwei Küchenmessern das Klirren der Waffen genau auf den Schwerthieb synchronisiert. Im Film läuft der Ton aber ungefähr eine Sekunde daneben und es ist besonders peinlich, wenn sich die Duellanten kurzzeitig trennen und es dennoch einige Male klirrt.

Nun, mit solchen Unzulänglichkeiten muss man leben. Aber alle diese Dinge sollte man sich der Kritiker vor Augen führen, bevor er 'Das Grauen aus der Gruft' verreißt.

Es gibt richtige Kino-Filme, die professionell hergestellt wurden und die nach unseren Verhältnissen Unsummen kosten. "Ator, Herr des Feuers" ist ein Paradebeispiel. Da sieht man dann Strommasten im Hintergrund einer Fantasy-Welt oder Fahrspuren von Autoreifen. Dazu kommt ein Spinnennetz aus bester Wäscheleine und Kostüme, die man auf jedem FOLLOW-Con besser zu sehen bekommt.

Dazu eine dilettierende Schauspielercrew, deren Bewegungen und Mimik selbst die Leistungen unserer Sandra ins Charakterfach versetzt. Ich denke, im Vergleich mit solchen Machwerken wirkt unsere Eigenproduktion gar nicht schlecht. Was hätten Werner und ich mit den Möglichkeiten eines größeren Finanz-Budgets schaffen können...

Wir mussten eben sehen, dass wir vorhandene Gegebenheiten optimal ausnutzen wie z.B. die Burgruinen und romantischen Tempel im Bergpark Wilhelmshöhe. Aber das haben auch schon Profis in Bella Italia gemacht.

Als Werner und ich damals in Paestum (südlich von Salerno) vor der Ruine des Poseidon-Tempels standen, schwärmten wir davon, diese kolossale Architektur für einen Film zu nutzen. Kurze Zeit später fiel mit der Streifen 'Die Rache der Sieben glorreichen Gladiatoren' in die Hände, dessen erste Szene bereits in diesem Tempel spielt. Weitere Szenen sind in den Ruinen von Ostia Antica und im Circus des Maxtensius an der Via Appia gedreht.

Ich empfehle diesen Film für Leute, die selten gesehene antike Ruinen mögen und zwischendurch mal wieder so richtig lachen wollen. Lou Ferringo, gegen den selbst Onkel Arnold, der Muskel-Ami made in Austria, wie ein Spargel-Tarzan wirkt, macht mit dem Schwert eine gar zu drollige Figur. Er wirft das ungewohnte King-Size-Käse-Messer bei jedem Kampf auch sehr schnell weg und erledigt die Gegner mit dem Bud-Spencer-Gedächtnis-Hieb, auch Karnickel-Fangschlag genannt.

Am lustigsten ist das Wagenrennen, bei dem Onkel Lou verzweifelt versucht, zwei Pferde am Galoppieren zu hindern, was Quadriga-Charlton-Heston sicher das Wasser in die Augen getrieben hätte...seien es Tränen bitteren Jammers oder überschäumenden Vergnügens. So wurde denn endlich der zweite Teil von 'BEN-HUR' unter dem Arbeitstitel 'Ben hurt weiter' gedreht und der Titel von der prüden Vatikan-Kurie in den dämlichen Gladiatoren-Titel geändert.

Dass die Story der „Sieben glorreichen Gladiatoren“  ein absolutes Abziehbild der „Glorreichen Sieben“ ist, sei hier nur am Rand erwähnt. Nicht nur die Charaktere – auch die komplette Handlung wurde nur vom Wilden Westen in die Antike versetzt. Allerdings – einem absoluten Anti-Schauspieler wie Lou Ferringo so den Part eines Yul Brynner zu überlassen, das ist schon eine besondere Art der Frechheit.

Was für Künstler gehen mit uns zugrunde. Was hätten die Lamont-Brothers für cineastische Großwerke schaffen können, wenn wir einen Esel gehabt hätten, der auf Kommando Dukaten geködelt hätte.

Bedauerlicherweise hatten wir aber diesen Esel nicht! Nur den Enthusiasmus und die innere Power, aus Fehlern zu lernen und es besser zu machen. Schon auf dem Con, der die Uraufführung vom 'Das Grauen aus der Gruft' erlebte, verkündeten wir ein neues Film-Projekt. Diesmal wollten das Wagnis eingehen und tatsächlich 'Professor Zamorra' verfilmen. Und wir wussten genau, dass wir damit in verdammt große Stiefel stiegen.

Doch wie das mit der ersten und bis jetzt einzigen Verfilmung der „Professor Zamorra“-Serie war, das erzähle ich das nächste Mal.

Schalten Sie also wieder ein wenn es heißt: Teestunde mit Rolf Michael...

 

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