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Ein Requiem für einen Freund zum Ersten

Teestunde mit RolfRolf schrieb einen ausführlichen Kurt Brand Nachruf für den Gedächtnisband des EDFC. Wir bringen ihn in drei Teilen. Besten Dank an Gustav und Franz.

Ein Requiem für einen Freund zum Ersten

Die Nachricht vom Tode Kurt Brands erreichte mich eine Stunde vor dem Eintreffen eines Schreibens des EDFC. Mit diesem Brief wurde mein versprochener Beitrag für einen geplanten Jubiläumsband zur Feier von Kurt Brands 75sten Geburtstag angemahnt.


Kurt BrandMit einem handschriftlichen Zusatz bat mich Gustav Gaisbauer, den versprochenen Beitrag bis spätestens zum 25. November 1991 fertig zu stellen. Gustav war über Kurt Brands hoffnungslosen Gesundheitszustand informiert. Eigentlich sollte dieses Magazin für Kurt eine Geburtstags-Überraschung werden, da er am 10. Mai 1992 seinen 75sten Geburtstag zu feiern hoffte. Man wollte es ihm einige Tage später anlässlich einer kleinen Feierstunde, die sein Lebenswerk auf dem Gebiet der deutschen Phantastik würdigen sollte, auf dem Kongress der Phantasie in Passau überreichen.

Bedingt durch die Tatsache, dass Kurt Brands Tage gezählt waren, hatte sich Gustav aber entschlossen, von dem Magazin einen Vorabdruck zu machen und bis Weihnachten fertig zu stellen. "...damit es der Kurt noch mitbekommt...!" stand am Schluss des Briefes zu lesen.

Gustav Gaisbauer stand lange Jahre mit Kurt Brand in freundschaftlichem Briefkontakt. Leider war es ihm nicht vergönnt, den großen alten Herrn der deutschsprachigen Science Fiction persönlich kennen zu lernen.

Durch Horst Hermann von Allwörden, besser bekannt als „Hexen-Hermann“ wusste Gustav ganz konkret, wie es um die Gesundheit von Kurt Brand stand. Hermann hatte ihn telefonisch informiert, dass Kurts Zustand hoffnungslos war. Und Horst wusste es ganz genau, da er mit mir am Wochenende zuvor auf Kurts ganz besondere Bitte noch einmal in Kaltern gewesen war - um Abschied zu nehmen, ohne dass in diesen Stunden von Abschied geredet wurde.

Dass Kurt Brand unheilbar krank war, wusste unser Freundeskreis seit Anfang des Jahres 1991. Am Schluss dieses „Requiems“ werde ich, soweit es möglich ist, von Kurts letzten Tagen berichten.

Dieses „Requiem“, das sich zu einer kleinen Biographie ausgeweitet hat, ohne dass diese vollständig wäre, versprach ich Kurt Brand ohne Worte zu benutzen, vor seinem Sarg. Da ihn außer den Menschen, die ständig in seiner Nähe waren, kaum jemand als Mensch richtig kannte, trug ich Gedanken und Erinnerungen einer fast zehnjährigen Freundschaft zusammen. Vielleicht überlebt so in der Erinnerung der Lesergemeinde vergangener, heutiger und kommender Tagen nicht nur der Schriftsteller durch seine Werke; sondern vor den geistigen Augen des Lesers wird auch der Mensch Kurt Brand so, wie wir ihn kennen und lieben lernten, lebendig.

“Eins aber weiß ich, bleibt! Der Toten Taten Ruhm!“ sagen die Sprüche Odins in der „Edda“. Und so seht in mir den Sänger, der euch von heiteren und besinnlichen Erlebnissen an der Seite von Kurt Brand Kunde gibt.

Ursprünglich waren dieses „Requiem“ nicht mehr als zwanzig Manuskriptseiten geplant. Jetzt, bevor ich über den Text die Feile gleiten lasse, sind es hundert Seiten geworden. Das ist etwas mehr als ein Heftroman.

Requiem für einen Freund
Zum Gedenken an Kurt Brand
Lieber Kurt wo immer Du Dich jetzt befindest! Werner, Hans und ich hatten vor, zu Deinem 75sten Geburtstag gemeinsam einen extra für dich gedruckten Heftroman zu schreiben, in dem alle Deine Ideen verwoben sein sollten und in dem jeder Deiner Helden mitspielte. Mit diesem literarischen Requiem löse ich mein Wort ein.

Und so will ich mein Lied beginnen... Weil jeder von uns wusste, dass über unseren Freund der Schatten des Todes lag, versammelten wir uns auf seinen ganz besonderen Wunsch im Mai zur Feier seines 74sten Geburtstages in Kaltern. Damals erhob Kurt Brand sein Glas und versprach, mit aller Kraft seines Körpers und seines Willens gegen den Tod zu kämpfen. Er wollte unbedingt seinen 75sten Geburtstag erleben.

Aber der Tod ist ein Gegner, den noch kein Sterblicher bezwungen hat. Und obwohl Kurt auf dem Perry-Rhodan-World-Con im August in Karlsruhe vor Energie und Lebensfreude nur so zu sprühen schien, war für uns doch zu erkennen, dass sich sein Lebensweg dem ewigen Ziel näherte.

So kam am 2. November 1991 der Anruf aus Kaltern unverhofft aber nicht unerwartet. Maria Brand, Kurts Frau, erklärte am Telefon, dass der Gesundheitszustand unseres Freundes hoffnungslos war. Er hatte den Wunsch geäußert, die „Bande“, wie er uns gelegentlich nannte, noch einmal zu sehen. Hermann und ich waren die Einzigen, die sofort fahrbereit waren.

Keine Stunde später war Hexen-Hermann aus seinem Domizil in Drochtersen (das liegt zwischen der Nordseeküste und Hamburg) aufgebrochen und auf der Autobahn. Er nahm mich in Kassel an Bord und dann ging‘s durch Nacht, Sturm und Regen pausenlos nach Süden, über die Alpen und durch die Weinberge Südtirols zu Kurt Brands Domizil.

Das Schicksal wollte es, dass wir außer seiner Frau und den Ärzten unseren „Sternenbaron“ zuletzt sahen. Und wir erlebten, wie er zum letzten Mal alle Willenskraft sammelte, um der Kurt Brand zu sein, als den ihn alle kannten und liebten. Einige Stunden später ließ ihn ein gütiges Geschick ins Koma fallen, aus dem er nicht mehr erwachte.

Es traf mich unerwartet, wenn auch nicht unvorbereitet, als mich Hans Klipp am Morgen des 9. November 1991 anrief und mir die Kunde gab, dass unser Freund Kurt Brand seinen irdischen Weg beendet hatte. Und dann glühten die Telefondrähte.

Minuten später stand fest, dass Hermann und ich noch einmal über die Alpen gehen werden, um unseren Freund auf seinem letzten Weg zu begleiten. Auch Werner Kurt Giesa und seine Frau Heike würden nach Kaltern fahren, um dem lustigen Gefährten froher Tage die letzte Ehre zu erweisen. Hans Klipp, der damals in wichtigen Dienstgeschäften gebunden war (er ist bei den Kasseler Verkehrsbetrieben in leitender Position tätig) und Jürgen Grasmück, besser bekannt als Dan Shocker, den sein als bekannt vorausgesetzer Gesundheitszustand hinderte (für Unwissende: Dan Shocker ist an den Rollstuhl gefesselt), würden zum Zeitpunkt der Bestattung geistig dabei sein.

Umgehend rief ich Gustav Gaisbauer an und informierte ihn. dass Kurt in jene anderen Spähren hinübergegangen war, die man mangels besserer Bezeichnung das „Jenseits“ nennt. Und dabei versprach ich ihm, anstelle einer SF-Satire für das Geburtstags-Magazin, das nun ein Memorial-Zine wird, dieses literarische Requiem zu schreiben. Aber dass es in seiner Person und seinem Werk angemessener Form sein sollte, das versprach ich Kurt auf geistigem Wege. Und Gustav half dadurch, dass er mir, wie bei Verlagen üblich, kein Seiten-Limit auferlegte und ich dadurch nicht gezwungen bin, interessante Episoden jener Tage zu verschweigen.

„Dem Commander der Planeten“ stand auf der Schleife des alles überragenden Kranzes, mit dem der Erste Deutsche Fantasy Club diesen großen alten Mann der deutschen Phantastik ehrte.

Commander der Planeten!
In Kaltern kannte kaum jemand Kurt Brands Romane, obwohl seine Person dort als Original sehr gut bekannt war. Ein grauhaariger älterer Herr, der an jedem Tag gemütlich im Ort spazieren ging und überall gern sein Bierchen trank. Aber den Menschen „Kurt Brand“ kannte dort niemand außer seiner Frau Maria.

Und deshalb wird man es in Kaltern kaum zu würdigen wissen, dass ein großer Schriftsteller der Unterhaltungs-Literatur Jahre seines Lebens mehr oder weniger inkognito in dieser Stadt verbracht hat. Es ist kaum anzunehmen, dass man irgendwann einmal in Kaltern eine „Kurt-Brand-Straße“ finden wird.

Dieses Magazin ist für mich nicht der Ort, über Kurt Brands schriftstellerische Tätigkeit zu schreiben und zu urteilen. Das können andere seiner Freunde, die sich eingehender mit seinen literarischen Werken beschäftigt haben, besser als ich.

Ich will hier und jetzt und bunter Reihenfolge über einen Menschen berichten, dessen Freund ich sein durfte. Meine Gedanken schweifen zurück in die Jahre, in denen sich unsere Wege oft gekreuzt haben, obwohl uns große Entfernungen trennten.

Eine echte Biographie kann dieses „Requiem“ nicht werden. Denn dazu müsste ich chronologisch den Ablauf von Kurt Brands Lebens beschreiben. Und genau das kann ich nicht. Denn Kurt hat uns aus seinen früheren Jahren immer nur Episoden erzählt. Es sind meist heitere Begebenheiten, die ich, soweit es nichts zu Persönliches ist, in meine Erzählung mit einfließen lasse.

Man mag mir verzeihen, wenn ich nicht mehr genau rekonstruieren kann, wann und wo wir uns im Verlaufe von fast zehn Jahren zu welchen Zeitpunkten getroffen haben. Niemand hat über die Daten und die Orte Buch geführt. Und obwohl wir alle wissen, dass wir täglich zu sterben lernen müssen, hat niemand daran gedacht, für die Nachwelt einen detaillierten Bericht über die letzten Lebensjahre von Kurt Brand zu planen.

Die vielen Leute, die beim Perry-Rhodan-Welt-Con 91 in Karlsruhe waren, haben noch einmal den Kurt Brand kennen gelernt, wie ihn die Fan-Gemeinde liebte und die Kollegen schätzten.

Erinnerungen an Kurt Brand...
Meine Gedanken schweifen zurück in die 5Oer Jahre. Als Achtjähriger schmökerte ich Vaters Wild-West-Romane. Und immer wieder fielen mir die Namen von zwei Autoren-Namen auf, weil deren Romane genau auf meiner Wellenlänge lagen. Sie waren so spannend geschrieben, dass man sie so rasch wie ein Sigurd- oder Akim-Heft durchschmökern konnte.

Der Name des einen Autoren war, wie sollte es anders sein, der von mir heute noch als Western-Autor hochgeschätzte Gerd Fritz Unger, der andere war Kurt Brand. Wenn ich in einem Heftstapel wühlte und Romane dieser beiden Autoren fand, dann waren sie zuerst dran. Frage mich aber bitte niemand, welche von Kurts Western ich damals gelesen habe. Die Jahre haben diese Erinnerungen davongeweht und die Erinnerungen daran sind wie fliehende Nebel der Vergangenheit

Fast zwanzig Jahre später las ich diverse Grusel-Romane und Zeitkugel-Abenteuer, von denen ich erst später erfuhr, dass der Verfasser ebenfalls Kurt Brand war. Denn eigentlich hatte ich diesen Namen vergessen -und so fiel es mir absolut nicht auf, dass der Perry-Rhodan-Autor Kurt Brand mit jenem Schriftsteller identisch war, dessen Western ich als Kind verschlungen hatte. Perry Rhodan las ich, wenn mir mal einer in die Hände geriet. Ren Dhark kannte ich nur von den markanten Bildern der Erstauflage am Kiosk. Ich bin niemals echter SF-Leser gewesen, sondern lebte innerlich stets in den Welten der Fantasy, auch als ich noch gar nicht wusste, dass Stories mit Schwert und Zauberei wieder geschrieben wurden.

Es gab kaum eine Art von Action-Literatur auf dem Unterhaltungssektor, in der Kurt Brand nicht geschrieben hätte. Als er uns in Kaltern mal sein Archiv öffnete, fanden sich auch Abenteuer-Schmöker im Krimi- und Agenten-Touch (Sie trugen die sicherlich verkaufsfördernde Bemerkung: "Persönlich erlebt und niedergeschrieben von Joe Amsterdam"), die ich ebenfalls in meiner Kindheit begeistert gelesen hatte.

Aber da ich niemals direkter Heft-Sammler war und mich in dieser Hinsicht auch nur bedingt als Fan bezeichnen kann, wurde der Autorenname „Kurt Brand“ auf einem Roman gelegentlich zur Kenntnis genommen, ohne dass ein Interesse bestand, den Träger des Namens irgendwann einmal kennen zu lernen. Wie denn auch. Für mich wohnte ein Autor im Olymp, den Zeus dem Dichter öffnete, nachdem er die Welt weggegeben hatte. Für einen normal-sterblichen Leser war der Autor eines Buches oder Heftes so unerreichbar wie Crom auf seinem hohen Berg...

Als vor mehr als zwanzig Jahren ein gewisser Hans Klipp meinen Lebensweg kreuzte, wurde die Bekanntschaft mit Kurt Brands Werk und seiner Persönlichkeit konkreter. Denn Hans war Bassist in einer Hard-Rock-Band (Stil: Jimi Hendrix, Black Sabbath etc.) und ich stieg als Schlagzeuger ein. Was wir machten war so ein Art Punk. Bedauerlicherweise gab es damals den Begriff „Punk“ noch nicht und deshalb war „Magic Black Skill“ kein großer Erfolg beschieden.

Hans stieg auch nach einigen Monaten aus der Band aus, und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis der Lead-Gitarrist und ich vom Hard-Rock zur Tanzmusik überwechselten, um anstatt für drei Bier am Abend zu spielen, mit der Musik richtiges Geld zu verdienen. Und das ist in Kassel nur mit der Tanz-Mucke zu machen...

Aber Hans Klipp und ich hatten noch andere gemeinsame Interessen und es kam uns zupasse, dass wir im Kasseler Stadtteil Helleböhn in unmittelbarer Nähe wohnten. Ich hatte damals mein erstes Ein-Zimmer-Appartement in einem Hochhaus, das wir „Turm des Schreckens“ nannten, bezogen. Und so konnten von uns diverse Aktivitäten auf dem Sektor der Mitte der 70er Jahre bekannten Phanstastik durchgeführt werden. Denn seit ich zufällig den Band „Conan von Cimmeria“ auf einem Wühltisch gefunden und zu Hause gelesen hatte, wie ein Verschmachtender Wasser trinkt, wusste ich dass es die Art von Literatur gab, die ich mir seit meiner Kinderzeit, in der ich mit dem Holzschwert in der Rechten und dem Sigurd-Heft in der Linken aufwuchs, für mich selbst immer heimlich erträumt hatte. Es gab also noch mehr Träumer wie mich selbst, und sie hatten den Mut, ihre Träume der Umwelt zu erzählen, ohne als kindische Spinner ausgelacht zu werden. Seitdem ich den ersten „Conan“ gelesen hatte, bin ich Fantasy-Enthusiast...

Hans Klipp dagegen war glühender SF-Fan besonders von der Serie „Ren Dhark“. Auf den Kontaktseiten der ersten Auflage sind seine Leserbriefe zu finden. Er hatte in Kassel sogar mit einigen Freunden den „Ren-Dhark-Club Terra-Press“ auf gezogen.

Die Space-Opera „Ren Dhark“ kannte ich, wie schon erwähnt, in jenen Tagen nur von den Titelbildern. Und obwohl mich der Serien-Untertitel „Weg ins Weltall“ reizte, habe ich in jenen Tagen nie einen dieser Romane gekauft oder gelesen. Zwar hatte ich in der Kindheit so einige alte Utopia-Romane geschmökert (u.a. auch „Ufo‘s am Nachthimmel“ ohne zu ahnen, dass ich mit dem Autoren dieses Werkes viele Jahre später in Amsterdam mal ein fürchterliches Gelage haben sollte), kannte einige Bände „Mark Powers“ und eben „Perry-Rhodan“.

Und als ich Hans kennenlernte und seine Begeisterung für SF zu teilen begann, war es mir nicht mehr vergönnt, die Serie zu lesen, weil es sie schon lange nicht mehr gab. Und die Erstausgaben von „Ren Dhark“ hütete Hans Klipp damals wie heute eine Gutenberg-Bibel.

Aus den Aktivitäten von Hans „Ren Dhark“-Begeisterung und meinem „Conan“-Enthusiasmus ging Mitte der 70er Jahre der „Science-Fiction und Fantasy-Club Kassel“ hervor. Nach Erscheinen der „Dragon“-Serie bekamen wir mit FOLLOW Kontakt und schlossen uns der damals neugegründeten „Aktiv-Gruppe Science-Fiction“, kurz AGSF, an.

Hauptsächlich durch die AGSF fanden auch außerhalb von Kassel gleichgesinnte Geister. Aus diesen Tagen resultiert unsere Freundschaft mit Werner Kurt Giesa, den etablierten Phantastik-Autoren, der nicht nur die Weird-Adventure-Serie „Professor Zamorra“ zu dem machte, was sie heute ist, sondern der auch einige interessante SF-Romane, darunter fünf Perry-Rhodan-Taschenbücher, geschrieben hat.

Irgendwann Anno 76 überkamen Hans Klipp und mich eine Mischung aus Frechheit, Übermut und Tatendrang. Wir wollten unter die Schriftsteller gehen. Und weil uns klar war, dass niemand die Werke unseres Geistes produzieren würde, waren wir gezwungen, es selbst zu tun.

Also gaben wir das Magazin ANTARES heraus. Einfacher Spiritus-Druck, wie in jenen Zeiten üblich, und von den Herrn Autoren, Lektoren , Druckern, Buchbindern und Versandsklaven in einer Person in Beginn und Endfertigung produziert. Wer von uns „Maximilian Dünndruck“ und wer „Josuah, den Redaktions-Pleitegeier“ darstellte, bleibt bis heute unser Geheimnis.

Selbstverständlich ging jeweils ein Exemplar von ANTARES an den Martin-Kelter-Verlag mit der Bitte, das Fanzine an Kurt Brand weiterzureichen. Ob in der Anfangszeit jemals ein ANTARES nach Kaltern gelangt ist, weiß ich nicht. Denn die persönliche Anschrift des berühmten Autoren unterlag ja strengster Diskretion.

Der Kelter-Verlag schickte für die Zusendung von ANTARES höfliche Dank-Schreiben und versorgte uns mit Info-Material über das in dieser Zeit startende „Gemini-Projekt“. Das war eine neue Serie von Einzel-SF-Romane, durch die eine neue Chance auf dem Heft-Markt für Ren-Dhark ausgelotet werden sollte. Die Zeit war günstig für eine neue SF-Serie, denn der erste „Star-Wars“-Film hatte eine wahre Begeisterung für abenteuerliche Weltraum-Romane ausgelöst.

Erst später erfuhren wir, dass einige Gemini-Romane von Kurt Brand stammten. Sie waren, wenn ich mich nicht irre, unter dem unmöglichen Pseudonym „Henry Galaxis“ geschrieben. Als man aber im Kelter-Verlag nach langem Zögern dann endlich den Startschuss für die zweite Ren Dhark-Auflage gegeben hatte, war die dritte Auflage von „Perry-Rhodan“ bereits einige Monate auf dem Markt und hatte die neuen, von der cineastischen Star-Wars-Euphorie zur Science Fiction gebrachten Leser eingefangen.

Das Aus für „Ren Dhark“ nach Ende der vorliegenden Bände war dadurch vorprogrammiert. Ob wohl der Anschein erweckt wurde, als würden neue Romane geschrieben, setzte der Kelter-Verlag die Serie nicht fort. Wenn man bedenkt, dass bei den Nachdruck-Honoraren das alte Honorar der Vergangenheit zugrunde gelegt wurde, machte der Verlag ein vorzügliches Geschäft. Denn der Verkaufspreis der Hefte wurde selbstverständlich an die gegenwärtige Marktsituation angeglichen. Mochte der Kunde die Erhöhung zahlen, die der Verlag dann einstreichen konnte, ohne den Autoren gerechterweise die Honorare zu erhöhen. Selbstverständlich wurde mit so viel „Liebe“ vorgegangen, dass man die alten Druckstöcke wieder verwendete und der Text teilweise so verschwommen war, dass man ihn kaum lesen konnte.

Somit dürfte jedem klar sein, dass nicht Kurt und die damals für Ren Dark schreibenden Autoren, sondern ausschließlich der Kelter-Verlag mit „Ren Dhark“ das große Geschäft gemacht hat.

Die fünf „Ren Dhark“-Taschenbücher waren zwar recht hübsch aufgemacht, aber sie verschwanden neben dem Angebot etablierter Taschenbuch-Verlage und landeten in Massen auf dem Wühltisch. Es war eine neue Leser-Generation herangewachsen, die „Ren Dhark“ nicht mehr kannte und mit dem Namen „Kurt Brand“ nicht viel anfangen konnte.

Dazu kam, dass die SF der 70er Jahre politisch vom Ultra-linken Flügel beeinflusst wurde und ein „Perry-Rhodan“-Leser in gewissen Kreisen des SF-Fandoms schon als Faschist galt. Ganz klar, dass es absolut gegen die sozialistische Ersatz-Religion der damaligen Rezensenten und Buchempfehlern war, Kurts Weltraum-Abenteuer, in denen es zwar Spannung, aber keine politische Ideologie im Geiste von Marx und Lenin gab, dem Leser zu empfehlen. Damals brachte mich die Aussage eines SF-Autoren in Rage, der da sagte: "Der Science-Fiction-Autor hat die Gesellschafts-Zukunft als eine Kommunistische zu schildern!"

Worte dieser Art erinnern mich an die ähnlich gearteten Sprüche der ehemaligen „Reichs-Kulturkammer“ und sorgten dafür, dass ich außer den als ach so faschistoid geschmähten „Perry-Rhodan“-Heften keine andere SF mehr in die Hände nahm und mich lieber mit Conan, Fahrd und Grey Mouser, Tarl Cabot, Dragon und was es damals so gab, in den Welten der Fantasy herum trieb.

Das bei der dritten Auflage von „Ren Dhark“ dann ein ähnliches Spiel wie bei der „Zweiten“ getrieben wurde, hat Kurt Brand schon nicht mehr so stark getroffen, obwohl er selbstverständlich ein Konzept für eine Weiterführung der Serie erstellt hat. Das bedeutet jedoch, dass einige Romane der laufenden Handlung total neu geschrieben werden müssen.

Hier und heute ist nicht erkennbar, ob die POINT-OF, angetrieben durch die Energien aus dem Geiste Kurt Brands, noch einmal ihren Weg durch die Galaxis nimmt. Sollte aber eine Chance bestehen, die Serie ohne das Konzept der Space-Opera zu verändern, im Geiste Kurt Brands zu überarbeiten, dann wird sich der Leser wundern, welche Gedankengänge dieser große alte Mann der Science Fiction noch hatte. Und wir, seine Freunde, denen er in vertrauten Gesprächen seine Ideen schilderte, können nur erahnen, welche Wunder sich in der Dunkelwolke seiner Phantasie selbst in seinen letzten Lebensjahren noch verborgen hielten.

Aber nicht nur für „Ren Dhark“, auch für „Raumschiff Promet“ gibt es ein Fortsetzungskonzept. Hoffen wir, dass sich eines Tages die Chance bietet, dass SF-Autoren der heutigen Zeit die Gedanken Kurt Brands in seinem Sinne dem Leser nahe bringen können. Wie war unser Weg zu Kurt Brand?

Ich weiß, dass ich immer wieder abschweifen muss, wie ich manchmal auch vorgreife, um für den Leser die Zusammenhänge erkennbar zu machen. Für uns ANTARES-Herausgeber erschien es seinerzeit einfacher, eine Audienz beim Papst zu erwirken, als mit Kurt Brand an einen Tisch zu kommen. Er saß für uns unerreichbar in seinem Domizil in Kaltern, und da, wie schon erwähnt, in diesen Tagen die „Linken“ im SF-Fandom dominierten, die Perry-Rhodan als faschistoide Schreibe, Fantasy-Fans als Neo-Nazis und Kurts actionbetonte Romane als gewaltverherrlichende Machwerke bezeichneten, war Kurt Brand nicht der einzige SF-Autor der „alten Garde“, der sich vom SFCD und der Fangemeinde zurückzog.

Zu seinen Fans hatte Kurt Brand immer ein abgeklärtes Verhältnis. Obwohl er bei Cons sehr leutselig wirkte, hat Kurt bei den Fans immer unsichtbare Sperren um sich gezogen und stets einen gewissen Abstand eingehalten. In Gesprächen unter Kollegen war er, obwohl er in einigen Fällen mit Vertraulichkeiten in diesen Kreisen üble Erfahrungen gemacht hatte, wesentlich zugänglicher.

Für den Schriftsteller Kurt Brand waren Hans und ich als Gesprächspartner erst salonfähig, als unser Freund Werner Kurt Giesa bereits Voll-Profi-Autor war, die Phantastik-Serie „Professor Zamorra“ fast alleine schrieb, und ich in dieser Serie meine ersten Romane veröffentlicht hatte.

Mein erstes im professionellen Rahmen veröffentlichtes Werk war jedoch eine Leser-Story in der Ren-Dhark-Zweitauflage. Sie erschien unter meinem Fantasy-Pseudo „Erlik von Twerne“ und war eine SF-Persiflage unter dem Titel „Nur bis zu zwei Stunden...“(Handlung: Ein Raumschiff landet mitten in Kassel und wird von einem Polizisten, da es länger als zwei Stunden steht, mit einem Strafzettel wegen zu langer Parkdauer versehen). Unser erstes Zusammentreffen mit Kurt Brand fiel in den Beginn der 80er Jahre (anno 82 wenn ich mich nicht irre) Durch unser Zine ANTARES hatten Hans Klipp und ich Kontakt zu Werner Kurt Giesa bekommen, und eine feste Freundschaft war entstanden. Sie wurde dadurch untermauert, dass wir W.K. Giesa zum „Baron von Helleb“ ernannten (zu diesem Titel später mehr), und ihn damit in den engsten Kreis aufnahmen.

Als Ren Dhark in die Zweitauflage ging, hatten wir unsere Zines ANTARES und CERVISIA (in Letzterem erschienen nur lustige SF-Stories) längst eingestellt. Obwohl wir eigentlich aus der Fan-Szene ausgestiegen waren, schaffte es Werner, Hans und mich noch mal für ein Fan-Projekt zu aktivieren. Unter seiner Regie und seiner Hauptarbeit gaben wir das Ren Dhark-Zine POINT OF heraus.

Logo, dass der für uns ach so ferne und in Himmelshöhen entrückte Kurt Brand ein Exemplar von POINT OF bekam.

Und siehe da, die Antwort aus Kaltern kam postwendend. Kurt Brand äußerte sich sehr lobend über dieses Zine und schickte uns, wenn ich mich recht erinnere, zwanzig Mark, um eine Flasche „Napoleon“ (für kulinarische Barbaren, das ist echter Cognac) auf sein Wohl zu trinken. Zu diesem Cognac-Genuss ist es jedoch nie gekommen, denn das Geld ging sofort in die Zine-Produktion. Damals hätten wir uns allerdings nicht träumen lassen, dass wir mit Kurt Brand noch so manches Fläschchen leeren würden auch wenn nie eine Flasche „Napoleon“ dabei war.

Und so folgte auf jedes neue POINT OF ein humorvoller Brief von Kurt, in dem der Altmeister unsere Arbeit lobte und kritisierte. Dabei wurde nicht, wie es heute üblich ist, die vertraute Form der Anrede verwendet. Nein, in jenen Tagen waren wir mit Kurt Brand in schönster Förmlichkeit per „Sie“. Naja, in seinem Alter geziemet der Jugend die Höflichkeit.

Wenn Kurt eine Person, mit der er brieflich oder persönlich in Kontakt trat, nicht kannte, dann ging er auf Abstand und wahrte die Formen der allgemeinen Höflichkeit. Und dazu gehörte für ihn, dass man nicht mit jedem seiner Mitmenschen redet, als hätte man mit ihm Schweine gehütet.

Machte sein Gegenüber dann unaufgefordert plumpe Vertraulichkeiten, dann konnte er abweisend und grantig werden. Zum letzten Mal haben wir das am Morgen seines letzten Geburtstages an der Theke erlebt, als ein Tourist (Kaltern ist ja stets mit Touristen überschwemmt) mit einem (für meine Ohren entsetzlichen) schwäbischen Dialekt meinte, in unserer Unterhaltung mitreden zu können. Dabei benutzte er jene vertrauliche Form der Anrede, die bei den kurzfristigsten Theken-Kontakten üblich sind.

Als sich Kurt die Einmischung in unser Gespräch verbat, kam dann ein: "Ey, Alter! Mach nicht son Scheiß...!" Das brachte einen Kurt Brand zum Vorschein, wie wir ihn nur ganz selten erlebt haben. Im reinsten Hochdeutsch und mit knappen, prägnanten Sätzen wies er den mit einem förmlichen „Mein Herr“ Angeredeten so zurecht, dass dessen Futterluke nach unten klappte, und die gebrabbelte Entschuldigung unverständlich war. Kurt war in diesem Augenblick eine Mischung aus einem alten kaiserlichen Offizier, der Befehle gibt, einem Wirtschafts-Magnaten, dessen Anweisungen ohne zu Zögern auszuführen sind ... und natürlich die eines Barons, der sich zum Straßenpöbel eine gehörige Distanz schafft.

Merke: War Kurt Brand gemütlich und guter Laune, dann redete er mit warmer Stimme mit Kölner Akzent. Es sei denn, dass er einen Teil seiner Rede besonders unterstreichen und herausheben wollte, das kam dann in Hochdeutsch.

War er aber erregt oder zornig, dann sprach er reinstes Hochdeutsch, und seine Worte knallten wie Peitschenhiebe.

Auch dieser Hinweis diene zum besseren Verständnis von Kurt Brands schillernden Charakteristik. Kommen wir zurück zu unserer ersten Begegnung...

Bei einem Perry-Rhodan-Con hatte Werner dann das Glück, Kurt Brand persönlich zu treffen und Kontakt mit ihm zu knüpfen. Klar, dass wir Werner baten, ein Treffen mit unserem literarischen Idol zu vereinbaren.

Irgendwann erreichte mich der aufgeregte Anruf von Hans Klipp, dass wir am gleichen Abend noch nach Lippstadt fahren müssten. Kurt Brand sei bei unserem Freund Werner Kurt Giesa zu Besuch. Logo, dass Hans, mein Bruder Peter und ich alles stehen und liegen ließen und die Rosse im Motorraum schirrten, um gen Lippia zu fahren.

Vor dem Giesa‘schen Haus sahen wir einen gelben BMW mit italienischem Kennzeichen und der Heckaufschrift „Point Of“. Für Hans war das ein Grund, seinem Auto, das damals ebenfalls unter diesem Signum fuhr, einen anderen Namen zu geben. Der Name „Point Of“ gehörte seinem Erdenker.

Wir lernten Kurt Brand als einen quicklebendigen Mann kennen, bei dem sich trotz der grauen Haare und dem grauen Schnauzer der Begriff „Mann in den besten Jahren“ anwenden ließ. Er war nicht sonderlich groß und die Körperform zeigte an, dass er eine gute Küche und ein gepflegtes Bierchen wohl zu schätzen wusste. Trotz der altersbedingten Runzeln im Gesicht sprühte in seinen Augen ein Feuer, das an einen Jugendlichen erinnerte.

Jeder, der das Glück hatte, Kurt Brand kennen zu lernen und einige Worte mit ihm zu wechseln, weiß, was ich meine. „Man ist so jung, wie man sich fühlt“ heißt es. Und danach war Kurt einerseits der erwachsene Erzähler seiner Romane, andererseits aber auch der jugendliche Leser, der sich an den Abenteuern der Romanhelden begeisterte und geistig ihre Kämpfe mitmacht.

Obwohl Kurt sich niemals mit Ren Dhark so identifizierte wie beispielsweise Karl May mit Old Shatterhand oder Kara ben Nemsi, schrieb er seine Romane (jedenfalls die SF-Phantastik) nicht nur für Geld, sondern weil er selbst Spaß an der Handlung hatte und geistig in den Welten der Phantastik lebte.

Für die Leser gab es in der Zeit seiner Jugend, der Weimarer Republik und im Dritten Reich, nicht viele „Zukunfts-Romane“, wie die uns als Science-Fiction bekannte Literatur-Gattung damals in deutscher Fassung genannt wurde.

Jules Verne und Hans Dominik, die viele Gleichaltrigen begeisterten, waren seine ersten literarischen Leitbilder. „Sun-Koh“ hat er auch gelesen, wenn ich mich recht erinnere. Denn in den vielen Gesprächen, die wir führten, erzählte Kurt immer nur Bruchstücke aus seiner Jugend und den frühen Jahren. Es sind zu wenig konkrete Information, als dass man eine detaillierte Biographie daraus machen könnte.

Kurt hat gewiss nicht daran gedacht, dass man nach seinem Ableben noch versuchen könnte, seinen Lebensweg als Mensch und Schriftsteller in biographischer Form niederzuschreiben. Und wenn er dieses Magazin sehen könnte (vielleicht sieht es ja aus seiner Sphäre), dann würde er sicher sagen: "Da habbt err mich äwwer en richtich Freud jemacht mit däMagazin üwwer däBrand! Žwwer dat wär, ährliech jesach, nit neetich jewäst!"

Ich denke, dass es nötig ist, hier und jetzt, Teile seiner Erzählungen in den fließenden Text mit einzubauen. Auch, wenn es den laufenden Handlungsfluss stört, werde ich an geeigneten Stellen dieses Berichts Erklärungen oder Episoden mit einbauen, die zum besseren Verständnis dienen, oder den Text auflockern. Denn unsere Treffen hatten keine Dramatik, dass man allein daraus eine Story machen könnte, die den Leser mitreißt. Und alle Dinge, die uns an dem Menschen Kurt Brand in den Anfängen rätselhaft waren, möchte ich an geeigneten Stellen im Text gleich erläutern.

Ungefähr zehn Jahre durften wir den Lebensweg des Kurt Brand begleiten, und von diesen zehn Jahren sind viele Erinnerungen zurückgeblieben, die ich hier wie einen bunten Blumenstrauß aus Histörchen und Anekdoten dem Leser überreichen möchte. Es ist keine archivarische Biographie, sondern der Versuch, den Menschen und Schriftsteller Kurt Brand nahezubringen, den ich die Ehre hatte, meinen Freund zu nennen - und zwar so, wie ich ihn erlebt habe. Und alles hat sich so, wie ich es beschrieben habe, auch zugetragen.

Kurt Brand ist nie ein solcher Bestseller-Autor geworden, dass sich Presse, Funk und Fernsehen um ihn gerissen hätten. Ein Unterhaltungs-Schriftsteller, wenn er noch dazu die in höheren Literatenkreisen ach so geschmähten Heftromane schreibt, ist ohnehin ein Paria seiner Zunft.

Nachdem sich Kurt Brand zur Ruhe gesetzt hatte, wurde es sehr schnell still um ihn. Von den Verlagen wurde nichts getan, seinen Namen beim Leser lebendig zu halten. Der Arbeiter hat sein Werkstück beendet, das Werkstück ist verkauft wenn der Arbeiter nichts Neues produziert, dann wird er vergessen. Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen!

Denn dass Kurt Brand in seinen Romanen weiterlebt, hat er erst in seinen letzten Lebensjahren auf diversen Cons erleben dürfen. Auf einem dieser Cons lernte er Werner Kurt Giesa kennen. Aber es entzieht sich meiner Kenntnis, ob Kurt dorthin mit einer Verlags-Einladung oder privat gefahren ist. Denn seine frühe Mitarbeit bei „Perry Rhodan“ wurde von diversen Leuten des Pabel-Verlages gern diskret unter den Tisch gekehrt. Und sicherlich wäre Kurt Brand außer bei einigen SF-Enthusiasten vergessen, wenn nicht jede neue Auflage seine Romane einer neuen Leser-Generation nahegebracht hätten.

Als während der Frankfurter Buchmesse ein Perry-Rhodan-Con abgehalten wurde, war Kurt von offizieller Seite nicht eingeladen worden. Und so stand er mit uns während der Autogrammstunde unerkannt in der Nähe von Walter Ernsting (für Uneingeweihte, das ist Clark Darlton), der wie die anderen Kollegen im Akkord seinen Namen schrieb. Und Walters Ohren wurden spitz wie die von Mister Spock, als er hörte, wie die Autogrammjäger nach Kurt Brand fragten. Guckys geistiger Vater wusste sehr wohl, dass Kurt privat auf der Buchmesse und mehr inkognito auf dem Con war. Er blickte von seinen „Hausaufgaben“ auf und zeigte auf unseren Freund: "Wenn ihr ein Autogramm von Kurt Brand wollt, da steht er!"

Ja, und dann musste sich Kurt setzen und sein Autogramm auf die Karte von Clark Darlton schreiben, denn für ihn selbst hatte man keine Karten drucken lassen. Eigene Autogrammkarten bekam er erst später.

Und nach dieser Episode wurde Kurt Brand auch offiziell zu den großen PR-Cons eingeladen. Ein besonderer Triumph war es für ihn, dass er als nach Jahren ältester Perry-Rhodan-Autor im August 1991 in Karlsruhe als erster die Bühne betreten durfte. Dieser Artikel ist, wie ich schon sagte, keine korrekte Biographie, sondern mehr als „Gedanken und Erinnerungen“ zu werten. Niemand von uns hat während der gemeinsamen Abende in Kaltern und anderswo daran gedacht, etwas von Kurt Brands Erzählungen aus seiner Kindheit, Jugend, Militärzeit und den Anfängen seiner Schriftstellerei in rasch festgehaltenen Notizen für die Nachwelt aufzuzeichnen.

So ist auch der Titel des ersten Kurt-Brand-Romans „Eisberge zerstören die Erde“ meiner Erinnerung entnommen. Nein, die Sammler brauchen nicht nachzusehen, diesen Roman gibt es nicht. Er ist unwiederbringlich im Feuer des zweiten Weltkrieges beim Angriff auf Köln dahin gegangen. Denn Kurt hat ihn in seiner Schulzeit mit der Hand geschrieben. Die Handlung war von den Werken des Hans Dominik beeinflusst und muss, seinen Erinnerungen nach, eine Space-Opera gewesen sein, in der „was los war“.

Zurück zu jenem Abend in Lippstadt, von dem ich, wie von allen anderen Treffs (ein einziges ausgenommen, weil das meine Hochzeit war) das Datum vergessen habe.

Kurt Brand war nicht alleine gekommen. Seine Tochter Doris war dabei, hielt sich jedoch dezent im Hintergrund. Kurt konnte, wenn er wollte, jede Szene mit der Macht seines Wortes beherrschen. Allerdings vermochte er es auch, ruhig zuzuhören und mit einem geistreichen Einwand die Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken. Und so kam an diesem Abend eine muntere Unterhaltung zustande, die sich nicht nur auf „Ren Dhark“ beschränkte.

Natürlich waren wir, wie auch im Schriftverkehr, mit Kurt erst in aller Förmlichkeit per „Sie“. Für uns war er eine Autoritätsperson, die es eigentlich nicht nötig hatte, sich mit uns zu befassen. Wir waren in seinen Augen Fans, denen man als Autor mit einer gewissen Reserviertheit gegenüber zu treten hat.

Und Fans waren damals auch die Leute, die heute in der deutschen Phantastik den Ton angeben. Denn Kurt Brand gehört zur „alten Garde“, die das Vorbild für manchen Perry-Rhodan-Autoren der heutigen Tage darstellt. Für mich war er jedenfalls einer der Götter des Literaten-Olymp der Phantastik.

Werner Kurt Giesa hatte damals schon eine recht stattliche Anzahl Hefte geschrieben und war damit für Kurt schon „Kollege“. Ich erzählte dann auch von meinen ersten Romanverkäufen für die Serie „Professor Zamorra“ und erntete bei Kurt Unverständnis, warum ich ihm kein Exemplar eines Romans mitgebracht hatte.

Ich war wie vom Donner gerührt. Dass einer der ganz Großen im Geschäft sich dafür interessiert, was ein nebenberuflicher Newcomer auf dem Gebiet der „Weird-Phantastik“ zu Papier bringt, das hätte ich nie gedacht. Ich war darauf gefasst, mit dem höflich-überlegenen Lächeln des Altmeisters von ihm auf meine literarische Nichtswürdigkeit hingewiesen zu werden.

Jahre später hat mich der Kurt noch mal auf diese Art geschockt. Auf dem Buchmesse-Con in Frankfurt schmiss er mir meinen Fantasy-Roman „Götter-Krieg“ auf den Tisch und donnerte wie eine beleidigte Gottheit im schönsten Kölsch, dass er keine Zeile dieses Romans lesen würde, weil ich ihm den nicht signiert hätte... Ich war wie vom Donner gerührt. Wer bin ich denn, dass ich es wagen könnte, einem Autoren, dessen signierte Romane ich selbst wie Kostbarkeiten hüte, mein eigenes Werk zu unterschreiben.

Eigenes Werk! Ja, dieses Wort hatte ich mal für unsere Hefte gebraucht, und Kurt sprang wie von der Tarantel gestochen auf. "Das ist richtig!" waren seine ungefähren Worte. "Ja, es sind Werke, was wir schaffen, auch wenn es manche Leute nicht anerkennen. Aber wir arbeiten genauso hart daran wie sie an dem, was man ‚große Literatur‘ nennt!"

Kurt Brand war mit Leib und Seele Erzähler und Unterhalter, der niemals an die Unsterblichkeit des Literaten-Walhalls gedacht hat. Er schuf für seine Leser und sich selbst mitreißende Abenteuergeschichten in allen Sphären des Spannungsromanes. Sein Erfolgsrezept war, dass in seinen Romanen „was los“ war.

Seine alten Western würden heute allerdings nicht mehr die Schreibtische der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften passieren. Aber wer die wahre Geschichte des amerikanischen „Wilden Westens“ kennt, der weiß, dass dort die Colts ebenso oft wie in Brand-Romanen gesprochen haben. Nur, dass das Klischee eben den gängigen „Pferde-Opern“ aus dem Kino entsprach.

Bei Perry-Rhodan waren seine Romane stets ein Garant für rasante Handlung und atemberaubende Gefechte im Weltraum. "Kurt Brand macht in den interstellaren Raumschlachten seiner Romane mehr Bruch, als die terranische Produktion in fünf Jahren wieder aufbauen kann!" war so ein geflügeltes Wort.

Obwohl er in seinen späteren SF-Romanen, vor allem bei „Raumschiff Promet“ dazu überging, Probleme ohne militärische Konfliktsituationen zu lösen, prägte er mal den Spruch: "Ein Ren Dhark, der nicht mal richtig zulangt, gefällt mir auch nicht!"

Zurück zum Abend unserer ersten Begegnung.
Natürlich musste Kurt auch die mitgebrachten Romane signieren, und als ich ihm meine schon erwähnte Leser-Story vorlegte, wusste er mit mir überhaupt etwas anzufangen. Die Tatsache, dass ihn die Story amüsierte und meine wenigen damals veröffentlichten „Zamorra“-Romane genügten, dass Kurt von mir als von einem „Kollegen“ sprach. Für mich war das eine Ehre wie die Verleihung des Hosenbandordens.

Der Abend wurde recht lang, und der Einzige, dessen Leber nach Hopfenblütentee wimmerte, war ich. Aber es gab für mich ebenso wenig Bier wie für Obelix Zaubertrunk, weil ich die „Glarelion“ noch nach Kassel lenken musste. An diesem ersten Abend wurde über SF und artverwandte Gebiete wie über Gott und die Welt geredet, und wir erfuhren zum ersten Male bruchstückhaft das Geheimnis, warum Kurt Brand bei Perry Rhodan nicht mehr mitschrieb.

Keine Angst, ihr wenigen Verbliebenen, die ihr dieses lest und ebenfalls die Wahrheit kennt. Über dieser Wahrheit liege der Mantel des Schweigens wie die Erde, die Kurt Brands Sterbliches deckt.

Wir, seine Freunde, wissen es und ihr wisst es. Das mag genug sein!

Geld verdirbt nicht nur den Charakter, sondern auch Freundschaften, die ohne innere Werte geschlossen werden, und dieser Verrat an Kurt Brand war für alle die, denen er Nutzen brachte, mehr als dreißig Silberlinge wert. Ich für mich selbst habe auf mein Schwert geschworen, mich niemals für eine ähnliche Neidtat hinzugeben. Es ist alles ei ne Frage der Ehre!

Kurt hat uns mal vorgerechnet, dass ihn das Perry-Rhodan-Intrigenspiel, das ihn als Verlierer sah, mehr als eine Million Mark gekostet hat. Diese gewaltige Summe ist zwar spekulativ, aber aufgrund der Nachdruck-Honorare etc. nach einer Wahrscheinlichkeitsrechnung belegbar.

Selbst bei unserem letzten Besuch in Kaltern, als Kurt Brand schon auf der Schwelle zum Jenseits stand, hat er diesen Verrat nicht vergessen. So abgeklärt er zu diesem Zeitraum innerlich war (wenn es ihm gelang, die Gedanken zu sammeln) als er fragte, wie die derzeitige Situation im „Beruf“  sei und wir ihm nicht viel Positives berichten konnten, da erinnerte er sich an die Perry-Rhodan-Affäre. Eine Weile murmelte er etwas Unverständliches und sagte plötzlich ganz klar und deutlich: "Es ist gut!"

Ich werte dieses "Es ist gut!" hier als seinen bekundeten Willen, dass er mit seinem Tode auch diese Angelegenheit aus der Welt schaffen wollte. Wäre das nicht der Fall, dann würde ich, ohne Rücksicht auf literarische Acht und Bann hier und jetzt Namen nennen und die Sache so berichten, wie sie uns Kurt Brand mehrfach erzählt hat.

Im Text eines „Raumschiff Promet“-Romanes hat er den Namen des Haupt-Intriganten von damals in verschlüsselter Form genannt. Suchet, so werdet ihr finden!

Aber ich glaube, es war nicht der Wille unseres Freundes, dass wir über sein Grab zu einem Rachefeldzug schreiten, der niemandem mehr nützt, aber uns und einigen anderen Leuten schaden könnte. Als Werner ziemlich engagiert mit den Verlagsleuten von damals zusammenarbeiten musste, hat Kurt ihn sogar bestürmt, wenn es ihm dort geschäftlichen Nutzen und Vorteile bringt, ihre Freundschaft zu leugnen.

So war Kurt Brand. Er wusste, wie im „Beruf“ und im „Geschäft“ der Hase lief, und dass man bei diversen Verlagsgöttern in Proskynese versinken muss, um einen Romanauftrag zu bekommen und damit das Weiterleben für sich selbst und die Familie zu sichern. Denn ansonsten bleibt nur der bittere Weg zum Sozialamt.

Schreiben kann man viel! Aber wenn das Geschriebene keiner kauft, ist die grandioseste Literatur eben nur wertloses, beschriebenes Papier. Und davon kann niemand leben. Wer als Unterhaltungsschriftsteller nicht den Weg zum Sozialamt antreten will, der muss gelegentlich literarische Prostitution betreiben und auf den Moment warten, wo ihm die Chance geboten wird, sich innerhalb der Gesetze des Heftromanes selbst zu verwirklichen.

Der Unterhaltungsautor unserer Tage muss wie ein Geschäftsmann Aufträge von einem Verlag haben, wenn er so gezielt arbeiten will, dass er dadurch ein regelmäßiges Einkommen hat. Aber einen speziellen Romanauftrag mit garantierter Abnahme bekommt er nicht ohne gewisse Beziehungen, die er mit einer servilen Haltung gegenüber den zuständigen Redakteuren verbinden muss. Und das wusste Kurt Brand sehr genau.

Zu seiner Zeit lasen die Redakteure noch die Romane, die ihnen von unbekannten Leuten zugeschickt wurden. Heute würde „Türme in der Sahara“, Kurt Brands erster veröffentlichter Science-Fiction Roman im Stile Hans Dominiks, wahrscheinlich ungelesen oder flüchtig durchgeblättert zurückgesandt. Kurt hatte ihn Anfang der 50er Jahre geschrieben, weil ihm finanziell das Wasser bis zum Hals stand. Er hatte nach dem Krieg in Köln einen Buchladen aufgemacht, und da die Leute damals kein Geld für Bücher hatten, ging er schnell Pleite. Ein Bekannter empfahl ihm, doch selbst Bücher zu schreiben, wenn er schon keine verkaufen konnte. Das war die Geburtsstunde des Schriftstellers Kurt Brand...

Wir sind immer noch beim ersten Abend. Es dauerte bis ca. 23.00 Uhr, als Kurt in seinem, in gemütlichen Situationen üblichen Kölner Dialekt sagte: "Also, jetzt lasse mer mal däHerr Brand beiseite, ich bin däKurt!"

Ja, und dabei blieb es dann auch. Und als wir nach Kassel zurück starteten, erkannten wir, dass es etwas gibt, was die Grenzen des Alters aufhebt. Das sind gemeinsame Interessen und gemeinsame Ideale. Nicht, dass wir uns stets in allen Dingen einig gewesen wären. Oh nein, in Diskussionen sind an diesem und auch an späteren Abenden bei manchen Themen ganz schön die Fetzen geflogen, und Kurt warf sich stets mit Wonne in die Redeschlacht, wenn es galt, seine Meinung zu verteidigen. Aber in unseren grundsätzlichen Lebenseinstellungen waren wir uns immer einig.

"Wir haben alle ein Alter! Nur einige von uns erreichen es vorher!" war Kurt Brands geflügeltes Wort.

Wir! Wen meine ich damit?
Eingeweihte haben Begriffe vom „Fürstentum Helleb“ und „der Tafelrunde“; vom Herrscher und Statthalter, von Recken und Baronen vernommen. Bevor ich weiter in Erinnerungen an Kurt Brand krame und diese, weil ich sie zeitlich nicht mehr recht einordnen kann, bis auf die letzten Treffen recht kunterbunt berichtet werden, will ich hier zum besseren Verständnis für Uneingeweihte noch etwas über diesen Freundeskreis berichten.

Die Idee und die Geschichte unserer Tafelrunde bleibe für Außenstehende im mystischen Dunkel. Hans Klipp hatte einst den Gedanken, Leute, die aus innerer Überzeugung gleichen Idealen folgen und sie in Wort und Schrift verbreiten, zu einem Bund zusammen zu schmieden.

Hauptsächlich bedeutet es, dass wir in unseren Werken die Werte der Ritterlichkeit Ehre, Treue und dienendes Pflichtgefühl dem Leser nahe bringen, indem wir unsere Roman-Helden nach eben diesen Grundsätzen leben lassen. Dazu gehören auch die Toleranz gegenüber Andersdenkenden, Freiheit der Religiosität und die Achtung von Randgruppen.

Und noch eine Sache war für uns alle wichtig: Die Menschheit offen oder im Text verborgen auf den Tag vorzubereiten, an dem sie den ersten Kontakt mit anderen intelligenten Lebensformen aus dem Kosmos hat. Denn wir von der Tafelrunde sind der festen Überzeugung, dass wir nicht die einzigen Intelligenzen im Weltall sind, dass die Erde bereits Besuch aus dem Kosmos hatte, und dass sich die Menschheit dieses Planeten dereinst mit der Tatsache abfinden muss, im kosmischen Maßstab eine „Bananen-Republik“ zu sein.

Dieser innere Kreis, die Tafelrunde, ist vielleicht mit der ehemaligen „Fellowship of Lords“ (besser bekannt als FOLLOW) oder der „Hyborian Legion“ zu vergleichen. Sie hat jedoch nichts mit einer Geheimgesellschaft zu tun. Jeder von uns geht seinen Weg allein und erfüllt die Aufgabe, die ihm sein Innerstes vorschreibt, wie es sich für einen Krieger geziemt. Doch wenn wir zusammen sind, dann tauschen wir Gedanken aus.

Aber diese Zusammenkünfte finden nicht in Form von Zeremonien und Sitzungen nach festem Ritual statt sondern im lockeren, zwanglosen Gespräch. Die Tafelrunde ist mit ihren Titeln mehr ein inneres Bewusstsein als eine äußere Schaustellung. Der innere Adel bedarf keiner äußeren Zeichen. Dazu kommt, dass wir das „Fürstentum Helleb“ als eine der vielen erdachten Welten neben unserer Realität begreifen, in die sich jeder, wann immer er das Bedürfnis hat, zurückziehen kann, und in der wir uns geistig befinden, wenn wir zusammen sind, ohne dass Gewänder und Waffen getragen werden.

Der innere Kreis, das sind Hans Klipp (William von Helleb, der Herrscher) meine Unwürdigkeit (Er lik von Twerne, der Statthalter), Werner Kurt Giesa (Baron Gregor tor Lippia), Jürgen Grasmück, besser bekannt als Dan Shoker (Sir Jay of Marlos), Kurt Brand (Sternen-Baron Curt von Caldaro), und Horst Hermann von Allwörden, besser bekannt als Hexen-Hermann. Der wurde als Küsten-Baron Hermann von Kehdingen als letzter in diesen illustren Kreis aufgenommen.

In die Tafelrunde dieses Phantasie-Reich kann man nicht eintreten wie in einen Club oder Verein. Man kann nur berufen werden, wenn man von den Herrn der Tafelrunde für würdig erachtet wird. Und diese Aufnahme ist nicht käuflich wie diverse Adelstitel eines gewissen Konsuls. In den Kreis der Helleber berufen zu werden, das ist eine Frage der Ehre, und die ist für Geld nicht zu erwerben.

Jeder der Fürsten von Helleb besitzt ein Schwert und ein Gehümp (einen Humpen - was sonst?) Kurt hat in Kaltern das ihm von der Adels-Runde verliehene Schwert und die Urkunde, die seinen Titel bestätigt, in seiner Wohnung an einen besonderen Ehrenplatz gehängt. Und es gibt die Episode, dass er die Klinge mal von der Wand genommen hat, als sich Baron di Pauli (ein echter Wein-Baron aus Kaltern mit großen Kellern und uraltem Adel), über seinen Titel als Baron von Helleb lustig machte. Kurt nahm die Klinge von der Wand und forderte Baron die Pauli damit heraus, ihm in der Art seiner Vorfahren diesen Titel abzunehmen. Seine blaublütige Gnaden geruhten, auf ein Duell zu verzichten und das brand‘sche Refugium danach nie wieder betreten.

So war Kurt. Wenn er von einer Sache überzeugt war, dann verteidigte er sie auch. Wie ein echter MAGIRANER auch in dieser für uns gewissermaßen „realen“ Welt niemals etwas auf sein „Volk“ in MAGIRA kommen lässt, so verwahren wir Helleber uns, diesen Freundeskreis als eine Art „Ritterstammtisch“ zu betrachten, der nur dazu dient, die Nöte der Brauer und Winzer zu lindern, in dem man deren Produkte in sich hinein schüttet.

Die Tafelrunde ist eher eine Gesellschaft epikuräischer Philosophen, die dennoch im Inneren den Geist der Stoiker und der Neu-Platoniker bewahren. Man schätzt gute und offene Gespräche über Themen aller Art (besonders im Bereich der Science Fiction und der Esoterik) ebenso wie eine gute Tafel mit gepflegten Getränken.

Auch Religiosität kommt in aller Toleranz gelegentlich zur Sprache und obwohl wir verschiedenen Konfessionen angehören, bzw. aus der Kirche ausgetreten sind, erkennen wir jeder für sich jede Art von Glauben an, in dem die Kräfte, die wir als das „Gute“ bezeichnen, verehrt werden. Das ist einer der Gründe, warum sich nicht nur Kurt Brand gelegentlich als „Heiden“ bezeichnete. Denn nur der Heide darf allen Kirchen und Tempeln die gleichen Rechte einräumen, weil er weiß, dass hier in verschiedenen Ritualen und Gebräuchen dennoch die gleiche Gottheit angerufen wird.

Nie werde ich vergessen, wie sich Kurt Brand am letzten Geburtstag seines Lebens plötzlich erhob, sein volles Glas erhob und uns zurief: "Auf das, an was wir glauben!" Heute noch rieselt es mir eiskalt den Rücken herunter, wenn ich an diese Situation denke. Denn Kurt wusste, dass der Tod ihm wie sein Schatten folgte und sprach hier noch einmal sein persönliches, unausgesprochenes Glaubensbekenntnis.

Einmal, während eines esoterischen Gesprächs auf die Dimensionen des Jenseits angesprochen sagte Kurt, dass er vor Zeiten ein Erlebnis gehabt hätte, über das er nie, nie und niemals reden würde. Er glaube nicht... er wisse...! Das Gespräch wurde dann in andere Bahnen gelenkt, denn Kurt redete damals in einem solchen festen Tonfall, in dem jede weitere Frage seinen ernsthaften Zorn heraufbeschworen hätte.

Zurück zum Fürstentum Helleb und seinem Hochadel...
In die Tafelrunde kann nur aufgenommen werden, wer von einem der Mitglieder vorgeschlagen wird. Dieser bürgt für die Lauterkeit und die geistige Seelenverwandtschaft. Die Aufnahmezeremonie kann stattfinden, wenn die gesamte Tafelrunde anwesend und einverstanden ist, und alle ihre Schwerter dabei haben. Die Erhebung in den Hochadel von Helleb erfolgt durch einen gemeinsamen Ritterschlag, den alle Fürsten zur gleichen Zeit ausführen. Der Schwertschlag auf die Schulter wird im Stehen genommen, man kniet nicht vor Menschen. Darüber gibt es eine Urkunde, die von allen Fürsten des Reiches unterschrieben ist.

Da es für Außenstehende fast unmöglich ist, in diesen feststehenden Freundeskreis berufen zu werden, wurde der Rang des „Recken von Helleb“ geschaffen. Jeder der Fürsten der Tafelrunde kann ohne besondere Zeremonie einen Freund, der würdig ist und unseren Idealen nacheifert, mit einem Ritterschlag im Stehen zum Recken ernennen. Er sagt dabei die Worte: "Du bist unseres Geistes und lebst nach unseren Gesetzen, ohne sie zu kennen. Nenne dich hinfort einen Recken von Helleb!" Bei Frauen ist es der Titel einer „Lady von Helleb“. Ein Fürst überlegt natürlich sorgfältig, bevor man den „Reckenschlag“ erteilt, weil er sich für den Charakter des neuen „Vasallen“ verbürgt.

Da Helleber „Dimensionsgänger“ sind, die in allen Welten, die Gedanken ersinnen können, zu Hause sind, ist es klar, dass sich MAGIRANER in unseren Sphären mit Stolz als Recken fühlen, ohne dass es ihren Titeln in ihrer eigenen Welt abträglich wäre. Als vor langer Zeit die „Schweine von Korossos“ Werner und mich zu „Ehrenschweinen“ machten (deswegen vermag mich mit dem Wort „Schwein“ niemand mehr zu kränken) erhoben wir sie samt Lord in den Rang der Recken von Helleb. Deswegen sind Helleber an den Bankett-Tischen von Korossos gern gesehene Gäste.

Prominentester Recke von Helleb ist Dr. Helmut W. Pesch, den ich aus meiner kurzen, aber intensiven Zeit beim „Bären-Clan“ kennen und schätzen lernte, bevor er bei BASTEI-Fantasy mein Redakteur wurde. Damals war er jedoch noch Studiosus, und wenn wir an unser erstes Wein-Gelage denken, müssen wir heute noch schmunzeln. Aber das ist eine andere Geschichte... Zurück zu den Erinnerungen an Kurt Brand und wie er ein Teil des Freundeskreises wurde.

Wir hatten uns noch einige Male getroffen, bevor wir daran dachten, Kurt Brand zum Baron zu machen. Vor allem wussten wir nicht, wie er selbst auf die Zeremonie reagieren würde. Dazu kam, dass Jürgen Grasmück zwar seit frühester Jugend Kurt als Schriftsteller bewunderte, ihn aber persönlich nicht kannte.

Also wurden die Schwerter, Gewänder, das Banner etc. von uns diskret in die Shocker‘sche Kellerbar geschafft. Hätte Jürgen ein „Nein“ signalisiert, wäre Kurt dieser „innere Kreis“ niemals bekannt geworden. Wer konnte wissen, wie das Verhältnis zwischen Kurt Brand und dem damaligen Jung-Autoren Jürgen Grasse war.

Aber das Eis zwischen den beiden Autoren konnte nicht brechen, weil es nie dagewesen war. Beide schätzten die Romane des anderen und waren schon eifrig im Gespräch, als der Rest der Runde ankam. Wir machten eine Grill-Party hinter der „Lindenburg“ von „Sir Jay“ und verfügten uns sehr spät in die Kellerbar. Diskret zogen wir uns zurück, um die Gewänder anzulegen.

Und dann guckte der Kurt wie ein kleines Kind, das zum ersten Mal einen lichtumstrahlten Weihnachtsbaum sieht, als wir im feierlichen Zug, das Banner vorneweg, auf ihn zuschritten. Eine kurze Laudatio wurde gehalten, um ihm die Ehre zu verdeutlichen und ihm klar zu machen, dass dies eine Zeremonie und kein Jokus war.

"Aber ich will nich so enne Halunke sein, wie däSternenbaron!" war sein Kommentar, als wir seinen Titel verlasen (gemeint ist eine Figur aus seiner SF-Serie „Der Weltraum-Reporter“).

Stolz schwang er das von uns überreichte Schwert, und dann wurde das „Gehümp“ eingeweiht. Und dennoch kam die richtige, enge Freundschaft, in der echtes Vertrauen zwischen uns herrschte, erst im Laufe der Jahre. Kurt war in seinem Leben zu oft enttäuscht worden. Gegebene Worte, auf die er felsenfest baute, wurden gebrochen, wie man Papier zerreißt. Aber bei jedem Mal, wenn wir zusammenkamen, wurde seine gelegentlich immer noch vorhandene Reserviertheit beiseitegeschoben. So langsam begriff er, dass uns seine Person als der Mensch Kurt Brand nahe stand, und wir ihn nicht als Fürsprecher bei Verlagen brauchten oder seine Beziehungen bei Redakteuren als Trittleiter für Verlagsintrigen missbrauchten.

Als wir ihn kennenlernten, war Kurt Brand aus dem eigentlichen Roman-Geschäft schon raus und hatte sich zur Ruhe gesetzt. Die Einkünfte schienen ihm zu reichen, und außerdem gab es keine Serien mehr, in denen er mitschreiben konnte. „Ren Dhark“ wurde nicht weiter geführt, für „Raumschiff Promet“ fand sich auch kein Interessent, und in Sachen Krimi, Western und Horror war eine andere Autorengeneration nachgewachsen. Kurt schrieb gelegentlich noch Kurzgeschichten zur eigenen Erbauung und führte diverse Schriftverkehre. Ansonsten aber lebte er nach einem mehr oder weniger strengen Tagesablauf.

Ja, wie lebt eigentlich ein Schriftsteller auf dem Altenteil?
Schon seit vielen Jahren hatte sich Kurt Brand nach Kaltern zurückgezogen. Das liegt jenseits der Alpen in Südtirol und auf der Landkarte gehört es zum Staatsgebiet von Italien. Aber wage es niemand, einen Südtiroler einen Italiener zu nennen. Denn dort herrscht echtes Deutschtum und der Geist vom seligen Andreas Hofer ist überall zu Hause.

Die Südtiroler sind freundlich, zuvorkommend und gelegentlich ein wenig eigenartig. Sie reden einen etwas ausgefallenen Dialekt, eine Mischung zwischen Bayrisch und Österreichisch. Die italienische Sprache wird im Allgemeinen nur zum Fluchen benutzt.

"Mir san Deitsche!" hört man immer wieder. Die Italiener sind die „Walschen“, vom altdeutschen Begriff „Welschen“. Historisch gesehen dürften sich in den Südtiroler Tälern die letzten Ostgoten angesiedelt haben, die nach dem Schlachttode des Heldenkönigs Teja am Vesuv von byzantinischen Feldherrn Narses freien Abzug über die Alpen erhalten hatten. Die Ortschaft auf dem Brenner heißt „Gossensaß“ d.h. Gotensitz.

Noch viele andere Dinge aus der Geschichte dürften den absoluten deutschnationalen Charakter der Südtiroler geprägt haben, aber ich glaube, dass hier die Wurzeln des Stolzes eines jeden Südtirolers liegen.

Dass sich Kurt Brand so fern der Heimat niederließ, hatte sicher den Grund, dass er sich in Südtirol wie in Deuschland fühlte, aber in einer Wetter-Oase hauste, in der an den meisten Tagen im Jahr die Sonne scheint. Liegen auch auf den umliegenden Bergen und in den Dolomiten hoher Schnee, im Tal lacht die Sonne und man kann die Jacke aufknöpfen.

Kaltern, italienisch Caldaro genannt, liegt 50 Kilometer südlich der Hauptstadt Bozen an der Weinstraße. Eigentlich sind es vier Ortschaften, die sich vom Tal den Berg hinaufziehen. Außer dem eigentlichen Ort „Kaltern“ liegen an den recht unangenehm ansteigenden Hängen die Ortsteile Mitterdorf, Sankt Anton und Sankt Nikolaus.

Kurt Brand wohnte im oberen Teil im Ortsteil Sankt Nikolaus in einem Haus fast mitten in den Weinbergen. Manch einer glaubt, dass es sein eigenes Haus war aber er wohnte tatsächlich zur Miete.

Natürlich hatte er mal vor, in Kaltern zu bauen. Dazu war auch schon ein Grundstück in der Nähe der „Kalterer Höhe“, einem markanten Aussichtspunkt, gekauft worden. Wie alle Häuser in Kaltern hätte er an einen Steilhang bauen müssen, an dem vernünftige Leute höchstens Hang-Hühner züchten. Und ich vermute, er hat es gelassen, weil dieser Bau sehr teuer geworden wäre.

Irgendwo im Westerwald hatten Kurt und Maria noch eine voll möblierte Eigentumswohnung, die sie bewohnten, wenn sie in Deutschland waren. Das war meistens im Herbst, damit Kurt die Buchmesse besuchen konnte. In Köln kamen sie, so lange die alte Dame lebte, bei Kurts Mutter unter.

Die Kalterer Wohnung von Maria und Kurt Brand war geräumig und lag im Kellergeschoß eines Hauses im Vial-Weg.

Auf einem kleinen Parkplatz davor stand sein BMW, denn Kurt war ein Freund schneller Wagen, die stets den Namen „Point Of“ führten. Die lenkte er mit traumwandlerischer Sicherheit durch die engen Gassen von Kaltern, fuhr aber dabei stets einen „heißen Reifen“ wie ein Italiener.

Eigentlich hätte er statt eines Lenkrades einen Steuerknüppel benötigt. Ich bezweifele, ob der Pilot eines Ein-Mann-Jägers der Terranischen Sternenflotte mit der gleichen Rasanz durch ein Meteoritenfeld geflogen wäre wie Kurt durch die engen Gassen von Kaltern, die wenig breiter waren als sein Wagen.

Wenn ich an diverse Fahrten hinauf zum Mendel-Pass oberhalb von Kaltern denke, bekomme ich heute noch das leichte Gruseln. Eine Fahrt in der Achterbahn ist dagegen ein reiner Sonntags-Spaziergang. Im breitesten Kölsch seine Späße machend fuhr Kurt wie ein Henker die verschlungensten Serpentinen hinauf und hinunter. Naja, er kannte diese Straßen ganz genau. Mir war immer zumute wie an Bord des „Rasenden Falken“, wenn Han Solo mal zeigt, was in der Mühle steckt.

Autofahren das war Kurt Brands Leidenschaft. Als er zu meiner Hochzeit anrauschte, schaffte er die Strecke Kaltern-Kassel in 6,5 Stunden. Er sei so ganz locker mit 22O Sachen gefahren, berichtete er. Baustellen? Bitte schön welche Baustellen? Man hielt kurz an den Grenzen und zum Tanken und freute sich auf ein kühles Bier in Kassel. Mir unbegreiflich, warum an diesem Tag die Polizei keinen UFO-Alarm hatte...

Dieser Wagen, ein cremefarbener Renner, war aus steuerlichen Gründen auf seine damals noch lebende Mutter in Köln zugelassen. Was der Beamte auf der dortigen Zulassungsstelle gesagt hat, als er diese Rakete auf den Namen einer 92jährigen Dame zulassen musste, ist nicht überliefert.

Von Kurts Wohnung kann ich nur das Wohnzimmer beschreiben, denn die Privat-Gemächer waren Tabu-Zone.

Man trat gleich in das Wohnzimmer ein. Es war so groß, dass zwei Polstergarnituren mit Tischen drin Platz hatten und somit genügend Sitzplätze vorhanden waren. Im vorderen Teil links war eine Essecke, im hinteren Teil, durch ein Wandstück abgetrennt, sein Arbeitsbereich. Ein antiker Schreibtisch und ein Bücherschrank waren die Prunkstücke, in denen er seine eigenen Lieblingsbücher aufbewahrte. Dazu noch ein Bücherregal mit einer Auswahl seiner eigenen Leihbücher.

Sein Schreibmaschinentisch und der Stuhl waren normale Büromöbel. Kurt Brand benutzte zuletzt eine IBM-Kugelkopfmaschine. Obwohl er nicht mit zehn Fingern schrieb, legte er ein unglaublich schnelles Tempo beim Schreiben vor. Das hat er uns mal bewiesen.

Von den zahlreichen, kostbaren Dekorationsgegenständen ist vielleicht eine Geige aus Porzellan erwähnenswert, die er in Ungarn gekauft hatte.

Ungarn, das Land und seine Leute, waren Kurt Brands heimliche Liebe. Fast jedes Jahr machte er mit Maria dort Urlaub, und wenn ich das recht verstanden habe, dann war er mal mit einer Ungarin verheiratet. Auch das ist wieder so eine Sache, über die in unseren Kreis niemals geredet wurde, und von der ich deshalb nichts Konkretes sagen kann.

Kurt und Maria besaßen Original-Kleidung der Puszta, mit der sie auf Cons gern die anwesenden Fans verblüfften. Im großen Jubiläumsband des Perry-Rhodan-World-Cons 91 ist Kurt mit diesem Hemd abgebildet. Kurt hatte auch für Horror-Romane ein Pseudonym, von dem ich nur den Vornamen „Janos“ weiß. Der Nachname bedeutet jedoch in deutscher Sprache „Schwein“.


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