Skripte, Durchschläge und Recycling
Moin Rolf,
Skripte, Durchschläge und Recycling
Heute gibt es keine Manuskript-Durchschläge mehr. Früher waren die unbedingt nötig falls das Original auf dem Postweg verloren ging. Womit mir in dieser Hinsicht wieder eine Episode einfällt, die wir damals von unserem Freund Kurt Brand gehört haben und wo ein Original-Manuskript und ein Durchschlag des Textes der Dreh- und Angelpunkt war. Jedenfalls hat uns Kurt damals in Kaltern in seiner gemütlichen Art mit rheinischem Dialekt die Sache so erzählt.
Wenn ich mich recht erinnere, ging es damals um die »Ren-Dhark« - Taschenbücher, die der Kelter-Verlag lange nach der Heft-Serie rausbrachte. Es waren zwar nicht viele Bücher ... und leider gab es dann auch nicht mehr so viele »Ren Dhark«-Fans, dass es mehr geworden wären.
Um es kurz zu machen Kurt hatte den Roman-Auftrag völlig vergessen. Als das Telefon klingelte und sich aus Hamburg der Kelter-Verlag meldete, war nicht eine Zeile geschrieben. Aber Kurt war ja Sofort-Umschalter. Und irgendwie muss es ihm dann doch in Erinnerung gekommen sein, dass da ein Roman-Auftrag vorlag.
Also spielte Kurt am Telefon echtes Theater und zeigte sich sehr verwundert, dass das Manuskript in Hamburg noch nicht eingegangen wäre. Er habe es doch vor zwei Wochen zur Post gegeben. Freilich, Kurt wohnte ja mit seiner Frau Maria in Kaltern, und dieser schöne Ort in Süd-Tirol gehört als Caldaro ja eigentlich zu Italien. Obwohl die Süd-Tiroler eben alle Deutsch sprechen und höchstens auf Italienisch fluchen. Womit sich auch Kurts italienische Sprachkenntnisse erschöpften.
Nun, Kurt Brand hatte sofort einen Schuldigen für das noch nicht eingegangene Manuskript - die italienische Post. Man weiß ja, dass dort im Land des Weins und der Gesänge viele Sachen lockerer gesehen werden als bei uns. Das war auch in Hamburg bekannt und wurde dort als bestehende Tatsache auch vorbehaltlos akzeptiert.
Was denn nun gemacht werden könnte, damit das Manuskript noch rechtzeitig in den Satz käme ... also zum Erstellen der Druckvorlage. Denn wenn solche Satz-Termine stehen, dann können sie schlecht verschoben werden zumal auch Druck und Erscheinungstermine schon lange vorher fest gelegt werden.
Ich habe mal ein besonderes Zamorra - Manuskript am Sonntagabend noch nach Bergisch-Gladbach gefahren, weil ich dem Redakteur bei der Anmahnung versprochen hatte, dass das Manuskript am Montag im Postkasten des Bastei-Verlages sei. Einen anderen Roman dazwischen schieben ging nicht es war der Roman »In der Lava-Hölle« - der letzte Band des »Dynastie-Zyklus«. Und da ging es mir ähnlich wie Kurt Brand.
Der Anruf erfolgte Freitagnachmittag und ich habe das Wochenende durchgeackert, um die Story fertig zu machen. Das war sie so ungefähr um 17 Uhr. Dann etwas starken Kaffee, den meine damalige Frau so kochte, dass er notfalls einen alten Manns aufs Pferd gehoben hätte und ab gings on the Road Westward - Ho. weil Bergisch-Gladbach nun mal westlich von Kassel liegt. So gegen Mitternacht war ich wieder zu Hause und man wunderte sich in der Poststelle des Bastei-Verlages, dass der Umschlag mit dem Manuskript nicht frankiert war. Helmut Jason Dark Rellergerd wusste allerdings, warum. Ich hatte Wort gehalten über den Sprit, den mein damaliger Daimler auf der Tour gefressen hat, reden wir besser nicht.
Für Kurt war so was natürlich nicht möglich. Von Kaltern nach Hamburg ... nein, das ging nun mal nicht. Obwohl ich vermute, dass Kurt diese Strecke in 7 bis 8 Stunden geschafft hätte. Sein gelber BMW hieß nicht nur Point Of, Kurt hat ihn auch gefahren wie einen schnellen Raum-Jäger. Eigentlich brauchte er kein Lenkrad, sondern einen Steuerknüppel. Zu meiner damaligen Hochzeit hat Kurt Brand von Kaltern bis Kassel nach eigenen Angaben ca. 6 Stunden gebraucht. Werner K. Giesa wollte dann wissen, wie das mit den Baustellen auf der Strecke gewesen wäre. Antwort auf Kölsch: »Baustellen? Wat für Baustellen?«
Also, in den Zeiten, als diese Sache passierte, wäre es für Kurt kein Problem gewesen, eben mal von jenseits der Alpen bis an die Nordsee zu heizen. Aber warum nur. Denn das, auf was man dort oben im Land der Fischköppe wartete, war ja gar nicht vorhanden.
Kurt Brand brauchte also Zeit, ein komplettes Manuskript für ein Taschenbuch zu schreiben. Es war Freitagnachmittag die Post in Bozen, wo alles schneller ging, öffnete erst am Montagmorgen. Und genau darauf hat Kurt gepokert. Es waren immerhin zwei Tage und drei Nächte Zeit. Das musste reichen.
Wer mir von den heutigen Autoren allerdings erklären will, dass es nicht zu schaffen wäre, in so kurzer Zeit einen TB-Text zu schreiben, der sollte sich mal vertrauensvoll an Jason Dark wenden. Wenn man pro Woche einen Sinclair schreiben muss, dann blieb für das (inzwischen eingestellte) monatliche Taschenbuch eben nicht mehr Zeit übrig. Zumal Jason Dark ja auch unter Pseudonymen (Red Geller fällt mir gerade ein) für andere Verlage auch geschrieben hat oder seine beiden großen Paperbacks, die damals bei Bastei erschienen sind. Wie sich Helmut so ausdrückte, es ist alles eine Frage von Disziplin und Fleiß dann geht es. Wobei natürlich Talent und Ausdrucksfähigkeit beim Schreiben als gegeben vorausgesetzt wird. Wer so im Geschäft ist, darf nicht nach Formulierungen eines Satzes suchen müssen.
Gut, zurück zu Kurt Brand. Der Kelter-Verlag akzeptierte es also, dass das Manuskript erst am Dienstag eingehen würde. Natürlich dann per Eilboten und Einschreiben. Und eben nicht das Original-Manuskript sondern der Durchschlag.
Danach sind Kurt und Maria noch mal gemütlich essen gegangen und dann ging der Meister an die Schreibmaschine. Maria hatte zwei Aufgaben. Nummer Eins Kaffee kochen, der Tote aufschreien lässt, und Nummer Zwei keinen Piep zu machen und in der Wohnung möglichst unsichtbar zu sein. Und dann ging Kurt Brand an die Hacke und legte los. Er schrieb übrigens mit vier Fingern Zeige- und Mittelfingern. Aber in einem Tempo wie eine Sekretärin mit perfekten Fingersatz.
In meinen Erinnerungen taucht jetzt wieder Kurt Brands Arbeitsbereich im Wohnzimmer auf. Ein Schreibmaschinentisch mit einer elektrischen Kugelkopf-Maschine. Die mechanische Hacke, auf der er früher die Romane geschrieben hatte, war zu unserer Zeit schon im Schrott. Und da Kurt eben in der Einlieger-Wohnung ganz unten im Haus am Berghang ein sehr großes Wohnzimmer, aber kein separates Arbeitszimmer hatte, musste eben im Haus absolute Ruhe herrschen, wenn Kurt Brand am Schreiben war.
Aber zurück zu dem nicht vorhandenen Manuskript. Wenn ich mich recht erinnere, war es »Sternen-Dschungel Galaxis« - das Erste der Ren-Dhark Taschenbücher, die erscheinen sollten. Kurt Brand schrieb es eben an diesem Wochenende und geschlafen wurde nur bei totaler Erschöpfung. Montagmorgen wurde dann der Durchschlag in den Umschlag gesteckt und nach Bozen zur Hauptpost gebracht. Er ist tatsächlich auch am nächsten Tag beim Kelter-Verlag eingegangen.
Kurt ist danach zurück nach Kaltern gefahren es gab noch ein Fläschchen Bier und dann wurde ausgeschlafen. Das eigentliche Manuskript ja das wäre ein absolutes Sammler-Objekt gewesen.
»Dat han ich enne weg jeschmissen. Dat durft doch keiner wissen!« war Kurt Brands Antwort auf die Frage. Wenn er in gemütlicher Runde war, dann sprach Kurt ein Kölsch, das wir verstehen konnten. War er zornig, dann redete Kurt ein Hochdeutsch, das jeden Germanisten und Linguisten vor Freude hätte erstrahlen lassen.
Aber nun zurück zu den Manuskripten von Werner Kurt Giesa. Warum es davon zu wenig gibt. Zumal Werner ja sehr genau wusste, dass diese Durchschriften für die Leute aus dem Fandom echte Reliquen waren.
Ich wusste das damals nicht, als ich mit Schreiben anfing. Meine ersten drei Manuskript Durchschläge sind im Altpapier gelandet. Nur die Kopien der Seiten des Kraken-Götzen, die der prüfende Anwalt beanstandet hatte und die mir zugeschickt wurden, hatten merkwürdigerweise überlebt. Ob heute auch noch, weiß ich nicht fragt mal den Herausgeber des Zauberspiegels dem habe ich sie damals gegeben. So als kleines Danke-schön dass mich das Zauberspiegel-Team damals zum Ehren-Zauberer ernannt hat. Auch wenn ich nur ein Zauberkunststück konnte eine 100-Markschein vor den Augen verschwinden lassen. Nur mit der Rück-Zauberung wurde es dann problematisch.
Ja, als dann auf jenem Con, von dem ich schon berichtet habe, bekannt wurde, wer so verschiedene Zamorra-Romane geschrieben hatte, wurde ich natürlich auch nach Manuskript-Kopien gefragt. Gleichzeitig wurde mir auch erklärt, dass Werner eben im Gegensatz zu anderen Kollege von der Schreibe-Szene keine Kopien weg gäbe.
Meine Bemerkung, ich würde die Sachen wegwerfen, weil es da nach Erscheinen des Romans Alt-Papier wäre, brachte bei einem Fan echte Krokodils-Tränen worauf ich mir seine Adresse aufschrieb und ihm das nächste Duplikat zuschickte. Von da ab wurden die Duplikate nicht mehr weg geworfen. Nach 1986 war ich bekanntlich aus der semi-professionellen Schreibe raus, weil Werner den Zamorra alleine brauchte, um mit Heike noch finanzielle Einnahmen zu haben. Danach gab es keine Manuskripte mehr von mir und ich habe alles, was ich noch hatte, dem Horror-Club Marburg gestiftet, der die diese Sachen auf den Cons für gute Zwecke versteigerte. Und heute im Zeitalter der Computer gibt es eben keine Durchschläge mehr. Und eine Sache, wie ich sie eben von Kurt Brand erzählt habe, ist durch das heutige Internet unmöglich geworden.
Auf der Rückfahrt von diesem Con habe ich Werner gefragt, warum er keine Manuskripte rausgeben würde. Und die Antwort hatte auch was für sich.
»Jedes Manuskript ist ein Teil meiner Persönlichkeit!« erklärte Werner damals sinngemäß nach meinen Erinnerungen. »Sie sind wie Kinder und die verschenkt man nicht. Es hängen einfach zu viele Erinnerungen dran.«
Nun ja, das ist zu akzeptieren. Und das ging auch lange Jahre gut. Bis irgendwann die sicher mehr als 300 Manuskripte im Hause Giesa doch zu viel Platz wegnahmen. Und Vater Giesa, weil man im Haus eben noch Ofen-Heizung hatte, sich eine Art Maschine gekauft hatte, wo man Papier-Briketts herstellen konnte. Die ganzen Zeitungen der Umgebung wurden regelmäßig bei den Nachbarn eingesammelt und auf diese Art verwertet.
Damals gab es noch keine blauen Tonnen und falls doch, hat Vater Giesa den Inhalt dieser Papiertonnen in der Umgebung auch mit heim genommen und zu Papier-Briketts gemacht. Auf diese Art hatte man was zum Heizen, was nichts kostete. Werners Eltern kamen ja aus Ostpreußen und sie sind zwar für ihre Gastfreundschaft bekannt, aber auch für den Umstand, dass sie jede entstehende Situation richtig für sich nutzen können.
Als Werner wie üblich das Wochenende bei mir in Ahnatal verbrachte, ist es dann passiert. Vater Giesa hatte im Schlaf- und Arbeits-Gemach seines Sohnes jede Menge schönes Alt-Papier gefunden. Ja, und dann wurden Papier-Briketts gemacht. Jede Menge. Und Werner war inzwischen so weit Profi, dass es ihn nicht mehr so recht berührte, dass die Manuskripte nun noch mal einer praktischen Nutzung zugeführt wurden. Nun ja, Werner wäre auch der Letzte gewesen, der eine Handlung von Vater und Mutter kritisiert oder gar in Frage gestellt hätte.
Aber für das Fandom hatte diese Sache auch seine gute Seite. Ab dato gab es nämlich Giesa-Manuskripte. Jedenfalls so lange, bis Werner sich endlich dazu durchrang, auf Datenverarbeitung umzusteigen. Oder besser gesagt, sich durchringen musste, weil ihm nichts andres übrig bleib, wollte er seinen Job als Schriftsteller behalten. Und wie ich so mitbekommen habe, sind viele der alten Durchschläge heute in Folie eingeschweißt und bei den Fans und Sammlern in sicher besserer Hand. Ich bin sicher, spätestens bei meinen letzten Umzug im Januar wäre alles in der Blauen Tonne gelandet. Genau so wie von mir viele Reliquien-Stücke aus der damaligen Zeit mit im Müll entsorgt wurde. Es hat eben alles so seine Zeit.
Wobei unsere Zeit schon wieder um ist und die Raben-Episoden mit dem Met oder dem Verräter bis zum nächsten Mal warten müssen. Also bis dann in einer Woche ...
Wenn ich mich recht erinnere, ging es damals um die »Ren-Dhark« - Taschenbücher, die der Kelter-Verlag lange nach der Heft-Serie rausbrachte. Es waren zwar nicht viele Bücher ... und leider gab es dann auch nicht mehr so viele »Ren Dhark«-Fans, dass es mehr geworden wären.
Um es kurz zu machen Kurt hatte den Roman-Auftrag völlig vergessen. Als das Telefon klingelte und sich aus Hamburg der Kelter-Verlag meldete, war nicht eine Zeile geschrieben. Aber Kurt war ja Sofort-Umschalter. Und irgendwie muss es ihm dann doch in Erinnerung gekommen sein, dass da ein Roman-Auftrag vorlag.
Also spielte Kurt am Telefon echtes Theater und zeigte sich sehr verwundert, dass das Manuskript in Hamburg noch nicht eingegangen wäre. Er habe es doch vor zwei Wochen zur Post gegeben. Freilich, Kurt wohnte ja mit seiner Frau Maria in Kaltern, und dieser schöne Ort in Süd-Tirol gehört als Caldaro ja eigentlich zu Italien. Obwohl die Süd-Tiroler eben alle Deutsch sprechen und höchstens auf Italienisch fluchen. Womit sich auch Kurts italienische Sprachkenntnisse erschöpften.
Nun, Kurt Brand hatte sofort einen Schuldigen für das noch nicht eingegangene Manuskript - die italienische Post. Man weiß ja, dass dort im Land des Weins und der Gesänge viele Sachen lockerer gesehen werden als bei uns. Das war auch in Hamburg bekannt und wurde dort als bestehende Tatsache auch vorbehaltlos akzeptiert.
Was denn nun gemacht werden könnte, damit das Manuskript noch rechtzeitig in den Satz käme ... also zum Erstellen der Druckvorlage. Denn wenn solche Satz-Termine stehen, dann können sie schlecht verschoben werden zumal auch Druck und Erscheinungstermine schon lange vorher fest gelegt werden.
Ich habe mal ein besonderes Zamorra - Manuskript am Sonntagabend noch nach Bergisch-Gladbach gefahren, weil ich dem Redakteur bei der Anmahnung versprochen hatte, dass das Manuskript am Montag im Postkasten des Bastei-Verlages sei. Einen anderen Roman dazwischen schieben ging nicht es war der Roman »In der Lava-Hölle« - der letzte Band des »Dynastie-Zyklus«. Und da ging es mir ähnlich wie Kurt Brand.
Der Anruf erfolgte Freitagnachmittag und ich habe das Wochenende durchgeackert, um die Story fertig zu machen. Das war sie so ungefähr um 17 Uhr. Dann etwas starken Kaffee, den meine damalige Frau so kochte, dass er notfalls einen alten Manns aufs Pferd gehoben hätte und ab gings on the Road Westward - Ho. weil Bergisch-Gladbach nun mal westlich von Kassel liegt. So gegen Mitternacht war ich wieder zu Hause und man wunderte sich in der Poststelle des Bastei-Verlages, dass der Umschlag mit dem Manuskript nicht frankiert war. Helmut Jason Dark Rellergerd wusste allerdings, warum. Ich hatte Wort gehalten über den Sprit, den mein damaliger Daimler auf der Tour gefressen hat, reden wir besser nicht.
Für Kurt war so was natürlich nicht möglich. Von Kaltern nach Hamburg ... nein, das ging nun mal nicht. Obwohl ich vermute, dass Kurt diese Strecke in 7 bis 8 Stunden geschafft hätte. Sein gelber BMW hieß nicht nur Point Of, Kurt hat ihn auch gefahren wie einen schnellen Raum-Jäger. Eigentlich brauchte er kein Lenkrad, sondern einen Steuerknüppel. Zu meiner damaligen Hochzeit hat Kurt Brand von Kaltern bis Kassel nach eigenen Angaben ca. 6 Stunden gebraucht. Werner K. Giesa wollte dann wissen, wie das mit den Baustellen auf der Strecke gewesen wäre. Antwort auf Kölsch: »Baustellen? Wat für Baustellen?«
Also, in den Zeiten, als diese Sache passierte, wäre es für Kurt kein Problem gewesen, eben mal von jenseits der Alpen bis an die Nordsee zu heizen. Aber warum nur. Denn das, auf was man dort oben im Land der Fischköppe wartete, war ja gar nicht vorhanden.
Kurt Brand brauchte also Zeit, ein komplettes Manuskript für ein Taschenbuch zu schreiben. Es war Freitagnachmittag die Post in Bozen, wo alles schneller ging, öffnete erst am Montagmorgen. Und genau darauf hat Kurt gepokert. Es waren immerhin zwei Tage und drei Nächte Zeit. Das musste reichen.
Wer mir von den heutigen Autoren allerdings erklären will, dass es nicht zu schaffen wäre, in so kurzer Zeit einen TB-Text zu schreiben, der sollte sich mal vertrauensvoll an Jason Dark wenden. Wenn man pro Woche einen Sinclair schreiben muss, dann blieb für das (inzwischen eingestellte) monatliche Taschenbuch eben nicht mehr Zeit übrig. Zumal Jason Dark ja auch unter Pseudonymen (Red Geller fällt mir gerade ein) für andere Verlage auch geschrieben hat oder seine beiden großen Paperbacks, die damals bei Bastei erschienen sind. Wie sich Helmut so ausdrückte, es ist alles eine Frage von Disziplin und Fleiß dann geht es. Wobei natürlich Talent und Ausdrucksfähigkeit beim Schreiben als gegeben vorausgesetzt wird. Wer so im Geschäft ist, darf nicht nach Formulierungen eines Satzes suchen müssen.
Gut, zurück zu Kurt Brand. Der Kelter-Verlag akzeptierte es also, dass das Manuskript erst am Dienstag eingehen würde. Natürlich dann per Eilboten und Einschreiben. Und eben nicht das Original-Manuskript sondern der Durchschlag.
Danach sind Kurt und Maria noch mal gemütlich essen gegangen und dann ging der Meister an die Schreibmaschine. Maria hatte zwei Aufgaben. Nummer Eins Kaffee kochen, der Tote aufschreien lässt, und Nummer Zwei keinen Piep zu machen und in der Wohnung möglichst unsichtbar zu sein. Und dann ging Kurt Brand an die Hacke und legte los. Er schrieb übrigens mit vier Fingern Zeige- und Mittelfingern. Aber in einem Tempo wie eine Sekretärin mit perfekten Fingersatz.
In meinen Erinnerungen taucht jetzt wieder Kurt Brands Arbeitsbereich im Wohnzimmer auf. Ein Schreibmaschinentisch mit einer elektrischen Kugelkopf-Maschine. Die mechanische Hacke, auf der er früher die Romane geschrieben hatte, war zu unserer Zeit schon im Schrott. Und da Kurt eben in der Einlieger-Wohnung ganz unten im Haus am Berghang ein sehr großes Wohnzimmer, aber kein separates Arbeitszimmer hatte, musste eben im Haus absolute Ruhe herrschen, wenn Kurt Brand am Schreiben war.
Aber zurück zu dem nicht vorhandenen Manuskript. Wenn ich mich recht erinnere, war es »Sternen-Dschungel Galaxis« - das Erste der Ren-Dhark Taschenbücher, die erscheinen sollten. Kurt Brand schrieb es eben an diesem Wochenende und geschlafen wurde nur bei totaler Erschöpfung. Montagmorgen wurde dann der Durchschlag in den Umschlag gesteckt und nach Bozen zur Hauptpost gebracht. Er ist tatsächlich auch am nächsten Tag beim Kelter-Verlag eingegangen.
Kurt ist danach zurück nach Kaltern gefahren es gab noch ein Fläschchen Bier und dann wurde ausgeschlafen. Das eigentliche Manuskript ja das wäre ein absolutes Sammler-Objekt gewesen.
»Dat han ich enne weg jeschmissen. Dat durft doch keiner wissen!« war Kurt Brands Antwort auf die Frage. Wenn er in gemütlicher Runde war, dann sprach Kurt ein Kölsch, das wir verstehen konnten. War er zornig, dann redete Kurt ein Hochdeutsch, das jeden Germanisten und Linguisten vor Freude hätte erstrahlen lassen.
Aber nun zurück zu den Manuskripten von Werner Kurt Giesa. Warum es davon zu wenig gibt. Zumal Werner ja sehr genau wusste, dass diese Durchschriften für die Leute aus dem Fandom echte Reliquen waren.
Ich wusste das damals nicht, als ich mit Schreiben anfing. Meine ersten drei Manuskript Durchschläge sind im Altpapier gelandet. Nur die Kopien der Seiten des Kraken-Götzen, die der prüfende Anwalt beanstandet hatte und die mir zugeschickt wurden, hatten merkwürdigerweise überlebt. Ob heute auch noch, weiß ich nicht fragt mal den Herausgeber des Zauberspiegels dem habe ich sie damals gegeben. So als kleines Danke-schön dass mich das Zauberspiegel-Team damals zum Ehren-Zauberer ernannt hat. Auch wenn ich nur ein Zauberkunststück konnte eine 100-Markschein vor den Augen verschwinden lassen. Nur mit der Rück-Zauberung wurde es dann problematisch.
Ja, als dann auf jenem Con, von dem ich schon berichtet habe, bekannt wurde, wer so verschiedene Zamorra-Romane geschrieben hatte, wurde ich natürlich auch nach Manuskript-Kopien gefragt. Gleichzeitig wurde mir auch erklärt, dass Werner eben im Gegensatz zu anderen Kollege von der Schreibe-Szene keine Kopien weg gäbe.
Meine Bemerkung, ich würde die Sachen wegwerfen, weil es da nach Erscheinen des Romans Alt-Papier wäre, brachte bei einem Fan echte Krokodils-Tränen worauf ich mir seine Adresse aufschrieb und ihm das nächste Duplikat zuschickte. Von da ab wurden die Duplikate nicht mehr weg geworfen. Nach 1986 war ich bekanntlich aus der semi-professionellen Schreibe raus, weil Werner den Zamorra alleine brauchte, um mit Heike noch finanzielle Einnahmen zu haben. Danach gab es keine Manuskripte mehr von mir und ich habe alles, was ich noch hatte, dem Horror-Club Marburg gestiftet, der die diese Sachen auf den Cons für gute Zwecke versteigerte. Und heute im Zeitalter der Computer gibt es eben keine Durchschläge mehr. Und eine Sache, wie ich sie eben von Kurt Brand erzählt habe, ist durch das heutige Internet unmöglich geworden.
Auf der Rückfahrt von diesem Con habe ich Werner gefragt, warum er keine Manuskripte rausgeben würde. Und die Antwort hatte auch was für sich.
»Jedes Manuskript ist ein Teil meiner Persönlichkeit!« erklärte Werner damals sinngemäß nach meinen Erinnerungen. »Sie sind wie Kinder und die verschenkt man nicht. Es hängen einfach zu viele Erinnerungen dran.«
Nun ja, das ist zu akzeptieren. Und das ging auch lange Jahre gut. Bis irgendwann die sicher mehr als 300 Manuskripte im Hause Giesa doch zu viel Platz wegnahmen. Und Vater Giesa, weil man im Haus eben noch Ofen-Heizung hatte, sich eine Art Maschine gekauft hatte, wo man Papier-Briketts herstellen konnte. Die ganzen Zeitungen der Umgebung wurden regelmäßig bei den Nachbarn eingesammelt und auf diese Art verwertet.
Damals gab es noch keine blauen Tonnen und falls doch, hat Vater Giesa den Inhalt dieser Papiertonnen in der Umgebung auch mit heim genommen und zu Papier-Briketts gemacht. Auf diese Art hatte man was zum Heizen, was nichts kostete. Werners Eltern kamen ja aus Ostpreußen und sie sind zwar für ihre Gastfreundschaft bekannt, aber auch für den Umstand, dass sie jede entstehende Situation richtig für sich nutzen können.
Als Werner wie üblich das Wochenende bei mir in Ahnatal verbrachte, ist es dann passiert. Vater Giesa hatte im Schlaf- und Arbeits-Gemach seines Sohnes jede Menge schönes Alt-Papier gefunden. Ja, und dann wurden Papier-Briketts gemacht. Jede Menge. Und Werner war inzwischen so weit Profi, dass es ihn nicht mehr so recht berührte, dass die Manuskripte nun noch mal einer praktischen Nutzung zugeführt wurden. Nun ja, Werner wäre auch der Letzte gewesen, der eine Handlung von Vater und Mutter kritisiert oder gar in Frage gestellt hätte.
Aber für das Fandom hatte diese Sache auch seine gute Seite. Ab dato gab es nämlich Giesa-Manuskripte. Jedenfalls so lange, bis Werner sich endlich dazu durchrang, auf Datenverarbeitung umzusteigen. Oder besser gesagt, sich durchringen musste, weil ihm nichts andres übrig bleib, wollte er seinen Job als Schriftsteller behalten. Und wie ich so mitbekommen habe, sind viele der alten Durchschläge heute in Folie eingeschweißt und bei den Fans und Sammlern in sicher besserer Hand. Ich bin sicher, spätestens bei meinen letzten Umzug im Januar wäre alles in der Blauen Tonne gelandet. Genau so wie von mir viele Reliquien-Stücke aus der damaligen Zeit mit im Müll entsorgt wurde. Es hat eben alles so seine Zeit.
Wobei unsere Zeit schon wieder um ist und die Raben-Episoden mit dem Met oder dem Verräter bis zum nächsten Mal warten müssen. Also bis dann in einer Woche ...
Kommentare
So langsam kristallisiert es sich heraus, was man als erfolgreicher Autor braucht: einen Fahrstil, dass den Mitfahrern angst und bange wird.
Scheint ja so, als ob die alle einen heißen Reifen gefahren wären, wenn ich so die letzten Teestundenstorys angucke.
Und jetzt weiß ich auch, warum bei mir der Durchbruch ausbleibt - aber was soll ich machen? Mein Kleintransporter ist halt kein Ferrari.
Nachbarn, die regelmäßig von hier nach Südtirol fahren, rechnen so 8 - 9 Stunden, wenn es gut geht.
Aber das sind ja auch keine Schriftsteller.
Aber nur wenn er Grusel/Horror Romane schreibt, oder einer der Autoren der TV Serie mit dem Schlangename auf dem Sender mit den 3 Buchstaben ist!