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Sieben gegen die Hölle - Torven Farbauti 5. Teil

Sieben gegen die HölleSieben gegen die Hölle

Torven Farbauti (Folge 5)
Der shizophrene Jünger
„Ich hab‘ sie gesehen!“

„Hm? Wen hast Du gesehen, Helmut?“, fragte Torven Farbauti den Koloss.

„Ameisen! Eine ganze Kolonne! Da hinten, neben der Theke!“


„Helmut, du hast ein Problem!“, meinte Alex, während er an einer Coke nippte.

„Ja, mein ich doch. Dieses Ameisen sind ein großes Problem!“


Torven, Helmut und Alex saßen in einem Autobahnrestaurant und nahmen einen Imbiss zu sich. Entgegen der landläufigen Meinung verköstigten sich Vampire nicht ausschließlich von Blut. Helmut war das Paradebeispiel eines äußerst verfressenen Blutsaugers, der mehr Fastfood als Blut in sich hinein schaufelte.

Das Autobahnrestaurant war eine schmierige Kaschemme und die Cheeseburger staubtrocken, trotzdem verschlang Helmut ein halbes Dutzend dieser Teile in Rekordzeit.

„Nee, Helmut, so mein‘ ich das nicht. Du bist besessen von den Viechern. Kannst keinen klaren Gedanken mehr fassen, weil das Getier ständig in deiner Rübe auf-und abmarschiert.“

Helmut sah Alex mit einem Blick an, der gelinde Empörung gemischt mit aufrichtiger Überraschung signalisierte.

„Diese Drecksviecher bereiten sich darauf vor, die Weltherrschaft zu übernehmen. Ihr werdet schon sehen, eines Tages hebeln sie die ganze verdammte Welt aus den Angeln, und wir schauen dann alle dumm aus der Wäsche!“

„Du siehst jetzt schon ziemlich dumm aus der Wäsche, dafür braucht’s keine Monsterameisen mit Weltherrschaftsfantasien.“

Helmut schaute beleidigt drein und biss mit derart konzentriertem Missmut in seinen Burger, dass Torven leise in sich hinein schmunzeln musste.

Torven dachte über das Gespräch mit Jon Lovely in seinem muffigen Buchladen nach.

Lovely hatte Torven einen kleinen Zettel mit einer Adresse in die Hand gedrückt. In einer krakeligen Handschrift, die auf einen enervierten Schreiber hinwies, stand dort:

Reinhart – Bockstallgasse 10a

„Und dort soll ein Jünger von Jesus Christus wohnen? In dieser Stadt? In diesem Müllhaufen von einem Wohnviertel?“

„Sei doch froh! Wär’s dir lieber, er würde in Australien in `nem Alligatorsumpf residieren?“

Torven schüttelte den Kopf. Er wusste nicht, was er davon halten sollte. Wollte Lovely ihn verarschen? Zuzutrauen wäre es ihm. Und diese Geschichte von einem Jesus-Jünger war mehr als weit hergeholt.

Lovely wandte sich derweil ab und blätterte gelangweilt in einem uralten Wälzer, auf dessen Ledereinband einige bizarre Teufelsgestalten eingeprägt waren.

***

Die ‚Bockstallgasse‘ machte ihrem Namen alle Ehre. Es stank nach Katzenpisse und uraltem Abfall, der in vergessenen Mülltonnen dahinvegitierte. Darüber schwebte ein Qualm, der nach verbranntem Gummi roch.

Obdachlose huschten in den Schatten herum und verschmolzen mit ihnen. Einige Nutten lehnten an einer langgestreckten Mauer, auf der uralte Konzertplakate klebten.

Auch einige Schattenwesen begegneten ihnen. Ein schmatzender Ghul. Zwei Vampirkids, gekleidet in versiffte Punkklamotten.

Das Haus mit der 10A war eine baufällige Bruchbude, vor dessen Betreten man lieber drei Komplett-Lebensversicherungen hätte abschließen sollen.

Ein Baugerüst schien den Schrotthaufen noch einigermaßen in Form zu halten. Hätte man es entfernt, würde das Haus wohl wie ein missratenes Soufflet in sich zusammensacken.

Eine wacklige Stahlrohrtreppe führte von außen in den ersten Stock. An einer wurmstichigen Tür war das klapprige Schild mit der 10A angeschraubt.

„Das prädestinierte Domizil für einen Jünger von Jesus Christus …“, blaffte Alex.

„Und alles wahrscheinlich mit Ameisen verseucht …“, keuchte Helmut.

Torven brummte etwas Unverständliches, das wohl seinen Missmut ausdrücken sollte und klopfte in Ermangelung einer Klingel an die Tür.

Nach einem zweiten Klopfen wurde die Tür geöffnet und der hässlichste Kopf, den Torven je gesehen hatte, lugte aus dem Spalt hervor. Der Kopf des Wesens war ein Faltenmeer, in dem eine zerfurchte Nase und halbblinde Augen schwammen.  Ein zahnloser Mund mit zerfransten Lippen öffnete sich, um einen fragenden Laut abzusondern, der in etwa wie ‚Wussiss‘ klang. Torven schätzte die Kreatur auf weit über 100 Jahre. Der intensive Geruch nach Fäulnis und zersetzender Haut sprachen dafür.

„Wir wollen zu …“, setzte Torven an, aber eine Stimme aus dem Hintergrund des Raumes unterbrach ihn.

„Lass´ die Herren in die gute Stube, Judas.“

Mit einem Grunzlaut ließ das uralte Wesen die drei Männer in die Wohnung. Die Kleidung des Wesens bestand aus einem verdreckten Kittel, der vor Löchern und Schmutzflecken nur so strotzte. Seine Haut hatte die Konsistenz einer verfaulten Apfelsine, seine Fingernägel sahen aus wie zermatschte Seifenreste.

Die Wohnung war das Drecksloch, das Torven schon vom äußeren Zustand des Gebäudes erwartet hatte. Die Wände waren von Ruß und altem Fett geschwängert. Die wenigen Möbel waren in einem bedauernswerten Zustand, ja teilweise nur noch als Feuerholz zu gebrauchen.

Der Mann, der gesprochen hatte, war in die tiefen Schatten im Hintergrund des Raumes getaucht. Als die drei Neuankömmlinge jetzt ins Zimmer traten, bewegte er sich nach vorn auf die einzige Lichtquelle zu, einer alterschwachen Glühbirne, die traurig von der ranzigen Decke baumelte.

„Verdammt, Lovely. Was soll der Scheiß? Du schickst uns durch die halbe Stadt, und jetzt treffen wir dich in diesem Loch an? Macht es dir Spaß uns mit dem Gefasel von einem ‚Christus-Jünger‘ vollzumüllen?“

„Wer hat euch geschickt? Lovley?“

„Lass den Quatsch, Lovely. Dafür haben wir keine Zeit. War überhaupt irgendetwas dran an dieser kruden Story mit dem ‚Christus-Jünger‘?“

„Ich bin ein Jünger des Herrn, auch wenn ich ihm Schande bereitet habe, genauso wie dieser Sünder dort, dessen Verrat ihm bis zum heutigen Tag nachreicht …“

Lovely deutete auf das Bündel aus Falten und Runzeln, das vorgab ein Mensch zu sein.

„He Torven, irgendwie hat der Typ `ne andere Stimme als im Buchladen, findest du nicht? Ich glaube der hat schwer einen an der Waffel!“, wisperte Alex Torven ins Ohr.

„Ja, das glaub‘ ich auch. Meine Vampirsinne nehmen ihn als ganz andere Person wahr“, warf Helmut ein.

„Deine Vampirsinne? Helmut, du hast doch schon Schwierigkeiten, deine Ameisen von Zwergpinschern zu unterscheiden!“

„Wat? Der hat `ne ganz andere Haltung, selbst sein Gesichtsausdruck ist vollkommen anders, von der Stimme ganz zu schweigen.“

„Teufelsbrut seid ihr! Blutsauger! Auswurf des Teufels!“, grollte Jon Lovely.

„Scheiße noch eins. Lasst uns abhauen und zu den Teutoniaklippen durchstarten. Dieser durchgeknallte Lurch und der müffelnde Großopa da hinten werden uns gegen einen Engel nicht wirklich weiterhelfen können …“

„Engel? Ihr wollt gegen einen Engel antreten?“, fragte Lovely plötzlich interessiert.

„Fick dich, Jon. Oder nee, fick deinen Judas-Opi da hinten. Wir verziehen uns!“, grummelte Torven. Und damit verließen sie die Schrottbude.

***

Dies war nun drei Stunden her und nun saßen sie in der Autobahnfrittenbude, als die Eingangstür aufging und ein schmaler, kleiner Mann mit goldenen Augen und schmerzhafter Schönheit eintrat.

Alle drei wussten sofort, wen sie vor sich hatten. Dafür musste Helmut nicht einmal seine berühmten Vampirsinne bemühen.

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