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Ein Großer des Heftromans - Jürgen ›Dan Shocker‹ Grasmück zum 75.

Grasmück zum 75.Ein Großer des Heftromans
Jürgen ›Dan Shocker‹ Grasmück zum 75.

Fraglos ist Jürgen Grasmück einer der Helden meiner Jugend, allerdings hieß er für mich da noch Dan Shocker und hatte als solcher bereits 1968 die letzte große Erfolgsstory des Heftromans kreiert, den Horror- bzw. Gruselroman.

1973 entdeckte ich im zarten Alter von neun Jahren Larry Brent und seine Abenteuer für mich. Kurz darauf auch Björn Hellmark alias Macabros.


Jürgen Grasmück aka Dan ShockerJürgen Grasmück kreierte 1967/68 mit den Abenteuern seines Agenten ›Larry Brent‹ den Horrorheftroman (und damit die letzte Erfolgsgeschichte des Heftromans nach »Jerry Cotton« und »Perry Rhodan«). Das war der Ausgangspunkt für eine ganze Reihe von Verlagen, Autoren und Serien, die sich dann auch am Unheimlichen versuchten. In der Folge gab eigentlich jeder Heftromanverlag Horror und Grusel heraus. Jürgen Grasmücks Romane waren dabei immer eigenständig. Seine Ideenwelten unterschieden sich von denen der anderen Modelle. Die klassische (von den Katholen kreierte) Hölle war nicht sein Thema. Er fand andere Wege für das Übersinnliche. Er nahm sich gern - aufgrund seiner Erfahrungen mit Ärzten - der Figur des Mad Scientist an. Dazu nahm er auch Ideen aus der Präastronautik auf oder ließ ägyptische Mumien oder das Erbe keltischer Druiden los. Kurzum: Er blieb immer ein bisschen anders.

1973 wies er mit »Macabros« den Weg zu einer Mischform aus Horror-, Fantasy und SF (heute nennt man das ›Urban Fantasy‹), dem dann auch viele Autoren in ihren (Heftroman-)Serien folgten. Darunter auch der »Dämonenkiller«, »John Sinclair«, »Professor Zamorra«, »Tony Ballard«, »Damona King« und andere. »Larry Brent« blieb hingegen bis auf zwei Ausnahmen in unserer Realität. Da war er sehr konsequent.

1965 hatte Grasmück ein Angebot bei »Perry Rhodan« einzusteigen, das er aber aus gesundheitlichen Gründen ablehnte. Es wäre interessant gewesen zu erfahren, ob Grasmück auch in diese Serie unheimliche Elemente hätte einbringen können.

Testament des GrauensSeine eigenen SF-Romane (Leihbücher und Hefte) hatten mehr  oder weniger offensichtliche Horrorelemente (wie das Frankenstein-Thema in »Testament des Grauens« und »Die Angst geht um«). Wo das Licht der Sterne leuchtete war auch der Schatten des Unheimlichen (zumindest bei Grasmück) nicht fern. So mancher Planet war bei Grams oder Grasse (um mal zwei Pseudonyme ins Spiel zu bringen) nie fern.

Insgesamt hat Jürgen Grasmück große Fußspuren in der Geschichte des Heftromans hinterlassen. Dabei hat er (aus gesundheitlichen Gründen) längst nicht so viele Romane wie so mancher seiner Kollegen geschrieben. Sein Œuvre ist eher schmal, aber dennoch insgesamt eindrucksvoll. Er war einer der ›Stars‹ unter den Heftautoren. Verkaufte Auflagen von um die 100.000 Exemplare aus den Siebzigern gelten als gesichert. Selbst in diversen Neuausgaben seiner Romane lag er sehr gut im Verkauf. Noch mitt der Achtziger schaffte er Verkäufe, denen nur die Sinclair-Serie Helmut Rellergerds Paroli bieten konnte.

Nun ist Erfolg nicht immer der Maßstab für Qualität und dafür gibt es auch zahlreiche Beispiele (eben auch der erwähnte John Sinclair). Aber Jürgen Grasmück war kein so schlechter Schriftsteller wie das sein Verleger Kaegelmann glaubt und anderen (wie kündigenden Abonnenten) Glauben zu machen versucht. Grasmücks Romane haben Patina angesetzt. Sie sind nicht mehr ganz so zeitgemäß. Aber man darf auch bedenken, dass Grasmücks Leihbücher fast schon sechzig Jahre auf dem Buckel haben, seine ersten Romane um ›Larry Brent‹ bald 50 Jahre alt sind und selbst die letzten Romane dieser Serie haben schon nahezu dreißig Jahre auf dem Buckel. Dreißig bis sechzig Jahre sind in der schnelllebigen Welt der Unterhaltung eine ganze Ewigkeit.

Grasmück zum 75.Um mal (deutlich übertrieben) in die ganz große Kiste zu greifen: Kein Engländer spricht heute mehr wie Shakespeare, aber seine Stücke sind im Kern immer noch sehr unterhaltend. Nicht umsonst hat mit der »West Side Story« Leonard Bernstein sich bei »Romeo und Julia« bedient. Shakespeares Sprache mag nicht mehr ›en vogue‹ sein, seine Plots sind es wohl. Der ›Barde‹ war eben auch einer, der zu unterhalten wusste. Mancher mag sich fragen, warum ich Shakespeare im Zusammenhang mit Grasmück ins Spiel bringe und in so mancher Hinsicht hakt ein Vergleich zwischen den beiden wie nur irgendwas. Beide in einen direkten Zusammenhang zu bringen geht eben eigentlich nicht. Shakespeare ist zeitlos, Grasmück eine Zeiterscheinung. Ich will Jürgen da auch in keiner Weise überhöhen (das würde beiden auch gar nicht gerecht). Und doch: Manche der von Grasmück entwickelten Plots, sind auch heute noch aktuell und Unterhaltung im besten Sinne und werden es noch ein paar Jahrzehnte bleiben. Jürgen Grasmück hatte eine blühende Phantasie. Seine Ideen waren sehr tragfähig und sind es zu einem Gutteil heute noch. Sein Stil hat zwar Patina angesetzt, aber unlesbar oder Kopfschmerz erregend würde ich ihn nicht nennen. Vielleicht sollte der Herr Verleger einmal über eine Lesebrille nachdenken ...

Man lese sich gern einmal die Taschenbuch-Belletristik-Bestseller der späten Sechziger durch. Auch diese klingen bei weitem nicht mehr zeitgemäß. Da hat sich vieles verändert. So wie die Werke der heutigen Spitzenautoren  der Belletristik (der Folletts, Browns und all der anderen) auch irgendwann veraltet sein werden. Wie schon des Öfteren festgestellt: Unterhaltung ist immer vom jeweiligen Zeitgeist abhängig und nur wenige (wie eben Shakespeare) gelingt es dieses Gesetz zu sprengen (auch wenn er in seinen Urformen auch mehr was für Intellektuelle geworden ist). Shakespeare und die paar anderen sind eben die Ausnahmen von der Regel ...

Also auch wenn Kleinverleger Kaegelmann, der aktuell die Romane von Jürgen Grasmück auf die Hälfte einstampft, sprachlich glättet, umschreibt und das Ganze als Sammlerausgabe in einer Miniauflage unters Volk bringt, Kopfschmerzen beim Lesen älterer Romane Shockers bekommt, war Jürgen Grasmück kein so schlechter Autor wie der Ex-Videothekenbesitzer, den Leuten weiszumachen versucht.

Wie schriebt Volker Sorge (hat Deutsch auf Lehramt studiert) einst im »Dan Shocker Reader«:

(...) ungeheuer reizvoll, wenn Jürgen Grasmück von einer auktorialen Erzählsituation, in der etwas durch einen Übergeordneten, omniscienten (= allwissenden) Erzähler berichtet wird, in eine personale Erzählsituation überwechselt, die zwar auch in der 3. Person stattfindet, sich aber stärker in die Innenperspektiven der handelnden Figur(en) hinein versetzt.

"[...] Zwei Minuten später ertönte ein fürchterlicher Schrei, der durchs ganze Haus hallte und Larry Brent und Iwan Kunaritschew veranlasste, aufzuspringen und nach Marielle Francon zu sehen. Verdammt, da war etwas passiert! [...]"

Dieser letzte Satz, der nicht sichtbar als wörtliche Rede gekennzeichnet ist, der aber stellvertretend für die Gedanken der beiden besorgten Protagonisten steht, treibt die Spannung um ein gutes Stück voran und ist dabei aber geschickter eingesetzt, als wenn es einem der Beiden als Ausruf in den Mund gelegt worden wäre (oder es ein "Ich"-Erzähler ausgerufen hätte). Diese 'Überblendung' überbrückt die Distanz zwischen dem Leser und den handelnden Figuren des Romans (und dies eindringlicher als es eine ähnliche Äußerung in "Ich"-Form gekonnt hätte).

"[...] Das Schloss war rostig, aber es ließ sich nach dreimaligen Versuch öffnen. Dies bedeutete, dass doch hin und wieder jemand hier gewesen war, offenbar um nach dem rechten zu sehen. Onkel George persönlich? [...]"

Auch hier wird wieder die Distanz zum Leser Überwunden. Die Verwunderung und Perplexität wird durch die personale Perspektive, die aber nicht explizit einer Person zugeordnet wird, auch auf den Leser übertragen (obwohl der wahrscheinlich gar keinen Onkel George hat...)

Als mindestens ebenso gelungen müssen andere Wechsel des narrativen Modus bewertet werden, so z. B. der Wechsel zwischen auktorialer Erzählweise und "Ich"-Erzählform, die Jürgen Grasmück auf die unterschiedlichsten Arten erreicht. (...)

Jürgen Grasmück war ein natürlicher Erzähler, der vor allem von seiner Phantasie getrieben wurde. Wie beinah einer ganzen Generation von Heftautoren kamen diese nicht aus dem klassischen bildungsbürgerlichen Umfeld, waren literarisch eher nicht geschult oder humanistisch gebildet und waren weder Germanisten noch Literaturwissenschaftler, sondern kamen auf den unterschiedlichsten Wegen zum Schreiben. Einer der wenigen, der zumindest journalistisch gearbeitet hatten, war Horst Hübner. Grasmück hatte mittlere Reife, war im Fandom aktiv und hat da seine ersten Gehversuche gemacht. Da waren keine Workshops, kein Studium. Sie wollten schreiben und haben aus Gelesenem und eigenen Gehversuchen gelernt. Wie Volkers Ausführungen zeigten hat er sich Dinge gut angeeignet. Er hat gut gelernt und zugleich auch ein gutes Stück Talent. Zudem war Schreiben bei ihm, der ein Leben im Rollstuhl vor sich hatte, eine Art Ersatz für die Abenteuer des Alltags. Ein weiterer Antrieb.

Jürgen Grasmück hatte auch so seine Marotten. Eine davon: Zumeist stellte zu Beginn des Romans unglaublich ausführlich vor (man erfuhr mehr über diese Figur als in allen Romanen über Larry Brent und seinen Alltag abseits seiner Fälle) bevor der Autor sie dann meuchelte und diese Figur, die er in aller Ausführlichkeit vorstellte keine Rolle mehr spielte.

Was gern kritisiert wird sind die Erinnerungsschleifen in der Serie »Macabros«. Da wird gern mal der Begriff ›Zeilenschinder‹ in den Raum geworfen. Dieser Vorwurf hält aber einer Betrachtung nur eingeschränkt stand. Man rufe sich mal die Serie ins Gedächtnis. Sie war zyklisch und erschien im vierwöchentlichen Rhythmus (sprich 13 Titel p. a.). Viele Heftromanleser sammeln ihren Lesestoff nicht. Um also seinen Lesern immer wieder die Zusammenhänge vor Augen zu führen, musste er zu diesem Stilmittel greifen. Ich persönlich habe die noch nicht einmal immer überlesen, weil ich Macabros über Monate hinweg gesammelt habe, um dann einen Zyklus am Stück zu lesen und ich war nicht undankbar für die Erinnerungsschleifen in den ersten Romanen eines Zyklus.

Und so formulierte es Thomas Mühlbauer, wobei seine Ironie es trifft:

Wann genau sind die Romane von Jürgen Grasmück denn "unlesbar" geworden?
Es wäre doch zumindest fair gewesen, die Leser darauf hinzuweisen, dass Dan Shocker-Romane ab einem gewissen Zeitpunkt "unlesbar" sind und somit auch Heftromane ein Verfallsdatum haben. Naivling, der ich mitunter bin, habe nun das Gefühl, nicht mehr dem Zeitgeist zu entsprechen, weil ich diese Sachen noch immer gerne lese und sie auch gut und unterhaltsam finde. Wie peinlich...

Viele der ihm vorgeworfenen Fehler könnte man nun auf das Lektorat schieben. Das wäre zu einfach und würde dem Herrn Villinger (Red. des Silber Grusel Krimi) nicht gerecht werden. Sicherlich hätte ein Lektorat der Romane sorgfältiger ausfallen können, aber es blieben pro Roman maximal zweieinhalb Tage Zeit, um den Roman zu lektorieren und all die anderen Kleinigkeiten zu erledigen (vom Schreiben der Vorankündigung ins vorige Heft, des Schreibens der Ankündigung fürs nachfolgende Heft, Aufbereitung des Titelbildes usw.). Da blieb nicht allzuviel Zeit, um sich des Textes anzunehmen. So erschienen dann die Romane eben wie sie sind. Das sind nicht die schlechtesten der Heftromane. Nicht nur Thomas Mühlbauer stellt sich die Frgae, wann die Romane unlesbar geworden seien.

Jürgen Grasmück hat seinen Stil über die Jahre seines Schaffens auch weiter entwickelt und verfeinert. Das klappte bis 1986 ganz hervorragend. erst als er für die Zaubermond-Heftausgabe nach beinahe 10 Jahren Pause neue Texte schrieb, hatte er sich zu weit von ›seiner‹ Serie entfernt und brach mit dem Canon derselben. Aber das ist eine andere Geschichte.

Heute wäre Jürgen Grasmück nun 75 geworden. Zeit seiner großen Leistung zu gedenken. Zeit dem Menschen Jürgen Grasmück zu denken, der trotz seiner Erkrankung einen ungeheuren Lebensmut bewiesen hat, dem vielen Menschen zum Vorbild gereichen könnte.

Ich begegnete Jürgen das erste Mal 1981. Das war der Marlos Con in Frankfurt in der Mainzer Landstraße. Für mich war er bis dahin Dan Shocker, aber er stellte sich mir als Jürgen vor. Ohne ihn hätte ich niemals begonnen Fanzines herauszugeben. Den Zauberspiegel, dem er seinen Namen gab, hätte es ohne Dan Shocker nie gegeben. Immerhin war das wir nun seit bald acht Jahren als Zauberspiegel-online kennen hat immerhin als Magazin der »Aktionsgruppe 2000« des »Dan Shocker's Fantastik Club ›Marlos‹« begonnen.

Wo immer Jürgen ist: Herzlichen Glückwunsch zum 75. und schade, dass wir den nicht so feiern können wie 1990 den Fünfzigsten.

Ich vermisse ihn ...

Kommentare  

#16 Cartwing 2015-01-29 20:38
Da es hier noch nicht gesagt wurde: Ein sehr schöner Artikel, Horst. Hat mir sehr viel Spaß gemacht, ihn zu lesen. Eine sehr persönliche aber auch sachlich kompetente Würdigung seines Schaffens.
#17 Feldese 2016-04-26 00:59
Auch an dieser Stelle muss ich mich wieder, wie schon in einer anderen Kommentarspalte, über die Katja wundern, über deren unangemessene Kommentare ich immer betreffs Dan Shocker stolpere, den sie erklärtermaßen scheisse ftreff - wie ja Heftromane überhaupt.
Warum äussert sie sich dann immer zu Shocker? Und speziell bei einer Geburtstagswürdigung. Oder ist sie eine Mitarbeiterin des Blitz-Verlags, die Herrn Kaegelmanns seltsame Thesen stützen will?

Wobei ich, trotz aller Freude über die obige Würdigung, doch eines endlich mal auf den Punkt gebracht erklärt haben möchte: a) Was heisst, Dan Shocker ist nicht mehr zeitgemäß ganz konkret? Was heißt denn zeitgemäß, und was wäre denn heute zeitgemäß? Und kann zeitgemäß ein Qualitätsurteil sein? Sind Klassiker je zeitgemäß (ausser natürlich in der Zeit, in der sie entstanden)?
Stokers Dracula, Shelleys Frankenstein? Oder Die Schatzinsel? Etwa Moby Dick, zur Entstehungszeit ein Riesenflop - und noch heute wird Melvilles Stil gern kritisiert...
b) Was stimmt mit Jürgens Stil nicht? Er ist nicht nur elaborierter als der vieler Epigonen (Rellergerd), er erschafft auch eine spezielle Atmosphäre, die heutige sog. Gruselserien, die eher Fantasyromane sind (was nicht schlecht sein muss), nicht erreichen. Seine Sprache, sein Stil ist nicht billig, aber wirkungsorientiert. Erfolgreich wirkungsorientiert! (Er erzielt wirklich die gewünschte Wirkung!)

Ich habe gerade die vier ersten Brents nach knapp 50 Jahren gelesen, sie ziehen einen noch immer in einen speziellen Bann, sie sind wirklich spannend, man will wirklich wissen, wie es weitergeht, was als nächstes passiert, wie sich etwas aufklärt. Und fiebert schon mal mit einer Nebenfigur mit, eben weil sie einem so ausführlich nahegebracht wurde.

Und, okay, das ist dann das, was man auch mit "nicht zeitgemäß" umschreiben könnte, sie haben einen nostalgischen Charme, ziehen einen in eine Welt von
"Mit Schirm, Charme und Melone", "Kobra, übernehmen Sie", alten Wallace- und Hammerfilmen und Giallos.
Sie machen einfach Spass, sie bringen echte Lesefreude!

Apropos echt. Diese Diskussion um "echte Bücher" und "echte Buchautoren" ist natürlich albern, da es in vielen anderen Ländern gar keine Heftromane gibt. Was ist denn Don Pendelton? Was sind denn die Executioner-Autoren? Oder in Frankreich der San-Antonio-Autor? Oder die ganzen Krimischreiber von Mickey Spillane bis Carter Brown? Der Unterschied liegt nicht im Druckformat, sondern nur in den Arbeitsbedingungen. Die eben schlechter waren, weshalb das Resultat noch viel mehr Lob verdient!

Deshalb nicht an Shocker rumkritteln, sondern einfach mal wieder einen alten Roman geniessen. Im Originaltext. (Und wenn man darauf kein Lust hat, lässt man es eben bleiben. Das wird Shockers spezielle Stellung im deutschen Unterhaltungsroman aber nicht beeinträchtigen. Er wird immer der genrebegründende Klassiker bleiben!)
#18 Matzekaether 2016-04-26 13:45
Ich komme ja eigentlich aus der Musikhistorie und bin immer wieder amüsiert, wie viele snobistische Literaturleute es gibt, die alles über einen Kamm scheren. Keinem Musikwissenschaftler würde es einfallen, Jaques Offenbach vorzuwerfen, dass seine kontrapunktischen Qulitäten sich nicht mit Bach messen lassen. So jemand müßte sich fragen lassen: wozu bitte sollte Offenbach das können? Er war ein genialer Operettenkomponist!
Die Musikwissenscvhaft kennt den Begriff der Rahmung eines Werks, das heißt innerhalb der Gattung wird beurteilt. Weil jede Gattung eigene Gesetze unf einen eigenen Wertekosmos hat. Vermutlich wäre Bach ein schlechter Operettenkompnist gewesen.
Warum erzähle ich das? Der Heftroman ist eine Gattung. Wie die Operette oft als kleine Schwester des Oper beschrieben wird, ist der Heftroman der kleine Bruder des Romans. Seine Anforderungen sind anders, seine Grenzen gesetzt. innerhalb der gattung ist Shocker ein Meister. Warum ihn mit Follett vergleichen? Muß man nicht. Wer da (Zu ungunsten) vergleicht mißt Bach mit offenbach, oder meint gar nicht so sehr die Autoren. Dem behagt vermutlich die Gattung selbst nicht. Aber müssen wir hier wirklich seine Grundsatzdebatte über die Qulitäten des Heftromans führen? müssen wir nicht. Hier finden sich viele Leser zusammen, die diese Form der Unterhaltungsliteratur einfach gern mögen. ich glaube, fast alle von uns wissen, was der Heftroman leisten soll und kann und nicht kann. Wer hier wirlich Unbehagen verspürt, wem dies "pulpische", schundige, das ja oft absichtliche Beigabe mit augenzwuinkern, keine Unfähigkeit des Autors ist, nicht behagt, solle den sicheren Pfad der gehobenen Literatur gar nicht erst verlassen.
#19 Feldese 2016-04-26 18:34
@Matzekaether:
Prima auf den Punkt gebracht!

Übrigens "Solo für ONCEL" hab ich oben in meiner Aufzählungen, in welche Welten mich Shocker entführt, ganz klar vergessen.

Wobei ich noch einmal betonen muss, dass die Trennung Literatur/Unterhaltungsliteratur/Pulp auch immer eine willkürliche ist. Auch in anderen Kunstformen: Tarantinos "Pulp Fiction" bekam beim Arthouse-Festival Cannes die Goldene Palme. Manche sagen, er habe das Genre gebrochen, andere, er habe es "nur" dargestellt, sprich: bedient.
Spillane galt als absoluter Schund (für Chandler war das gar Pornografie) bis Jörg Fauser sein vielbeachtetes, würdigendes Essay schrieb - und Spillane plötzlich in einem eher "linken" Verlag bei
uns wiederaufgelegt wurde.

Und im Rückblick ändert sich ohnehin einiges: Viele Werke der Unterhaltungsliteratur sagen mehr über die Zeit aus, in der sie entstanden sind, als gleichzeitig erschienene Werke der sog. Hochliteratur. (Misslungenes, oder von der zeitgenössischen Kritik und Leserschaft so eingeschätztes, wird plötzlich zum Meisterwerk...)

Das aber nur am Rande. Grundsätzlich ist es genau so wie Matzekaether schreibt: Man sollte jeden in seiner Gattung bewerten. Und die Meinung von Leuten, die die hier besprochene Gattung schon nicht mögen, interessiert mich in diesem Zusammenhang deshalb recht wenig.

Ich lese zur Zeit Shocker, den Begründer und einen der Meister seiner Gattung, weil er mir Spass macht, mich prima unterhält. Und ich möchte ihn nicht aus der Zeit gerissen, bearbeitet lesen. Sondern im Original!
#20 Laurin 2016-04-26 20:55
Man muss hinzufügen, dass wer von "echten" Buchautoren redet, schon etwas sektiererisches an den Tag legt.
Man muss schließlich auch sehen, dass ein Buchautor wie Follett an seinen Monologen usw. rumfeilen kann, weil er die Zeit dafür besitzt. Ein Autor für Heftromane hat die Zeit schlicht nicht, weil der Abgabetermin eben drängt.
Wer also hier von "echten" und "unechten" Autoren schwafelt, argumentiert gewollt oder ungewollt einseitig und ohne jegliche Recherche für die Materie einfach aus dem holen Bauch heraus. Qualität liegt da schlicht auch immer im Blick des Betrachters und eben nicht in irgendwelchen literarisch angehauchten, geistigen Elfenbeintürmen.
#21 Feldese 2016-04-26 22:06
@Harantor
Ich würde mich sehr freuen, wenn Du kurz auf meine Fragen eingehen könntest, die zum Großteil durchaus nicht rethorisch gemeint waren:
a) was konkret ist an Dan Shocker bzw. seinen Romanen, speziell um Larry Brent, nicht mehr zeitgemäß?
b) was wäre/ist denn heute zeitgemäß?
c) was stimmt mit Jürgens Stil nicht, was ist an Jürgens Stil schlecht?
d) was könnte man an Jürgens Stil ändern/verbessern?
(Immer auch in Hinblick auf das Genre gesehen.)
Danke, ich hoffe, Du kannst Dir kurz Zeit nehmen.
#22 Wotan Wahnwitz 2019-06-26 18:41
Dan Shocker...seine phantastischen Macabros Romane begleiteten Jahre meine Jugend. Er hatte was, das andere nicht hatten: eine ganz besondere Art Phantasie gepaart mit sauguten Spannungsbögen. Damals war die Kombi von SF, Phantasie und Horror absolut einmalig. Warum sonst verkaufte Macabris sich trotz monatlicher Erscheinungsweise lange Zeit so gut. Natürlich setzen gewisse Stilmittel Patina an. Na und? Keiner muss diesen “Schund“ lesen. Mir macht' s immer noch Spass. Jugendnostalgie wie Abba zu den 70er und Ketchup zu Pommes passt, so ist es mit Macabros. Schade, dass es nie verfilmt wurde. Long live MACABROS! Danke Jürgen...

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