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Bildspezialisten – oder Analphabeten? - Eine Remineszenz an die »Illustrierten Klassiker«

Illustrierte KlassikerBildspezialisten – oder Analphabeten?
Eine Remineszenz an die »Illustrierten Klassiker«

Als ich ein Kind war, waren Comics verboten...schließlich waren wir ein gutbürgerlicher Bildungshaushalt...aber Illustrierte Klassiker waren erlaubt. Deshalb lernte ich Shakespeare und die Schauerromane der Gotik zuerst aus dem Comic kennen...war das jetzt gut oder war ich damit für immer verdorben? Jedenfalls halfen uns diese bebilderten Geschichten, leichter Zugang zur klassischen Literatur zu finden.


Illustrierte Klassiker Banquos Geist im Comic mit der Sprache von Wilhelm Schlegel in erster deutscher Übersetzung kam  mit Hamlet jedenfalls sehr gut herüber. Text und Bild überzeugten. Der Text war, so weit möglich, nahe am Original, d.h. nah an der deutschen Übersetzung, die auch den Werken der seriösen Literatur zugrunde liegt. Dies war eigentlich immer der Fall, auch beim „Schloss von Otranto“ oder Xenophons „Anabasis- der Marsch der Zehntausend“. Der Text war also die Literatur, darauf hatten die Editoren es wahrscheinlich abgesehen, die Zielgruppe war wohl wie bei uns gedacht...das Comic als Medium hoffähig zu machen für das Bildungsbürgertum oder klassische Texte eben über Bilder besser für die Jugend lesbar zu machen..

Die Bilder selbst waren immer sehr seriös gezeichnet, ordentlich, etwa wie bei Prinz Eisenherz (Hal Foster) oder Nick (…). Die Zeichner und Illustratoren selbst sind mir, damals wie heute, nicht bekannt. Wir legten auch keinen Wert auf Namen, sondern erfreuten und an den bunten Bildchen ebenso wie am Text. Dass dieser manchmal recht schwer eingängige Text Weltliteratur war, davon wussten wir Kinder und  Jugendlichen wenig...war uns nicht oder selten bewusst...das merkten und lernten wir erst später. Später gab es dann, als wir 16 Jahre alt waren, auch Zugriff auf modernere Comics von Marvel, DC usw. Noch später kamen Asterix, das Zack-Heft als Anthologie, Ehapa mit seinen Disney-Taschenbüchern, Carlsen -Großbände usw.

Illustrierte KlassikerNicht zu vergessen Herges „Tintin“ und die „line claire“. Etwa zeitgleich kam „Perry Rhodan im Bild“ bzw. der später poppig bunte „Perry“. Heute gibt es dank Splitter, Cross Cult und anderen viele viele Comics, weil dieses Genre sich wirklich künstlerisch und episch erzählend entwickelte.Einige Zeit wurde/wird ja das Perry-Comicheft auch weitergeführt. Ebenso existieren die neuen Perry -Comics unter Kai Hirdt et.al. Aber zurück zu den Illu Klassikern...diese Hefte wirken natürlich heute altbacken, die Zeichnungen überkommen...aber didaktisch-pädagogisch waren diese Hefte unübertreffbar, um lesefaule Schüler (auch die gab und gibt es auf jedem Gymnasium...) an Literatur heranzuführen. Die Bilder zersetzten nicht die Moral...(womit auch: alles war seriös gezeichnet...) sondern erleichterten es, den Text zu erfassen. Insofern kann es nicht schaden, auch heutigen Literaturspezialisten oder Deutschlehrern zu empfehlen, Neuausgaben dieser Hefte im Unterricht einzusetzen. Schüler muss man dort abholen, wo sie sich befinden. Man hilft so manchem Schüler damit über die Schwelle...und öffnet so neue Tore zum Durchschreiten...

Natürlich abstrahierten wir später von den bunten Bildheften...ich las fast alles an sogenannter Weltliteratur in den Büchern, wobei die Bilder dann natürlich im Kopf entstehen...heute greife ich selten zum Comic. Wenn, bevorzuge ich Moebius, Druillet und andere aus dem Phantastik-Bereich, wo nicht nur die Figuren und Texte stimmen müssen sondern auch der entsprechende Hintergrund.

Das einzige Buch, gestehe ich, das ich in die Hand nahm und nie zuende las, war Dostojewskis „Schuld und Sühne“. Dreimal angefangen, dreimal mittendrin abgebrochen. Vielleicht würde auch hier ein Comic beim Einstieg helfen...wer weiß...

© by H. Döring

Kommentare  

#1 Laurin 2017-01-29 16:42
Da hatte ich, wenn überhaupt so viele, nur vielleicht drei Comics in die Hände bekommen. Insgesamt müssen die aber auch etwas teurer gewesen sein als normale Comic-Heftchen, denn hier lag für meine Eltern eher der Knackpunkt bei den "Illustrierte Klassiker". Was die Bilder, den Aufbau usw. anging, fand ich sie aber durchaus sehr interessant.

Im Hinblick auf die Perry-Comics von damals. In "Perry" wurden nahtlos die Hefte von "Perry Rhodan im Bild" weiter geführt. Es handelte sich hier eher um eine Titeländerung/Anpassung bzw. damalige Modernisierung, wobei man die Hefte unter dem Titel "Perry" einfach wieder als Heft 1 startete. Die ersten "Perry" waren auch noch nicht poppig-bunt mit vielen nackten Tatsachen. Das kam erst einige Zeit später, hielt dann aber (z.B. Perrys Wallemähne) bis zum Ende so ziemlich an.
#2 Toni 2017-01-29 19:08
Jau, die Illustrierten Klassiker sind mir auch noch ein Begriff und waren damals etwas besonderes. Bei uns tauschte man Comics "Tüte für Tüte" und ab und an war dann auch so ein lehrreiches Ding dabei. Ich habe mich darüber immer gefreut :-)
Da gab es auch noch diese Bestseller Comics die auch etwas gehobener aussahen. Ich habe immer gedacht die kämen von Quelle oder von Otto weil man sie "bestellen" mußte. Das kleine s habe ich wohl lange Zeit überlesen.

Danke für die Auffrischung.
#3 Thomas Mühlbauer 2017-01-29 21:16
Die beste Inkarnation dieses reizvollen Klassik/Comic-Hybrids lieferte in den Neunzigerjahren der amerikanische Verlag First Comics; der Zeichenstil reichte von eher traditionell (Dan Spiegle, Joe Staton) bis hin zu progressiv/avantgardistisch (Bill Sienkiewicz, Peter Kuper, Gahan Wilson). Leider war der Zauber nach 27 Ausgaben auch schon wieder vorbei.
#4 AARN MUNRO 2017-01-30 10:04
@laurin: wobei die Perry Rhodan im Bild ja teilweise nur die Originalhandlung nacherzählten, soweit ich mich erinnere. Zumindest in der Hauptstory. Atlan und Lt. Guck durften auch schon mal erfundene Stories zeigen...aber der etwas spätere "Pop-Perry" mischte ja quer beet alles bunt durcheinander...im "Zentrum aller Universen"...immerhin: Shira war immer ein Hingucker...
@Thomas Mühlbauer: Danke für den Hinweis auf die amerikanischen Ausgaben und auf die Zeichner.
#5 Andreas Decker 2017-01-30 10:38
Die "Classics Illustrated" erschienen ursprünglich im Verlag Gilberton von 1947 bis 1969 mit 169 Heften, von denen einige aber diverse 4,5 Neuausgaben im Laufe der Jahre bekamen. Halt so hefte wie die Musketiere.

Der hier abgebildete "Hamlet" war die Nr. 99, gezeichnet von einem Alex Blum. Gilberton gab diverse solcher Reihen heraus, auch ein "Classics Junior" mit Märchennacherzählungen. Von den Künstlern gibt es nur wenige Überschneidungen mit Marvel oder DC. Don Perlin, der später u.a. "Ghost Rider" zeichnete, hat da auch was geliefert.
#6 Laurin 2017-01-30 16:42
zitiere AARN MUNRO:
@laurin: wobei die Perry Rhodan im Bild ja teilweise nur die Originalhandlung nacherzählten, soweit ich mich erinnere. Zumindest in der Hauptstory. Atlan und Lt. Guck durften auch schon mal erfundene Stories zeigen...aber der etwas spätere "Pop-Perry" mischte ja quer beet alles bunt durcheinander...im "Zentrum aller Universen"...immerhin: Shira war immer ein Hingucker...


Stimmt, AARN MUNRO, wobei das in PERRY zu Anfang immer lockerer wurde mit dem "einfachen nacherzählen". Der letzte PERRY im klassischen Stil war übrigens PERRY Nr. 36/DER MULTIDUPLIKATOR, Text/Story von W. Voltz. Ab PERRY Nr. 37/MEDUSA IM ALL übernahm dann das Studio Giolitti und wechselte zum Pop-Art-Stil. Soweit nur mal zur Info für Interessierte am Comic.
#7 Heinz Mohlberg 2017-01-31 00:03
Ich empfand die IK immer als grottenschlecht gezeichnet und furchtbar langweilig und bieder.
Niemand in meiner Klaeenumgebung war ein großer Fan von diesen Bänden; zumal sie teilweise von den Lehrern schon als repräsentativ geachtet wurden (das ging ja gar nicht).
Wenn man die Originale als Buch kannte, wären die IK nur eine schlechte Randnotiz.

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