Brauchts das ? - Kuck mal, wer da spricht
Kuck mal, wer da spricht
Sie hat niemals etwas vergessen, und mit demselben Anspruch hat sie auch niemals jemandem vergeben, der ihr Ansinnen durchkreuzen wollte. Aber sie war niemals bösartig. über Parsons
1881 geboren mit dem Nachnamen Oettinger, begründete sich Louellas Faible für Film bereits 1903 bei ihrem ersten Besuch einer Filmvorführung. Nach ihrer Heirat 1905 hieß sie Parsons und behielt diesen Namen selbst nach zwei Scheidungen und zwei weiteren Hochzeiten. Sie verfasste Drehbücher und schrieb Film-Kolumnen. Letztendlich auf ihrem Karriereweg in New York angekommen, traf Louella 1922 zum zweiten Mal in ihrer journalistischen Laufbahn auf William Randolph Hearst, den Medienmogul. Von da an sollte es steil bergauf gehen.
Allerdings erfuhr das arme Mädchen 1925, dass es wegen Tuberkulose nur noch sechs Monate zu leben hatte. Aus diesem Grund zog sie des Wetters wegen nach Los Angeles. Die sechs Monate verstrichen ohne ihren Tod, also schrieb sie weiter für Hearsts Zeitungen und begann 1928 eine eigene Radioshow.
Das große Thema von Louella Parsons war Hollywood und seine Stars. Es war nicht richtig nachzuvollziehen und zum Teil höchst mysteriös, wie Louella an Informationen über die Geschäfte in Hollywood kam, oder woher sie über die privatesten Dinge seiner Stars Bescheid wusste. Aber ihr war von Anfang an bewusst, dass Hollywood und alle, die es bevölkerten, Nachrichten bedeuteten. Nachrichten, die den Normalbürger irgendwo dort draußen tatsächlich interessierten.
Louella Parsons war erfolgreich mit dem was sie tat, weil sie den Nerv der Zeit traf. Etwas, das ihr andere im Vorfeld abgesprochen hatten. Und mit einer neuen Radioshow bestieg sie 1934 endgültig einen Thron, von dem sie keiner mehr stoßen konnte.
Ich kann einen Hut tragen oder ihn abnehmen. So oder so, es wird darüber geredet. Hopper
Die als Elda Furry 1885 geborene Hedda Hopper begann 1915 ihre Filmkarriere, aus der 120 Filme hervorgingen. Die arme Hedda kam nie über die zweite Reihe hinaus. Sie befreundete sich sogar mit Louella Parsons und versorgte diese mit durchaus delikaten Informationen über diverse Stars. Die Karriere beim Film allerdings nahm eher ab, als dass sich ihr Talent endlich auszahlen würde. Auszahlen war auch das Stichwort, welches Hedda Hopper 1937 dazu brachte, sich nach einer Tätigkeit umzusehen, welche ihr endlich Fleisch in die Suppe brachte. Und diese Tätigkeit formte sich aus dem Angebot, eine Filmkolumne für die Los Angeles Times zu schreiben. Hedda Hoppers Hollywood erschien damit in einer der wenigen Zeitungen, die nicht dem Imperium von Randolph Hearst unterstellt waren.
In Hollywood ist Dankbarkeit Staatsfeind Nummer eins. Hopper
Es lag schon immer in der Natur des Menschen, sich mehr für die Unzulänglichkeiten anderer zu interessieren, als den eigenen Hof sauber zu halten. Freunde vertrauten sich einem an oder man erfuhr etwas Delikates über seine Feinde. Mit Gerüchten oder Wahrheiten, die nur hinter vorgehaltener Hand kursierten, konnte man eine Person durchaus steuern. Oder es wurde jemand erpressbar. Menschen in einer höheren gesellschaftlichen Stellung kannte man nur aus Zeitungen, vom Hörensagen, aus Büchern. Man blickte zu ihnen auf und konnte sie mit den richtigen Gerüchten oder eben auch Wahrheiten auf eine Ebene zu sich herunterholen. Der oder die wurden plötzlich zu ganz normalen Menschen.
Vermeintlich geheime Informationen auszutauschen ist ein uraltes Ritual zwischenmenschlicher Beziehungen. War es vor Jahrhunderten noch notwendig, von seinen Feinden auch ihre pikanten Schwächen und Tadel zu kennen, um sie so besser einschätzen zu können, wandelte sich dieses Schlüsselloch-Interesse in der Moderne zum reinen Zeitvertreib für Tratsch und Klatsch. Und es lenkte auch von den eigenen Unzulänglichkeiten ab. Klatsch, Tratsch und Gerüchte haben schon Könige gestürzt. Und Mitte der 1920er konnte man die Situation in Hollywood durchaus mit verschiedenen Hofstaaten vergleichen.
Studiobosse regierten feudal, und ihre Vertragsschauspieler fungierten dabei als Zepter und Krone. Vielleicht könnte man Louella Parsons dann als den Hofnarren bezeichnen. Eine, die aberwitziges Zeug von sich gibt, in dem aber so viel Wahrheit steckt. Leute wie Louis B. Mayer, das war der mit den MGM-Studios, brauchten diesen Hofnarren genauso wie sie eine solche Person gerne den Krokodilen vorgeworfen hätten. Wenn die autark scheinende Parsons ihren Lesern oder Zuhörern einen Film empfahl, dann wurde der angesehen. Wenn Parsons ein Starlet mit skandalösen Gerüchten in Verbindung brachte, wurde es zum Kassengift.
Noch 1915 behauptete Randolph Hearst, dass Stars keine Nachrichten wären. Parsons verlor daraufhin ihren ersten Job. 1922 holte er sie dann zurück. Es ging ums Geldverdienen, denn Hearst musste feststellen, dass Stars sehr wohl Nachrichten waren und mit Nachrichten festigte er sein Imperium und damit seinen Einfluss. Mit der Rückendeckung von Hearst übertrug sich dieser Einfluss natürlich auf Louella Parsons und ihre Kolumne. Es begann das riskante Spiel von Geben und Nehmen. Insider versorgten die Parsons mit allen möglichen Informationen, jeder Schauspieler oder Techniker wollte gut mit ihr stehen und plauderte gerne hinter vorgehaltener Hand über andere. So mancher Schuss ging nach hinten los, vieles zahlte sich aber auch aus, an der Kinokasse, oder in der Karriere. Das zahlende Publikum, die Leser und Hörer, alle liebten Louella Parsons und ihre Informationen aus erster Hand, oder das bisschen dreckige Wäsche waschen. Was man von Hollywood nur aus Gerüchten kannte, wurde mit einem Mal bestätigt. Der Marktwert Parsons stieg, und damit auch Hearsts Verkaufszahlen. Anfänglich konnten die Studios Louella mit riskanten Manövern als Werkzeug benutzen, doch auf einmal hatten sie sich damit einen Poltergeist geschaffen, wo Versuche zur Vertreibung nur noch größeres Poltern verursachen konnten.
Die schlimmsten und primitivsten Bestrafungen in unserer Stadt an jemandem, der in Ungnade gefallen ist, sind ein leerer Briefkasten und ein schweigendes Telefon. Hopper
Die American Psychological Association hatte in zwei Untersuchungen 2005 und 2006 versucht herauszufinden, warum dem Durchschnittsamerikaner so sehr an Nachrichten aus dem Boulevardbereich gelegen ist. Viel Neues wurde dabei nicht festgestellt, doch es festigte sich die Aussage, der Amerikaner liebt einfach den Umgang mit Gerüchten als solches. Es ist die Demontage derer, zu denen man sonst aufschauen muss und die im richtigen Leben so unerreichbar sind.
Hollywood hätte diese Studie abwarten sollen. Doch damals war man überzeugt, Feuer mit Feuer bekämpfen zu können. Und so betrat 1938 Hedda Hopper die Klatsch-und-Tratsch-Bühne. Schauspieler, Produzenten und Studioleiter versorgten gezielt Hopper mit exklusiven Geschichten und Gerüchten. Bekanntermaßen entbrannte tatsächlich ein kurioser Krieg zwischen den ehemals befreundeten Damen.
In der neuzeitlichen Entwicklung von Boulevardnachrichten waren Parsons und Hopper natürlich nicht alleine. Der Handel mit Halbwahrheiten und gerne auch mal übler Nachrede nahm mit Beginn der Tonfilmzeit derart drastisch zu, dass in New York 1931 sogar der Verkauf von Boulevardblättern verboten wurde. Aber zum Glück gab es ja noch das überregionale Radio. Und keiner der anderen Schmierenkomödianten konnte sich mit Louella Parsons messen. Und mit der nachfolgenden Hedda Hopper noch weniger.
Der eigentlich erwünschte Krieg zwischen den Kolumnistinnen eröffnete eine zweite Front, an die niemand wirklich gedacht hatte. Was die eine für gut und sehenswert hielt, konnte die andere durchaus in Grund und Boden kritisieren. Legendär wurde der Kampf um CITIZEN KANE, ein Film, durch den sich Randolph Hearst angegriffen fühlte und der somit von Louella Parsons bereits im Vorfeld und lange nach der Premiere denunziert wurde. Hedda Hopper hingegen erzwang sich eine Testvorführung und ließ sich gerne von Orson Welles instrumentalisieren.
Die Verehrer der schaurig-schönen Geschichten aus Hollywood machten, entgegen allen gehegten Hoffnungen, keinen Unterschied, ob die eine verdammte, was die andere in den Himmel lobte. Dieser bizarre Kampf förderte nur noch den Einfluss beider Parteien, bei dem die Filmindustrie am schlechtesten weg kam. Beide erreichten einen Punkt, an dem sie es sich durchaus erlauben konnten, die Hand abzubeißen, die sie fütterte.
Dass diese öffentliche Zwietracht ein geheimes Abkommen zwischen den beiden Divas war, um sich gegenseitig zu stärken, ist natürlich nur üble Nachrede. George Eelles stellte in seinem Roman MALICE IN WONDERLAND diese entzückende These der sich eigentlich verstehenden Frauen auf, die auf diese Weise Hollywood fest im Griff hielten. Dieses bezaubernde und nachvollziehbare Gerücht verfilmte Gus Trikonis 1985. In dieser Verfilmung sagt Louis B. Mayer die fabelhaften Worte: Ich habe nicht ein Monster zerstört, ich habe ein zweites erschaffen. Wenn diese Worte nicht wahr sind, sollten sie es sein.
Parsons kehrte stets ihre bemutternden Attribute nach außen und vermittelte den Menschen ein falsches Gefühl von Geborgenheit. Sie wollte ihren Opfern und Helfern gleichermaßen glauben machen, dass alles zu ihrem Besten wäre, und ihre ruhige aber immer dringliche Art bestärkte dieses Ansinnen. Hopper hingegen war die laute, oftmals ungehobelte Vertreterin, die nicht nur versuchte, Cary Grant zu outen, sondern sich auch mal einen gerechtfertigten Fußtritt von Spencer Tracy einholte. Es wird Hopper auch nachgesagt, dass sie mit ihren Tiraden dafür verantwortlich ist, dass Charles Chaplin Amerika verlassen musste und nicht mehr einreisen durfte.
Geschenkt haben sich beide nichts und ihren Klatsch-Objekten erst recht nicht. Doch es kamen die 1960er, und die Menschen nahmen nach und nach eine Auszeit von skandalösen Gerüchten und unheilschwangeren Wahrheiten. Da waren Kuba und die Sowjetunion im Allgemeinen. Korea war beendet und Vietnam stand vor der Tür. Eigenheime wollten gebaut werden, und der dazugehörige Luftschutzbunker.
Hedda Hopper schrieb unbeirrt weiter, allerdings wurden ihre Kolumnen 1966 auf natürliche Weise eingestellt. Ein Jahr vor Hoppers Tod, also 1965, legte Parsons den Stift auf Seite und verbrachte bis zu ihrem Tod 1972 noch sieben ruhige Jahre ohne den Glamour Hollywoods. Nicht schlecht für eine Frau, die 46 Jahre zuvor an Tuberkulose sterben sollte.
Brauchts das? Uwe Kraus
Dereinst war da Matt Drudge und er ist es noch. Ein sehr intelligenter, dennoch konservativer Typ, den man gerne bei der politischen Rechten ansiedelt. 1994 begann er seine noch nicht absehbare Karriere, als er einen Internet-Newsletter gründete. Empfänger per E-Mail waren zuerst Freunde und Bekannte, nur kurze Zeit später weitete sich der Empfängerkreis per Abonnement merklich aus. Drudge ist sozusagen der gepflegte Urvater dessen, was heute das Internet ausmacht. In seinem Newsletter verlinkte er auf viele Nachrichten und noch sehr viel mehr Gerüchte anderer Web-Seiten. Er scherte sich nicht darum, auf den Wahrheitsgehalt zu achten. Wichtig war die Verbreitung, die schnelle Verbreitung. Zudem nutzte er Kontakte in Hollywood und Washington, schrieb dazu seine eigenen Ansichten zu diversen Themen und veröffentlichte somit etliche Informationen, bevor die Massenmedien überhaupt Wind davon bekamen. 1995 hatte Matt Drudge zirka 1000 Abonnenten. 1997 sollen es schon über 80.000 gewesen sein, da sich nicht wenige von Drudges verlinkten und selbst verfassten Artikeln bewahrheiteten. Wie viel Unsinn dabei allerdings der Newsletter von Matt Drudge in die Welt setzte, interessierte nur nebenbei. Es war das Internet, und da musste es schnell gehen.
Etwa zur selben Zeit begann Harry Knowles seine Spielerei mit dem neuen Medium Internet. 1996 ging er mit der Seite AINT IT COOL in die Welt hinaus, um Filmfreunden eine Freude zu bereiten. Auch Knowles hatte Beziehungen, die er zu nutzen wusste. So war er bei Testvorführungen anzutreffen oder bei Presseterminen für große Hollywood-Produktionen. Dadurch veröffentlichte Knowles lange vor Filmstart bereits selbstverfasste Kritiken, oder die von Besuchern derselben Veranstaltung. Das Scheitern einiger Filme wurde tatsächlich den vorab veröffentlichten negativen Kritiken auf Harry Knowles Webseite zugesprochen. Und als diese Ansicht wiederum publik wurde, steigerte sich nicht nur der Marktwert der Seite, sondern erhöhte sich die Leserschaft enorm. Zuerst versuchten einflussreiche Menschen zu verhindern, dass Harry Knowles von Presseterminen und Testvorführungen überhaupt erfuhr. Dass er um einiges einflussreicher war, konnte man daran erkennen, dass sich die Zahl seiner Vorab-Veröffentlichungen wie zum Trotz nur noch erhöhte. Wie dereinst bei Hedda Hopper versuchte man schließlich, den Esel vor den Karren zu spannen. Was der Filmindustrie nicht wirklich gelang, doch zumindest hatte sich Harry Knowles dadurch eine weltweite Reputation verschafft, die ihn geradezu herausforderte, fair zu bleiben und offen zwischen Gerüchten und Wahrheiten zu unterscheiden.
Mit der Skrupellosigkeit von Matt Drudge und dem Ehrgeiz eines Harry Knowles zum Vorbild, wurde das Internet zu einer alles erlaubenden Spielwiese für Selbstdarsteller, Besserwisser und Denunzianten. Irgendwo dazwischen versteckten sich seriöse Privatanbieter und die renommierten Medienprofis. Doch dieser Anteil ist so verschwindend gering, dass in der nicht überschaubaren Reizüberflutung der gesunde, ehrliche Journalismus kaum auffällt. Die Gier nach Neuigkeiten hat aberwitzige Formen angenommen, die unkontrollierte Meinung wird in ihrer Verbreitungsgeschwindigkeit plötzlich zu einer Tatsache, die eigentlich gar nicht existiert. Gerüchte werden zu Wahrheiten erhoben. Und gesellschaftlich bedeutende Weltpolitik versinkt dabei gerne unter den Meldungen künstlich aufgebauschter Einspielergebnisse von unbedeutenden Filmen, die von noch unbedeutenderen Amateurkritikern polemisierend behandelt werden.
Selbst eine einflussreiche Louella Parsons könnte den Auswüchsen nichts entgegenbringen, und eine kratzbürstige Hedda Hopper wäre nicht bösartig genug. Verdiente Filmkritiker wie Roger Ebert werden nur bemüht, wenn deren Aussage sich mit der eigenen Meinung deckt. Pauline Kael hingegen dürfte kaum noch ein Begriff sein. Die Kultur des Kinos verkümmert zu Halbsätzen in vorgefertigten Meinungen. Jeder schreibt vom anderen ab und keiner kennt die Quelle, doch jeder fügt seine persönliche Wahrheit hinzu. Brad Pitts neuester Schnauzbart bewegt, während Mel Gibsons antisemitische Tiraden längst vergessen sind. Und weil wir gerade bei Gibson sind, kennen die meisten schon den Starttermin von IRON MAN 2, haben aber nicht mehr in Erinnerung, dass ein MAD MAX 4 bereits in der Vorproduktion war und dann fallengelassen wurde. Hinzu kommt die unschöne Art, Begründungen für überflüssig zu erachten. Und fallen Widerworte, wird mit persönlichen, beleidigenden Worten geantwortet.
Das Internet hat eine plötzlich immens wachsende Filmgemeinschaft hervorgebracht. Zum einen, weil man sich selber auf die eine oder andere Art einbringen kann, und zum anderen lässt sich über nichts so hervorragend streiten wie über unterschiedliche Meinungen. Um den Film als solchen und seine Kunstform im Besonderen kümmert sich das Gros nicht im Geringsten. Die Anonymität innerhalb der globalen Vernetzung tut ihr übriges, um alle Etikette fallen lassen zu können. Von Journalismus kann man nur im Promillebereich der angebotenen Filmseiten reden. Die Foren darf man erst gar nicht in Betracht ziehen. Wo das Publikum dereinst Hopper und Parsons benötigte, versorgt sich der Konsument nun selbst. Es ist mittlerweile eine Selbstverständlichkeit, dass die Qualität eines Filmes nicht über objektive Besprechungen bestimmt wird, sondern sich durch unkommentierte Meinungs-Meter definiert, die durch beliebige Menschen gespeist werden. Ein irrationaler Trend, dem sich die Filmindustrie hilflos gegenüber sieht und der auch überhaupt nicht repräsentativ zu betrachten ist.
Das sogenannte Hinterfragen von Schlagzeilen und Artikeln ist in der Flut von Informationen und der reißenden Geschwindigkeit der Verbreitung zu einem Nichts degeneriert. Eine kritische Auseinandersetzung mit Informationen kann nicht mehr stattfinden, zudem sich der Informationsaustausch schon lange nicht mehr mit relevanten Dingen beschäftigt. Die Geister von Hedda Hopper und Louella Parsons laufen Amok.
Unsere Stadt betet Erfolg an, diese liederliche Gottheit, deren Lächeln das Verlangen nach Blut versteckt. Hopper
Der gemeine Filmkolumnist muss nicht unbedingt Journalist sein. Wichtig sind und werden immer die Quellen sein, auf die sich derselbe berufen kann. Gerade im Umgang mit Gerüchten und Skandalen kann man auf diesen Quellenverweis auch verzichten, wenn es den Betroffenen unmöglich gemacht wird, angesprochene Dinge abzustreiten. Das funktionierte mit Klatsch und Tratsch schon früher und funktioniert heute mit Gerüchten und Nachrichten genauso. Hopper wie Parsons konfrontierten ihre Opfer mit Aussagen, welche zu dementieren unmöglich war. In der heutigen Zeit kann ein Gerücht auch nur sinnloses Geschwätz sein, da man durch die exponentielle Verbreitung die Urheber-Quelle gar nicht mehr auszumachen kann.
In den amerikanischen Printmedien gab und gibt es das Abkommen, Filmbesprechungen frühestens einen Tag vor Filmstart zu veröffentlichen. Dadurch wurde niemand zeitlich unter Druck gesetzt und Kritiker hatten so die Möglichkeit, sich sehr überlegt mit der Materie auseinanderzusetzen. Aber auch der gewöhnliche Journalist kann trotz eines gewissen Berufsethos nicht dem Internet hinterherlaufen. Dazu kommen die Branchenkenner, die einer Entwicklung hinterherstürzen, die als absehbar prophezeit wurde, aber gewiss nicht in dieser Geschwindigkeit. Renommierte Journalisten wie Nikki Finke und Sharon Waxman, beide mit enormem Insider-Potenzial in Hollywood, haben sich mit einem Gemisch aus Harry Knowles und Matt Drudges Prinzipien auf eigenen Seiten selbstständig gemacht. Waxman beschwört auf THE WRAP den tiefen Einblick in den Boulevard-Stil, während Finke mit DEADLINE HOLLYWOOD DAILY schneller veröffentlicht, als die entsprechende Nachricht überhaupt aktuell werden könnte. Somit wird auch sehr viel Unsinn veröffentlicht, was Finke am wenigsten stört, denn bevor Falschmeldungen überhaupt bekannt werden, hat sie schon ihre eigene Richtigstellung geschrieben. Wichtig ist nur, dass sie die erste mit der Meldung war, wenn es denn eine Meldung werden sollte. Das stößt in der Filmbranche natürlich heftig auf, wird aber auf der anderen Seite auch genutzt. Alles, was es über den letzten Autorenstreik zu sagen gab, wurde zuerst an Nikki Finke gemeldet. Dass sie sich als Journalistin instrumentalisieren ließ, will sie nicht einmal von sich weisen. So funktioniert das Geschäft heute eben. Eine falsche Nachricht ist allemal besser als gar keine Nachricht.
Nur die Prinzipien haben sich etwas geändert, ansonsten hat sich am giftigen Eifer im banalen Geschäft seit Beginn des Kinos wenig geändert. Da hat Kevin Spacey wohl recht, wenn er in Clint Eastwoods MITTERNACHT IM GARTEN VON GUT UND BÖSE meint: Ich weigere mich in einer Welt zu leben, in der Gerüchte zur Wahrheit werden.
Bildquelle: s9.com - LA Times - University of California Press -
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