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Paul Alfred Müller - Science Fiction aus Murnau

Plakat der Ausstellung Ein deutscher Science-Fiction-Autor im Museum
Ausstellung «‹Atlantis steigt auf!› Paul Alfred Müller – Science Fiction aus Murnau»

Paul Alfred Müller (1901–1970) war als Schöpfer von u. a. den Heftchen-Serien «Sun Koh, der Erbe von Atlantis» und «Jan Mayen» einer der erfolgreichsten deutschen Science-Fiction-Autoren. Eine Sonderausstellung im Schlossmuseum in Murnau, wo der Autor nach dem Krieg (ab 1948) bis zu seinem Tod lebte, setzt sich nun mit ihm und seinem Werk auseinander.

 

Paul Alfred MüllerPaul Alfred Müller war ein sehr produktiver Autor, er schrieb ab 1932 hunderte von Unterhaltungsromanen unter über 20 Pseudonymen. Unter dem Namen Lok Myler erschien von 1933 bis 1936 in Leipzig im Bergmann-Verlag mit «Sun Koh, der Erbe von Atlantis» die erfolgreichste Sci-Fi-Romanserie der Zwischenkriegszeit. Sie umfasste 150 Folgen und erlebte auch nach 1945 noch einige Neuauflagen. Vom grossen Erfolg zeugt die Auflagenzahl, die in den 30er-Jahren zwischen 60 000 und 90 000 Exemplaren pro Heftnummer schwankte. «Jan Mayen» erschien von 1936 bis 1938. Trotz dieser Massenauflage sind die Hefte heute zur Rarität geworden – wie so oft wurden Werke, die als Trivialliteratur galten, nicht von Bibliotheken gesammelt. Die Ausstellungsstücke in Schloss Murnau sind Leihgaben von privaten Sammlern.

Sun Koh - Die kommentierte NeuausgabeAn seinem Werk lassen sich die problematischen Bedingungen, denen sich Trivialschriftstellern zur Nazizeit gegenüber sahen, sehr gut nachzeichnen. So wurde Müller 1933 NSDAP-Mitglied und passte in den folgenden Jahren sein Werk mehrmals den Anforderungen des herrschenden Zeitgeistes an. Die Sun-Koh-Romane zeigen so immer klarere Einflüsse eines (proto-)faschistischen und völkischen Kontexts zeigen, die er für spätere Auflagen wieder entschärfte bzw. «entnazifizierte». Es lässt sich zum nachverfolgen, wie der anfänglich eher kosmopolitische Züge aufweisende Sun Koh («der Mann, der vom Himmel fiel», wie der Titel des ersten Hefts lautete), der sich auch für Schwarze und Indios einsetzte, im Laufe der Zeit immer mehr einem nationalsozialistischen Ideal angepasst und zu einem Eroberer im Namen der «Arier» umgestaltet wurde (ab Heft 50). Zum Beispiel wurde Sun Kohs schwarzer Begleiter Nimba immer unwichtiger und starb schliesslich (in Heft 139). Gleichzeitig erhielten die mystisch-okkulten Themen mehr Gewicht. Doch obwohl Müller für die Nachauflage der ersten 47 Hefte ganze Geschichten umschrieb, kam 1939 das Aus für die Serie, nachdem sie im selben Jahr auf die «Vorläufige Liste von Schundreihen» des NS-Lehrerbundes gesetzt worden war. Die weitere Auslieferung der Hefte durch den Verlag wurde im selben Jahr verboten.

Müllers Schriften hatten dennoch einen nachhaltigen Einfluss auf die späteren deutschen Sci-Fi-Epigonen, «Sun Koh» war stilbildend für das Genre, und der Untertitel von «Perry Rhodan» – «der Erbe des Universums» ist eine klare Hommage. Wie der Titel schon sagt, drehte sich die Serie um den Atlantis-Mythos und viele weitere Themen, die bis heute immer wieder umgesetzt werden.
Da Müller Wert darauf legte, dass die Romane „trotz aller Anspruchslosigkeit“, wie er in seinen Richtlinien gegenüber seinem Verlag formulierte, auch einen pädagogischen Dienst erfüllen sollten, spielten in seinen Romanen (pseudo-)wissenschaftliche Ausführungen eine wichtige Rolle. Er bemühte sich, aktuelle Entdeckungen und wissenschafliche Fortschritte in seine Storys einzubauen, wobei er sich ganz unterschiedlichen Themen widmete. In der Ausstellung werden diesbezüglich die Themen Rakete, Roboter, Saurier, Windrad und Atratropa beleuchtet.

Die Erwachsene wie auch Kinder und Jugendliche ansprechende, vielfarbige Ausstellung verschafft spannende Einblicke in ein bedeutendes, aber eher selten in Erinnerung gerufenes Kapitel Publikationsgeschichte der deutschen Populärliteratur. Sie wirft auch einige interessante Blicke auf Müllers Vorläufer und die Auswirkungen seines Werks auf das seiner Nachfolger.

Die Ausstellung beleuchtet unter anderem folgenden Themen, denen im Ausstellungskatalog je ein Beitrag gewidmet ist: Müllers Wirken in Murnau, seine Nachwirkung bis in die Gegenwart, die Belehrung durch Unterhaltung mittels «wissenschaftlicher» Informationen, die Einflüsse der Hohlwelt-Theorie, deren Anhänger Müller war, in seiner späteren, mit Schmidt verfassten Serie «Rah Norten, der Eroberer des Weltalls», und Heinz J. Galles Jugenderinnerungen an seinen Heftromankonsum. 

Quelle: Ausstellungskatalog.
Quelle Bild (Cover Ausstellungskatalog): www.sunkoh.de

Das Seminar findet statt in Zusammenarbeit mit den Herausgebern der kommentierten Gesamtausgabe von Müllers Sun Koh-Serie im Zürcher Verlag ssi-

Galle, Heinz J. / Bauer, Markus Rudolf: Sun Koh, der Erbe von Atlantis und andere deutsche Supermänner. Paul Alfred Müller alias Lok Myler alias Freder van Holk - Leben und Werk. Zürich: ssi 2003. (Unterschlagene Literatur)
-    Müller, Paul Alfred: Ein Mann fällt vom Himmel. Ein Mann fällt vom Himmel / Ein Fetzen Pergament / Sensation um Strohhalme / Die mordende Quelle / Schach dem Tode. Hrsg. und mit Kommentaren und historisch-kritischem Anhang versehen von Markus R. Bauer und Rolf A. Schmidt. Zürich: ssi 2005. (Unterschlagene Literatur, 3), (Sun Koh, der Erbe von Atlantis - Gesamtausgabe, 1).


Sonderausstellung,

Der Held Sun Koh ist der letzte Überlebende des atlantischen Kénigsgeschelcht und dazu bestimmt, dereinst dem wieder aufgetauchten Inselreih zu neuer Grösse zu verhelfen. Die Hefte trugen Titel wie Irrlichter über Saigon kosteten am Kiosk 20 Pfennig.

Paul Alfred Müller - Science Fiction aus Murnau
5.12.2008 bis 1.03.2009

Schloßmuseum Murnau
Schloßhof 4-5
82418 Murnau

Tel. (08841) 476-207/-201
Fax (08841) 476-277
Schlossmuseum(at)murnau.de



Kommentare  

#1 Larandil 2009-02-09 11:56
Im 1986 erschienenen Perry-Rhodan-Werkstattband erzählte entweder K.H. Scheer oder Walter Ernsting, dass man eigentlich zum Start von Perry Rhodan auch den Autor von Sun Koh gerne im Team gehabt hätte. Der habe jedoch als überzeugter Anhänger der Hohlwelttheorie darauf bestanden, dass die Abenteuer dann eben im Inneren der Erde spielen müssten, und so wurde nichts daraus.

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