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Literatur der 50er-Jahre: »Die verschlossene Tür«

Die verschlossene TürLiteratur der 50er-Jahre
»Die verschlossene Tür«

Der baltische Baron Kedell hat nach der Umsiedlung aus Estland im Winter 1939 ein zuvor enteignetes Gut zur Bewirtschaftung erhalten. Hier hält sich dessen eigentlicher Besitzer, der Bankier Levi, ein polnischer Jude, versteckt.

Kedell gibt Levi als seinen Bruder aus und hält ihn auch dann noch versteckt, als er von seiner Frau und seinem Sohn verlassen wird.

Die verschlossene TürIm Winter 1944/45 ermöglicht Levi dem Baron die Flucht vor polnischen Marodeuren, die der vorrückenden Front vorauseilen, um Rache an der deutschen Bevölkerung zu üben.

Das Schicksal vereint beide zu Brüdern des Unglücks und der Verfolgung. Anhand eines symptomatischen Einzelschicksals zeichnet Fred von Hoerschelmann ein ungeschöntes Bild der Verhältnisse im von deutschen Truppen besetzten Warthegau. Dieses Hörspiel stellt sich der nationalsozialistischen Vergangenheit und wirkte damit verhältnismäßig früh der Tendenz einer stärker werdenden Verdrängung dieses Kapitels deutscher Geschichte entgegen. Es appellierte indirekt an die Hörer, sich mit der eigenen Rolle in der Zeit des Zweiten Weltkrieges auseinander zu setzen. Darüber hinaus ist es die wohl einzige nennenswerte literarische Darstellung deutschbaltischer Schicksale im Warthegau. (1)

Wer sich für alte Radio-Hörspiele interessiert, dem sei PIDAX empfohlen oder auch die Hörspieldatenbank der ARD. Klar in alten Radiohörspielen erwartet einen nicht das Pompö neu moderner kommerzieller Hörspielproduktionen, die im Hollywood-Look gestaltet sind (was das Akustische angeht). Es sind eben alte urdeutsche Hörspiele und nicht wenige befassten sich gerade in der Nachkriegszeit mit der Aufarbeitung des Krieges. Spannend ist, dass dieses Hörspiel im Krimi und Thriller-Genre verzeichnet ist. Von Thriller merkt man hier kaum etwas. Von Krimi schon mal gar nicht. Und doch ist eine gewisse Spannung zu verorten als es um das verlassene Gut geht mit all ihren merkwürdigen Räumen. Auch die Geräuschkulisse ist für ein 50er-Jahre-Hörspiel ganz gut. Da gibt es knarrende Türen und Dielenböden.

In der Besetzung hören wir zunächst Erwin Kalser in einer seiner letzten Rollen. Die weibliche Hauptrolle übernimmt Annemarie Holtz. Die bekannteren Namen hört man eher in Nebenrollen: Harry Meyen, Inge Meysel und Jo Wegener.

Ein altes Hörspiel, dass auch daher etwas verstaubt klingt, aber wegen der Thematik und der Spannung durchaus hörbar ist und einen Einblick in literarische Themen der 50er-Jahre gibt.

Die verschlossene TürDie verschlossene Tür (Radio-Hörspiel)
von Fred von Hoerschelmann

mit Erwin Kalser, Annemarie Holtz, Harry Meyen, Alexander Golling, Inge Meysel, Herbert A.E. Böhme, Jo Wegener u.a.
NDR 1957
Technische Realisierung: Rudolf Meister, Renate Kuhls
Regieassistenz: Willy Lamster
Regie: Ludwig Cremer
1 CD/mp3 ca. 65 Minuten
Pidax 2015

(1) Klappentext

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