Über den Hamburger Einbrecherkönig - »Der Lord von Barmbeck«
Über den Hamburger Einbrecherkönig
»Der Lord von Barmbeck«
Auch Petersen hörte auf einen Spitznamen, denn ihn hatte sein beherztes Vorgehen gegen einen Polizeibeamten, der ihn in seiner eigenen Hamburger Kneipe verhaften wollte, zum „Lord von Barmbeck“ werden lassen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts, in das die Hauptwirkungszeit des Verbrechers Petersen fällt, schrieb sich der Hamburger Stadtteil noch mit „ck.“. Der Kriminalhistoriker Helmut Ebeling hatte Julius Adolf Petersens autobiografische Aufzeichnungen im Jahr 1973 als Buch herausgegeben, und gleichzeitig auch an einer Verfilmung des ereignisreichen Verbrecherlebens mitgewirkt, die unter der Regie von Ottokar Runze im gleichen Jahr entstand. Ebeling fungierte bei Runze als Fachberater für die Dreharbeiten und ist im Film „Der Lord von Barmbeck“ auch kurz vor der Kamera zu sehen. Runze hatte bis dato schon einige autobiografische Fernsehformate über die Musiker Udo Jürgens und Les Humphries inszeniert, und später sollte er noch durch den Kriminalfilm „Das Messer im Rücken“ mit Hans Brenner und die Dieter-Hallervorden-Komödie „Der Schnüffler“ Publikumserfolge auf der großen Leinwand für sich verbuchen.
Aus der Ich-Erzählerperspektive schildert der mehrfach bestrafte und für seine Verbrechen inhaftierte Julius Adolf Petersen (Martin Lüttge) sein Leben, das 1882 begonnen hatte. Seine erste Liebe zu der aparten Gutsbesitzertochter Liesbeth (Simone Rethel) stand unter keinem guten Stern, da die Tante des Mädchens (Käthe Haack) dahinterkam, dass Adolf ein Pferd von Liesbeths Vater ungefragt verkauft hatte, um seiner Geliebten Geschenke machen zu können. Auch Adolfs nächste Liaison mit der verwöhnten Helmi (Judy Winter) brachte ihn später vor ganz ähnliche Probleme. Denn die Gastwirtschaft, die Petersen in Hamburg-Barmbeck eröffnete, reichte mit ihren Einkünften bei weitem nicht aus, um den feudalen Lebensstil Helmis befriedigen zu können. Deswegen ging der gewiefte Gangster immer wieder mit seinen Kumpanen Schlachter-Karl (Gert Haucke) oder Fuchs (Lutz Mackensy) auf Diebestour durch die Viertel der wohlhabenden Bevölkerungsschicht. Aus diesen illustren Kreisen erreicht ihn schließlich sogar von einem Grafen (Peter Schütte) der Auftrag, den Nachttisch von dessen Vater zu berauben, um dessen Testament sicherzustellen, in dem der Graf zugunsten seines Schwagers enterbt werden soll. Trotz etlicher lukrativer und Schlagzeilen machender Raubzüge geht Julius Adolf Petersen aber auch immer wieder der Polizei ins Netz, die ihn nach über 200 erwiesenen Delikten schließlich Ende der 20er Jahre zu 50 Jahren Zuchthaus verurteilt.
Die wahnwitzige Lebensgeschichte des Verbrechers Petersen diente 2005 auch einem gleichnamigen Hamburger Theaterstück von und mit Ulrich Tukur als Vorlage. Ottokar Runzes Variante der Gaunerposse wurde 1974 eher konventionell in Szene gesetzt, was aber durch eine gelungene Besetzung und eine liebenswert-aufwändige Rekonstruktion des Lebensalltags in den 1910er Jahren hinreichend wieder ausgeglichen wird. Die Inszenierung weist den einen oder anderen Durchhänger auf, aber die Geschichte ist insgesamt abwechslungs- und wendungsreich genug, um den Zuschauer stets bei Laune zu halten. Insbesondere Martin Lüttge, der in der Titelrolle fast durchweg präsent ist, kann hier durch seine nuancierte Darstellung überzeugen. Die DVD-Erstveröffentlichung überzeugt mit einem sehr scharfen Bild mit kräftigen Farben (im Vollbildformat 1,33:1) und einem stets gut verständlichen deutschen Originalton (in Dolby Digital 2.0). Als Extra ist eine kleine animierte Bildergalerie mit Aushangfotos zum Film vorhanden.