Der Mordanschlag - Zweiteiliger Politthriller
Teil 1
Berlin zu Beginn der 90er Jahre. Hans-Georg Dahlmann ist als Chef der Treuhandanstalt einer der meistgefährdeten Männer des wiedervereinigten Deutschlands: Zielscheibe der RAF, verhasst bei Teilen der Bevölkerung der ehemaligen DDR und im Konflikt mit westdeutschen und internationalen Unternehmen, die alles dafür tun, dass ihnen aus dem Osten Deutschlands keine Konkurrenz erwächst. An seiner Seite: seine junge Assistentin Sandra Wellmann, die er im Vorstellungsgespräch kennenlernt und einstellt.
Doch Sandra verfolgt heimlich einen ganz anderen Plan: Als Mitglied der RAF in der dritten Generation wurde sie bei Dahlmann als Informantin eingeschleust, um den Terroristen Bettina Polheim und Klaus Gelfert Informationen zu den Aufenthaltsorten und Sicherheitsbestimmungen von Dahlmann zu liefern. Bald aber gerät Sandras Weltbild ins Wanken: Als sie gemeinsam mit Dahlmann einen Skandal um die geplante Privatisierung eines ehemals staatlichen Chemiewerks in Gehrsberg aufklärt, lernt sie Dahlmanns idealistische Beweggründe, seine Integrität und große Geschicklichkeit kennen und schätzen.
Während Sandra sich einarbeitet und Vertrauen zu Dahlmann aufbaut, wird ein Anschlag auf den Vorsitzenden der deutschen Vereinsbank ausgeübt, der dabei ums Leben kommt. Der leitende BKA-Ermittler Andreas Kawert übernimmt die Ermittlung. Als er den Attentätern näherkommt, findet er heraus, dass sie Dahlmann als nächstes potenzielles Opfer im Visier haben. Unter Kawerts Ermittlungsdruck muss die RAF ihren Plan ändern: Sandra soll das Attentat nun selbst verüben. Und die Chancen für ein erfolgreiches Attentat stehen gut, denn Dahlmann vertraut Sandra inzwischen so sehr, dass er sie sogar zu sich nach Hause einlädt, um sie seiner Familie vorzustellen. Wie wird Sandra sich entscheiden?
Teil 2
Plötzlich fallen Schüsse: Dahlmann stirbt und seine Frau wird schwer verletzt. Mit Bettina Polheims Hilfe gelingt Sandra eine halsbrecherische Flucht vor dem BKA, das sie für die Attentäterin hält. Sandra wird zur meistgesuchten Terroristin Deutschlands. Die beiden wollen in den Libanon fliehen und suchen Hilfe bei der ehemaligen Stasi, die der RAF vor der Wende Versteck und Ausbildung geboten hatte. Jetzt aber, kurz nach der Wende, sind die Stasi-Leute selbst untergetaucht und setzen alles daran, nicht enttarnt zu werden.
Bettinas ehemaliger Stasi-Ausbilder Damisch, den Bettina Polheim und Sandra aufgespürt haben, wird erschossen, bevor er ihnen helfen kann. Aber die beiden erfahren noch, von wem der Mordauftrag an Dahlmann gekommen sein könnte: Dr. Andreas Niedeck, ein Wirtschaftsanwalt, hatte im Auftrag eines Firmenkonsortiums versucht, mit Hilfe von Scheinfirmen das Gehrsberger Chemiewerk zu kaufen. Dahlmann hatte versucht, den Kauf mit allen Mitteln zu verhindern. Er wollte vermeiden, dass die Gehrsberger Chemieindustrie, statt erneut aufgebaut zu werden, ausgeschlachtet und verramscht werden würde. Hat Niedeck das Attentat auf Dahlmann befohlen, weil Dahlmann Wirtschaftsinteressen im Weg stand oder haben ehemalige Stasimitarbeiter es ausgeführt und der RAF in die Schuhe geschoben?
Und es gibt noch einen weiteren Verdächtigen im Hintergrund: Lars Oehmke, ein angeblich im Libanon verstorbener RAF-Terrorist, lebt und ist ohne Wissen von Bettina und Sandra nach Deutschland zurückgekehrt. Verfolgt er einen eigenen Mordplan? Steckt doch die RAF hinter dem Mord an Dahlmann?
Auch das BKA schwankt zwischen den verschiedenen Theorien zur Tat. Kawert, der leitende Ermittler, hält Sandra und Bettina Polheim im Gegensatz zu seinem Vorgesetzten für unschuldig. Da bekommt das BKA den Hinweis, dass Sandra und Bettina auf einem Provinzbahnhof in Norddeutschland auftauchen werden, um Pässe und Geld entgegen zu nehmen. Für Sandra und Bettina ist das die letzte Chance zur Flucht. Und für das BKA die letzte Chance, das Attentat auf Dahlmann aufzuklären.
Realität und Fiktion
von Roman- und Drehbuchautor André Georgi
Das Attentat der RAF auf den Treuhandvorsitzenden Detlev Karsten Rohwedder in den frühen 90er Jahren ist einer der großen Stoffe der Bundesrepublik Deutschland. Die Geschichte der RAF, die Geschichte der Wiedervereinigung und die Frage nach der Bewertung der Treuhandanstalt, die binnen kürzester Zeit das Vermögen eines ganzen, soeben zerfallenen Staates privatisieren musste – all das ist der komplizierte historische Hintergrund einer Zeit, die heute irgendwie noch präsent, irgendwie aber auch schon verblasst ist.
Der mit Abstand schwierigste Punkt der Stoffentwicklung im Roman und dem darauf basierenden Drehbuch war die Frage, wie ich mit einem zeithistorischen Stoff umzugehen hätte. Das Attentat auf Rohwedder war in dieser Hinsicht eine besonders schwierige Vorlage, denn immer schon umrankten eine Menge Gerüchte, alternative Tathypothesen, Verdächtigungen und Unstimmigkeiten die Aufklärung dieses Verbrechens: War die RAF wirklich der Täter? Steckte die Stasi hinter dem Mord? Oder doch Wirtschaftsinteressen? Oder eine Melange aus alldem? Wurde der mutmaßliche Täter – wenn er es denn war – von der GSG 9 hingerichtet oder beging er Selbstmord?
Irgendwann wurde mir klar, dass all diese Mutmaßungen zum Hintergrund des Attentats Teil der Erzählung sein müssten. Ein nicht völlig aufgeklärtes Verbrechen hinterlässt Lücken, die nur fiktional gefüllt werden können. Und so bewegen sich Roman und Drehbuch im schwierigen Grenzbereich zwischen dem Tatsächlichen und dem Fiktionalen – einem Gebiet, in dem es nicht nur "wahr" oder "falsch" gibt, sondern in dem das Mögliche herrscht und seine eigene Wahrheit beansprucht: Alles ist wahr – ich muss es wissen, denn ich habe alles selbst erfunden.
In der Konsequenz dieses Ansatzes habe ich sowohl die Opfer-, als auch die Täter- und Ermittlerseite durchgängig fiktionalisiert. Das zeithistorische Vorbild bleibt erkennbar, geht aber in der Erzählung nicht auf. Hans-Georg Dahlmann ist Detlev Karsten Rohwedder, und er ist es zugleich nicht. Und auch die Figuren der Terroristinnen stehen auf dem realen Untergrund des Attentats auf Rohwedder. Insofern sie im Roman und im Drehbuch aber aus verschiedenen realen Vorbildern komponiert wurden, erzählen sie von etwas, das weit über das tatsächliche Attentat hinaus reicht: vom "Mythos RAF" (Wolfgang Kraushaar).