Preußische Sitten - »Die Buchholzens – Chronik einer Familie«
Preußische Sitten
»Die Buchholzens – Chronik einer Familie«
„Die Buchholzens – Chronik einer Familie“ nach einem Drehbuch von Karl Wittlinger („Ein Mann will nach oben“) war seinerzeit keinesfalls die erste mediale Umsetzung von Julius Stindes Figuren. Bereits 1944 unter der Regie von Carl Froelich entstand, ebenfalls nach Stindes zweitem Roman „Die Familie Buchholz“, ein Kinofilm mit Henny Porten, Paul Westermeier und Elisabeth Flickenschildt in den Hauptrollen. Schon wenige Monate später folgte in gleicher Besetzung die Fortsetzung „Neigungsehe“. Fürs Fernsehen drehte Hans-Waldemar Bublitz 1953 „Weihnachten bei Buchholzens“, kurz nachdem man sich in der Rundfunkanstalt RIAS in Berlin den Geschichten um die Tuchhändler-Familie in Hörspielform angenommen hatte. Harald Philipp zeichnete schließlich 1974 für die aufwändig ausgestattete Miniserie „Die Buchholzens“ verantwortlich, die sich in sieben 45minütigen Folgen mit den turbulenten Ereignissen rund um die kleinbürgerliche Familie im Berlin der 1880er Jahre auseinandersetzte. Damit stand die samstagabends im ZDF ausgestrahlte Serie in der Tradition anderer historischer Familienserien wie „Die Schöngrubers“ aus dem Jahr 1972, die die Zuschauer in längst vergangene Zeiten entführten und ihnen andere Moral- und Sozialvorstellungen auf amüsante Weise näherbrachten.
Karl Buchholz (Hans Caninenberg) leitet in den 1880er Jahren in Berlin einen erfolgreichen Stoffgroßhandel. Sein Schwager Fritz Köper (Harald Juhnke), Bruder seiner Gattin Wilhelmine (Eva Kotthaus), ist Teilhaber im Unternehmen und für den Außendienst zuständig. Die Buchholzens haben zwei volljährige Töchter, Betti (Giulia Follina) und Emmi (Lisi Mangold). Für beide wird bereits eifrig nach einer lohnenden Partie gesucht, aber natürlich soll Betti, die ältere der beiden, zuerst heiraten, wie es nun mal so Sitte ist. Bettis Herz schlägt für Erich Bergfeld (Bruno Dietrich). Doch das Verhältnis der Buchholzens zu Christoph (Erich Schellow) und Lotte Bergfeld (Eva-Maria Meineke), Erichs Eltern, ist von ständigen Hochs und Tiefs geprägt. Bei gemeinsamen Zusammenkünften gibt es immer wieder Grund für Unmut auf einer der beiden Seiten, auch wenn sich die Familienoberhäupter kurz danach gerne wieder bei einer gemeinsamen Skatpartie versöhnen. Zur munteren Runde im Café von Gustav Helbich (Gerd Frickhöffer) gehört auch Siegfried Krause (Henning Schlüter), dessen sechzehnjähriger Spross Eduard (Santiago Ziesmer) ebenfalls wiederholt zum Unruhestifter zwischen den Familien wird. Auch Emmi Buchholz würde sich freuen, wenn ein Mann um sie freien würde. Vielleicht ist ja Dr. Lothar Wrenzchen (Gerd Baltus) der richtige Mann für sie, ein Berliner Arzt, der unter dem berühmten Prof. Rudolf Virchow (Kurt Buecheler) studiert hat?
Die im deutschen Kaiserreich angesiedelte Familiengeschichte beruht natürlich auf etlichen überholten und angestaubten Vorstellungen und Umgangsformen, was aber bereits vor knapp 50 Jahren der Fall war, als man die Serie zur Hauptsendezeit ausstrahlte. Genau aus diesen sozialen, moralischen und technischen Veränderungen bezieht „Die Buchholzens“ nämlich ihren Reiz. Zum einen wird der Zuschauer Zeuge, wie die Klassengesellschaft das soziale Miteinander dominiert, zum anderen werden die Umstellung von der Pferde-Eisenbahn zur ersten elektrisch angetriebenen Straßenbahn oder die Installation der ersten Telefonanschlüsse in der Privatwohnung en passant thematisiert und tragen somit in den Details zur Atmosphäre der Geschichten bei. Die dramatischen Verwicklungen wirken in heutiger Zeit mitunter reichlich antiquiert, da sie aber stets mit einer ironischen Note und von einer exzellenten Darstellerriege dargeboten werden, konnte der Unterhaltungswert gut erhalten werden. Die technische Umsetzung der Box, die aus zwei DVDs besteht, ist hingegen eher mau. Das Bild (im Vollbildformat 1,33:1) ist sehr grobkörnig ausgefallen, die Farben wirken dabei größtenteils verblasst. Der Ton (Deutsch in Dolby Digital 2.0) ist hingegen immer gut zu verstehen, Extras sind keine mit aufgespielt.