Unterhaltung für die Kleinsten: Rappelkiste (Folge 1-56)
Unterhaltung für die Kleinsten
Rappelkiste (Folge 1-56)
...war eine deutliche Reaktion auf die im Jahr 1971 im Sonntagvormittagsprogramm gestartete ARD-Serie „Die Sendung mit der Maus“, die sich auch mehr als 50 Jahre später noch ungebrochener Popularität erfreut.
Nach dem gleichen Schema versuchte man auch in der „Rappelkiste“, in magazinartiger Form und mit wechselnden, innerhalb der Serie aber fest etablierten Figuren, pädagogische Werte an die kleinsten Fernsehzuschauer zu vermitteln.
Mehr noch als beim zeitlosen ARD-Vorgänger verfolgten die Macher der „Rappelkiste“ einen emanzipatorischen und antiautoritären Ansatz, der noch aus der 1968er-Bewegung stammte und in dieser deutlichen Form irgendwann aus der Mode kommen musste, weswegen die Serie 1984 eingestellt wurde.
Nichtsdestotrotz erfreute sie sich in den elf Jahren ihrer Ausstrahlung großer Beliebtheit, wurde mehrfach ausgezeichnet und erreichte im Durchschnitt mehrere Millionen kleiner Fernsehzuschauer. Die einzelnen Episoden stehen jeweils unter einer thematischen Klammer, die dann in allen kurzen Segmenten aufgegriffen wird und dadurch am Ende eine Art Botschaft an die Kinder vermittelt, die im Kernstück jeder Folge durch ein Lied der Handpuppen Ratz & Rübe beschwingt unterstrichen wird.
Den Anfang machen aber zumeist die slapstickartigen Erlebnisse des ungleichen Duos Oswin (Michael Habeck) und Nickel (Eberhard Peiker), die in einer Art Wohngemeinschaft zusammenleben und sich wie ein klassisches Komikerduo verhalten.
Klein und dick der eine, groß und schlaksig der andere, werden die Erlebnisse der beiden gerne mit Zeitrafferaufnahmen beschleunigt und komischer gemacht, oder es wird anderweitig mit Doppelbelichtungen oder Stop-Motion-Animationen getrickst. Letztere sind auch die Grundlage für die dialoglosen Abenteuer der Bauklötze, deren Erlebnisse aber ebenfalls immer zum Thema einer Episode passen.
Ebenfalls handanimiert sind die Ompis, reptilienähnliche Knetfiguren, deren Erlebnisse auch ohne verständliche Dialoge auskommen. Klassische 2D-Zeichentrickanimationen ergänzen das Portfolio. Hierzu gehören die stummen Sekundenclips um Rappel mit seinen Kisten, die im Rückblick recht enttäuschend sind, weil sich die Ideen hier bald erschöpfen und man diese auch im Laufe der Serie allzu oft wiederholt hat.
Und schließlich gibt es noch die Abenteuer von Bommel, Molly, Zippel, Zappel und Tim, mit denen die Themen der Sendung einmal mehr von einer anderen Warte aus beleuchtet werden. Aushängeschild der „Rappelkiste“ sind bis heute aber die an die Muppets erinnernden Klappmaulfiguren Ratz und Rübe. Sie sollen ein befreundetes Kinderpaar darstellen (Rübe ist dabei ein gelbhäutiges Mädchen, Ratz ein rothäutiger Junge), das immer zusammen die lustigsten und lehrreichsten Abenteuer erlebt.
Aus einem Abstand von fast 50 Jahren heraus sind heute sicherlich die Realszenen, die mit vier- oder fünfjährigen Kindern gedreht wurden, am interessantesten, weil sie dem Zuschauer am meisten über die damalige Lebenssituation verraten und mitunter dokumentarisch oder improvisiert anmuten.
Da sie offensichtlich an den unterschiedlichsten Orten realisiert wurden, hört man dabei auch ganz verschiedene regionale Dialekte. Immer mal wieder wird der Prozess des Filmemachens auf selbstreferentielle Weise thematisiert, nicht nur in der parodistischen Episode „Von dem, was man im Fernsehen sieht“.
Unter den Gastdarstellern der einzelnen Folgen kann man Prominente wie Jürgen Scheller, Dieter Hallervorden und dessen damalige Ehefrau und Sketchpartnerin Rotraud Schindler entdecken (in den Credits werden keinerlei Namen genannt; hier heißt es immer nur „entwickelt und hergestellt vom Team der Rappelkiste“), oder künftige Stars wie Tommi Ohrner oder Robinson Reichel.
Besonders lobenswert ist die Tatsache, dass die Macher stets darum bemüht waren, die Geschichten aus dem Blickwinkel und auf Augenhöhe der Kinder zu erzählen.
Spannend sind dabei bis heute Folgen wie diejenige über Geschlechterklischees („Von Jungs und Mädchen“) oder über Gastarbeiterfamilien und deren Nachwuchs („Von Leuten, die anders sind“).
© by Frank Brenner