Phantom Spezial 1
Phantom Spezial 1
Das Phantom ist einer der langlebigsten Charaktere der Comicgeschichte. Im Jahr 1936 veröffentlicht Schöpfer Lee Falk die erste Geschichte des kostümierten Helden, dessen Abenteuer bis heute fortgesetzt werden.
Der Charakter bewegt sich im Umfeld der Superhelden, obwohl er streng genommen keiner ist. Er verfügt weder über Superkräfte, noch hat er es mit Superschurken zu tun. Seine Gegner sind in der Regel gewöhnliche Ganoven, die ihre Verbrechen aus Gewinnsucht begehen. Übernatürliche Aspekte sind in den Geschichten nicht zu finden, auch wenn sich manches Geheimnis zu Beginn einer Geschichte danach anfühlt. Die Storys haben dann doch eine natürliche Auflösung. Das Phantom ist ein Kind seiner Zeit und spiegelt die Lesegewohnheiten der 30er Jahre wider, in denen kostümierte Vigilanten auf Verbrecherjagd gehen. Ein vergleichbares Kind jener Zeit ist Batman, der eine Comicversion der damals populären Radiofigur The Shadow ist.
Das Phantom hat den Beinamen „der wandelnde Geist“, denn es bekämpft seit mehreren hundert Jahren das Verbrechen. Ein Vater gibt die Bürde des Phantoms an den ältesten Sohn weiter und so entsteht der Eindruck, dass es sich um ein unsterbliches Wesen handelt.
Das Phantom hat in Deutschland eine lange Veröffentlichungstradition, die bereits kurz nach dem 2. Weltkrieg beginnt. Der Bastei Verlag veröffentlicht in den 70er und 80er Jahren eine Vielzahl an Comicserien mit dem wandelnden Geist. Mit der Einstellung vieler Comics im Bastei Verlag Mitte der 80er Jahre wird es zunächst etwas ruhiger um das Phantom. Seit einiger Zeit werden vor allem in Kleinverlagen wieder Comics aufgelegt, denn im Ausland werden weiterhin kontinuierlich Phantom-Comics veröffentlicht, allen voran die Daily Strips, die lange Zeit von Schöpfer Lee Falk selbst gestaltet werden.
Seit dem Jahr 2023 legt der ECR-Verlag die alten Geschichten von Lee Falk in einer Hardcover-Ausgabe neu auf. Im Kult Verlag werden die Ausgaben von Jean-Yves Mitton veröffentlich und der Zauberstern Verlag bringt seit einiger Zeit ein regelmäßig erscheinendes Phantom Magazin auf den Markt. Der wandelnde Geist scheint bei den Lesern gut anzukommen, denn ab diesem Jahr erscheinen zwei weitere Titel mit dem kostümierten Verbrecherjäger. Demnächst erscheint die Reihe „Phantom Album“, zu der noch keine weiteren Informationen vorliegen. Bereits ab diesem Monat erscheint „Phantom Spezial“, in dem sich je Ausgabe einem Künstler gewidmet wird.
Die erste Ausgabe von Phantom Spezial enthält die Daily Strips des amerikanischen Zeichners Graham Nolan. Die ersten Strips sind bereits im Phantom Magazin veröffentlicht worden und nun werden die Geschichten in dieser Ausgabe fortgesetzt. Aus der Ankündigung geht nicht genau hervor, ob die Nolan-Geschichten in den folgenden Spezial-Ausgaben fortgesetzt werden, oder ob ein anderer Künstler in den Blickpunkt genommen wird.
Graham Nolan dürfte Lesern amerikanischer Superheldenserien kein Unbekannter sein. Vor allem den Batman-Lesern dürfte der Zeichner ein Begriff sein. Zusammen mit Autor Chuck Dixon entwickelt er den Charakter Bane, der bis heute eine große Popularität genießt und der es sogar in den dritten Batman-Film von Christopher Nolan schafft.
In den Jahren 2000 – 2006 gestaltet Nolan die Daily Strips und wird von Paul Ryan abgelöst, der sich in der Folge zu einem der erfolgreichsten Zeichner der Reihe entwickelt.
Leser, die die Daily Strips mögen, werden an der vorliegenden Ausgabe ihre Freude haben. Die Strips zweier Geschichten finden sich gesammelt in dieser Ausgabe wieder und der Leser kann die Geschichte in einem Rutsch genießen. Allerdings wird aufgrund der episodenhaften Veröffentlichung die Struktur der Daily Strips deutlich, die ein wenig von der eines zusammenhängenden Comics abweicht. Ein Strip umfasst in der Regel eine Szene und schließt zur besseren Lesbarkeit dort ab. So kann es vorkommen, dass einige Szenen sehr ausführlich dargestellt sind und andere weniger, sodass sich ein nicht immer stimmiger Lesefluss ergibt und der Handlungsfluss zuweilen etwas sperrig ist. Phantom Spezial dürfte sich daher an eine interessierte, ältere Leserschaft richten, die mit dem Charakter oder den Daily Strips bereits vertraut sind.
In der ersten Storyline Woduros Geheimnis bekommt es das Phantom mit einem seltsamen Phänomen in der Ruine einer alten Stadt zu tun. Offenbar ist der vor Jahrhunderten besiegte Dämonengott Woduro zurückgekehrt und hat einen Jungen der Llongo in seine Gewalt bekommen. Das Phantom bricht in die alte Stadt auf, um den Jungen zu befreien. Auf dem Weg dorthin trifft er auf Lori Cartwright, die in Begleitung einiger fragwürdiger Gestalten ebenfalls in die Ruinenstadt gelangen will. Ihr Vater hatte vor einiger Zeit eine Expedition in die Stadt angeführt und ist seitdem verschwunden.
Sie entdecken das Grab des Vaters in der Stadt und treffen kurz darauf auf den wiederauferstandenen Gott. Dort machen sie eine Entdeckung, die die Ereignisse in einem anderen Licht dastehen lassen.
In der zweiten Episode Das Löwenkopfäffchen kommt der Prinz des Königreichs Dharmistan zu Tode. Marshall Zebal versucht daraufhin, die Macht an sich zu reißen und die Inthronisierung des Nachfolgers zu verhindern.
Voraussetzung zur Nachfolge ist, dass der zukünftige Herrscher ein altes Ritual durchlaufen muss, indem er durch ein Löwenkopfäffchen legitimiert wird. Zebal beseitigt die letzten Affen und verübt einen Anschlag auf den Thronfolger. Der überlebt den Angriff und trifft auf das Phantom. Zusammen kehren sie nach Dharmistan zurück, um dem Sohn des Prinzen seinen rechtmäßigen Platz auf dem Thron zurückzugeben.
Beide Geschichten behandeln übliche Themen, die in Phantom immer wieder mal eine Rolle spielen. Die Auflösung bietet in beiden Fällen keine große Überraschung, aber trotzdem wissen sie zu unterhalten. Der Reiz besteht in dem nostalgischen Flair, den die Storys atmen. Die Charaktere folgen einem klaren Gut-Böse-Schema und bieten ebenfalls keine Überraschungen. Die Helden sind gut, und die Bösen sind richtig böse.
Nolan orientiert sich mit seinen Zeichnungen an der Machart der Daily Strips. In seinen Superheldencomics liefert er phasenweise Zeichnungen mit atemberaubenden Layouts ab, die vor Energie nur so sprühen. Die Daily Strips werden hingegen von Panel zu Panel erzählt, die in ihrer Größe nicht variieren; auch treten die Zeichnungen nicht aus den Panels aus. Das nimmt den Layouts etwas die Dynamik, die der Leser von Nolan gewohnt ist. Trotz dieser Angleichung an diese Struktur finden sich in den Zeichnungen die aufgeräumte Art wieder, in der Nolan seine Arbeiten gewöhnlich anfertigt.
03/2025
