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Das verlorene Regiment - Unionisten gegen Mongolen und andere

Das verlorene Regiment - Unionisten gegen Mongolen und andereDas verlorene Regiment
Unionisten gegen Mongolen und andere

Anfang Januar 1865: das 35. Maine-Regiment, ergänzt durch hundert Artilleristen vom 44. New Yorker-Regiment, wird von seinem Einsatz vor Richmond abgezogen, um weiter nach Süden, in die Carolinas, verschifft zu werden. Es handelt sich um ausgesprochene Veteranen der Unionsarmee, die sämtliche Schlachten von Antietam über Frederiksburg, Chancellorsville, Gettysburg, Cold Harbour bis Petersburg mitgemacht haben, und man ist sich eigentlich sicher, daß der Krieg noch in dem gerade begonnenen Jahr (mit dem Sieg der Union) enden wird.

Ein gewaltiger Trugschluss zumindest für diese 600 Leute, denn als der Dampfer auf offener See in einen Sturm und ein seltsames Licht gerät, findet man sich an einer unbekannten Küste wieder. Die alsbald auftauchenden Truppen sind zwar an Zahl weit über-, aber waffentechnisch hoffnungslos unterlegen, tragen sie doch noch Speere, Lanzen und Bogen und weichen nach den ersten Schüssen der Gewehre und Feldkanonen panikartig zurück. In der Nacht gehen zwei Monde an unbekanntem Sternenhimmel auf....

Das verlorene Regiment 1 - Der letzte Befehl Die Nordstaatler sind nicht die ersten Menschen, die es auf diesen unbekannten Planeten verschlagen. hat, aber die bislang letzten und fortgeschrittensten. Sie einigen sich schnell mit dem ortansässigen Potentaten, Bojar Iwor von Suzdal, dem einflussreichsten Fürstentum der Rus-Reiche auf dieser Welt Waldennia, helfen ihm waffentechnisch bei Streitereien mit seinem Bruder, erhalten Land und entwickeln sogleich eine ziemliche Aktivität, wenn auch vorerst nur im zivilen Bereich: Wasser- und Getreidemühlen, ein großer Damm, Erzbergbau und, natürlich, ganz schnell eine Schmalspur-Eisenbahn.

Aber schließlich, so sehr die Einheimischen das auch verschweigen wollen, kommen sie doch hinter das große (schlimme) Geheimnis: die Einheimischen des Planeten, die sog. "Horden" sind im Anmarsch, sogar noch drei Jahre früher als sonst. Sie ziehen als Nomadenclans in zwanzig Jahren einmal um den Planeten herum, durch die Steppengebiete zumeist und halten bei den Menschensiedlungen nur an, um sich zu versorgen - beileibe nicht nur mit normalen Gütern, etwa Getreide für die vielen Pferde, sondern buchstäblich, um "zu schmausen". Die Menschen überlebten als rasse nur, weil jeweils 2 von 10 ihnen ausgeliefert wurden, um im wahrsten Sinn des Wortes in den Kochtöpfen zu landen (außer den örtlichen Potentaten und von ihenn Geschützen); Menschen sind für die Horden "Vieh"..

Das lassen sich die Unionsleute natürlich nicht bieten und bereiten sich und die Rus nun ernsthaft vor auf den Waffengang mit den (unglücklicherweise nicht nur doppelt so großen, kriegsgeübten, sondern auch zahlreicheren) Leuten der Tularen-Horden: 600 Veteranen, ein Dampfschiff, gerade mal zehntausend schnell gedrillte Einheimische gegen 300.000 Krieger, obwohl die "nur" Lanzen, Schwerter und Bogen haben. . Es kommt zum Kampf.....

Natürlich kann man sich denken, wer gewinnt, auch wenn es keine Serie wäre...

Das verlorene Regiment 2 - Jenseits der Zeit Im zweiten Band glauben die Meki, einer der beiden Großclans im Süden, diesen Aufstand des Viehs und ihre Erfolge gegen die (Nordhorde der) Tularen nicht. Sie stoßen selbst mit einer Truppe vor, gegen das benachbarte Land der Roum (Römerabkömmlinge) und müssen dieselbe Erfahrung machen wie ihre Untergebenen, die Cartha (Karthager), die in einer gigantischen Seeschlacht unterliegen, obwohl sie durch Verräter inzwischen auch über primitive Gewehre und Geschütze verfügen.

Das verlorene Regiment 3 - Die Rache der Horden Im dritten Band schaffen sich die Meki Rückendeckung und Frieden mit den Baltag, dem zweiten großen Südclan und planen nunmehr endgültig die Vernichtung des aufsässigen Viehs, was ihnen auch beinahe gelingen wird, doch verschafft ein nicht sehr ritterlicher Schachzug von Cornel Keane noch einmal 30 Tage Luft.....

...ehe im vierten Band auch den Meki die letzte Glocke schlägt, nachdem sie nicht nur ausmanöveriert, sondern auch durch die Taktik der verbrannten Erde in den Alles oder nichts-Angriff gezwungen werden.
 
Das verlorene Regiment 4 - Der Feind im Nacken Die Unionisten sind aber nicht untätig gewesen und haben (außer Luftschiffen) auch noch andere neue Waffen ion der Hinterhand.

Band 5 ist der Beginn einer weiteren Tetralogie, die einige Jahre später spielt. Die Baltag haben sich inzwischen in Cartha und dem Süden etabliert, aber, viel gefährlicher, einen neuen Anführer gefunden, der nach einer alten Prophezeiung "der Retter" ist.
 
Das verlorene Regiment 5 - Gefangen auf Waldennia Er kam mit 4 anderen auch über einen ungewollten Transmitter-Transfer nach Waldennia (im übrigen die Ursprungswelt der Rasse; die Horden sind nur die zivilisatorisch wieder zurückgefallenen Nachkommen der einstigen Transmitter-Sternreisenden), von einer Kolonie, die bereits wieder im Atomzeitalter ist, so daß er zusätzlich zu den von den Unionisten erlernten Dingen auch noch ganz andere Vorstellungen hat. Noch weiß man dies nicht bei der jetzt "Vereinigten Republiken" genannten Bevölkerung aus Rus, Roum, Asgardlern (Germanen), die gerade versuchen, auch noch die Nippon dort einzubinden; aber einer der Veteranen, der "väterliche" Sergeant Major, der Cornel Keane erst beigebracht hat, ein richtiger Soldat zu werden, ist nicht, wie man annahm, in einer Mekischlacht gefallen, sondern im Süden gefangen. Mit einer kleinen Gruppe bricht er aus, übernimmt einen Eisenbahnzug (inzwischen haben auch die Baltag solche Infrastruktur) und braust solange auf der Flucht durch den Süden, bis ein Republikluftschiff neuster Bauart sie entdeckt....

Von dieser Serie sind in deutsch bislang nur die ersten 5 Bände erschienen, weitere 3 und ein Nachklapp fehlen. Zur Vervollständigung die Originaltitel:

The Lost Regiment 6 - Never Sound Retreat The Lost Regiment 7 - A Band Of Brothers 6. Never Sound Retreat (1998) 7. A Band of Brothers (1999)

8. Men of War (1999) 9. Down to the Sea: A Novel of Lost Regiment (2000)

Warum der Bastei Verlag die restlichen Titel noch nicht ins Programm genommen hat (auch für die nächste Zeit bis Oktober 2009 sind sie nicht angekündigt), ist nicht bekannt. Man gibt sich allenfalls der Hoffnung hin, daß man inzwischen auch dort bemerkt haben könnte, um welch blutrünstiges, klischeehaftes, ganz spezielles Ding es sich handelt....

Der phantastische Inhalt besteht aus lediglich zwei marginalen Dingen: das Versetzen der Menschen durch einen nicht mehr kontrollierten uralten Transmitter (sinnigerweise. aus dem Bermuda-Dreieck) und einer bei ganz wenigen der Horde vorhandenen Fähigkeit, manchmal Gedankenschwingungen und Vorahnungen zu erfassen, mehr ins Schamanistische tendierend denn ein "parapsychischer Effekt".

Der große Rest ist ein historischer Roman über die tapferen Unionssoldaten. Selbst der neue Planet hat (außer einem Süsswasserwal...) rein gar nichts Fremdartiges zu bieten (die Millionen an Pferden, die denen die Horden die Steppen durchstreifen, sind gar "vom Vieh eingeschleppt"; ebenso wie dessen Krankheiten), wo die Rus leben, jagen sie Wölfe und Bären.

The Lost Regiment 8 - Men Of War The Lost Regiment 9 - Down To The Sea Die Horden selbst sind schlecht nachgemachte Klischee-Abziehbilder der Mongolen mit ihren Waffen, Clans, Jurten, Feldzeichen aus Rossschweifen uvm. Empfindsame Gemüter sollten schon durch die Grundsituation (Menschen = Vieh = Fressen) abgeschreckt sein. Dschingis Khan sagte man ja nach, er haben damals Samarkand erobert und aus den Schädeln der Einwohner eine Pyramide gebaut; und natürlich läßt der Autor auch das nicht aus: Hunderttausend Opfer an einem Tag werden, im wahrsten Sinn des Wortes, abgeschlachtet; und bei den Baltag kommen zur Verachtung für das "Vieh" auch noch ihre "clantypischen" Foltermethoden hinzu: wenn man das Fressen vorher lange und ausgiebig foltert, wird der Geschmack um so besser - nein, das ist ebensowenig ein makabrer Scherz wie das drastisch beschriebene Auslöffeln von Gehirnmasse am noch lebenden Objekt!

Ich bin ja auch gegen Zensur jedweder Art - aber gibt es diese Behörde eigentlich noch, die damals den ungeheuer satirischen Roman von Spinrad "The Iron Dream" verbieten wollte, weil darin ein alternativlich in die USA ausgewanderter österreichischer Kunstmaler den Fantasyroman "Lords of the Swastika" verfasst?

Eine der bezeichnendsten Szenen: als die endlich "befreiten" Rus unter der Drohung der Hordenangreifer anfangenm zu jubeln und zu skandieren: "Keane! Keane! Führe uns!"

Die Rus(sen), aus der Zeit des 10. bis 11. Jahrhunderts sind genauso täppisch wie Generationen von Hollywoodfilmen sie beschrieben haben; die Cartha haben einen Anführer namens Hamilkar Barca, während die Roum es bei einem freundlichen Diktator namens Marcus und einem Exsklaven Julius belassen.

Und dann natürlich die Veteranen von der Union: Cornel Keane, der bei Antietam den rechten Unetrarm verliert und eigentlich, wie Chamberlain, Geschichtsprofessor ist; man "zwang" ihm natürlich den Krieg auf, aber als er erstmal eine Schlacht hinter sich hat, ist er darin ein kaltblütiger Killer. Sein Sergeant Mayor hat ihn dazu angeleitet, ein priemkauender Graubart, der aus der preußíschen Armee nach den USA desertierte und im Lauf der Serie zu U.S. Grant mutieren wird; der Artilleriemajor ist ein rothaariger temperamentvoller, fluchender, saufender Ire, der Reginmentsarzt ein ebenfalls emigrierter ungarischer Jude. Es gibt selbstverständlich eine einzige Frau an Bord, eine Krankenschwester, deren große Liebe im Sezessionskrieg fiel und sich schwor, sich nie mehr zu verlieben - was nur bis Ende des ersten Bandes halten wird, weil einarmige Cornels auch zärtlich sein können....Sheridan, JEB Stuart, eine Art von Richthofen, Casey Jones der tapfere Lokomtivführer, Benjamin Arnold (heißt hier Hinsen), ein Ausbruch aus absolut sicherem Gefängnis (Colditz läßt grüßen).... und was man sich sonst noch denken kann an amerikanischen Mythen- und sonstigen Klischeegestalten....

Und es spielt sich ab.

Logistische Höchstleistungen sind an der Tagesordnung, wo man lieber nicht mal nachrechnen mag, wie soviel in sowenig Zeit von sowenigen geschafft werden kann; ganz unamerikanisch überflügelt man regelmäßig das Plansoll (das sollten eigentlich die Russen tun, die aber zunächst in Bojarenkriechertum und auch noch religiöser Abhängigkeit gefangen sind). In jedem Band gibts neue Erfindungen, damit man dem zahlenmäßig überlegenen Gegner, immer zum Ende hin, ein Schnippchen schlagen kann; und selbstverständlich kann es niemand an Tapferkeit und Heldenmut mit dem 35. Maine aufnehmen.

Ich will es noch nicht mal in einen derartigen historischen Kontext stellen: dass der erste Band 1990 erschien, ist vermutlich nur ein Zufall, sonst müsste man noch Schlimmeres annehmen. Die Rus rebellieren gegen ihre Bojaren, wählen einen Präsident, der Lincoln imitiert, erhalten die Währung des "Rus-Dollar", und am Yankeewesen wird die gesamte Welt genesen (außer den Horden). Fürs Tornistergepäck zur moralischen Aufrüstung von Leuten, die in Wüstenstürme zogen, war (ist?) es bestimmt geeignet.

Ansonsten unterstellt man dem Autor, der seiner Vita nach auch Militärgeschichte studiert hat und aus Maine gebürtig ist, außer diesem Lokalpatriotismus wohl ein schlechtes Gewissen. In der (ganz und gar legendären) Dokumentation "The Civil War", die Mitte der Neunziger auch im deutschen Fernsehen lief, gibt es zwei bezeichnende Zitate, sinngemäß heißt es da

"Es war unser eigener, unser amerikanischer Krieg, und eben darum war alles groß: die besten und tapfersten Soldaten, die genialsten Generäle, die größten Schlachten - irgendwie verrückt, aber zutiefst amerikanisch!"

und, was die Kräfteverhältnisse angeht:

"Der Norden hätte auch mit einer auf den Rücken gebundenen Hand noch, schneller als in 4 Jahren, gewinnen müssen"

So muss auch beim "Verlorenen Regiment" alles ganz und gar groß und tapfer sein (Verlustraten 50 % Minimum - und das nur bei den Guten...) und können die Unionsleute endlich auch mal vom etwas schlechteren Image abkommen: hier auf Waldennia sind sie ganz eindeutig mal in derselben Minderheit wie im "richtigen Sezessionskrieg", wo Bobby Lee und die Grauen doch, komisch eigentlich, die wesentlich bessere Presse haben. (Save your confederate money!)

Fazit:

Science Fiction-Leser werden das nach dem zweiten Band spätestens aufgegeben haben (zu früh dann, der beste ist, weil hier nicht ganz so übertrieben wird, Nummer 5), für "Fackeln im Sturm"-Fans ist zuwenig Liebe und Romantik drin, Militärhistoriker können gleich die Originalaufzeichnungen studieren. Tabletopspieler gibt es auch in Deutschland nur wenige, desgleichen Reinactment-Fans.

Vielleicht könnmte es einfach nur der (gemutmasst geringe?) Absatz der Bücher gewesen, der die restlichen Bände der Serie noch nicht hat erscheinen lassen

Und das ist auch ganz gut so.


Die Daten zur Serie

William R. Forstchen - Das verlorene Regiment (Lost Regiment)
1. Der letzte Befehl (Rally Cry) 2005 (1990)
2. Jenseits der Zeit (The Union Forever) 2005 (1991)
3. Die Rache der Horden (Terrible Swift Sword) 2006 (1992)
4. Der Feind im Nacken (Fateful Lightning) 2006 (1993)
5. Gefangen auf Waldennia (Battle Hymn) 2007 (1997)

Bastei Taschenbücher; SF 23279 / 23286 / 23294 / 23306 / 23312
Seiten 637 / 684 / 557 / 500 / 413 Preis: 8,90 (1.), bzw. 8,95 Euro (alle anderen)
ISBN: 3-404-23279-8 / 3-404-23286-0 / 3-404-23294-1 / 978-3-404-23306-9 / 978-3-404-23312-0

Übersetzer: Thomas Schichtel (1.,2., 5.), Gerhard Arth und Michael Krug (3.+ 4.)
Titelbilder: Band 1,2, 4 nicht angegeben (mutmaßlich aber die der US-Originale);
3 und 5: Arndt Drechsler

Verlagsgruppe Lübbe

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