»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: Rätsel-Tempel des Dschinn - Larry Brent Nr. 139
Ausflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Rätsel-Tempel des Dschinn«
Larry Brent Nr. 139 von Dan Shocker
Danach blieb für die Serie ihren eigenen Romanzählerstand an Wiederveröffentlichungen im eigenbetitelten Format einzuholen, bleibt am Ende und als Beweis für Dauerhaftigkeit eigentlich nur die Qualität einer Serie übrig. Die ist es schließlich, die auch spätere Generationen dazu bringt, sich immer noch für eine bald 50 Jahre alte Serie (der erste Roman erschien 1968) zu interessieren.
Grasmück selbst weilt nicht mehr unter uns, er starb vor bald 10 Jahren, doch für jemanden, der aufgrund einer chronischen Krankheit lange Zeit zu leiden hatte, hat er ein beachtliches Werk vorgelegt – und auch mein letzter Test mit seinen Brent-Werken, erstellt und veröffentlicht im Jahr 1985, ein Jahr vor der überraschenden Einstellung der Serie, ist kein Reinfall von der Sorte, wie sie etwa dem Sinclair-Erschaffer Helmut Rellergerd inzwischen mehrfach vorgeworfen wird: die Romane aufgrund des wöchentlichen Veröffentlichungsdrucks mehr und mehr und schneller und schneller nach einer abgenutzten Schablone runtergeschrieben zu haben und auf innere, zusammenhängende und romanübergreifende Qualitäten immer weniger Wert gelegt zu haben.
Tatsächlich wird natürlich nichts so heiß gekocht, wie es gegessen wird und „Sinclair“ hat all die vielen Jahre gut und besser überlebt, seit diese Kritik erstmals aufgekommen ist (von der ich mich nicht ausnehmen kann, habe ich den in meiner Pubertät doch heißgeliebten Oberinspector von Scotland Yard nach knapp 600 Erstveröffentlichungen wegen zunehmender Langeweile und Eindimensionalität aus der wöchentlichen Kaufagenda entfernt) und auch heute laufen die sozialen Medien noch heiß, ob die Rellergerds oder die Romane der neuen Autoren nun die besseren Serienwerke der Neuzeit darstellen.
An den Brents hat selten jemand herumflicken können, seit sie erschienen sind, allerdings trat Grasmück auch nur ein einziges Werk an einen anderen Autoren ab, da kann man also von schreiberischer Stabilität sprechen. Natürlich sind Schwankungen nie auszuschließen, aber nicht jede Romanheftidee ist auch wirklich ihre 64 Seiten wert und wenn ein schwächeres Heft erst einmal veröffentlicht ist, verschwindet es ja deswegen nicht aus dem Oeuvre.
Mein letzter Test (vorerst) aus dieser Reihe – und das schicke ich mal vorweg – besagt für mich eigentlich nur, dass sich an dem vorherrschenden Stil in den über 15 Jahren nicht viel geändert hat. Das gilt allerdings irgendwie auch für die Schwächen, die angesichts so hoher erzwungener Produktivität zwangsläufig kaum auszuradieren sind. „Originell“ und „einzigartig“ kosten nun mal Zeit und sind nur bedingt für serielles Erzählen gemacht. Und auch nicht jede anfangs interessante Idee wird so weiterentwickelt, dass man über die volle Romanlänge damit zufrieden sein kann.
Der „Rätsel-Tempel“, bei weitem nicht einer der letzten geschriebenen Brents, aber eher in die letzte Phase der PSA-Serie einzuordnen, bot schlussendlich dann doch reichlich Drive, aber auch das Gefühl, dass man gewisse Macken oder Versprechungen eines wohlklingenden Titels nicht ganz so einfach einlösen kann. Aber das kam ja nicht nur einmal vor..
In Bagdad sind die Nächte lang...
Verortet ist die „Dschinn“-Story, wie könnte es anders sein, in der „arabischen“ Welt, genauer gesagt, in einem kleinen Örtchen nicht allzu weit entfernt von Bagdad (= Irak). Im Haus des Teppichhändlers Akbar Manod hat gerade eine Hochzeit stattgefunden und alle Gäste nächtigen. Alle Gäste? Nein, denn einer von ihnen, ein junger Mann namens Hasan Kalomak, wird von den Schreien eines Dschinns gepeinigt, die ihn wachhalten, dann mittels Luftwirbels ausknocken und seinen Körper übernehmen. Er schleicht daraufhin in die Küche und schneidet sich selbst Ohren und Nase ab. Da ihn leider im Anschluss die durstige Braut findet, ist alsbald die Hölle los im Haus – und praktisch jeder weiß sofort, was der Muezzin gerufen hat. Prompt will niemand unter diesem Dach noch nächtigen.
Da klopft es an der Tür und dort steht Achmed Chachmah, Sohn eines Scheichs, Telepath und passend dazu auch noch X-Ray-18, der von weither Not und Elend des Dschinns erspürt hat und sofort zur Rettung eilt. Als er solo das Haus durchsucht, begegnet er als Geistererscheinung einer schönen Frau.
Derweil ist das Heldentrio Larry Brent, Morna Ulbrandson und Iwan Kunaritschew in New York unterwegs und wollen ein Steak in einem neuen Restaurant genießen. Praktisch am Nebentisch diskutiert eine Gruppe Araber angeregt und die Agenten werden Zeuge eines Gesprächs über magische Gefäße und Kunstschatzraub, als eine schöne Angreiferin mittels eines langen Dolchs einen der Gäste ermordet. Mornas Rettungsversuch endet darin, dass sich die Attentäterin in (oder durch?) die nächste Wand verabschiedet und Morna auf Nimmerwiedersehen mitreißt.
Dass die Dame mit dem Dschinn im Bunde stand, beweist kurz darauf ein Angriff auf Brent, der seine eigene Wohnung in New York aufsucht. Sein Fahrstuhl wird zur Todesfalle, der mit ihm in die Tiefe stürzt. Zwar kann er sich mittels seiner Laserpistole aus der Kabine befreien, kommt aber fast durch Stahlseile und -trossen ums Leben.
Morna kommt zur gleichen Zeit in einem geheimnisvollen unterirdischen Tempel ohne Ausgang wieder zu Bewusstsein, doch der nächste Dschinn-Angriff mit eingebauter Ohnmacht folgt sofort.
Im irakischen Vasfahan hat Chachmah inzwischen erfahren, dass einer der Gäste geradezu besessen von Ruhm, Reichtum und magischen Utensilien war und ordentlich versiegelte Glasflaschen gesammelt hat, immer auf der Suche nach einem Dschinn, den er beherrschen könnte. Als er diesen Abdul Assard in seinem Heim aufsuchen will, entpuppt sich dieses als total zerfallene Hütte (der Mann galt als gut situiert) und die Leiche des Betreffenden sitzt schon länger bei Tisch. Offenbar war der Hochzeitsgast Assard der Dschinn in Verkleidung und dieser überrascht und übernimmt auch Chachmah.
Während Larry sich auf die Socken nach Bagdad macht und Iwan in New York nebenbei noch eine holde Schöne vor dem Dämoneneinfluss rettet, erfährt auch Morna so einiges über eines geheimnisvolle Sekte, die in dem Tempel seit Jahrtausenden Menschenopferungen vorgenommen hat. Dann wird auch sie übernommen und vom Dschinn gelenkt auf Tour geschickt, die böse enden soll...
Es ist mir ein Rätsel, wo hier die Rätsel sind...
Also fassen wir mal wieder zusammen: es ist eine Menge los, aber vieles davon scheint falsch gewichtet am „Tempel“. Gut gemeint und gut gemacht sind manchmal eben doch Gegensätze und obwohl Grasmück manchmal Probleme mit exotischen Locations hatte, kriegt er das in Sachen Irak doch eigentlich ganz gut hin, vor allem, weil er sich bei den Handlungsorten auf das Wesentliche konzentriert und auf Szenerien und kulturelles Gemeingut verzichtet, die für einen Heftroman vielleicht zu speziell gewesen wären. Das ist dann aber auch das Beste an diesem Roman, der mehr vorgibt, als er schlussendlich liefern kann.
Erstmal: „Rätsel-Tempel“ ist nicht! Wo ich anhand des Titels halbwegs einen Kampf auf Leben und Tod durch die verqueren Gänge und Dimensionen des Dschinn-Heiligtums erwartet habe, findet sich leider nichts davon im Plot wieder. Wenn es um Tempel und Sekte ein Rätsel geben sollte, dann erfahren die Beteiligten auf Anfrage sofort alles darüber, sofern man denn mal fragt (in diesem Fall betrifft das Morna). Der Rest ist eine recht straighte Angelegenheit, die gegen Ende in eine merkwürdige Schnellabfertigung kippt; ein Schwachpunkt, der Grasmück häufiger vorgeworfen wurde.
Der Anfang im Haus des Teppichhändler ist atmosphärisch und knackig wie meistens, doch das Erlebnis in dem Steakhaus in New York bemüht den großen Gott Zufall doch ein wenig zu strapaziös. Danach gilt mal wieder: eine(r) in Lebensgefahr, die Anderen ermitteln. Das ist schön, kulminiert aber in der hochdramatischen, aber in der Umsetzung total abstrusen Sequenz, in der Larry im Fahrstuhl von dem Dämon angegriffen wird. Über mehrere Seiten geht die Lebensrettung, bei der Larry eine Notluke per Laser ins Dach schweißt, hochklettert und sich dann vor der Zerstörung des Lifts am Schachtboden irgendwo festklammert, wobei die sich ringelnden und wickelnden Stahlseile ihn fast umbringen. Ganz abgesehen davon, dass das vollkommen wirr beschrieben wird, hätte nicht mal John McClane diesen Absturz so überstanden; der Gipfel der Lächerlichkeit ist aber, dass das alles in rasender Fallgeschwindigkeit abläuft – und Larry gerade mal im siebten Stock wohnt.
Nach diesem langwierigen Seitenfüller (wir sind schon auf Seite 25), mündet der Roman in eine zähe Abfolge von besseren und schwächeren Sequenzen. Die besseren sind die, in denen sich niemand unterhält (wie etwa Chachmahs Untersuchung des verfallenen Hauses), die schlechteren münden in endlosen Ermittlungsfragen, von denen die Hälfte wieder nur Füller sind.
Bis Larry endlich mal losfliegt, sind zwei Drittel um, den ganzen Hintergrund kriegt man daraufhin ergänzend für Morna erklärt (bloß nichts wirklich ermitteln!) und die Kunaritschew-Episode ist zwar wieder actionreich, wird aber hinterher tatsächlich als unwichtige Randepisode definiert – von dem Russen selbst!
Etwas besser geraten die letzten zehn Seiten, doch wer jetzt hofft, dass Larry zwei Dschinn-Besessene von Dummheiten abhält, sieht sich getäuscht, denn Grasmück führt noch schnelle einen arabischen Weißmagier ein, der das Besessenheitsproblem kurz beseitigt und dann eigenhändig den Rebellenflug auf den „Todesstern“ anführt. Der Tempel stürzt ein, Sekte beseitigt, Dschinn im Urlaub!
Das ist dann zwar alles ganz bunt und lustig, aber so dermaßen konstruiert, dass man sich ein wenig ärgert, was mit dem orientalischen Thema alles NICHT gemacht wurde. Eine fünf Minuten vor zwölf eingeführte „plot device“ wie der Magier Magar hat immer was von einem erzählerischen Schlag ins Gesicht und Larry ist erstaunlich inaktiv, von dem fahrlässigen Umgang mit der lange und bedrohlich aufgebauten „Übernahme“ der zwei PSA-Agenten ganz zu schweigen.
Die „Gewichtungsprobleme“ hatte Grasmück also praktisch über die volle Distanz seiner Brent-Laufbahn, mal gelang das Ausbalancieren besser, manchmal half – wie in diesem Fall nur noch die Brechstange. Witzig dabei ist, dass diese brachiale Plotverbiegung beim gemütlichen Weglesen noch gar nicht so stört, erst als man den Roman sacken lässt, fällt auf, dass die Versprechen vom Anfang hier wieder mal keine Entsprechungen am Ende fanden. Eine Ausnahme ist die Fahrstuhlepisode, die wirkt beim ersten Lesen schon totenkomisch und fehlplatziert.
Dennoch: es gab keinen vollends drögen Griff und vollumfänglichen Lächerlichkeiten bei meinen Versuchen (im dritten Fall fiel sogar der obligatorisch-mäßige Humor flach) und Grasmück hat, obwohl natürlich sichtlich erzählerisch gealtert immer noch genug einprägsame Bilder, um auch heute noch eine Lektüre zu rechtfertigen. Das ist bei dieser Form des „Kurz“-Romans immer noch ein recht hohes Gut.
Fazit: Larry Brent lese ich bestimmt immer mal wieder gern zwischendurch und vielleicht suche ich mir demnächst noch ein paar interessante Beispiele zusammen. Es ist nicht alles Gold, was glänzt, aber der Mann hatte doch knackige Bilder im Kopf, die etwas mehr Abwechslung bieten, als so mancher Ausflüg ins Vereinigte Königreich. Bis dahin muss ich erstmal stöbern gehen, in welcher Ecke der Heftromanwelt ich noch richtig ausgefegt habe. Vielleicht mache ich mal einen Schnupperkurs bei der Damenwelt...