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Ein Toter bringt mich um

StoryEin Toter bringt mich um

Wir liebten uns bis zum Wahnsinn. Sie gehörte einem anderen. Und sie bat mich: „Schaff mir meinen Mann vom Hals!“

Noch eine Nacht mit ihr, dann wollte ich es tun…

Ich war hier in die Einsamkeit der pazifischen Küste gekommen, um Hall Yates zu töten. In Los Angeles hatte ich es schon zweimal versucht, aber es hatte nicht geklappt.

Seit drei Tagen beobachtete ich von meiner Blockhütte aus das Haus der Yates. Hall schlich wie ein liebeskranker Kater um seine Frau Sue und ließ sie keine Sekunde aus den Augen.

Ich konnte mir gut vorstellen, wie satt ihn Sue schon hatte - ihn und seine Eifersucht. Und ich war sicher, daß sie sich nach mir sehnte wie nie zuvor.

Hall saß in seinem Gartenstuhl, eine dürre Gestalt mit Halbglatze und Hakennase. Eigentlich sollte es nicht schwerfallen, den alten Knaben in die ewigen Jagdgründe zu schicken, dachte ich mir. Allerdings mußte es wie ein Unfall aussehen.

Ich saß im Wohnzimmer, stützte die Arme aufs Fensterbrett und richtete den schweren Feldstecher auf Sue. Bald würde sie mir allein gehören, die süße Sue mit ihren langen Beinen, der herrlichen Figur und dem seidigen, hüftlangen blonden Haar. Sie rekelte sich auf der Terrasse in der Sonne. Und sie trug den knappsten Bikini, den man sich vorstellen konnte.

Das Warten auf Sue machte mich ganz krank. Seit ich hier war, hatte ich noch nicht einmal mit ihr sprechen können. Es war bereits Ende September, das Wetter klar - man konnte bis hinüber nach Kanada sehen - und oft schon kühl. Außer den Yates und mir wohnte niemand mehr in der Feriensiedlung, der kleine Laden und die Tankstelle hatten geschlossen. Sue fand wohl keinen Vorwand, das Blockhaus ohne ihren Mann zu verlassen.

Ich wandte mich ab und wartete weiter.

Heute nacht mußte Sue kommen, ich spürte es.

Seit Stunden lag ich am offenen Kamin auf einem Bärenfell und starrte in die prasselnde Glut. Ich rauchte eine Zigarette nach der anderen und erwartete Sue.

Endlich, knapp nach elf Uhr, öffnete sich die Tür und Sue trat ein. Das blonde Haar fiel lang über ihre Schultern, das Gesicht glühte im Schein des Feuers. Sie hatte einen Mantel über ihr Nachthemd geworfen, den sie mit den Händen über der Brust zusammenhielt.

Ich sprang auf und trat ihr entgegen. Sie schmiegte sich an mich. „Endlich“, flüsterte sie und hielt mir ihre weichen Lippen hin. „Er ist so eifersüchtig, daß er mich nicht eine Sekunde aus den Augen läßt. Ich habe ihm Tabletten in den Tee getan. Er schläft jetzt wie ein Murmeltier.“

Sie legte den Mantel ab. Das dünne Nachthemd verbarg nichts von ihren aufregenden Kurven. Von morgen an würde sie mir gehören, nur mir.

„Ich halte es nicht mehr aus, Larry. Dutzende Male am Tag sagt er mir, wie sehr er mich liebt und daß er sich umbringen würde, wenn ich ihn betrüge.“

Ich grinste. „Dann ist doch alles ganz einfach. Er soll uns überraschen, am besten jetzt gleich. Dann sind wir ihn los!“

„Ihn und sein ganzes Geld. Er würde mich doch vorher enterben, glaubst du nicht? Das ist keine Lösung.“

Sie kauerte sich vor den Kamin und starrte ins Feuer. „Wann soll es also geschehen?“ fragte sie.

„Morgen. Du täuschst Kopfschmerzen vor. Er wird allein zum Strand hinuntergehen, und ich erledige dann die Sache.“

Ich strich über ihre seidenweichen Arme und küßte sie. Das Nachthemd öffnete sich, das Feuer im Kamin prasselte stärker...
 
***
 
Der Morgen war kühl. Ich warf einen Blick auf Yates' Haus, aber noch rührte sich nichts. Langsam ging ich in meine Hütte zurück, zog die Lederjacke an und schlenderte hinüber.

Hinter einem Felsvorsprung versteckte ich mich.

Einige Möwen flogen krächzend zum Meer hin.

Endlich öffnete sich die Tür, Hall Yates trat heraus. Er sah sich um. Ich trat einen Schritt vor, und er bemerkte mich. Er blickte auf das Haus zurück, zögerte und rannte dann den Felspfad hinunter zum Strand. Ich folgte ihm.

Für sein Alter lief er überraschend schnell. Ich begann zu keuchen, nur langsam kam ich ihm näher. Der Pfad führte eine kleine Anhöhe hinauf. Yates drehte sich um, wandte sich nach rechts und begann, einen großen Felsen zu erklimmen. „Bleiben Sie stehen!“ rief ich ihm zu.

Er antwortete nicht, sondern kletterte verbissen weiter. Ich folgte ihm und riß mir an den scharfen Steinen die Hände wund. Ich fluchte. Was war nur in den Alten gefahren?

Er war gut zwanzig Schritt vor mir und mußte die Spitze der Anhöhe bald erreicht haben. Die Kletterei dauerte nun bestimmt schon zehn Minuten, und ich war ihm kaum näher gekommen.

Schließlich stand er auf dem Gipfel und sah schwer atmend auf mich herab. „Sue hat mich betrogen“ sagte er mit leiser Stimme, so daß ich stillhalten mußte, um ihn zu verstehen, „und zwar mit Ihnen. Vergangene Nacht bin ich ihr gefolgt. Ich kann diese Enttäuschung nicht ertragen, es ist... alles ... sinnlos geworden ...“ Plötzlich stieß er sich ab, flog über die Böschung, schlug auf einem Felsvorsprung auf, glitt einige Meter weiter und stürzte über die Klippen ins Meer.

Erschreckt blickte ich in die wütenden Wellen, die ihn augenblicklich verschluckten. Dann rannte ich zurück zu Yates' Haus. Alles war ruhig. Die Tür stand offen, ich stieß sie weiter auf, durchquerte die Diele und stürzte ins Schlafzimmer. Die Läden waren noch geschlossen, ich knipste das Licht an und rief nach Sue.

Sie lag im Bett. Jemand hatte mit einem Rasiermesser ihre Kehle durchschnitten.

„Sue“, stammelte ich. „Sue.“ Ich kniete neben dem Bett nieder und nahm ihre kalten Hände in die meinen.

„Aufstehen!“ hörte ich plötzlich eine Stimme hinter mir. Überrascht wandte ich mich um. Zwei Polizisten standen in der Tür. Beide richteten ihre Pistolen auf mich.

„Sind Sie Larry Comer?“ fragte einer der Polizisten, aber es war wohl eher eine Feststellung.

„Ja.“

„Sie sind verhaftet.“

„Weshalb das?“ rief ich. „Ich habe sie nicht umgebracht! Es war ihr Mann, Hall Yates! Ich kann es beschwören.“

Der Polizist lachte bösartig. „Eine bessere Erklärung ist Ihnen nicht eingefallen? Yates rief uns vor etwa einer Stunde an und sagte, daß er Sie aus seinem Haus kommen sah, als er vom Strand zurückkehrte. Als er ins Haus trat, fand er seine Frau ermordet vor. Er sagte: „daß er Angst habe, daß Sie auch ihn töten wollten. Wo ist er übrigens, Mister Comer?“

Ich schwieg. Meine Gedanken wirbelten im Kreis. Sie würden Yates natürlich finden. Für die Polizei und die Geschworenen würde die Sache klar sein. Hall Yates hatte mich zum Tode verurteilt.

©by Kurt Luif 1971 & 2019
Erschienen als Quick-Krimi in der Zeitschrift Quick Nr. 16 am 14.04.1971

Kommentare  

#1 matthias 2019-05-15 17:03
Story war gut, Danke
#2 Toni 2019-05-15 20:33
Finde ich auch. War das eine von Kurts Sonntagsarbeiten für die Neue Revue.
#3 Schnabel 2019-05-20 22:18
zitiere Toni:
Finde ich auch. War das eine von Kurts Sonntagsarbeiten für die Neue Revue.

Kurt Luif hat nicht nur für die Neue Revue geschrieben. Bevor Kurt Luif seinen Karriere als Gruselautor begann, schrieb er zwischen 1970 und 1972 für diverse deutsche Zeitschriften Kurzgeschichten. Am 16.04.1971 in der Zeitung "Quick" diese Krimistory von ihm unter dem Pseudonym Neal Davenport erschienen, das ja den Dämonenkiller-Lesern sehr geläufig ist.

Wer mal das Quick-Titelbild, das Impressum und die Story aus der Quick sehen will, kann es hier tun:

gruselroman-forum.de/thread.php?goto=lastpost&threadid=14545&sid=

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