Oh, meine Götter, Teil 5: Eine Stadt auf blutigem Boden
Teil 5:
Eine Stadt auf blutigem Boden
Als der phönizische König Agenor bemerkt, dass seine einzige Tochter entführt wurde, ist er verzweifelt. Er beauftragt Kadmos, einen seiner Söhne, Europa zu suchen. So aufgebracht ist der König, dass er Kadmos anweist, es nicht zu wagen, ohne die geliebte Tochter nach Hause zurück zu kommen.
Zusammen mit seinen Brüdern Phönix und Kilix macht sich Kadmos auf die Suche nach der vermissten Schwester. Kadmos sucht jahrelang in der ganzen Welt, kann Europa aber einfach nicht finden. Irgendwann verliert er die Hoffnung, sie noch lebend wiederzufinden, aber nach Hause traut er sich auch nicht. Zu groß ist die Angst vor dem Zorn seines Vaters, schließlich hat der ihm klipp und klar zu verstehen gegeben, dass er sich ohne Europa nicht nochmal in Phönizien blicken zu lassen braucht. Seine beiden Brüder schickt Kadmos zurück, denn er war hauptverantwortlich für die Suche und seine Brüder waren nur mitgekommen, um ihm zu helfen, und haben daher vom verzweifelten König nichts zu befürchten. Aber wo soll er, Kadmos, nun hin?
Er beschließt, sich irgendwo fern der Heimat niederzulassen, um sich ein neues Leben aufzubauen. Weil er keine Ahnung hat, wo das sein kann, befragt er das Orakel von Delphi. Dieses liegt, wie der Name schon sagt, bei der Stadt Delphi und ist dem Gott Apollon geweiht. Apollon ist wie so viele andere ein unehelicher Sohn des Zeus, diesmal mit der Titanentochter Leto. Als er und seine Zwillingsschwester Artemis geboren wurden, gab es ein fürchterliches Durcheinander, weil Hera, mal wieder rasend vor Eifersucht, der schwangeren Leto nicht erlaubte, zu gebären, sodass die arme Leto fast geplatzt wäre, aber das nur am Rande. Inzwischen erwachsen, gilt Apollon als Gott des Lichtes, des Frühlings und der Heilung, aber auch als Gott der Weissagung. Und so ist sein Orakel in Delphi eines der bedeutendsten im alte Griechenland, weshalb jeder, der etwas auf sich hält, hier nach Entscheidungshilfen sucht.
Dorthin begibt sich nun also Kadmos und fragt um Rat. Als Antwort erhält er, dass er auf den Wiesen nach einem Rind Ausschau halten soll, das noch keine Anzeichen eines getragenen Jochs im Nacken hat. Diesem Rind soll er folgen, und dort, wo es sich niederlässt, soll auch Kadmos sich niederlassen und siedeln.
Kaum hat Kadmos die Höhle des Orakels verlassen, sieht er auch schon besagtes Rind. Und als er und die restlichen Männer, die ihm noch als Gefolge zur Seite stehen, dem Rind einige Zeit gefolgt sind, lässt sich das Tier wie von dem Orakel prophezeit auf die Knie sinken. Kadmos ist darüber so dankbar, dass er ironischerweise beschließt, dass er bei so viel Glück erstmal dem Göttervater huldigen sollte (dabei ist Zeus ja genau genommen an dem ganzen Schlamassel nicht ganz unschuldig).
So schickt Kadmos jedenfalls einige seiner Männer los, um Wasser aus einer Höhle zu holen, um es Zeus als Trankopfer darzubringen. Doch auch nach Stunden kehrt keiner der Männer zurück, dabei ist die Höhle gar nicht weit entfernt. Kadmos ärgert sich schon über seine trödeligen Diener und als ihm das Warten zu dumm wird, beschließt er, selber nach den Männern und dem Wasser zu schauen.
An der Höhle angekommen, erwartet ihn Schreckliches: All seine Männer liegen im vorderen Bereich der Höhle neben ihren zerbrochenen Wasserkrügen, jeder einzelne von ihnen tot. Einige haben furchtbare Wunden, andere sind blau angelaufen, als seien sie erstickt. Als Kadmos noch rätselt, was bloß passiert sein kann, taucht hinter den Leichen ein riesiger, blauer Drache auf. In seinem gigantischen Maul blitzen drei Reihen scharfer Zähne und sogar aus den Augen sprüht Feuer. Kadmos ist klar: Entweder er rächt seine Männer und tötet das Untier, oder er wird bei dem Versuch sterben.
Glücklicherweise war er so geistesgegenwärtig, seine Lanze und seinen Wurfspieß mit in die Höhle zu nehmen. Kadmos und der Drache liefern sich einen erbitterten Kampf, doch obwohl das Monster mehrmals von seiner Lanze getroffen wird, will es einfach nicht fallen. Auch als er seinen Wurfspieß in den Bauchschuppen versenkt, bleibt der Drache aufrecht. Als ihm aber der tödliche Kopf nah genug kommt, stößt Kadmos die Lanze mit aller Kraft tief in den geifernden Schlund, sodass die Spitze am Nacken des Tieres wieder austritt. Und endlich sinkt die Bestie zu Boden.
Lange steht Kadmos fassungslos vor dem getöteten Drachen und den Leichen seiner Männer. Mit ihnen hatte er doch seine neue Heimat aufbauen wollen, und nun ist alles dahin! Doch plötzlich hört er ein Geräusch hinter sich und dreht sich um. Vor ihm steht die Göttin Athene, eine (wie sollte es anders sein) uneheliche Tochter des Zeus und ihres Zeichens Göttin des Kampfes und des Wissens. Sie befiehlt Kadmos, die Zähne des Drachen sofort in der Erde zu vergraben. Da man der Göttin des Wissens nicht so leicht widerspricht, macht sich der Phönizier direkt an die Arbeit.
Als Kadmos den letzten Zahn vergräbt, blickt er sich um und entdeckt an der Stelle, wo er den ersten Zahn vergraben hat, dass etwas Glitzerndes aus der Erde bricht. Er tritt näher, und plötzlich schiebt sich ein Helm aus dem Boden empor, dicht gefolgt von Schultern und einem restlichen Körper in voller Rüstung. Ebenso schießen nun vor Kadmos´ Augen aus allen vergrabenen Zähnen Krieger hervor.
Sofort beginnen die neu erwachsenen Männer, sich zu bekämpfen. Den Phönizier aber greifen sie nicht an. Viele der Männer fallen und tränken die Erde, die sie gerade geboren hat, mit ihrem Blut. Als nur noch fünf der Krieger übrig sind, wirft einer von ihnen, der später Echion genannt werden wird, die Waffen nieder und ruft: „Frieden!“ Die anderen tun es ihm gleich.
Zusammen mit diesen fünf Kriegern beginnt Kadmos auf dem blutgetränkten Boden mit dem Bau seiner Stadt, wie ihm das Orakel befohlen hat. Die Stadt Theben* ist erschaffen, und Kadmos wird fortan ihr Herrscher sein.
*hier ist nicht das altägyptische Theben gemeint, wie man vielleicht vermuten könnte, sondern das altgriechische, das die größte Stadt der Region Böotien war. Heute befindet sich an der Stelle des einstigen Thebens das Städtchen Thiva.
Mehr dazu in: »Sagen des klassischen Altertums« (1838-1840) von Gustav Schwab
Kommentare
Echion gehört zu den gesäten Männern (Spartoi), die aus Drachenzähnen entstanden. Kadmos hatte diese Zähne gesät. Insgesamt blieben 5 gesäte Männer übrig, neben Echion also 4 weitere: Udaios, Chthonios, Hyperenor und Peloros. Mit diesen 5 gesäten Männern erbaute Kadmos die Stadt Theben, die zunächst Kadmeia hieß.
Das Wort Echion: Altgriechisch Ἐχίων Echíōn, Genetiv Ἐχίονος = deutsch -> Schlangenmann von ἔχις echis = deutsch -> Schlange
Gemahlin des Echion
Agaue ist eine Tochter des Kadmos. Es heißt, dass Echion besonders tapfer war und deshalb erhielt er Agaue zur Gemahlin. Mit Agaue zeugte Echion einen Sohn mit dem Namen Pentheus.
Der Sparte Echion ->
www.mythologie-antike.com/t513-echion-mythologie-sparte-der-theben-kadmeia-unter-kadmos-miterbaute
Quellen
Bibliotheke des Apollodor 3,4,1-2
Hyginus, Fabulae 178; Ovid, Metamorphosen 3,126; 3,330; 3,513; 10,686
Pausanias 9,5,2