Von Göttern und Menschen: American Gods
Von Göttern und Menschen
American Gods
Zu wenig oder gerade so ausreichend für einen kleinen Sender, der nun nicht die Finanzkraft von HBO besitzt?
Angesichts des hohen Kritikerlobs hat "American Gods" in den Sommermonaten, in denen es kaum Anlässe gibt sich vor den Fernseher zu setzen - außer vielleicht um die dritte Staffel von "Twin Peaks" zu genießen, allerdings ist diese wohl eher was für richtige Hardcore-Fans von Herrn Lynch - es geschafft in aller Munde zu sein. Und wenn man sich die Ausstattung anschaut, die Sets, die Schauspieler, dann sieht man zwar auch teilweise die Begrenzungen, die ein Budget mit sich bringen, das nicht "Game of Thrones"-Tiefe besitzt. Die Traumsequenzen von Shadow etwa ebenso wie die Szenen, in denen der Totengott der Ägypter Laura, Shadows Frau, entgegentritt sind CGI-lastige Szenen, die zwar einen eigenen Flair besitzen könnten, aber noch nicht so ganz funktionieren. Dafür erleben wir das Amerika der verlassenen Götter aus der Sicht von Shadow - und dabei orientiert sich die Serie zwar am Buch, schafft es aber durchaus im Laufe der 8 Folgen etwas Eigenes zu entwicklen.
Noch sind die Reaktionen der fundametalistischen Christen noch nicht eingetroffen, aber im Finale, das von der Romanvolage abweicht, taucht nicht nur ein Jesus Christus auf - wobei man kurz vorher auch schon einen mexikanischen Jesus in der Serie gesehen hat - sondern es sind mehrere. 14 insgesamt. Mit einem Jesus H. Christ oder Jesus Prime. Was mit der Prämisse des Buches, bei der Neil Gaiman eine Idee von Terry Pratchett aufgegriffen hat - beide haben ja an "Good Omens" miteinander gearbeitet - ja durchaus vereinbar ist: Götter werden von Menschen geschaffen. Deswegen finden wir in "American Gods" auch Media oder den Technical Boy als neue Götter auf der einen Seite, während Wednesday, pardon: Odin natürlich, Easter und Czernobog auf der Seite der alten Götter stehen. In klassischer Pratchett-Manier überleben Götter nur, wenn man an sie glaubt, wenn man ihnen opfert. Wenn nicht, sterben sie genauso wie wir Menschen.
Opfer müssen nun nicht unbedingt Verbrecher sein, die man für Odin an Bäumen aufgehängt hat. Wir moderne Menschen opfern ja auch eine Menge Zeit für andere Dinge: Computer, der "idiot box" - dem Fernsehen also oder wir opfern auch Zeit, wenn wir einfach am Bahnsteig auf den nächsten Zug warten. Die Vorstellung eines Gottes der Eisenbahn ist durchaus nicht abwegig - im Buch taucht die Idee zumindest mal kurz auf. Da aber in Amerika die neuen Götter die alten verdrängen, ist ein Krieg unausweichlich. Wobei es auch Überläufer zwischen den beiden Seiten gibt. Und eigentlich wartet man als Zuschauer der ersten Staffel darauf, dass im Finale zumindest der Krieg irgendwie beginnt.
Bryan Fuller jedoch, der zusammen mit Michael Green und Ricky Whittle - Neil Gaiman ist selbstverständlich auch beteiligt - die Serie produziert hat in der ersten Staffel den Focus aber eher auf Shadows persönliche Geschichte gelegt. Shadow, der für drei Jahre im Knast saß, ist zu Beginn der Staffel jemand, dem man gerade den Boden unter den Füßen weggezogen hat und dem es schwerfällt an etwas überhaupt zu glauben. Seine Frau kam kurz bevor er seine Strafe absaß bei einem Unfall ums Leben. Allerdings taucht sie nach dem Begräbnis wieder auf - sie ist wegen eines magischen Artefakts, das Shadow unwissentlich ins Grab warf, untot. Was Shadow wie eigentlich alles, was an Magie und Wundern in der ersten Staffel passiert erstmal achselzuckend hinnimmt. Allerdings: Etwas akzeptieren und daran glauben sind dann zweierlei Dinge.
In der ersten Staffel ruft die Serie sozusagen die Hauptcharaktere auf - die "Coming to America / Somewhere in America"-Segmente erzählen in Rückblicken, wie die Götter nach Amerika kamen. Den Mythos, dass die Gründerväter als Erste da waren und ihren christlichen Gott oder die Heiligen mitbrachten kann man getrost als Mythos abschreiben. Wenn Amerika einen Schmelztiegel der Kulturen darstellt, einen Zufluchtsort, einen Hoffnungsort oder ein Gefängnis - die Briten haben gerne mal ihre Verbrecher im 17. Jahrhundert nach Amerika verschifft - dann ist die Illusion von Einheit nicht unbedingt gegeben. "Außer dem Dollar, MacDonalds und der Tonight Show" habe Amerika nichts Gemeinsames, spottet Odin im Buch. Angesichts der politischen Wahlen vor kurzem haben diese Wort doch mehr Gewicht als man meinen könnte.
Doch zurück zur Frage, ob eine Staffel von 8 Folgen einem Buch gerechtfertigt werden kann, das an die über 600 Seiten hat? Meine Antwort reiht sich in die der Kritiker ein: "American Gods" gelingt es die Haupthandlung des Buches in diesen 8 Folgen aufzugreifen, die Serie entwickelt durchaus auch eigene Handlungsstränge fernab des Romans. Dass 8 Folgen nicht ausreichen, um das Buch komplett abzubilden ist logisch - eine zweite Staffel wurde bei Starz auch schon bestellt. Mit Ende der ersten Staffel haben wir ungefähr das erste Drittel des Buches vor uns, mit einigen vorgezogenen "Coming to America"-Szenen, die über das gesamte Buch verteilt sind. Die Hauptcharaktere stehen, wir wissen, wie und warum Laura ums Leben kam - und die zweite Staffel wird wohl jetzt drangehen uns die einzelnen Schachzüge auf dem Kriegsfeld zu zeigen. Zumindest war Shadow schon sehr nah an Yggdrasil dran - und seine persönliche Geschichte ist noch nicht komplett zu Ende. Bei weitem nicht.
Kommentare
Das habe ich gerade bei "American Gods" gehört. Ich schätze allerdings, dass Geld zu den mächtigsten Göttern der kompletten Welt gehört (nicht nur Amerika). Da muss ich mich noch mehr einarbeiten, es wird häufig auch auf die komplette Welt erweitert.