Broken 1 und 2
Kleine DVD-Vertreiber würden gerne mal ein Stück vom fetten Kuchen abbekommen. Leider fehlen ihnen Geld und/oder Beziehungen, um einen halbwegs wahrnehmbaren Blockbuster oder gar ein erfolgreiches Franchise an Land zu ziehen. So macht die Not oft erfinderisch. Der britische Horrorfilm BROKEN von 2006 ist dafür ein wunderbares Beispiel.
Zu jener Zeit existierte im Horrorgenre die Welle der so genannten "Torture Porns". Filme, in denen Menschen isoliert und auf grausamste Weise erniedrigt und gefoltert werden. Innerhalb jener Welle wurde eine Unzahl an billigen Filmen produziert, wie immer wenn etwas erfolgreich ist, die dann auch für kleinere Vertreiber günstig zu erwerben waren. So konnten sie dem breiteren Publikum das bieten wonach es gierte. BROKEN ist eindeutig ein Film dieser Art und hätte es Genrevertreter wie SAW oder HOSTEL nicht gegeben, dann wäre er vermutlich nie entstanden. Er wurde irgendwann im britischen Cambridgeshire gedreht, also mitten im Wald, und lediglich von drei Darstellern getragen. Dass er nicht ganz unoriginell ist sei zunächst einmal dahin gestellt.
Die deutsche Synchronisation dürfte einfach und kostengünstig gewesen sein, da der Film sehr dialogarm ist. Wie auch immer, das Ding muss ein respektabler Erfolg für das Label MIG gewesen sein. Vermutlich waren also die Verkaufs- und Verleihzahlen gut genug. Somit reichte es aus um eine Fortsetzung zu lancieren. Aber wo soll man die her nehmen, wenn es keine gibt? Auch hier ist es ganz einfach, wenn man der Phantasie ein wenig Freiraum lässt. Dieser Vorgang hat Tradition, seit Videos für den Hausgebrauch erfunden wurden. Man sucht sich einen ähnlichen Film, was ja bei dem Überangebot einer Erfolgswelle nicht so schwer ist, und titelt ihn um. Auf diese Weise kam der amerikanische Film THE CELLAR DOOR (2007) zu der Ehre, der zweite Teil von BROKEN zu werden. Damit konnte man auch versuchen den Eindruck eines Franchises zu erwecken.
Leute, die nicht gerne auf so etwas herein fallen, schauen schnell mal im Internet nach. In der IMDb, meistens die erste Anlaufstelle, wenn es um Information geht, findet sich kein konkreter Eintrag unter BROKEN 2. Der Untertitel, der dem Original entspricht, führt dann aber zum Erfolg. Na immerhin! Bei MIG ließ man sich jedoch nicht beirren, das Ganze im Auge des Normalverbrauchers zu forcieren. Also gaukelte man weiter einen Zusammenhang vor. Es erschien alsbald eine "Special Edition", ein 2-Disc-Set mit beiden Filmen, wobei man letztlich nur die schon vorhandenen DVD's recycelte, auf dem Cover aber das Bonusmaterial deutlicher hervor hob. Das wirkt doch knackig, oder?
Ob's was gebracht hat? Das können letztlich nur die Leute von MIG beantworten. Zumindest Teil 2 scheint mir nicht so der Renner gewesen zu sein. In einem solchen Fall hat man sich bei den kleineren Labels zur Regel gemacht, den Film neu aufzulegen, ein anderes effektiveres Bild draufzuklatschen und einen zugkräftigeren Titel zu erfinden. Für jedes Subgenre im Bereich Horror lassen sich einige zum Standard gewordene Begriffe generieren. Im Falle von so genannten (oder suggerierten) "Torture Porns" sind das Wörter die Härte deuten und damit augenfällig sind. Etwa jene: "Saw", "Massacre/Massaker", "Blood/Blut", "Torture", "Heavy" – nach Belieben austauschbar. So wurde schließlich aus THE CELLAR DOOR über BROKEN 2 der offenbar extreme Folterfilm SAW TORTURE. Das ist sehr phantasievoll und für den naiven Kunden im Kaufhaus äußerst eindrucksvoll. Der Insider, der nur einen geringen Teil der Kundschaft stellt, nimmt sofort Abstand. Zum einen ist solch ein Titel sehr fragwürdig, nur selten dem Original entsprechend, und klingt wirklich nach einem hilflosen Repack, um das gescheiterte Ding noch an den Mann/die Frau zu bringen. Zum anderen weiß man, dass die richtig harten Filme, die damit suggeriert werden, nur äußerst selten einen FSK-18-Flatschen tragen, wenn sie ungeschnitten sind.
Ach übrigens: Seit kurzem listet die IMDb eine Ankündigung für THE CELLAR DOOR 2. Was machen die deutschen Verleiher nun, wenn der Film tatsächlich zu uns kommt? Heißt er dann BROKEN 3? SAW TORTURE 2? Oder gibt man ein neues Franchise vor, etwa THE CELLAR MASSACRE, PART 1? Mit einem Schmunzeln werde ich beobachten was passiert.
Aber was sind das denn nun für Filme?
Broken (2006)
Hope (Nadja Brand) erwacht in einer Kiste. Sie kann sich daraus befreien, muss jedoch feststellen, dass sie sich fernab jeglicher Zivilisation im Wald befindet. Sie verliert erneut das Bewusstsein und erwacht dann an einen Baum gebunden, mit einer Schlinge um den Hals. Sie steht auf einem wackeligen Klotz. Ein Mann (Eric Colvin) taucht auf und erklärt ihr, dass sie eine ihr vorher zugefügte Wunde am Bauch öffnen muss um sich befreien zu können. Das tut sie schließlich und findet darin eine Rasierklinge vor, mit der sie das Seil durchschneidet. Entkommen kann sie ihrem Peiniger jedoch nicht. Der Mann kettet sie an einen Baum und fortan muss sie alles tun was er von ihr verlangt. Jede Zuwiderhandlung bedeutet Schmerzen. Mit der Zeit wird ihr klar, dass es kein Entkommen gibt und so versucht sie auf den Fremden einzugehen. Er bleibt jedoch weitgehend unnahbar. Eines Tages bringt er eine andere Frau (Abbey Stirling) mit, welche er dem gleichen Einführungsritual unterzieht. Der Neuen gelingt es sich zu befreien und zu fliehen. Der Mann holt sie jedoch ein und tötet sie. Währenddessen kann auch Hope sich lösen. Als der Mann zurückkehrt überrascht und tötet sie ihn.
Bitte erklärt mir das Ganze doch mal! Die beiden Regisseure/Drehbuchautoren bleiben eine Antwort schuldig. Offenbar ging es ihnen wirklich nur darum, eine ausweglose Situation zu schaffen und diese mit Erniedrigungen und Gewalttätigkeiten anzureichern. Es gibt keinerlei Hinweise auf die Motivation des Mannes oder wie die Frau überhaupt in jene Lage gekommen ist. Natürlich könnte davon etwas in der ursprünglichen Kinofassung enthalten sein, welche eine gut zehn Minuten längere Laufzeit besaß, die aber später von den Machern zurückgezogen wurde. Diese längere Version wurde nie irgendwo für den Heimkinomarkt veröffentlicht (womit der der Vermerk "Uncut" auf dem deutschen Cover noch nicht einmal gelogen ist). Na ja, letztlich ist das auch nicht ganz so wichtig. Der Film will Atmosphäre schaffen, doch seine Mittel sind zu plump. Diese toll platzierten Scheinwerfer sorgen eher für Erheiterung. Jede blutige Szene wird exzessiv ausgekostet, wobei die Maskeneffekte hin und wieder aber ins Lächerliche gleiten.
Ich fand den Film so schlecht nicht wie es sich liest. Er besitzt durchaus einige beklemmende Sequenzen und die Idee mit den Blumen, die der Frau Hoffnung machen und ihr sogar Mut zum Widerstand geben, ist nur auf den ersten Blick albern und aufgesetzt. Dass er ihr dann die Blumen lässt, ohne sie für deren Pflege zu bestrafen, ist durchaus ein emotional ansprechender Augenblick. Letztlich ist der Film aber eine sehr plakative Angelegenheit, der nur allzu offensichtlich auf der Welle zu schwimmen versucht. Man hat so etwas schon zu oft gesehen. Der Schluss, den ich hier mal nicht beschreibe, ist unnötig aufgesetzte Effekthascherei, für die es keine vernünftige Erklärung gibt, vermutlich auch nicht in den fehlenden Szenen. In jedem Fall macht er eine Sache unmöglich – nämlich eine Fortsetzung.
Broken (2007)
Herman (James DuMont) ist ein solch durchschnittlicher und langweiliger Typ, sodass niemand ihn beachtet. Er ist alleinstehend, aber er hat eine Freundin, jedenfalls erzählt er das der Verkäuferin im Supermarkt, wenn er mal wieder Sachen für Frauen kauft. Oh ja, es wohnt immer eine Frau in seinem Haus, genauer gesagt im Keller. Dort hält er sie in einer Holzbox gefangen. Sein neues Opfer ist Rudy (Michelle Tomlinson), die er kurzerhand aus ihrem Bett entführte. Herman sucht Anlehnung, Zuneigung und Beschäftigung. Wichtig ist, dass jemand da ist dem er sich widmen kann. Er erzählt der Frau Geschichten, liest ihr vor und sucht die Kommunikation. Was er aber nicht mag ist Ungehorsam. Wenn die Frau sich widersetzt oder ihn gar beleidigt, dann kann er sehr jähzornig werden. Das muss die Verkäuferin leidvoll ertragen, die sich mal wieder über seinen Einkauf lustig macht. Er lauert ihr auf und prügelt sie zu Tode. Rudy bemerkt seine emotionale Unausgeglichenheit und geht auf ihn ein. Eines Tages macht sie jedoch einen Fehler. Herman entführt kurzerhand ihre Freundin Christa (Heather Sconyers) und foltert diese vor ihren Augen. Zwei Gefangene sind jedoch zu viel für den Mann. Die Frauen befreien sich und irren durch das Haus, welches verschlagen und versiegelt ist. Außerdem ist Herman einer von diesen unkaputtbaren Typen. Was sie ihm auch antun, er steht wieder auf. So tötet er Christa, bevor Rudy ihn platt machen und in den Käfig sperren kann.
Jeder Film dieser Art ist eine gefährliche Gratwanderung. Die meisten bleiben an der Oberfläche in Motivation und Charakterisierung. Das birgt die Gefahr auf reine Schauwerte reduziert zu werden. Da in der Regel Frauen die Opfer einer solchen Handlung sind, bedienen sie ein vorwiegend männliches Publikum. Auch wenn viele Leute sich gegen so ein pauschales Urteil wehren, es ist ganz einfach so. Die weitaus meisten Filme dieser Art würden ohne ein solches Publikum gar nicht existieren.
THE CELLAR DOOR nimmt sich da nicht heraus. Auch wenn er im Gegensatz zu BROKEN versucht einen Hintergrund zu bilden, so fehlt ihm doch jegliche Atmosphäre und Intensität um das zu unterfüttern. Die Charaktere sind leider mit Schablone gezeichnet und in keiner Weise stilsicher durch den Film gezogen. Herman ist der typische Zurückgebliebene, weltfremd und damit unfähig seinen Opfern als Mensch zu begegnen. Zum Glück erspart uns der Film ein gesteigertes sexuelles Interesse an den Frauen. Rudy ist für den Zuschauer zu keiner Zeit nachvollziehbar, da sie in ihren emotionalen Reaktionen wechselhafter ist als ein Kind. So verliert man als Zuschauer schnell das Interesse an der Handlung und der Beziehung. Deshalb versucht der Film in der zweiten und deutlich schwächeren Hälfte den Betrachter mit Gewalt bei Laune zu halten.
Der Mord an der Verkäuferin erscheint albern und sinnlos. Ein psychisch gestörter Charakter wie Herman würde die empfundene Erniedrigung durchaus mit Gewalt beantworten, aber er würde die Frau strafen und nicht töten. Noch absurder und für die Handlung völlig unbedeutend ist der Mord an zwei Mormonen, die an seine Tür klopfen und ihn bekehren wollen. Diese Sequenz wollte der Regisseur angeblich aus dem Film entfernen, doch laut seinen Worten war das Testpublikum gerade davon sehr angetan. Ähem, das glaube ich erst, wenn ich ob Alzheimer irgendwann alle filmischen Erfahrungen vergessen habe und man mir dann THE CELLAR DOOR vorführt.
Nein, beide Filme sind nicht wirklich zu empfehlen. Es gibt schlechtere Vertreter ihrer Art, auf die wir sicherlich noch zu sprechen kommen, aber das bedeutet nicht, dass man sie als gut bezeichnen könnte.
Kommentare
Aber die Idee, dass ein Filmcharakter bzw. der Zuschauer nicht erfährt , WIE er in eine bestimmte Situation geraten ist und/oder WARUM (Tatmotiv) ist keine der schlechtesten.
Das ist ja im wahren Leben auch so eine Sache.
Aber als Irritationsinstrument berührt diese Technik ( also die, keine Antworten zu liefern ) unsere Urängste. Das kann einen Sog oder Effekt erzielen.
Oder man macht daraus etwas wie David Lynch in seinem Werk...ok. Der Vergleich hat Schwächen und führt vom Thema weg. Hier wird ja nicht über gute Filme geredet.....
Und nun kein off topic mehr hier.