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Filme aus dem Jenseits

Schrott auf DVD und BluRayFilme aus dem Jenseits

Was ist ein schlechter Film? Nun, diese Betrachtung ist sehr subjektiv, denn es liegt immer im Empfinden des Zuschauers.

Filme die ich schlecht finde muss ein anderer nicht zwangsläufig auch so ansehen. Für mich sind zum Beispiel die weitaus meisten der heutigen A-Filme schlecht. Da wird es manch einen Leser geben, der nun die Stirn runzelt und ein Fragezeichen über dem Kopf trägt.

Alte Filme haben auch ihren Reiz. Sie werden immer wieder neu aufgelegt, oft restauriert und digital überarbeitet. Da greift man als Filmliebhaber gerne mal zu, besonders dann, wenn es sich um vergessene oder nie beachtete Perlen handelt. Also habe ich mir mal drei dieser – unbekannten – Filme angesehen, die, aus welchem Grund auch immer, erst im neuen Jahrtausend das Licht der Videowelt erblickten.

Slaughterhouse of the Rising SunSlaughterhouse of the Rising Sun (1972/2005)
(Slaughterhouse of the Rising Sun)
Regie: Marvin Kren, mit Gerhard Liebmann, Edita Malovcic, Santos, Hille Beseler, Peter Knaack, Felix Römer, Brigitte Kren
Die 70'er waren ein verrücktes Jahrzehnt. Schon in den 60'ern ebneten einige Filmemacher den Weg. Es entstanden haufenweise Filme abseits größerer Studios, finanziert von Privatleuten, die das große Geschäft und die künstlerische Freiheit witterten. So ergab es sich, dass der Musiker Vince Crease voller Enthusiasmus ein paar Leute zusammentrommelte und einen Film machen wollte. Er versprach ein ambitioniertes Projekt das die Welt verändern sollte. Der Produzent Al Mankiewicz stieg darauf ein und stellte die finanziellen Mittel bereit. Leider lief dann nicht alles so wie versprochen. Der Horrorfilm, der 1972 entstand, führte zu erheblichen Problemen. Den fertigen Film kassierte der Produzent ein. Den Geschichten zufolge brachte Vince den Mann daraufhin um. Der Film verschwand und wurde nie aufgeführt. Selbst die daran beteiligten Leute bekamen das fertige Produkt nicht zu sehen. Vince drehte durch. Er starb schließlich 1975 in einer psychiatrischen Anstalt.

Im Jahre 2003 wurde dann eine vollständige Kopie des Films gefunden. Man restaurierte das Material und veröffentlichte es 2005. Man fand überdies Interviews mit Beteiligten, die nach dem Tod des Regisseurs aufgenommen wurden.

Der Film ist ein Musterbeispiel für einen verquasten Horrorfilm jener Zeit und hätte selbst damals kaum Aufsehen erregt. Er ist jedoch ein Zeugnis seiner Zeit und als solches natürlich interessant.

Jennifer (Cheryl Dent) hat psychische Probleme und ihr Seelendoktor rät ihr nach Hause zurückzukehren. Unterwegs trifft sie jedoch auf eine Gruppe von Hippies, die in einem Van unterwegs ist. Jennifer schließt sich ihnen an weil ihr Auto kaputt geht. Sie kommen zu einem verlassenen Haus, über das man sich unheimliche Geschichten erzählt. Tatsächlich geschehen bald merkwürdige Dinge. Jennifer wird mit geisterhaften Erscheinungen konfrontiert und um sie herum sterben die Leute auf gewaltsame Art. Man beschuldigt sie die Freunde umgebracht zu haben, doch sie ist sich dessen nicht bewusst. Sie droht zu verzweifeln und schließlich ist sie als Einzige noch übrig …

Eine wirkliche Handlung lässt sich daraus kaum filtern. Wie üblich zu jener Zeit spielen Drogen und deren Auswirkungen eine gewichtige Rolle. So gibt es reichlich verfremdete Szenen. Traum und Realität vermischen. Ob Jennifer wirklich die Täterin ist lässt sich daher kaum sagen, auch wenn die Schlussszene es eindeutig suggeriert. Es war zu jener Zeit jedoch üblich, einen derartigen Gag an das Ende zu setzen.

Interessanter als der Inhalt ist jedoch das Drumherum. Die Darsteller und das technische Personal fühlten sich betrogen, denn sie erhielten kein Geld für ihre Arbeit. Der Film verschwand im Nirgendwo. Manche glauben, dass Vince seinen Tod nur vortäuschte. Tatsächlich mutet es seltsam an, dass 2003 eine Kopie samt der nicht verwendeten Szenen und der Interviews auftauchte. Restauriert wurde der Film von – Vin Crease. Aber ist er dieselbe Person? Wer mag da schon an einen Zufall glauben?

Niemand. Des Rätsels Lösung ist recht einfach. Es handelt sich um einen Fake. Der Film wurde 2003 erst gedreht und 2005 aufgeführt. Leider wurde das Mysterium nicht anständig durchgezogen. Schon der Nachspann von SLAUGHTERHOUSE OF THE RISING SUN macht das alles deutlich. Trotzdem ist die Idee originell. Sie erinnert ein wenig an Peter Jacksons FORGOTTEN SILVER (1995). Jener war jedoch konsequenter in der Handhabung und führte sein Publikum wirklich komplett hinters Licht.

Die Leute sprangen deshalb nicht darauf an. Viele Rezensenten erkannten den Sinn der Sache nicht und beurteilten das Ding wie einen normalen Film. Natürlich musste er auf dieser Basis durchfallen. Na ja, der Film gibt sich stilecht, gewisse kleine Fehler verzeiht man gerne, denn der Charakter stimmt. Es handelt sich um eine meines Erachtens gelungene Hommage an diesen Trash, der seinerzeit die Leinwände schmuddeliger Bahnhofskinos bevölkerte - bis hin zum Titel, der so unpassend aber sensationslüstern daher kommt, wie es eben damals oft der Fall war. Manchmal will er ein bisschen zu viel, versucht alle Facetten einzufangen, die für diese Zeit und deren Filme typisch waren. Insgesamt ist das Ergebnis aber zufriedenstellend.

Wie gesagt, man hätte aus dem Geheimnis und der Legende mehr machen können. Das Bonusmaterial der Disc ist beinahe besser als der Film. Leider hat die Disc ein schrecklich modernes Cover bekommen und ob des Titels könnte man einen billigen Nachzieher der "Torture Porn"-Welle vermuten. Schade drum, denn das Publikum, das der Film zu erreichen versuchte, wurde eher abgeschreckt.

Almost HumanAlmost Human  (1989/2013)
(Almost Human)
Regie: Joe Begos, mit Graham Skipper, Josh Ethier, Vanessa Leigh, Susan T. Travers, Anthony Amaral, Michael A. LoCicero.
Es gibt Momente wo man froh sein darf, dass nicht jeder Low-Budget-Film starke Schwächen zeigt. Natürlich ist nie alles perfekt, das gilt allerdings auch für megateure Hollywoodproduktionen. Der vorliegende Film ist so eine bemerkenswerte Ausnahme von jener Regel, dass wenig Geld wenig Gutes bedeutet. Seine Story ist abgelutscht, die Charaktere vom Reißbrett gezogen, das filmische Handwerk von gestern. Klingt nicht gut, doch wenn man das Ding gesehen hat, dann weiß man warum es so ist – und man ist dankbar dafür. Er ist durch und durch eine Liebeserklärung an die kleinen Horror-/SF-Heuler der 80'er Jahre – ja er siedelt seine Handlung sogar in jener Zeit an.

Im Jahre 1987 wird Mark (Josh Ethier) von Aliens entführt. Seth (Graham Skipper) und Jen (Vanessa Leigh) wurden Zeugen dessen, verloren aber eine konkrete Erinnerung daran. Seth führt seitdem ein Einsiedlerleben, Jen hat sich einen neuen Verlobten gesucht. Zwei Jahre später taucht Mark plötzlich wieder auf. Konsequent bringt er jeden um der ihm über den Weg läuft. Er kehrt in sein altes Haus zurück, beseitigt kurzerhand die neuen Besitzer und legt alle Leichen im Schuppen ab. Dort haucht er ihnen neues Leben ein, indem er eine Art Rüssel aus seinem Mund wachsen lässt und sich mit diesem an Körperöffnungen festsaugt. Er sucht seine alte Liebe, Jen, wieder auf, tötet ihren Verlobten und entführt sie. Seth ahnt was geschehen ist und folgt dem ehemaligen Freund. Er kann Jen zwar befreien und Mark töten, doch die Frau hat den Samen des Bösen längst empfangen.

Eines muss man dem Film lassen: Er ist bemerkenswert konsequent. Auch ist er ebenso humorlos wie die meisten Filme dieser Art aus den 80'ern. Gerade darin liegt aber sein Witz. Regisseur und Drehbuchautor Joe Begos hat seine Vorbilder ganz offensichtlich intensiv studiert. Ob es sich um die Farbgebung, die Kameraeinstellungen, die handgemachten Effekte, die Dramaturgie oder die Kleinstadtcharaktere handelt. Der Film ist so hoffnungslos altmodisch, dass man das Gefühl bekommt, er wurde tatsächlich Ende der 80'er gedreht und bis 2013 auf Eis gelegt. Das Geschehen klaut er wüst zusammen, aber auch dabei bleibt er stilecht. Die Entführung durch Aliens war in den 80'ern ein beliebtes Thema. Die Pods, in denen die Toten erwachen, stammen aus den BODY SNATCHER Filmen, der Rüssel aus THE HIDDEN. Er schlägt auch in der Gewalt über die Stränge und ordnet sich so in die Splatterfilme jener Zeit ein.

Hier gibt es dann aber einen Unterschied zu den Vorlagen, nämlich in der deutschen Version, wofür die Macher nichts können. ALMOST HUMAN erschien ungeschnitten bei uns. Wäre er in seiner suggerierten Zeit zu uns gekommen, hätte er nur mit Zensurschnitten erscheinen können. Einige der Splattereffekte sind doch recht derbe. Man sollte sich im Übrigen nicht von der Länge täuschen lassen, die nur knapp 80 Minuten beträgt. Auch das entspricht jenem Zeitgeist dem er entstammt.

Die Rezensionen fallen sehr unterschiedlich aus. Man merkt dabei aber sehr schnell, ob der Verfasser älter oder jünger ist. Für Leute, die jene Zeit nicht erlebt haben, ist der Film schwer zugänglich und sie verstehen dessen Mechanismen nicht. Er ist schlüssig obwohl er nicht alles erklärt. Er ist zielgerichtet und leistet sich praktisch keinen Leerlauf. Eine feine Zeitreise, nicht mehr und nicht weniger. Wäre er 1989 entstanden, dann hätte man ihn als einen von vielen abgetan. 2013 ist er ein wundervolles Stück vergessenes Genrekino und sein Wert um so Vieles höher.

Dem Vernehmen nach will Joe Begos eine Fortsetzung drehen. Eigentlich möchte ich sagen: "Bitte nicht, denn das kann die Idee nur verwässern". Aber will ich nicht doch wissen, was da alles geschehen ist und daraus noch entstehen kann? Mehr als die Ankündigung hat es aber bisher nicht gegeben.

Mega RatsMega Rats  (Irgendwann, etwa 50 Jahre früher/2012)
(The Return of the Killer Shrews)
Regie: Steve Latshaw, mit James Best, Bruce Davison, John Schneider, Jennifer Lyons, Sean Flynn, Rick Hurst.
Mal wieder das Verwirrspiel der kleinen/billigen Labels. Eigentlich kam dieser Film unter seinem Originaltitel bei uns heraus, mit dem aber nur Insider wirklich etwas anzufangen wussten. So fand er denn wohl kaum Abnehmer. Also startete man eine zweite Auflage und verpasste ihm einen knalligeren Titel. Ob's funktioniert hat? Keine Ahnung.

THE KILLER SHREWS (DIE NACHT DER UNHEIMLICHEN BESTIEN, 1959) ist einer der ganz großen Trash-Klassiker der Filmgeschichte. Die Mär von den Spitzmäusen, die zu hundgroßen Killerbestien mutieren und ein paar Leute auf einer entlegenen Insel terrorisieren, glänzt durch beinahe unzumutbare Darstellung und vor allem durch die lustigen Viecher. Tatsächlich wurden die Monster durch Collies verkörpert, denen man das Fell etwas zotteliger machte und die Zähne verlängerte. 53 Jahre später wurde doch glatt eine Fortsetzung präsentiert. THE RETURN OF THE KILLER SHREWS ist wirklich eine Weiterführung. Kuriosum dabei ist, dass mit James Best sogar einer der Hauptdarsteller des Originalfilms verpflichtet werden konnte. Best selbst strebte schon ein paar Jahre früher eine Fortsetzung oder ein Remake an, fand jedoch keine Interessenten dafür. 2011 traf er den Drehbuchautor Steve Latshaw, mit dem er das Skript verfasste. Latshaw übernahm dann auch die Regie.

Best spielt erneut Thorne Sherman, der damals zu den Überlebenden gehörte. Mit einem Freund besitzt er heute ein kleines Schiff, mit dem er ein paar Filmleute auf jene Insel bringt, auf der einst das Unglaubliche geschah. Weil er nicht gleich sein Geld bekommt geht er mit an Land. Schon bald werden die ersten Crewmitglieder Opfer der Spitzmäuse. Die Menschen flüchten in exakt jene Hütte, die auch vor 53 Jahren als Schutz diente. Lange können sie sich dort aber nicht halten, zumal die Viecher sich seltsam benehmen. Bald trifft Thorne auf Jerry Farrell (Bruce Davison), der damals auf der Insel blieb. Er experimentierte weiter mit den Riesenmäusen und ist heute in der Lage sie mittels einer Pfeife zu kontrollieren.

Die Rolle des Jerry Farrell verkörperte 1959 Ken Curtis, der vielen Leuten besser bekannt sein dürfte als Festus in der Serie RAUCHENDE COLTS. Leider verstarb er bereits 1991, sodass er nicht mehr zur Verfügung stand. Man fand in Bruce Davison aber einen adäquaten Ersatz, auch optisch. Von vornherein war man sich bewusst, dass ein solcher Trashfilm keine hochwertige Fortsetzung bekommen dürfte. Also setzte man auf eine unausgegorene Story, haarsträubend dümmliche Charaktere, entsetzliche Dialoge, miese CGI-Tricks und ein mageres Setting. Manchmal schießen sie im fertigen Produkt über das Ziel hinaus und Einiges ist dann schon zu gewollt albern.

In den Rezensionen, die ich dazu gelesen habe, beschweren sich die Leute allzu oft, dass die Tricks so schlecht wären. Da wird es so manch einen Verfasser geben, der nicht verstanden hat worum es hier geht. 1959 verwandelte man Collies in Spitzmäuse und dirigierte sie um das Haus herum. Es wäre mehr als unangemessen gewesen, in diesem Film plötzlich perfekte Tricks zu verwenden. Fraglos sind die Kreaturen in Aussehen und Bewegungen gewöhnungsbedürftig, aber zumindest ich konnte mich köstlich über diesen Aspekt amüsieren.

Einige Charaktere sind zu überdreht. Wett gemacht wird das durch die älteren Darsteller, die genug Erfahrung besitzen und sichtlich Freude daran haben, ungezwungen mal die Sau heraus zu lassen, Overacting als Stilmittel zu benutzen. Wenn Thorne und Jerry sich gegenüber stehen und einander die alten Sünden vorwerfen, dann ist das einfach nur schreiend komisch. Hübsch sind auch einige Details. So wird der Film manchmal auf Schwarzweiß zurück gefahren, um ihn mit Szenen aus dem Originalfilm zu kombinieren. Die Hütte ist außen wie innen liebevoll nachgebildet.

Für jemanden wie mich ist der Film trotz aller Albernheiten eine hübsche Liebeserklärung. Wer den alten Film nicht kennt oder keinen Zugang dazu findet, der hält das Ding keine zehn Minuten aus. Prinzipiell gesehen ist das Ding einfach zu schlecht. Am Ende des Nachspanns wird eine weitere Fortsetzung angekündigt: THE REVENGE OF THE KILLER SHREWS. Leider ist diese nicht gedreht worden und es wird unwahrscheinlicher. James Best verstarb 2015.

 

Kommentare  

#1 Wurschtl 2018-11-18 18:54
Schön, dass jemand eine Lanze für den filmischen Schund gebrochen hat. Solche Streifen können manchmal sehr unterhaltsam sein.

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