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Exotenhorror

Schrott auf DVD und BluRayExotenhorror

Was ist ein schlechter Film? Nun, diese Betrachtung ist sehr subjektiv, denn es liegt immer im Empfinden des Zuschauers.

Filme die ich schlecht finde muss ein anderer nicht zwangsläufig auch so ansehen. Für mich sind zum Beispiel die weitaus meisten der heutigen A-Filme schlecht. Da wird es manch einen Leser geben, der nun die Stirn runzelt und ein Fragezeichen über dem Kopf trägt.

Es gibt Filme die unseren Sehgewohnheiten trotzen. Meistens kommen sie aus Ländern die wir so gar nicht auf der Rechnung haben. Die deutschen Vertreiber haben durchaus ein Problem damit. Entweder verschweigen sie die Herkunft, weil sie befürchten, dass es sonst keinen Abnehmer gibt – wie im ersten Fall. Oder sie preisen das Objekt als Kuriosum an um zumindest bei Filminteressierten Interesse zu wecken, wie im zweiten Fall. Exotisches ist für mich immer interessant und deshalb einen Blick wert.

BeneathLost Paradise - Playmates in Hell (2009)
(Air Terjun Pengantin)
Regie: Rizal Mantovani, mit Tamara Bleszynski, Marcel Chandrawinata, Tyas Mirasih, Kieran Sidhu, Navy Rizky Tavania
Das waren schon herrliche Zeiten, als die Indonesier Mitte der 70'er bis in die 80'er hinein ihre Action- und Martial Arts-Filme drehten und damit die Freaks in aller Welt beglückten. Derbe waren die Dinger ja und nur selten schaffte es einer der Filme ohne Kürzungen zu uns. Irgendwann war die Zeit dieser Heuler vorbei. Die dem so genannten Exploitation-Film zugehörigen Streifen versandeten ebenso wie vergleichbare Teile aus den gängigen Ländern. Wenn heutzutage noch ein Film aus Indonesien kommt, dann verschweigt man es lieber. Anders als Japan, China, Korea und Thailand schaffte man in Indonesien den Sprung in die Moderne nicht.

Hinter einem Titel wie diesem würde ich eine Menge vermuten, nur keinen indonesischen Slasher. Offenbar traute man dem Film auch beim deutschen Vertreiber nicht, weshalb man ihm einen solchen Titel und ein eher nach Abenteuerkomödie aussehendes Coverbild verpasste. Wer sich den Film dann 'reinzog, der bekam nicht das was er erwarten durfte.

Handlung? Wer braucht die schon für einen Slasher. Ein paar junge Leute (mehr als die gewohnten fünf) verbringen ihre Freizeit auf einer Insel, auf der angeblich alle Wünsche in Erfüllung gehen sollen. Leider haust da auch ein alter Schamane mit seinem Zögling. Letzterer ist so hässlich, dass er sein Gesicht hinter einer nicht minder hässlichen Maske mit einer langen Nase verbergen muss. Er sucht eine Braut und glaubt diese in Tiara (Tamara Bleszynski)  gefunden zu haben. Um sie in seine Gewalt zu bringen, räumt er ihre Begleitung auf blutige Weise aus dem Weg. Doch Tiara will nicht und wehrt sich, was zur Folge hat, dass er das Zeitliche segnet.

Herrlich, sie haben sich nicht verändert. Eine krude, offene Machart, krasse Effekte und einfältige Schauspieler. Wer vor 40 Jahren Spaß an den Filmen aus Indonesien hatte, der wird auch heute nicht enttäuscht.

Kleine Unterschiede gibt es schon. LOST PARADISE ist ein lupenreiner Slasher mit allen Versatzstücken die dazugehören. Wir haben den maskierten Killer, eine Schar jugendlicher Opfer, phantasievolle Kills. Auch die Gesetze werden beachtet. So werden einige Leute überraschend aus dem Nichts umgebracht, andere, wie das übliche Final Girl, endlos durch den Wald gejagt.

Zum Erstaunen des Zuschauers, wenn es ihm gelingt die Erwartungshaltung umzukrempeln, gibt es im späteren Verlauf bemerkenswerte atmosphärische Sequenzen und Bilder von malerischer Schönheit. Ist Letzteres ein Widerspruch? Vielleicht, doch es zeigt auch, dass man selbst in solchen Filmen nicht nur plump draufhalten muss. Die Szene, in der unsere Heldin vor einem Wasserfall an einen Pfahl gefesselt wird, ist visuell berauschend, was Kamerawinkel, Ausleuchtung und Kulisse betrifft. Auch in billigen kleinen Filmen kann so etwas entstehen.

Überhaupt - Man muss Regisseur Rizal Mantovani zugestehen, dass er sein Handwerk beherrscht. Die Schauspieler sind keine Leuchten, aber er versteht es sie in Szene zu setzen. Er nutzt geschickt die Naturkulisse zur Spannungserzeugung und auch die Splatterszenen sind teilweise zwar heftig, aber so gefilmt, dass sie nicht eklig werden. Hut ab, da kann sich mancher eine Scheibe von abschneiden. Slasherkino ist eben nicht nur tumbes Killerkino.

Dennoch, man sollte es nicht überbewerten. Wir haben es hier nicht mit ausgefeilter Bildsprache zu tun oder mit dem Anflug von Arthaus-Kino. Indonesisches Genrekino ist was es ist. Derber blutiger Spaß, nur selten langweilig und immer auf den Punkt hin produziert. Es ist schade, dass wir nur selten noch damit versorgt werden. Die Fixierung auf wenige filmschaffende Länder ist heutzutage ausgeprägter denn je, kleine Perlen aus exotischen Ecken muss man lange suchen.

LOST PARADISE ist, zumindest für mich, solch eine Perle.

Der eisige TodZombies Hell's Ground (2007)
(Zibahkhana Hell's Ground)
Regie: Omar Ali Khan, mit Kunwar Ali Roshan, Rooshanie Ejaz, Rubya Chaudhry, Haider Raza, Osman Khalid Butt
Kleine Filme werden gerne von kleinen Labels in marktschreierischer Art und Weise angepriesen und nur sehr selten verbirgt sich dahinter das, was auf dem Cover zu lesen steht. Neulich fand ich eine DVD in meiner An- und Verkaufsvideothek, die ich schon ob der Überschrift einfach mitnehmen musste.

THE PAKISTAN CHAINSAW MASSACRE!

Darunter eine blutige Hand mit abgeschlagenen Fingern und der Titel:

ZOMBIES HELL'S GROUND

sowie der Zusatz: UNCUT. Der rote Flatschen wies ihn mit einer Freigabe ab 18 aus.

Hähä, ein Schelm der Böses denkt. Ich besaß keine Vorstellung, was für ein Film sich darunter verbarg, nur Eines war sicher: Kein Ami-Horrorfilm. Der bemerkenswert ironisch abgefasste Klappentext sagte mir, dass es offenbar Parallelen zu den oben genannten Begriffen gibt, der Film auch tatsächlich aus Pakistan stammt. Mitnehmen und angucken, so etwas interessiert mich immer, auch wenn das Vertriebslabel Mr. Banker Films heißt – noch nie davon gehört. Ich muss mich nur immer über diese Leute wundern, die sich von solchen Wörtern wie oben genannt leiten lassen und dann enttäuscht sind, weil sie nicht das bekommen, was sie aufgrund dessen erwarten. Seltsam, hier bekommen sie es, aber die Machart entspricht halt nicht den Sehgewohnheiten ihrer von Amifilmen versauten Augen.

In den 2000'ern gehörte das britisch/amerikanische Label Mondo Macabro zu meinen Lieblingslabels. Man bemühte sich dort filmische Entwicklungsländer zu entdecken und/oder wenig bekannte Horrorfilme aus kaum beachteten Ecken der Welt zu veröffentlichen. So bekam man Filme aus Pakistan, Mexiko, Spanien, Indien, Thailand, Brasilien oder von den Philippinen etc. zu sehen. Für mich eine Fundgrube, für viele Leute das Grauen schlechthin. Es handelte sich schließlich nicht gerade um hochwertig produzierte Streifen. Dabei legte man bei Mondo Macabro sehr viel wert auf eine optimale Veröffentlichung. Die Filme wurden in ihrer bestmöglichen Version digital aufgearbeitet und mit Bonusmaterial versehen, das den Zuschauer mit der Zunge schnalzen ließ. So gab es dann Dokumentationen über die Horrorfilme jener Länder, manchmal auch tatsächlich Interviews mit den Filmschaffenden.

HELL'S GROUND, wie der vorliegende Film eigentlich heißt, stellt eine Besonderheit dar, von der ich bisher nichts wusste. Er stammt aus dem Jahr 2007 und wurde tatsächlich von Mondo Macabro Co-produziert. Gleichwohl ist er dennoch ein rein pakistanischer Film. Kurios dabei ist auch, dass er in Pakistan nicht offiziell aufgeführt werden durfte, da er zu brutal war.

Und wie ist der Film? Schlecht, gar keine Frage – aber ich finde ihn großartig. Das hat verschiedene Gründe.

Zunächst einmal: Alle oben genannten Begriffe treffen zu, wenn auch nicht so wie der filmisch unbeleckte Zuschauer es vermuten würde. Es gibt keine Kettensägen, aber die Handlung ist jenem suggerierten Film nicht unähnlich. Zombies gibt es auch. Der Film hat einige derbe blutige, manchmal sogar gorige Szenen und es wundert mich schon, dass er ungeschnitten die FSK passiert hat.

Sie alle haben ihre Masken, ob Leatherface, Jason oder Michael Myers. Was aber trägt ein hinterwäldlerischer, geistig abgedrehter muslimischer Killer? Richtig: Er trägt Burka! Um seine Opfer um die Ecke zu bringen benutzt er weder Kettensäge noch Schlachtermesser, er besitzt einen mächtig gewaltigen Morgenstern, mit dem er, ihn wütend schwingend, seine Opfer durch den Wald hetzt. Die Niedergestreckten bringt er in eine abgelegene Hütte und weidet sie aus, um das Fleisch in der Nachbarschaft zu verkaufen und somit seinen Lebensunterhalt zu verdienen. An dieser Stelle sollte ich vielleicht erwähnen, dass es sich bei dem Film nicht um eine Komödie oder Satire handelt – er nimmt sich vollständig ernst.

Fünf junge Leute fahren durch eine abgelegene Gegend, weil sie zu einem Rockkonzert nach Islamabad wollen (warum sie nicht die Autobahn benutzen kann man lediglich damit erklären, dass es in solchen Horrorfilmen immer so ist). Unterwegs werden sie von Zombies angegriffen, die wieder einmal aufgrund verseuchten Wassers entstanden sind. Egal, denn die Untoten sind lediglich in dem Film, weil man offenbar welche drin haben wollte. Sie spielen für den weiteren Verlauf keine Rolle mehr. Die Handlung folgt nun in groben Zügen dem Film von Tobe Hooper, sie gabeln unterwegs sogar den obligatorischen Irren auf, der sich wirr benimmt und den sie dann wieder aus dem Van werfen. Schließlich werden sie Opfer der Schlachterfamilie – bis auf ein Mädel, das dem Grauen ein Ende bereitet, aufgrund der Zombies aber doch nicht aus dem Wald heraus kommt.

Ich habe mich wahrlich köstlich amüsiert. Einer ernsthaften Rezension hält dieses unglaubliche Stück Trash in keiner Weise stand. Wenn es ein Drehbuch gab, dann hat es auf einem Bierdeckel Platz gefunden. Überraschend ist die filmische Arbeit recht gut ausgefallen, sprich Kameraführung, Ausleuchtung und Schnitttechnik, wenngleich für unsere Augen gewöhnungsbedürftig. Die Maskeneffekte sind für diese Verhältnisse als gelungen zu bezeichnen. Die Schauspieler? - Na ja, es spielen halt Leute mit. Bemerkenswert dabei – es gibt eine Gastrolle des Vampirdarstellers aus "Dracula in Pakistan" (1967), dem ersten Horrorfilm, der je in diesem Land hergestellt wurde (und bei Mondo Macabro veröffentlicht wurde – es gab sogar eine deutsche Übernahme).

Man hat auf dieser Disc auch das Bonusmaterial übernommen. So gibt es Berichte von der Filmpremiere und über die Zensurschwierigkeiten, ein Interview mit dem Regisseur usw. - Alles natürlich in Englisch, die Mühe einer Untertitelung hat man sich nicht gemacht. Bemerkenswert jedoch – der Film ist in Urdu drauf, mit deutschen Untertiteln. Er hat sogar eine deutsche Synchronisation, die noch gar nicht mal schlecht ist, welche jedenfalls nicht, wie oft üblich, in irgendeinem Hinterhof entstanden ist.

Wer einmal etwas völlig Anderes und doch Bekanntes sehen möchte, dem sei das Stück ans Herz gelegt. Der Film ist schlecht, ich erwähnte es schon, aber hier möchte ich einfach mal sagen: Wenn die Gelegenheit da ist, dann schaut ihn euch an. Er ist wirklich mal eine Erfahrung der anderen Art.

Kommentare  

#1 matthias 2019-02-24 00:23
Warum sollte ich?
#2 Harantor 2019-02-24 10:14
Keiner zwingt dich. Aber wer mal was entdecken will hat die Chance auf was völlig ungewöhnliches

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