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Altbackenes für die »Babyboomer« - Hoffnungsträger Generation ›50+‹

Zauberwort - Der Leit(d)artikelAltbackenes für die »Babyboomer«
Hoffnungsträger Generation ›50+‹

Die Leute der Jahrgänge 1960/61 – 68/69 ist die letzte Generation, die noch zahlreich zu Heftromanen gegriffen hat. Die so genannten Baby-Boomer sind nun in einem Alter so um die 50 (wie auch der Verfasser dieser Zeilen). Sie sind eine Art Zwittergeneration, die noch ohne größere Probleme in das digitale Zeitalter hineingewachsen ist, aber auch noch den Charme analoger Ausgabegeräte wie Bücher zu schätzen weiß.


Die Bastei Lübbe AG hält am Heftroman fest (was ja grundsätzlich nicht schlecht ist, denn solange die Kuh gemolken werden kann, sollte man das auch tun) und nennt es ein Zukunftsmodell (was eher ein Fehler ist, denn die Zukunft hat diese Publikationsform bereits seit zwei, drei oder gar vier Jahrzehnten hinter sich, als es die damals publizierenden Verlage es verabsäumt haben, die Publikationsform grundlegend zu modernisieren bzw. an dem sich - damals noch langsamer - ändernden Zeitgeist anzupassen). Da wurde (und wird immer noch) an Erfolgsformeln festgehalten, die zu einem Gutteil den fünfziger Jahren entstammen. Aber gerade in der Unterhaltung sind Erfolgsformeln nichts für die Ewigkeit und bedürfen immer wieder der Renovierung, denn der Heftroman ist nicht Coca Cola, bei der die klassische Formel immer noch die erfolgreichste und beste ist. Heute hat ja auch keiner mehr schreiend bunten Tapeten der Siebziger an den Wänden und auch der Nierentisch hat seine Zeit als Standardausstattung in deutschen Wohnstuben auch schon lange hinter sich.

Aber das Wort vom ›Zukunftsmodell Heftroman‹ verwendet die Bastei Lübbe AG nicht nur in Pressemitteilungen, sondern auch in den für eine AG vorgeschriebenen Veröffentlichungen. So auch im aktuellen Geschäftsbericht der Aktiengesellschaft, der im Bundesanzeiger veröffentlicht wurde.

So werfen wir auch einen Blick in den aktuellen Geschäftsbericht der Bastei Lübbe AG (als PDF zum Download). Eine Lektüre, die nicht unbedingt so leicht und locker von der Hand geht wie ein ›Jerry Cotton‹-Roman ... Doch bevor wir uns mit dem Inhalt des Geschäftsberichtes befassen, müssen wir uns eine Frage stellen: Welchen Sinn hat ein denn nun so ein Geschäftsbericht? Das muss man sich klar machen, bevor man sich die Aussagen darin mal ansieht. Das ist ein erläuterter Jahresabschluss für die Öffentlichkeit. Wir werden uns nun einmal einen Aspekt dieses Geschäftsberichtes ansehen [also ist das keine Komplettanalyse und wer das tun will, soll es selbst machen]. Die gleich folgenden Anmerkungen sind allgemeiner Natur und ich möchte damit der Bastei Lübbe AG nicht unterstellen, sie wären so kreativ wie einst die Bilanzbuchhaltung der COOP.

Ein gängiger Buchhalterspruch zum Jahresabschluss besagt, dass man derer drei macht: Den ersten erstellt man fürs Finanzamt (um zu zeigen, allzu viel Steuern sind nicht drin), den zweiten für die Bank (um zu zeigen, man ist kreditwürdig und gut drauf) und den dritten für sich selbst (um zu sehen, wie es wirklich aussieht). Welche kreativen Möglichkeiten buchhalterisch bestehen, konnte man Anfang der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts sehen, als die COOP (ein einstmals gewerkschaftseigener Einzelhandelskonzern) Pleite ging. Der Jahresabschluss wies mehrere hundert Millionen DM Gewinn aus, während tatsächlich mehrere Milliarden DM Verlust gemacht worden (gute Bilanzbuchhalter werden im Übrigen immer gesucht und gut bezahlt).

Der Geschäftsbericht von AGs ist nun - vereinfacht und für unsere Zwecke ausreichend gesagt - so eine Art erläuterter Jahresabschluss für die Aktionäre (und solche, die es werden sollen/wollen) und muss in der Regel  veröffentlicht werden. Er entspricht dem Jahresabschluss für die Banken und soll vor allen Dingen eine Aufgabe erfüllen: Gute Nachrichten und frohe Stimmung unter das Aktionärsvolk bringen - so eine Art Stimmungskanone für Anleger. Der Aktienkurs (und damit auch der Ruf des Unternehmens)  soll davon profitieren.

Im Übrigen sei noch angemerkt, der Aktienkurs spiegelt in den seltensten Fällen den tatsächlichen Unternehmenswert wieder. Kurz gesagt: Der Aktienkurs ist der Unternehmenswert plus (oder auch minus - daher spricht man immer wieder gern auch mal von über- oder auch unterbewerteten Aktien) der ›Fantasie‹, also eine Art ›Herr der Ringe‹ für Aktionäre. Kursfantasien sind die Erwartungen, die Aktienanalysten und Aktienkäufer in die Entwicklung des Unternehmens stecken. Das sind oft abstruse und dubiose Hoffnungen, die da verbreitet werden. Da muss man nur mal drauf achten, wenn eine Schaufel irgendwo umfällt und die Börse sofort reagiert und Analysten (abstruse) Querverbindungen ziehen. Doch der Aktienhandel [und Berater und und Wirtschaftsanalysten drumherum] lebt nun mal davon. Aber wie sagte Volker Pispers noch über Analysten. Sie seien überflüssig und das könne man schon an den Wortbestandteilen »anal« und »lyse« erkennen.

Nun gut. Es sei also festgehalten, dass man auf Geschäftsberichte immer ein kritisches Auge haben muss und diese eher als Verkündung der ›guten Nachricht‹ (insofern könnten Zyniker mutmaßen, Geschäftsberichte trügen religiöse Züge) erkennen sollte. Dazu nutzt man auch Stilmittel des Marketing, um eigentlich nicht so gute Nachrichten im hellen (positiven) Licht erstrahlen zu lassen.

Wie fragt Lily in ›How I Met Your Mother‹ immer wieder mal, wenn sie den wunden Punkt suchte:

Where ist he poop?

Da suchen wir mal das Häufchen (wie der deutsch-synchronisierte Lily in den Mund gelegt wurde).

Im ›Abschnitt 7 Prognose / Künftige Branchensituation / Segment "Romanhefte und Rätselmagazine"‹ des aktuellen Geschäftsbericht des Verlages heißt es nun:

"Im Romanheftbereich ist Bastei Lübbe laut einer Media Control Studie einer der führenden Verlage in Deutschland. Das Unternehmen erweiterte in den letzten Jahren seine Stammleserschaft auch in diesem Segment. Ein weiterer relevanter Aspekt sind die Mehrfachkäufe der Kunden. Dank seiner internationalen Diversifizierung ist Bastei Lübbe zudem weniger von der Entwicklung in einzelnen Märkten abhängig.
Kernzielgruppen sind auch im Romanheftbereich Leser im Alter von über 50 Jahren. Die demografische Lage in Deutschland und Europa birgt auch hier Chancen für eine stabile künftige Entwicklung."

Meine Generation, eben die der geburtenstarken Jahrgänge (oder auch neudeutsch ›Babyboomer‹ genannt) aus der Endzeit des so genannten Wirtschaftswunders und der ausgehenden Adenauer/Erhard-Ära, ist nun die Hoffnung des Heftromans (und auch der Rätselhefte), soll also nun als Zielgruppe herhalten. Gut, wir ›Babyboomer‹ sind viele und das bei der statistischen Lebenserwartung noch so um die drei bis vier Jahrzehnte. Da ist doch Luft genug, um Nachfolgeformate zu entwickeln und herauszufinden was nachfolgende Generationen so lesen wollen. Aber kann man diesem Ansatz auch folgen?

Doch demjenigen, der die Entwicklung dieser Publikationsform verfolgt, wird auffallen, dass in den Ausführungen des Geschäftsberichtes die Entwicklung der letzten Jahrzehnte ausgeblendet wird [dieser jahrzehntelange Trend beim Heftroman ist ja auch nicht wirklich eine ›gute Nachricht‹]. Hier wird von »einer der führenden Verlage« gesprochen. An anderer Stelle (2. Wirtschaftsbericht / Branchenumfeld in den Segmenten der Geschäftstätigkeit der Bastei Lübbe AG / Segment "Romanhefte und Rätselmagazine") heißt es jedoch präziser:

Im Gegensatz zum Markt mit Rätselmagazinen, der sich durch neue Anbieter und einen starken Verdrängungswettbewerb charakterisiert, gibt es im klassischen Romanheftbereich neben Bastei Lübbe laut einer Media Control Studie nur einen weiteren großen Marktteilnehmer.

Da kommt mir gerade einer der Kalauer des »Kalten Krieges« in den Sinn, als die »Prawda« über ein Rennen zwischen Nixon (einstmals US-Präsident) gegen Leonid Breschnew (Generalsekretär der KPdSU) berichten sollte, das Nixon gewann. Die »Prawda« würde dann - so der Witz – schreiben, dass der US-Amerikaner nur Vorletzter wurde, während Genosse Breschnew einen glorreichen zweiten Platz erreichte.

Sehen wir uns einmal an, was »führender Verlag« im Romanheft Verlag überhaupt noch heißt. Neben Bastei gibt es da noch Kelter (eben den »weiteren großen Marktteilnehmer«) mit so einer Art Vollprogramm (wobei die Männerschiene ausschließlich aus Western-[Nachdrucken] besteht). Dazu kommt VPM mit der Perry-Rhodan-Schiene (Erstauflage, NEO und im Moment der Miniserie Stardust) und dazu der Tarnverlag aus der Schweiz mit der »Landser«-Wiederverwertung »Weltkrieg« und den Ablegern dazu. Das, meine Damen und Herren, ist er dann [Trommelwirbel und ehrfurchtsvolles Schweigen]: Der komplette Romanheftmarkt. [Tusch und Standing Ovations] Mehr ist da nicht (mehr). Das wars. Finito.

Ist jemanden aufgefallen, dass da es lt. Geschäftsbericht da einer Media Control Studie bedurfte, um herauszufinden, dass es nur zwei große Marktteilnehmer gibt. Ich muss mal nachschauen wer diese Studie zu wessen Behufe in Auftrag gab. Ich brauche nur an den Kiosk und die Bahnhofsbuchhandlungen zu gehen, um den gesamten Heftromanmarkt mit einem Blick zu erfassen [man lese noch mal den Absatz über diesem].

Blicken wir also nun zurück in die erste Hälfte der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts des vorigen Jahrtausends und nehmen an, dass die jetzige Zielgruppe und Hoffnungsträger der ›Babyboomer‹ in dieser Zeit begann, das Romanheft zu lesen. Sehen wir uns den Markt zu Beginn der Siebziger an, als die Beatles sich gerade getrennt hatten, der Hardrock erblühte und die Tapeten so bunt waren wie nie zuvor und nie danach. Es gab deutlich mehr Anbieter von Heftromanen. Als da wären Bastei, Pabel/Moewig (getrennt und dann durch Zukauf von Pabel vereint), Zauberkreis, Kelter, Marken und Erber als ›die Großen‹. Es gab aber noch Indra und andere Verlage als ›die Kleinen‹. Die Stander mit den Heftromanen quollen über. Es gab die Dinger an jeder Ecke und sie wurden herausgehoben präsentiert. Der Bastei Verlag allein bot seinerzeit mehr Objekte an, als der komplette Romanheftmarkt heute so Woche für Woche an den Kiosk bringt. Gar nicht zu reden von gedruckten und verkauften Auflagen. Alle Verlage beschäftigten Hundertschaften vorwiegend weiblicher Kräfte, die die ganze Woche Heftromane für den Verkauf und Rückläufe für Sammelbände sortierten. Da wurde dem Leser noch was geboten. Zudem gab es eine deutlich höhere Erstdruckquote ... Es war schöne Zeiten für Heftromanleser. Doch: Schon damals machten sich die Verlage - da noch auf sehr hohem Niveau - Sorgen um ihre Auflagen. Die erste überlieferte Anekdote dieser Art stammt aus dem Jahr 1967, als Zauberkreis Verlagsleiter Heinrich Ernst sich Sorgen um die Auflage des »Silber-Krimi« machte.

Von den späten Sechzigern bis heute schrumpfte das Angebot kontinuierlich auf die kläglichen Reste (sowohl was das Angebot als auch die gedruckte und verkaufte Auflage angeht) zusammen. Aber machen wir uns auch nichts vor. Spätestens in der Nachkriegszeit war Lesen ohnehin kein Breitensport mehr. Die ›Babyboomer‹ (und alle anderen auch, auch wenn sie nicht zur anvisierten Zielgruppe gehören) gehen in der Erinnerung mal zurück in die Schulzeit. Wie viele Mitschüler in der Schule (von Klasse will ich gar nicht mal reden) waren ausgewiesene Leser von in erster Linie Heftromanen, aber auch von Comics, Taschenheften, Taschenbüchern oder Büchern? Wie viele Kinder und Jugendliche (heute Kids und Teens) nutzten denn die Schulbibliothek? Man war als Leser doch manchmal recht einsam und galt als Exot, oder nicht? Cool war das Lesen nicht mehr. Viele lasen dann aber noch das damalige Zentralorgan der Pubertierenden, die »Bravo« (und man recherchiere einmal was heute noch verkauft wird und wie oft die Macher versucht haben, die Zeitschrift neu zu positionieren und auszurichten). Das Ganze erinnert mich an die Zeit, da ich meinen ehemaligen Deutschlehrer bei der Unterrichtseinheit Heftroman unterstützte. Zu Beginn fand man noch ein oder zwei Leser. Später reduzierte sich das dann wirklich auf den einen Leser (und das war eine Leserin und ihr Stoff war -oft genug - »Wendy« oder noch später auch »Harry Potter«). Dieses Minderheitendasein nur auf elektronische Medien wie das Radio, Fernsehen oder später Computerspiele, Internet oder weiß der Teufel was alles zu schieben greift einfach zu kurz. Selbst die Leser auflagenstarker Belletristik sind und waren eine Minderheit, aber da wird immer noch gut verkauft (mit Auflagen bis an die Millionengrenze und darüber hinaus, aber auch das ist eine Minorität). Die Erfolgsautoren der Belletristik kommen und gehen. Wer von den Jüngeren kennt heute noch die einstmaligen Platzhirsche Simmel und Konsalik? Aber der Heftroman hat einfach nur kontinuierlich verloren. Da gibt es eine deutliche Diskrepanz. Der Heftroman hatte seine Zeit.

Das liegt an Form und Inhalt. Inhaltlich muss man sich als Leser [ohne aufwändige Erklärungen] auf den Heftroman einlassen können, sprich der Autor sollte dem Leser vertraute Bilder aus der Unterhaltung in Kopf zaubern, so dass er die Handlung annimmt. Noch in den Siebzigern war das Heft halbwegs auf der Höhe der in der Unterhaltung (im TV, Kino und Hardcover) gängigen Motive und Bilder. Doch die nach Weltherrschaft strebenden verrückten Wissenschaftler, die Mafiosi ála Al Capone, die sauberen Cowboys der US-Western und soviele andere Klischees sind dann im Laufe der Zeit immer rarer geworden oder dienen heutzutage nur noch als Stoff für Persiflage, Komödie oder Satire. Dazu sind auch die einsamen Helden mit Hut, Zigarette und Trenchcoat selten geworden. Die Macher von Heftromanen haben nicht registriert, dass in den späten Sechzigern unter anderem mit Filmen wie »Bonnie & Clyde« auch ein Paradigmenwechsel in Hollywood stattfand, der unter dem Begriff »New Hollywood« subsumierte [Herrgott, ich sehe zuviel »The Big Bang Theory«]. Hollywood war und ist noch die Welthauptstadt der Unterhaltung (gleichgültig ob die Produktionen jedermann gefallen). Einige Jahre später wandelte sich auch die TV-Serie, die heute gar der kreative Motor der US-Entertainment-Industrie geworden ist. Aber auch da liegen in der Regel Welten zwischen dem dort präsentierten und dem Heftroman.

Auf dieses Gemenge aus Bildern, Motiven und Klischees der Heftromane kann sich heute kaum ein Leser noch einlassen. Zu altbacken ist das und für viele auch nicht mehr vertraut. Aus TV, Kino und Buch kennt der potentielle Leser ganz andere Szenarien. Selbst die von Bastei zum Hoffnungsträger erklärten Babyboomer - immerhin sind diese mit den Motiven aus ihrer Jugend noch vertraut - können damit nur noch wenig anfangen. In der Tat bemerke auch ich, dass ich bei der Lektüre alter (aber auch neuer) Hefte mich zunehmend weniger unterhalten fühle. Ich kriege es nur noch bedingt hin, mich auf diese Szenarien einzulassen und mich daran zu erfreuen. Hier zeigt sich auch wieder die Zeitbezogenheit von Unterhaltung. Gerade deshalb halte ich ja eben den Heftroman nicht mehr für ein Zukunftsmodell. Man soll - wie bereits erwähnt - den Heftroman noch melken solang es geht, aber sich für die Zukunft um zeitgemäßere Formen und Inhalte kümmern. Der Heftroman ist bislang (mit der Ausnahme »Perry Rhodan«) eben nur unzureichend mit der Zeit gegangen, so dass nun im Grunde (seit Jahren oder gar Jahrzehnten) nichts mehr zu retten ist. Von einem Zukunftsmodell zu reden ist schon fast blanker Zynismus oder Marketing im Sinne des Kalauers ›Shit well sold‹. In Zukunft wird die Unterhaltung noch schnelllebiger sein und es wird gelten sich mit lang laufenden Serien daran anzupassen.

Man sehe sich an was passiert wenn Stefan Raab in seiner Show Ausschnitte aus TV-Shows der siebziger Jahre zeigt. Unwillkürlich müssen die Zuschauer im Studio (und vermutlich auch zuhause auf dem Sofa) ob der Tänze, Darbietungen und Kostüme schmunzeln oder gar laut lachen. Allzu albern wirkt das. Aber: Das war einstmals hippe Unterhaltung auf der Höhe der Zeit. Vor vierzig Jahren hätte keiner gelacht. Das war in und auf der Ausdruck des Zeitgeistes. So ist dann auch der Currywurst verschlingende Geisterjäger, der ewig gute, fehlerfreie Arzt und andere Archetypen des Heftes Artefakte aus alter Zeit. All diese Muster taugen in ihrer alt hergebrachten Form nicht mehr für die Zukunft der Unterhaltung.

Dazu ist eben auch das Format des Softcovers mit Abmessungen, dass weder zur Zeitschrift, Tabloid noch zu Taschenbüchern und Büchern taugt mit 68 Seiten (inkl. Umschlag) eben wie der Nierentisch, der knallbunten Tapete in schreienden Farbkombinationen und dem schwarz/weiß Fernsehen auch aus der Zeit gefallen.

Bezeichnend ist dann auch, dass es im Romanheftbereich keinen Verdrängungswettbewerb gibt (siehe Zitat). Den gab es von den Fünfzigern bis in die Achtziger hinein. Seither ist ein (Verdrängungs-)Wettbewerb nicht mehr feststellbar. Und was wollte man noch verdrängen? Eine Verdrängung wäre doch eher kontraproduktiv. Eine gewisse Menge an Titeln sollte Wochen für Woche am Kiosk und in der Bahnhofsbuchhandlung liegen. Werden es noch weniger, würden weitere Verkaufsstellen es nicht mehr der Mühe wert befinden, Romanhefte feilzubieten. Man beachte, dass es ohnehin seit Jahren ein Schwund der Verkaufsstellen gibt und Hefte immer schwerer zu beziehen sind.

Als der Verfasser dieser Zeilen zu Beginn der neunziger Jahre mit einem Ideenpapier für einen Verlag von Heftromanen und Taschenheften hausieren ging, kam die klarste und deutlichste Ablehnung aus dem Hause Burda. Walter A. Fuchs rief mich an, um mir eine Frage zu stellen, die die Ablehnung beinhaltete:

Wissen Sie eigentlich wie unwirtschaftlich die Dinger sind?

Da drängte es einen nicht wirklich, in einen Verdrängungswettbewerb einzusteigen (und wie der feine Beobachter des Marktes bemerkt haben wird: Auch kein anderer wollte letztendlich in den Wettbewerb mit Bastei,  Kelter, den VPM-Resten und - wegen der Taschenhefte - auch Cora einsteigen). Aber: In der Tat, die Dinger sind keine wirkliche Gelddruckmaschine (neudeutsch: Cash Cow). Schon damals gab es kaum noch Anzeigen [das war ohnehin nur ein kleiner Zusatzverdienst] für Heftromane (und die potentiellen Anzeigenkunden für Hefte vertreiben ihre Ware heutzutage übers Internet, Shoppingchannel oder die Produkte wie Walkie Talkies, Mittel gegen abstehende Ohren oder die Röntgenbrille sind inzwischen aus der Mode), so dass Heftromane sich rein aus dem Verkauf finanzieren müssen. Und da fällt eben nicht soviel ab, zumal in Zeiten fallender Auflagen. Diese Begebenheit zeigt auch, dass der Markt schon mehr als zwei Jahrzehnten Dynamik vermissen ließ. Der Heftroman definiert sich durch Masse. Wenn die nicht mehr da ist bzw. verkauft wird, geht die Attraktivität des Produkts flöten.

Ein Verdrängungswettbewerb wie bei den Rätselheften und den Zeitschriften würde doch vielmehr zeigen, dass der Markt noch lohnt. Wettbewerb ist ein Indikator für einen gesunden Markt voller Möglichkeiten, in den es sich lohnt einzusteigen, auf dem man Geld verdienen will. Aber auf dem Heftromanmarkt herrscht fast schon Friedhofsruhe. Das zu einem Markt der Zukunft zu erklären (nur weil man dort traditionell beheimatet ist) ist nicht wirklich zielführend und in die Zukunft weisend.

Wir, die Jungens und Mädels der geburtenstarken Jahrgänge, sollen zwar nicht das Universum retten, aber den Heftroman. Wir, die Babyboomer,  sind (und sollen sein) Hoffnungsträger und Zukunftsmarkt des Heftromans, bis dann der Sargdeckel uns ins Gesicht schlägt und uns vom Kiosk oder der Bahnhofsbuchhandlung trennt? – Eher nicht. Man will uns, den ›Babyboomern‹, nun altbackenes Zeug vorsetzen. Aber auch wir sehen moderne TV-Serien und Kinofilme, lesen Bücher von zeitgenössischen Autoren. Auch wir waren den Einflüssen des sich wandelnden Zeitgeistes ausgesetzt und erfreuen uns durchaus daran. Es ist ja nicht so, dass wir nur die Wiederholungen alter Filme und TV-Serien sehen, die Neuauflagen von Belletristik-Bestsellern der fünfziger und sechziger Jahre lesen und sie noch für den letzten Schrei halten. Nein, auch wir haben andere Ansprüche entwickelt. Dass heißt aber nicht, dass nicht einige von uns immer noch das alte Zeug goutieren, doch wir wissen auch was wir uns da reinziehen. Aber uns Babyboomer zum Retter des Heftes zu machen? Das ist mir zuviel der Ehre. Da mach ich nicht mit.

Denn allzu viele (der lesenden Minderheit) von uns haben dem Heft in den letzten dreißig Jahren bereits den Rücken gekehrt, haben aufgehört, Hefte zu lesen und gelegentlich wird es vielen von denen warm ums Herz, wenn sie nostalgische Erinnerungen übermannen (aber gelesen wird höchstens mal der eine oder andere Band vom Flohmarkt oder vom Dachboden auf dem noch dieser oder jene Schatz der Jugend gehortet wird). Man kennt eben noch seine früheren Helden (was nicht heißt, noch regelmäßig ihre Abenteuer zu lesen oder gar neu zu kaufen). Aber wenn in einer Umfrage nach den bekannten Hefthelden gefragt wird, erinnert man sich noch an Sinclair, Cotton und Co. So bekommt Bastei dann [ungeachtet der tatsächlichen Nutzung] heraus, dass sie bekannte Marken haben. Dabei gingen bei einzelnen Serien und Reihen bis zu 80 % der Leserschaft verloren. Diese 80 % kommen nicht wieder … auch wenn Jerry und Perry ein Paar werden, ein kleines außerirdisches Mafiosikind adoptieren und auf dem Mars ne Ranch aufbauen.

Das war es dann für den Heftroman und auch in Köln bei Bastei täte man gut daran, diese Tatsache zu erkennen und wesentlich mehr in Energie und Geld in die Suche nach Zukunftsformen der trivialen Unterhaltung zu stecken, denn in die Aufbewahrung der Asche einstiger Erfolge. Die Urne sollte auf dem Kaminsims der Ruhmeshalle bleiben.

Aber darum kümmern wir uns ein andermal ...

Und in acht Tagen geht es weiter. Da heißt es dann ... Frisches für die Baby-Boomer - ›Frische‹ Unterhaltung für die Generation ›50+‹ [Link funktioniert erst am 8. Oktober 2014 und danach Wink]

Kommentare  

#31 Jonas Hoffmann 2014-10-18 04:30
@Alter Hahn
War auch gar nicht böse gemeint. Aber die Kerstin ist immer so bestimmend herrisch. Ich meine, meint sie wirklich ihr Hausbau ist der chaotischste ever? Wirklich? Never! Und ihr Exmann ist der bescheuertste ever? Never! usw. usw.
Sie gibt sich hier nicht wirklich als Querdenker, sondern irgendwie immer völlig Mainstream, manchmal auch RTL-Trashig, so auf die Art Frauentausch oder wie der Mist heisst.

Und ich denke bei vielen Autoren liegt richtig guter Stoff rum, aber das Problem ist das Produktplacement. Zur rechten Zeit der rechte Stoff. Das ist mitunter leider totaler Zufall. Ich meine, kann irgendeiner den Erfolg von Harry Potter erklären? Oder Twilight? Da war einer zur rechten Zeit am rechten Ort, offensichtlich mit gutem Stoff. M.E. war beides Mal absoluter Zufall. Nicht geplant, aber vielleicht ist das auch eines der Geheimnisse. Einfach mal tun!? Wer weiss es schon mit Sicherheit?
#32 Alter Hahn 2014-10-19 05:39
Jonas -

Ich kenne Kerstiin seit einer ganzen Reihe von Jahren - und es ist die ungewöhnlichste Frau, die mir je über den Weg gelaufen ist. Sie ist stark - und zwar innerlich und äußerlich - und setzt sich überall durch - auch in reiner Männergesellschaft. Versuch erst gar nicht, eine gedankliche Schublade für Kerstin zu finden - sie passt nirgendwo rein. Schon gar nicht in das "normale Frauenbild".

Ein Vegleich mit einer Walküre passt sicher am Besten. Von der Kraft her hat Kerstin das Potentiel, einen normalen Mann aus den Pantinen zu hauen. Von Geistigen her und von der weiblichen Logik gesehen sollte man besser kein Streitgespräch mit ihr anfangen - weil man vermutlich verliert.

Ihr Haus ist genau an ihren Geburtstag vor zwei Jahren abgebrannt udn sie konnte gerade noch ihre Haustiere retten. Bei der Rettung des Meerschweinchens als letztes ist sie fast bei drauf gegangen. Beim Neubau des Hauses macht sie eben viel selbst, weil sie der gleichen Ansicht ist wie Albrecht von Wallenstein: "Was man nit tut selbst, das ist nit wohlgetan!"

Kerstin und ich haben sehr, sehr viele gemeinsame Interessen. Und beide sind wir "ehegeschädigt". Das ist die Grundlage für eine Freundschaft, aus der nie mehr entstehen kann - das wr uns auch von Anfang an klar. Zumal wir beide der Meinung sind, dass es für uns beide besser ist, ungebunden zu leben. Wir wohnen zwar nur 50 km auseinander - aber ein Besuch pro Jahr reicht aus - den Rest machen E-mail und Telefon.

"RTL-Trashing" passt nicht auf sie - Kerstin hat keinen Fernseher und will auch keinen. 'Querdenker - doch das passt - sie denkt noch um tausend Ecken herum. Aber man muss sie kennen lernen, um das eingermaßen zu begreifen. Für die "Corinna Blake" hat sie Ideen beigesteuert, auf die ich wirklich nicht gekommen wäre. Bei einer Zusammenarbeit wäre das so ungefähr wie damals, als ich mit Werner Kurt Giesa die Zamorra-Konzepte gemacht habe.

Natürlich liegen auch bei allen andren Autoren Konzepte rum - und die können auch schreiben. Aber wichtig ist die Vermarktung und die Werbung - weniger, was im Buch drin is. Wenn es richtig beworben wird, werden die größten Langweiler zu Weltbestsellern. Planen kann man so was nur bis zu einem gewissen Grade.

Wenn ich das so richtig mit bekommen habe, dann war die Startauflage von Harry Potter 5.000 Stück. Als die verkauft war, hätte ein deutscher Verlag gesagt,:" Damit haben wir Geld verdient - aber eine Zweitauflage kommt nicht in Frage - wer weiß, ob wir ncoh mal so viele Bücher verkaufen. Und wer weiß, ob wir überhaupt von dieser sonderbaren Internatsgeschichte einen zweiten Band nehmen. Was ist, wenn den dann keiner kauft?"

Ja, so wäre das bei deutschen Verlagen - während man in England eben sofort nachgelegt hat... und Werbung gemacht. Nach den zweiten Band war Harry Potter schon in allen Zeitungen und in aller Munde - und die Werbung wurde kostenlos. Und wie es heute modern ist, sich "vergan" zu ernähren, so war es seinerzeit "modern", auf den nächsten "Harry Potter" zu warten. Und dann kamen die Filme noch dazu...das Markenzeichen "Harry Potter" ist ein Selbstläüufer geworden.

Der Mitarbeiter des Verlages, der die sonst überall bei den Verlagen abgelehnte Story "gemacht" hat, sitzt heute sicher in einem besseren Büro. Denn er hatte einfach den Mut, mal was auszuprobieren, was nicht als Riesenerfolg aus den USA kam. Und genau da warten unsere deutschen Verlage drauf.

Romane sind wie ein Skat-Spiel - immer die gleichen bekannten Karten und Werte - aber immer anders gemischt. Auch die "Corinna Blake" hat ihre Grundlagen auf bekannten Szenarien der Horror- und Gruselwelt mit der Basis von Religionen udn Mystik - verwoben mit Abenteuer, Krimi- und Agentenhandlung und einer gehörigen Portion Fantasy. Dazu eben nicht nur die Figur der Corinna Blake, sondern auch alle anderen Haupt- und viele Nebenfiguren sind so gezeichnet, dass sich Gutes und Böses in ihnen mischt und man auch nie weiß, ob die Dinge, die sie getan haben, am Schluss dem "Guten" dienen.Man wird erst einige Bände später erkennen, ob die Vernichtung eines Dämons nicht der Gegenseite, also der Hölle, einen direkten Vorteil brachte. Zumal in der Handlung auch die "Bösen" durchaus angenehme Züge haben können. Corinna Blake und der "Dunkle Harlekin" stehen in einer Art Hass-Liebe gegeneinander. Und der Leser wird nie enträtseln könen, was bei beiden überwiegt - Liebe oder Hass - Böses oder Gutes. ein, am Ende eines Romans sind weder Corinna noch der Dunkje Harlekin die strahlenden Sieger. Sie haben überlebt - und vieleicht ein paar Blessuren davon getragen - äußerliche und innerliche...

W.K.Giesa bezeichnete das Konzept als "Große Oper" - und damit hat er genau das richtige Wort gesprochenn. Und das ist vermutlich auch der Grund, warum niemand das Konzept wollte. Heft-Romane udn "Phantastik-Oper" - das passt nicht zusammen. So was hat nur einmal geklappt - mit Perry Rhodan...

Einfach mal tun? Etwa schreiben? Warum denn? Das ich noch ein paar hundert Seiten Datenmüll im Computer habe, der nach meinem Ableben gelöscht wird, weil der "Justinian" dann auf den Schrott fliegt oder die Festplatte gelöscht wird, weil was anderes drauf muss.

Nein, dazu sind mir meine letzten Lebensjahre zu kostbar. Wenn ich was schreiben will - dann gibt es da andere Sachen, wo ich weniger Recherche brauche. Und ich muss der Menschehit auch kein "literarisches Erbe" hinterlassen. Die Erkenntnis, was aus W.K.Giesas "literarischem Erbe" geworden ist, hat mich zum Nachdenken gebracht. So lange nicht ein gewisser pecuniärer Anreiz dabei ist, wird da nichts mehr draus. Da genieße ich meine letzten Tage lieber so, wie ich sie jetzt genieße.

Aber es ist ja unsinning, darüber überhaupt zu reden. Es gibt derzeit genug "Erfolgsautoren", die sich besser vermarkten lassen und die bei den Verlagsleuten vor allem viel besser angesehen sind und über bessere Kontakte verfügen. Das Grundkonzept der "Corinna" ist rund 20 Jahre alt, in der heutigen Fassung mehr als 10 Jahre. Und ich bin damit über Jahre hausieren gegangen. Keiner wollte es haben. Warum jetzt auf einmal? Das wäre ein Wunder - und an Wunder glaube ich nicht...

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