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Verursacht immer noch Kontroversen - Hugo Gernsback

Zauberwort - The EditorialVerursacht immer noch  Kontroversen -
Hugo Gernsback

to the OriginalObwohl Hugo Gernsback seit 1957 tot ist, sorgt er – oder besser der SF-Preis, der seinen Namen trägt – auch heute noch für Streitigkeiten. Die Hugo-Auszeichnungen wurden 1953 zum ersten Mal vergeben, an Werke, die aus der Menge der Science Fiction „herausragten“. Später weitete man die Auszeichnugen auch auf die Fantasy aus (und an diesem Punkt könnten wir eine Jahre lange Debatte darüber beginnen, was Science Fiction und Fantasy jetzt eigentlich sind und wo die Grenzen dazwischen liegen).


Aber ich muss den Artikel noch dieses Jahr veröffentlichen.


Dieser Tage haben gewisse Verschwörungstheoretiker die Behauptung aufgestellt, das die Hugo-Auszeichnungen nicht länger repräsentativ sind dafür, was die Leute gerne lesen. Und denkt euch bloß – die Verschwörungstheoretiker haben recht. Die Hugos (und einige verwandte Auszeichnungen wie der John W. Campbell Award) sind von einem vergleichsweise kleinen Teil des Fandoms „gefangen genommen“ worden.

Ein paar der Fans, die den Worldcon besuchen, haben behauptet, dass der Versuch der Sad Puppies, die Lage zu ändern, eine rechte Machtübernahme gewesen sei. Eigenartigerweise passen die meisten Leute, die die Sad Puppies unterstützen, zu keiner Definition des Rechten Flügels, die ich kenne.

Sie haben auch behauptet, dass die Bücher auf der Vorschlagslisgte der Sad Puppies nicht repräsentativ für das Fandom sind und dass die Organisatoren der Sad Puppies die Spielregeln auf unsportliche Weise ausgenutzt hätten. Das Witzige daran ist, dass derartige Spielchen schon seit Jahren laufen. Ich könnte jetzt Namen nennen, aber da ich ein höflicher Mensch bin, lasse ich es bleiben.

Brad R. TorgersonSad Puppies
Und so begann die Reise der Sad Puppies. Es war beabsichtigt, dass die Hugo-Vorschlagsliste der Sad Puppies die Hugos verbessern sollte. In den Worten Brad R. Torgersons darüber, wie die Hugos langweilig wurden:

„Eine Sache, die während dieser dritten Runde für die Sad Puppies ersichtlich geworden ist, sind die zahlreichen und unterschiedlichen Ansichten darüber, was bei den Hugos im Argen liegt. Bei diesem Meinungsaustausch ist vieles einfach nur eine Fortsetzung der Debatte während des Loncon 3 und kurz danach. Je nachdem, wen man fragt, sind die Hugos vor die Wand gefahren, weil sie entweder zu inselartig sind (das ist ein Teil der Sad Puppies-Theorie) oder zu leicht von Außenstehenden und ihren Stimmenblöcken manipuliert werden können (die Theorie der „Puristen des Fandoms“) oder weil das „Fandom“ selbst immer noch zu weiß, zu heterosexuell und zu geschlechterstatisch ist (nennt das die Theorie der Betroffenheitsstudien) oder sogar daran, dass die Hugos zu viel Zeit mit beliebten Werken verschwenden auf Kosten der echten Literatur (die Theorie des erhobenen Snobzeigefingers) oder weil das Fandom anfällig ist für Modererscheinungen und mit Glitzerstaub bestreuten Leithammeln hinterherläuft wie etwa den Nebulas.
Ich möchte eine andere Theorie vorstellen. Eine, von der auch andere vor mir gesprochen haben. Ich nenne sie die „Theorie der unzuverlässigen Verpackung“.

Und das betrifft nicht nur die Hugos, sondern das literarische Feld der  SF und Fantasy insgesamt. Man sieht das an den (wieder einmal) fallenden Verkaufszahlen in den Buchhandlungen. Wenn man vor ein paar Jahrzehnten ein hübsches Raumschiff auf dem Cover sah, mit einem umwerfenden Planeten im Hintergrund, dann konnte man ziemlich sicher sein, dass man ein spannendes Abenteuer im Weltraum mit Raumschiffen und fremden Welten bekommen würde. Sah man einen axtschwingenden Barbaren? Dann gab's ein aufregendes Fantasy-Abenteuer mit breitschultrigen Helden, die Ungeheuer erschlugen und sich mit schönen Frauen davon machten. Interstellare Fallschirmjäger in schwerer Körperpanzerung, die fremdartige Invasoren niederschießen? Jawoll. Knackige Military SF-Kriegsgeschichten, in denen Menschen gegen alle Wahrscheinlichkeit zum Kampf antreten, siegen und die Erde retten. Und so weiter und so fort. Heutzutage kann man sich da nicht mehr sicher sein.“

Und da hat er Recht, in gewisser Weise. Es hat da ein Problem gegeben, dass die Verpackung nicht mehr zum Inhalt passte. Aber auch all die anderen Gründe, die er nennt, spielen eine Rolle. Es gibt eine Menge Lesestoff auf dem Markt, die nicht gut lesbar ist, und eine ordentliche Anzahl davon ist für einen Hugo vorgeschlagen worden.

Werfen wir doch mal einen Blick auf die Vorschlagsliste der Sad Puppies, von der es einige Vorschläge auf die Liste der Kandidaten für den Hugo 2015 geschafft haben. Und dann vergleichen wir sie mit den Hugo-Gewinnern der letzten fünfzig Jahre. Hier ist die Liste der Gewinner in der Kategorie „Bester Roman“ aus der Wikipedia (das soll jetzt nicht heißen, dass mir die anderen Formate nicht gefallen – tatsächlich liebe ich es, Kurzgeschichten zu lesen und zu schreiben – aber auf dem Markt von heute lesen die meisten Leute nun mal Romane).

Die Kandidaten für einen Hugo unter den Romanen sind, jedenfalls mindestens bis 1985, verdammt kraftvolle Arbeiten. Nach 1985 gibt es einige Problemfälle. Das soll jetzt nicht heißen, dass die Bücher selbst schwach gewesen wären, nur – eine Menge von ihnen sind nicht die Art Roman, die in früheren Jahren mit einem Hugo ausgezeichnet worden wären.

Dann müssen wir uns der Frage stellen, ob die Vorschlagsliste der Mad Puppies irgendwie besser ist. Unglücklicherweise ist sie das nicht. Ohne jetzt irgendjemanden besonders herausheben zu wollen sind zahlreiche Vorschläge der Sad Puppies schablonenhaft geschrieben und schaffen es, spannende Situationen langweilig zu beschreiben. Andere … na ja, die finde ich einfach unlesbar.

Meiner Ansicht nach sind das einfach keine Hugo-Gewinner. Natürlich waren die 2014er Hugos das auch nicht.

Beachtet dabei: während es für Science Fiction und für Fantasy heute wahrscheinlich mehr Leser und mehr Autoren gibt als jemals zuvor, haben sich die Teilnehmerzahlen am WorldCon nicht im gleichen Ausmaß entwickelt. Behaltet den Gedanken im Hinterkopf, ich komme gleich darauf zurück.

Was können wir dagegen tun?
Als Erstes müssen wir uns die Vorschlagsliste für die Hugos anschauen, ebenso die Liste der Sad Puppies und die Liste der Rabid Puppies (Ja, es hat auch eine Vorschlagsliste der Rabid Puppies gegeben). Fällt da irgend etwas auf?

Auf diesen Listen findet sich nur sehr selten Werke in anderen Sprachen als Englisch. Nehmen wir mal Perry Rhodan als Beispiel. Wann war Perry Rhodan, entweder die Originalserie oder der Reboot Neo, das letzte Mal für einen Hugo vorgeschlagen? Wenn Ihr „Noch nie!“ getippt habt, liegt Ihr richtig. Perry Rhodan ist unter deutschsprachigen Fans ungeheuer beliebt, und einiges davon ist wirklich guter Stoff (nehmt zur Kenntnis, dass ich so gut wie kein Deutsch verstehe, ich halte mich an die Übersetzungen, die in den 70ern gemacht wurden).

Wie oft ist schon ein Manga vorgeschlagen worden? Wenn Ihr „Noch nie!“ geraten habt, dann habt Ihr Recht. Jede Menge Fantasy erscheint im Manga-Format, und Mangas sind sowohl auf Japanisch als auch auf Englisch ungeheuer beliebt.

Wie oft werden „Star Wars“-Romane vorgeschlagen? Noch nie.

Wir oft werden „Star Trek“-Romane vorgeschlagen? Noch nie.

Wann hat das letzte Mal ein Computerspiel gewonnen? Jede Menge Computerspiele haben Bestandteile aus Science Fiction und Fantasy.

Aber, sagt Ihr jetzt, es gibt doch keine Kategorien für einiges auf dieser Liste, und wie können englischsprachige Fans die Perry Rhodan-Romane von heute lesen und sich entscheiden, ob sie ihre Stimmen dafür abgeben wollen?

Jetzt kommen wir zu den unangenehmen Angelegenheiten, den Fragen, die gelegentlich von den Komitees diskutiert werden, die die Conventions organisieren, bei denen sich aber niemals etwas zu ändern scheint.

Das Fandom bekommt graue Haare. Als ich an meinen ersten Cons teilnahm (Toronto Star Trek, 1976), da waren eine Menge Fans älter als ich - und das war nicht weiter schwierig, denn ich war neunzehn. Ich werde dieses Jahr neunundfünfzig. Der einfachen Demographie nach sollte ich zu den älteren zwanzig Prozent des Fandoms gehören. Das tue ich aber nicht. Ich bin vom Alter her vielleicht bei den oberen fünfzig Prozent dabei, aber ich bezweifle es. Falls ich es dieser Tage noch zu einer Convention schaffe, dann scheint die Anzahl der Besucher, die jünger sind als ich, in den Schatten gestellt zu werden von der Anzahl derer, die älter sind.

Unterm Strich erleben wir die Evolution bei der Arbeit. Wir als Fans haben uns keine Mühe gegeben, die jüngere Generation ins Boot zu holen. Ja es gibt sie, Familien wie meine, in der die Kinder Fans wurden, weil Mami und Papi sie auf ihre ersten Conventions mitgeschleppt haben.

Aber was ist mit all den Kindern, deren Eltern nicht schon Fans waren? Ganz einfach: wir haben sie im Stich gelassen. Wir haben uns keine besondere Mühe gegeben, sie als Fans zu gewinnen, und jetzt zahlen wir den Preis dafür. Lasst noch einmal zwanzig Jahre vergehen und das Fandom wird um zwanzig oder dreißig Prozent geschrumpft sein, und die Anzahl der Leute wie ich, deren gesundheitliche Probleme es ihnen verdammt schwer oder sogar unmöglich macht, an Conventions teilzunehmen, wird explosionsartig zugenommen haben.

In ganz einfachen Worten: falls wir nicht die Ärsche hoch kriegen und etwas unternehmen, dann sind wir in fünfzig Jahren ausgestorben.

Nein. Das ist kein Witz!

In fünfzig Jahren wird es kein Fandom mehr geben, es sei denn, wir tun jetzt etwas.

Wir müssen die Hugo-Auszeichnungen mit den Kategorien ergänzen, die ihnen heute noch fehlen. Wir müssen uns an die Fans richten, die bis jetzt nicht unterstützt werden, wie die Fans von Perry Rhodan und die Fans, die Science Fiction und Fantasy in französischer Sprache oder auf Japanisch, Koreanisch, Portugiesisch, Spanisch oder beliebigen anderen Sprachen lesen, ganz egal, in welcher Form.

Schlusswort
Die Hugo Awards haben ihre Bedeutung verloren. Ihr könntet mit mir über das Stichjahr streiten, das ich ausgesucht habe (1985) oder über meine Sicht der Hugos, aber ihr könnt mit mir nicht über die Demographie des Fandoms streiten. Wir sind ein Haufen alter Leute mit grauen Haaren, und die jüngere Generation hat es aus irgendeinem Grund nicht eilig damit, ehrfürchtig zu unseren Füßen zu sitzen.

Um das Problem in Ordnung zu bringen, müssen wir die Hugos aufbohren und jüngeren Leuten Mut machen, sich einzubringen.

Ja, mir ist klar, dass ich wahrscheinlich eine Menge Leute jetzt wirklich ziemlich sauer mache, wenn ich das sage, aber wir sind selbst schuld daran. Wir waren zu sehr mit uns beschäftigt, und zwar viel zu lange.

Was werdet ihr jetzt dagegen tun?

Mit freundlichen Grüßen
Wayne Borean

Übersetzung: Harald Weber

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