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2015: Das Jahr der Puppies - Die HUGO-Frage, Teil 2

The Hugo Issue2015: Das Jahr der Puppies
Die Hugo-Frage, Teil 2

to the English originalBrad Torgersen schreibt einen Beitrag für den Zauberspiegel über die Kampagnen der Puppies, die die meisten Plätze auf der diesjährigen Vorschlagsliste für den Hugo Award belegt haben. Mich hat man eingeladen, die Gegenseite vorzustellen.

Nur: eine “Gegenseite” gibt es nicht. Da gibt es keine Schlacht zwischen Puppies und Puppygegnern.

Jim C. HinesEs gibt zwei organisierte, voneinander getrennte und sich doch teilweise überlappende Puppy-Vorschlagslisten (Sad [Traurig] und Rabid [Tollwütig]), es gibt ihre Unterstützer und … na ja, so ziemlich jeden anderen.

Leute sind aus verschiedenen Gründen und in unterschiedlichem Ausmaß von Verärgerung nicht glücklich über die Puppies, aber es gibt keine organisierte “Gegenseite” und auch keinen koordinierten Feldzug gegen die Puppies. Es gibt keine Anti-Puppies-Verschwörung.

Der Hintergrund:
Der Feldzug der Sad Puppies begann im Jahr 2013 mit dem Versuch des Autors Larry Correia, seine Leser dazu zu bringen, ihn für den Hugo zu nominieren. Das stellte er dar als die Wahl zwischen unterhaltsamen Geschichten in der Groschenhefttradition wie den seinen oder aber “schwer verdaulichen Schriftwerken mit Botschaften”, wie sie die “Literati-Elite” propagiert (Quelle).

Correia kam 2014 mit der gleichen Botschaft zurück.

“Ihr könnt großartigen Büchern dabei helfen, schicke Hugo-Awards zu gewinnen, und die Literati damit in den Wahnsinn treiben! … Kein langweiliger, prätentiöser Dreck von Möchtegern-Literati mehr!”

Dabei beschrieb er seine Bemühungen ausdrücklich als eine Wahlliste und erklärte, er habe sich bemüht, Leute vom rechten politischen Spektrum auf die Liste zu setzen; dazu gehörte auch Theodore Beale, der es auf die Hugo-Vorschlagsliste schaffte, aber bei der Auszählung den letzten Platz bekam – mit weniger Stimmen als die Option 'Vergebt keinen Hugo'. (Quelle)

2015 reichte Correia die Fackel der Sad Puppies weiter an Brad Torgersen. Torgersen behauptete:

“Die abstimmende Gruppe des Fandoms hat dazu tendiert, in die entgegengesetzte Richtung zu gehen: in die Nischen, zum Akademischen, deutlich linkslastig bei der Weltanschauung und dem Aroma, und letzten Endes mit viel zu wenig von dem, was man am besten als abenteuerlichen Spaß aus dem Bauch heraus bezeichnet.”

Also machte sich Torgerson – der sowohl 2012 als auch 2014 selbst für einen Hugo nominiert worden war – auf den Weg, um zurück zu schlagen gegen die abstimmende Gruppe des Fandoms, die Leute wie ihn anscheinend von den Hugo-Nominierungen fernhielt. (Quelle)

Theodore Beale brachte auch seine eigene Hugo-Vorschlagsliste auf den Weg, die Liste der Rabid Puppies, in der er sich selbst in zwei Kategorien nominierte und einen seiner eigenen Autoren in sechs Kategorien.

Mit diesen beiden Listen beherrschten die Puppies die Endausscheidung der Hugos.

Nichts davon verstößt gegen die Hugo-Regeln. Allerdings sind die Puppy-Wahlkämpfe das erste Mal, dass wir organisierte Abstimmungen nach Listen gesehen haben. Wegen der Art, wie der Nominierungsvorgang abläuft, kann eine verhältnismäßig kleine Gruppe von Leuten, die mehr oder weniger im Gleichschritt abstimmen, einen unverhältnismäßig großen Einfluß auf die Endausscheidung haben – und den hatten sie auch.

Die Entwicklung:
Torgersen behauptete, den Sad Puppies ginge es darum, gute Geschichten in die Endausscheidung zu bringen, aber mit der Zeit ist klar geworden, dass es mehr um Politik, Fehden und Rachsucht geht. Dazu gehört das Schlechtmachen von John Scalzi wegen einer eingebildeten Spitze gegen den Baen-Verlag, Seitenhiebe gegen Nick Mamatas oder das Erfinden abfälliger Spitznamen für seine “Gegner”. Er griff Teresa Nielsen Hayden an, nachdem sie (vollkommen zu Recht) darauf hinwies, dass die Hugos repräsentativ für den WorldCon sind und nicht für das gesamte Fandom:

TNH: Wenn ich sage, dass die Hugos zum WorldCon gehören, dann spreche ich von Besitzverhältnissen der Auszeichnung nach den Buchstaben des Gesetzes. Aber ich weiß auch, dass einer der wichtigsten Gründe für die Magie dieser Rakete darin liegt, dass sie im geistigen Sinne uns allen gehört, die wir die Science Fiction lieben.
Brad: Hört ihr das, Fans? Auf uns kommt's nicht an. Der Hugo ist Teresas persönlicher Preis. Ihrer und der der anderen TruFen und CHORFs*. (Quelle)

Mehrere Nominierte traten von der Liste zurück, sobald sie mehr über die Situation erfuhren. Torgersen beschuldigte unverzüglich “die Linken”, sie würden Druck auf die Nominierten ausüben und sie aus der Ausscheidungsliste vertreiben – selbst wenn diese Nominierten selbst ausdrücklich erklärten, dass das nicht der Fall sei. (Quelle)

Er weigerte sich hinzunehmen, dass Menschen zu Wahllisten und Blockabstimmungen anderer Meinung sein konnten als er, und behauptete: 

“100% des Widerstandes gegen SP3 können reduziert werden auf ein einziges Prinzip: Hochnäsigkeit.”(Quelle)

Einige Leute haben die Vermutung ausgesprochen, dass es bei der Wahlliste nicht darum ging, Arbeiten zu nominieren, die man übersehen hatte, sondern dass Torgersen seine Freunde in die Endausscheidung bringen wollte. Michael Williamson machte die Anmerkung, dass seine eigene Nominierung zu Stande kam, nachdem

“Brad fragte, was ich veröffentlicht hatte, das für den Hugo vorgeschlagen werden könnte, und ich erwähnte ‘Wisdom.’” (Quelle)

Torgersens Kommentare wurden zusehends paranoider und abgedrehter – er verglich eine Stimme für "Vergebt keinen Hugo" mit dem Urteil Salomos, fand Ähnlichkeiten zwischen dem Fandom und einem Gulag und versuchte sogar, eine Querverbindung zum 11. September zu ziehen. Vor kurzem hat er verkündet:

“Wenn sie uns in Ketten legen, in Güterwagen treiben und zum Sterben in die Eiswüste schicken könnten, dann würden sie keinen Augenblick zögern, das zu tun.” (Quelle)

Beweggründe:
Ich kann Torgensens Gedanken nicht lesen. Er hat gesagt, es gehe darum, Autoren und Arbeiten zu ehren, die übersehen worden sind, aber er rutscht ständig ab in Angriffe gegen “politische Korrektheit” und “CHORFs” und “affirmative action fiction”. (Ich bin nicht sicher, was er mit diesem letzten Begriff meint, abgesehen davon, dass wir in den letzten Jahren mehr Geschichten gesehen haben von und über Leute , die keine heterosexuelle Männer mit weißer Hautfarbe waren). Wenn er auch ehrlich frustriert sein mag, dass die Auszeichnungen an Geschichten und Autoren gingen, die ihm nicht gefielen, so steckt Torgersen doch den Großteil seiner Zeit und Energie in den Krieg, den er in seiner Vorstellung führt, gegen die Liberalen, die Linken, die “Krieger für soziale Gerechtigkeit” und wen es sonst noch so gibt

Es ist behauptet worden, Torgersen täte das, um bekannter zu werden und so seine Karriere zu fördern:

“Ich erinnere mich an seine Antwort. Sein ganzes Ziel war es, sich als den Anti-Scalzi in Position zu bringen, weil das seinem Kumpel Larry nicht geschadet hatte. Er hatte vor, Wellen zu Schlagen und Laut zu Sein, um so die Aufmerksamkeit von Leuten mit Geld aus dem politisch rechten Flügel auf sich zu ziehen.” (Quelle)

Selbst Torgersons Beschwerden darüber, dass Autoren und ihre Arbeiten übergangen werden, sind auf teilweise oder ganz falsche Annahmen aufgebaut. Er beklagt:

“Während die große Welt der Konsumenten im Kino sitzt und den letzten Film mit den Avengers verschlingt, vergibt das “Fandom” die “prestigeträchtigste Auszeichnung der Science Fiction” an Geschichten und Bücher, die die Leute im Kino zu Tode langweilen”

... entweder weiß er nicht, dass das Fandom 2013 die Avengers nicht nur nominierte, sondern dass der Film in diesem Jahr auch den Hugo gewonnen hat, oder es ist ihm egal. (Quelle)

Er jammert:

“Tatsächlich ist es so, dass jeder Autor, der jemals in Orson Scott Cards Intergalactic Medicine Show veröffentlicht wurde … draußen vor der Tür in der Kälte stehen gelassen wurde aus rein ideologischen Gründen.”

Dabei vergißt er entweder Menschen wie Mary Robinette Kowal, die einen Hugo gewonnen hat, nachdem sie in diesem Magazin veröffentlicht wurde, oder er ignoriert sie. (Quelle)

Was die anderen Puppies angeht, können wir uns ihre eigenen Aussagen anschauen, um ein Gefühl für ihre Beweggründe zu bekommen. Hier sind ein paar von ihnen:

  • Der Organisator der Rabid Puppies Theodore Beale sagt: “Ursprüngliches Ziel der Rabid Puppies war es, gar keinen Award vergeben zu lassen.”
    (Quelle)
  • Der von den Puppies nominierte Tom Kratman erklärt, er wolle die Hugos "für alle Zeiten erledigt wissen, so dass sie nie mehr wieder vergeben werden."
    (Quelle)
  • Der von den Puppies nominierte Michael Williamson stimmte für 'Keinen Hugo vergeben' in allen Kategorien, einschließlich der, in der er selbst nominiert war.
    (Quelle)

Nicht jeder bei den Sad Puppies und bei den Rabid Puppies will die Auszeichnungen zerstört sehen. Für einige der Nominierten ist der Hugo ausgesprochen wichtig. Aber in der Hauptsache scheinen die Kämpfe um die Hugos eine Nebelwand zu sein, die den Kulturkampf der Anführer der Puppies verschleiert.

Wut auf die Puppies:
Es gibt keinen einheitlichen Grund oder Begründungen für die Wut über die Puppies, genau so wenig wie es eine einheitliche “Anti-Puppies”-Front gibt.

Einige Leute sind frustriert über die Art, wie die Puppies vorsätzlich Hass und Furcht anfachen;  Anstrengungen, die vor Kurzem einen nominierten Puppy dazu brachten, der Polizei von Spokane einen Brief zu schreiben, in dem behauptet wird, der Worldcon-Ehrengast David Gerrold sei

“geisteskrank und eine Gefahr für die Öffentlichkeit”.

In Torgersons Blog ist mindestens eine Diskussion in die Tiefen der Androhung von Gewalt und des versuchten Rufmordes abgeglitten. (Quelle) Während ich nicht glaube, dass Torgerson sich aktiv daran beteiligt hat, hat er ganz sicher kein Problem damit, solchen fortlaufenden Häßlichkeiten Raum zu bieten, so lange sie sich gegen seine Gegner richten.

Andere sind wütend, weil Arbeiten, die das durchaus verdient hätten, durch die Wahllisten von der Endausscheidung ferngehalten worden sein könnten. (Die hervorragende Geschichte Three-Body Problem hat es nur deshalb in die Endausscheidung geschafft, nachdem einer der Puppies seine Nominierung zurückzog; sogar einige der Anführer der Puppies haben eingeräumt, dass Three-Body Problem zu Recht auf der Endausschiedungsliste steht.)

Da gibt es auch eine ganze Menge Frustration über das, was als ein Rückschritt in Bezug und Inklusion und Diversität erscheint - was auch die drastische Umkehr eines Fünf-Jahres-Trends zu Gendergleichheit auf der Endausscheidungsliste beinhaltet. (Quelle)

Dann sind da auch einige Leute, die sauer sind, weil die radikalen und extremen Einstellungen der Puppies Bemühungen überschreien, die wirklichen Probleme auszudiskutieren. (Zum Beispiel stimme ich mit Brads ursprünglichem Kommentar überein, dass Werke zu Filmen und Fernsehserien mehr Beachtung verdienen. Trotz dieses behaupteten Ziels haben die Puppies nicht einen einzigen derartigen Roman nominiert.)

Und zu guter Letzt sind eine Menge Leute traurig und wütend über den Schmutzfleck, den diese ganze Misere auf dem WorldCon und den Hugo Awards hinterlässt, die doch eigentlich ein Grund zur Freude und zum Feiern für das ganze Genre sein sollten.

Lesestoff zur Sache:

*Anmerkung des Übersetzers: CHORF hat mich vor eine Herausforderung gestellt, der ich nicht gewachsen war. Hier steht zwar eine Auflösung, aber “Cliquish, Holier-than-thou, Obnoxious, Reactionary, Fanatics“ in ein aussprechbares Akronym zu überführen – nein, das ist es nicht wert. “Klüngelhafter Scheinheiliger Widerwärtiger Reaktionärer Fanatiker”? Laß gut sein.

Übersetzung: Harald Weber
Photo of Jim C. Hines by Denise Leigh

To Wayne Boreans editorial -  The overview on the aritcles and addional material on »The Hugo Issue«

Kommentare - wenn möglich - in Englisch unter der Originalversion des Beitrags.

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