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... Frank Heller über Lovecraft, Rollenspiel und cthuloide Welten

Frank Heller ... Frank Heller ...
... über Lovecraft, Rollenspiel und cthuloide Welten

Frank Heller, Jahrgang 1974, geboren in Göttingen kam bereits in den achtziger Jahren zum ersten Mal mit Rollenspiel in Berührung. Seit 1999 gehört er zum Cthulhu-Rollenspiel-Autorenteam. Von ihm erschienen unter anderem die Abenteuer „Ekke Nekkepenn“ (in der Box „Auf den Inseln“), „Kinder des Käfers“ (im gleichnamigen Band) sowie verschiedene Artikel im Cthuloide Welten-Magazin, dessen Chefredakteur er seit der ersten Ausgabe im Jahre 2001 ist.

Nach Abschluss seines Jurastudiums ist er mittlerweile unter anderem auch als Chefredakteur der gesamten Cthulhu-Rollenspiel-Reihe bei Pegasus Spiele tätig.

Zauberspiegel: Hallo Frank, das alte Jahr liegt gerade hinter uns, das neue Jahr hat eben erst begonnen - wie sieht Dein persönliches Resümee für 2008 aus? Wie lief das Jahr für Cthulhu?
Frank Heller: Für mich persönlich war es ein gutes Jahr. Getrübt nur durch einen Todesfall in der Verwandtschaft. Für Cthulhu lief das Jahr ebenfalls positiv; wir haben gegen den allgemeinen Trend weiterhin leicht steigende Umsätze zu verzeichnen. Ich habe aber als Chefredakteur den Blick in der Regel nach vorne gerichtet und arbeite ja schon an Büchern, die erst in der nahen bis mittleren Zukunft erscheinen. Und da gibt es einige Titel, auf die ich mich besonders freue, 2009 beispielsweise die deutsche Ausgabe der Nocturnum-Kampagne für Cthulhu Now, die wir unter Lizenz von Fantasy Flight Games bringen und die wir unbedingt auf Deutsch sehen wollten, weil sie richtig gut ist.

Zauberspiegel: Seit 2002 bist Du Chefredakteur für Cthulhu bei Pegasus - wie sieht die Arbeit eines Chefredakteurs aus? Kannst Du uns einen Einblick in deinen Arbeitsalltag geben?
Frank Heller: Ich bin ja als Chefredakteur zugleich für die Cthuloide Welten zuständig. In meiner Funktion erledige ich vor allem Kommunikation mit den Fans; wir kriegen ja doch zu allen möglichen Themen Anfragen, außerdem Kommunikation mit den Mitarbeitern. Es gibt auch gelegentlich unverlangt eingesandtes Material zu sichten - und dann ist da noch der große Bereich Planung und Konzeption. Daneben betreue ich nicht nur die CW, sondern auch mehrere Buchpublikationen pro Jahr redaktionell, das frisst sogar noch mehr Zeit.
Ich stehe meist um 06.00 Uhr auf, erledige Emailverkehr, gehe zur Arbeit, und nach Rückkehr von dieser geht es dann wieder weiter mit Abwicklung von Emailverkehr und anderen der genannten Aufgaben. Die Wochenenden nutze ich auch meist für Cthulhu.


Zauberspiegel: Wie in anderen Interviews mit Dir zu lesen war, machst Du den Job bei Pegasus nebenberuflich. Wie lassen sich zwei Jobs und ein zufriedenstellendes Privatleben unter einen Hut bringen?
Frank Heller: Das geht nur mit einer guten Selbstorganisation und vorausschauendem Arbeiten. Ich arbeite kontinuierlich für teilweise sogar recht weit in der Zukunft liegende Cthulhu-Projekte. Dadurch bin ich ständig am Arbeiten, schaffe es aber, Stressspitzen zu vermeiden. Auch bleibt der Arbeitsberg dadurch beherrschbar.
Beispielsweise liegt der Arkham-Abenteuerband, der im Sommer 2009 als Veröffentlichung geplant ist, bereits seit Spätsommer 2008 fertig vor. Ich hatte an dem Buch gearbeitet, seit ich wusste, dass wir es bringen, und alle Zeit genutzt, die ich hatte. Dafür bin ich jetzt frei für wieder andere Projekte, die auch noch anstehen.


Zauberspiegel: Wie bist Du zu Cthulhu gekommen? Stand Lovecrafts Literatur oder das Rollenspiel am Anfang?
Frank Heller: Ich habe "Auf Cthulhus Spur" in den 80ern im Rollenspielladen entdeckt.
Damals suchte ich ein Horror-Rollenspiel, eigentlich hätte mich Chill mehr interessiert, aber das gab es nicht auf Deutsch, so dass ich damals bei Cthulhu zugriff. Es hat mich seitdem nicht mehr losgelassen. Lovecraft kannte ich damals noch nicht, habe seine Geschichten aber dann auch recht schnell verschlungen.


Zauberspiegel: Und wie bist Du zu Rollenspielen im Allgemeinen gekommen - welche Systeme hast Du vor deiner Cthulhu-Zeit gespielt?
Frank Heller: Ich habe 1985 zu Weihnachten die Box "DSA Junior - Geheimbund des Schwarzen Auges" geschenkt bekommen. Das Spiel war für mich wie eine Offenbarung, nach so etwas hatte ich schon immer gesucht. Ich habe mir alsbald das "richtige" DSA zugelegt und nach und nach weitgehend alle Rollenspiele, die es zu der Zeit auf Deutsch gab. Damals habe ich wirklich alles und querbeet gespielt - als Schüler und später Student hat man für so etwas ja glücklicherweise noch Zeit.

Zauberspiegel: Wie sieht es momentan aus - spielst du noch oder lässt dein  (wahrscheinlich ziemlich voller) Terminkalender dies nicht mehr zu?
Frank Heller: Ich spiele mittlerweile nur noch Cthulhu, zu etwas anderem komme ich nicht mehr. Allerdings bin ich nach wie vor ein Freund der verschiedensten Rollenspiele, auch abseitigere, ich komme nur nicht mehr dazu, sie zu spielen.
 
Zauberspiegel: Haben Lovecrafts Werke heute noch Einfluss? Wenn ja, wie erklärst Du das?
Frank Heller: Lovecrafts Werke haben auch heute noch einen großen Einfluss auf das gesamte Horrorgenre - neben Romanen gibt es Hörspiele, Computerspiele,das Cthulhu-Rollenspiel, Filme und wahrscheinlich noch einiges mehr - wie erklärst Du Dir das, vor allem angesichts der Tatsache, dass Lovecraft bereits seit mehr als 70 Jahren tot ist?
Es liegt in erster Linie am Lovecraft-Zirkel, den er quasi um sich aufgebaut hatte. In diesem lebte er auch nach seinem frühzeitigen Tod weiter.
Insbesondere zu nennen ist August Derleth, von dem man als Schriftsteller halten kann, was man mag, aber ein Verdienst kommt ihm in jedem Fall zu: Er hat Lovecrafts Werk veröffentlicht und über Jahrzehnte verbreitet und präsent gehalten. Auch haben viele Autoren nach Lovecrafts Tod über den Cthulhu-Mythos geschrieben und damit auch Lovecraft weiter in Erinnerung gehalten. Gerade der Cthulhu-Mythos ist es, was auch heute noch viele Leute fasziniert und zu eigenen Geschichten inspiriert. Er ist ja zugleich zentraler Teil des Cthulhu-Rollenspiels. Wäre Lovecraft "nur" ein Horror-Schriftsteller gewesen, ohne sich diese kosmischen Hintergründe mit den Großen Alten etc. auszudenken, wäre es gut möglich, dass man sich heute nicht mehr im gleichen Maße an ihn erinnern würde.


Zauberspiegel: Gibt es unter Lovecrafts Mythos-Geschichten eine, die es Dir besonders angetan hat und wenn ja, warum?
Frank Heller: Berge des Wahnsinns. Ich stehe auf Expeditions-Geschichten, die Erforschung unbekannter Erdteile, und diese hier verquickt das zugleich mit unglaublichen, ich sage mal "archäologischen", Funden. Man erfährt hier auch sehr viel über den Cthulhu-Mythos; ich finde die Geschichte einfach fantastisch.

Zauberspiegel: Und wie sieht es bei den (durchaus sehr unterschiedlich gemachten) Verfilmungen aus? Hat Dich einer der Filme (Re-Animator, Dagon, Necronomicon, Call of Cthulhu) überzeugen können?
Frank Heller: Ich warte noch immer auf einen wirklich fantastischen Film zu Lovecrafts Werken. Meine Hoffnungen ruhen auf dem Berge des Wahnsinns-Projekt von Guillermo DelTorro, das aber auch schon seit Jahren nur angekündigt ist. Ich fand eine Reihe der bisherigen Verfilmungen zumindest unterhaltsam, From Beyond etwa, Re-Animator, auch Dagon. Call of Cthulhu ist ein Liebhaberprojekt, das ich schon deshalb schätze. Aber so ein wirklich guter Film, der Lovecrafts Werk getreu erfasst, ist noch nicht dabei gewesen.

Zauberspiegel: Für 2009 habt Ihr angekündigt, wieder vermehrt Produkte zu Cthulhu in den USA auf den Markt bringen zu wollen. Was erwartet uns genau?
Frank Heller: Zwei Bücher sind es genau: Der Quellenband zur Stadt Arkham, und ein begleitender Abenteuerband mit Abenteuern in Arkham. Der Arkham-Band ist eine Verschmelzung von gleich zwei Büchern von Chaosium, nämlich deren Arkham-Buch und deren Miskatonic University-Buch. Letzteres ist nämlich teilweise deckungsgleich mit dem Arkham-Band, widerspricht diesem aber. Man könnte es daher als eine Art Patch auf den Arkham-Band bezeichnen. Bei uns erscheinen beide Bücher zusammen als ein Buch, das dann auf dem neuesten Stand ist. Das Buch wird recht dick, und so haben wir alle Abenteuer in einen gesonderten Abenteuerband ausgelagert. In diesem werden voraussichtlich 8 Abenteuer in Arkham und Umgebung enthalten sein.

Zauberspiegel: Und darüber hinaus - was können Cthulhu-Spieler für 2009 erwarten?
Frank Heller: Demnächst erscheint "Verschlusssache", ein Handbuch für Cthulhu Now, das sich besonders auch an Spieler richtet und sich mit Ermittlungsmethoden und Ausrüstung beschäftigt. Enthalten ist auch ein Soloabenteuer.
Im Laufe des Jahres kommt außerdem noch das Buch "Die Traumlande". Unter diesem Titel ist vor bald 20 Jahren beim damaligen Cthulhu-Hersteller Laurin schon eine Box erschienen, unser Buch ist aber eine vollkommen neue Ausgabe, die bis auf die Abenteuer auch weitgehend neu geschrieben wurde, und in vielen Punkten der alten Box widerspricht. Das neue Buch ist daher nicht mehr kompatibel mit der alten Box. Die Traumlande sind ein Traumreich, in das man sich hineinträumen kann, aber auch körperlich gelangen kann, und das letztlich eine Art besonders fantastische Fantasiewelt ist; nicht immer düster, sondern oft auch einfach sehr abgefahren. Ausgedacht hat sich die Traumlande bereits Lovecraft selbst. Im Buch ist auch ein komplett neues Abenteuer enthalten, von Peter Schott.
Zu nennen ist dann noch die Nocturnum-Kampagne, die ab Jahresende in drei Bänden erscheint. In dieser weltumspannenden Kampagne für Cthulhu Now müssen die Charaktere einem perfiden Plan auf die Spur kommen, der zur Vernichtung der Erde führen wird, und ihn vereiteln, und das, obwohl sie selbst zugleich zu Gejagten werden. Ich finde die Kampagne persönlich unglaublich gut und freue mich, dass wir sie auf Deutsch bringen können.
Im Herbst steht dann auch eine reine Eigenentwicklung an, nämlich der schon lange angekündigte Mittelalterband, der die Zeit von 500-1500 abdeckt, was natürlich nur in Spotlights möglich ist. Mit dem lange vergriffenen Buch Cthulhu 1000 AD hat er nicht viel gemein; es wir ja das Spiel im gesamten Mittelalter ermöglicht. Enthalten sind auch zwei Abenteuer zu verschiedenen Abschnitten des Mittelalters.


Zauberspiegel: Was zeichnet Cthulhu Deiner Meinung nach gegenüber anderen Rollenspielen aus?
Frank Heller: Es geht im Spiel nicht darum, ständig mächtiger zu werden. Man spielt normale Leute wie Du und ich in der (weitgehend) realen Welt, die unvermittelt mit dem Grauen konfrontiert werden, die verletzlich sind und angesichts des Erlebten wahnsinnig werden können. Das ist ein völlig anderer Ansatz als bei den klassischen Rollenspielen, in denen man in einer mehr oder weniger fantastischen Welt immer mächtiger wird und zu einer epischen Figur aufsteigt.
Zweitens verfügt Cthulhu über ein wirklich leicht zu erlernendes, eingängiges Regelsystem. Das ist heute keine Selbstverständlichkeit mehr; auch ehemals leicht zu erlerndende klassische Einsteigerspiele wie DSA trumpfen heute mit ausufernden Regelwerken auf.
Das führt dann auch dazu, dass man bei Cthulhu keine Powergamer und Regelfetischisten findet - diese wären einfach unbefriedigt. Dafür gibt es eine Spielerschaft, die ich persönlich sehr mag: Sie ist im realen Leben verhaftet und möchte Atmosphäre und Grusel erleben, nicht Machtgewinn.


Zauberspiegel: Eure Veröffentlichungen haben es in den letzten Jahren geschafft, Cthulhu neben DSA zum beliebtesten Pen&Paper Rollenspiel im deutschsprachigen Bereich zu machen. Teilweise wurden Eure Arbeiten sogar in den USA von Chaosium übernommen. Wie wollt Ihr diesen Standard auch in Zukunft halten (oder sogar übertreffen)?
Frank Heller: Danke für das Kompliment, aber D&D und Shadowrun überflügeln uns in jedem Fall auch weiterhin. Aber wir liegen sicherlich im oberen Bereich des Mittelfelds, das würde ich auch so sehen. Den Standard können wir schon dadurch halten, dass wir mittlerweile ein gut eingespieltes Team sind, wir machen das ja schon eine ganze Reihe von Jahren, und jeder weiß, was er zu leisten hat, und die Arbeitsabläufe routiniert funktionieren. Außerdem möchten wir uns stetig verbessern. Das ist nicht mehr in solchen Quantensprüngen möglich wie zwischen 2002 und 2004, aber kleine Verbesserungen sind weiterhin drin. Eine mir ganz wichtige Sache sind die Abenteuer; ich habe in einer der letzten Ausgaben der CW einen Artikel zum Abenteuerschreiben verfasst, in dem ganz zentrale konzeptionelle Punkte niedergelegt werden, die auch unseren Autoren bekannt sind. Wir wollen dadurch die Qualität der bei uns erscheinenden Abenteuer weiter erhöhen, und sind ja bereits dabei.

Zauberspiegel: Wir wünschen Dir und dem Cthulhu-Team viel Erfolg und danken sehr herzlich für dieses Gespräch.
Frank Heller: Vielen Dank!

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