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Berlinger – Ein deutsches Abenteuer - Chemiker und Flieger-Ass

Berlinger – Ein deutsches Abenteuer

Chemiker und Flieger-Ass

 

Genau wie Volker Schlöndorff und Margarethe von Trotta es im selben Jahr mit „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ gemacht hatten, inszenierten Bernhard Sinkel und Alf Brustellin 1975 mit „Berlinger“ ebenfalls gemeinsam einen Film, der deswegen nur noch bedingt als typischer deutscher Autorenfilm angesehen werden kann. Nun ist „Berlinger“ in einer remasterten Fassung erstmals auf BluRay veröffentlicht worden.

Sowohl Alf Brustellin (1940-1981) als auch sein bester Freund Bernhard Sinkel (ebenfalls geboren 1940) begannen sich in den frühen 1970er Jahren als deutsche Autorenfilmer zu etablieren. Mit „Das goldene Ding“ war Brustellin bekannt geworden, einer „Jason und die Argonauten“-Adaption durch Kinder, wohingegen Sinkel mit „Die Interessen der Bank können nicht die Interessen sein, die Lina Braake hat“ u.a. auf der Berlinale und beim Deutschen Filmpreis jeweils zwei Preise ergattern konnte. Gemeinsam machten sie sich kurz darauf an ein ungewöhnliches Gemeinschaftsprojekt, indem sie „Berlinger – Ein deutsches Abenteuer“ gemeinsam schrieben, inszenierten und produzierten. Der Film kam in einer Zeit ins Kino, als das deutsche Autorenkino internationales Renommee genoss und neben Schlöndorff und von Trotta auch die Arbeiten von Rainer Werner Fassbinder, Werner Herzog oder Wim Wenders weltweit für Aufsehen sorgten. Auch „Berlinger“ wurde seinerzeit von der Kritik äußerst wohlwollend aufgenommen und zierte in seinem Erstaufführungsjahr sogar das Cover des „Spiegel“, wie man dem Bonusmaterial auf der BluRay entnehmen kann. Stilistisch ist der Film nur sehr schwer einzuordnen, strahlt überwiegend die Stimmung der damaligen deutschen Autorenfilme aus (vielleicht unterstrichen durch die stilvolle Kameraarbeit Dietrich Lohmanns, der auch einige Arbeiten Fassbinders und Hans-Jürgen Syberbergs bebildert hatte), hat aber auch politische und sogar abenteuerliche Komponenten.

Im Zweiten Weltkrieg hält es der Biochemiker Dr. Lukas Berlinger (Martin Benrath) nicht länger unter der NS-Diktatur aus und flieht im Jahr 1942 aus seinem Heimatland auf einen anderen Kontinent. Gut zwanzig Jahre später kehrt er nach Deutschland zurück und widmet sich auf dem ehemaligen Fabrikgelände seines Vaters der Zucht von Pflanzen, die auch in der Wüste gedeihen können, sowie der Konstruktion eines Zeppelins, den er gerne in Serie gehen lassen würde. Mit seiner eigenbrötlerischen Art steht er insbesondere seinem Kindheitsfreund Johannes Roeder (Peter Ehrlich) im Wege, der es mittlerweile bis zum Senator gebracht hat und hinter einem riesigen Freizeitanlagenprojekt steht, für dessen Realisierung er aber auch Berlingers Landbesitz benötigt. Dieser stellt aber auf stur und genießt die Machtposition, in die er hier gedrängt wird, zumal Roeder im Dritten Reich ein linientreues Parteimitglied war, das es in der Nachkriegszeit dann unbeschadet in höchste wirtschaftliche und politische Ämter gebracht hat. Berlinger wird unterstützt durch die engagierte Lehrerin Maria (Hannelore Elsner), die seiner im Krieg durch Selbstmord gestorbenen Frau Marlit (ebenfalls Elsner) zum Verwechseln ähnlich sieht. Als sich der Druck auf Berlinger zu erhöhen beginnt, denkt er darüber nach, mit seinem historischen Doppeldeckerflugzeug einfach Reißaus zu nehmen.

Man braucht ein wenig, um in die verschachtelte Erzählstruktur dieses Films hineinzufinden, der immer wieder zwischen den Ereignissen aus den 1940er und 1970er Jahren hin- und herspringt und einmal sogar eine Rückblende in eine Rückblende eingebaut hat. Ein aufgeschlossenes Publikum, das konzentriert an den Ereignissen dranbleibt, wird von einer intelligent konzipierten Abrechnung mit der deutschen Gegenwart im 20. Jahrhundert und exzellenten Darstellerleistungen belohnt. Auch der Aufwand, der bei der Produktion betrieben wurde, ist nach wie vor ersichtlich, insbesondere in den Szenen mit dem Zeppelin oder bei den halsbrecherischen Flugstunts mit dem Doppeldecker. Hier armet „Berlinger“ echtes Kinoflair und hat in den fast fünfzig Jahren seit seiner Uraufführung nichts von seiner Faszination eingebüßt. Für die BluRay-Erstveröffentlichung bei Filmjuwelen konnte man auf eine im Jahr 2018 remasterte Kopie zurückgreifen, weswegen das Bild (im Vollbildformat 1,37:1) durch exzellente Schärfe und tolle Farben besticht. Auch der Ton (in der deutschen Originalversion im DTS HD Master Audio 2.0 Mono) ist gelungen und stets gut zu verstehen. Als Extra hat man das Interview „Erinnerungen an Berlinger: Bernhard Sinkel im Gespräch mit Robert Fischer“ (31 Minuten) mit aufgespielt, das zur DVD-Erstveröffentlichung des Films im Jahr 2011 entstand, sowie einen neu produzierten Heimkino-Trailer zum Film. Über einen Weblink bzw. QR-Code hat man darüber hinaus Zugriff auf ein digitales Booklet von Dr. Rolf Giesen (24 Seiten).

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