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Lichtspiele - Die "Nachher"-Version

Aus der SchreibmaschineLichtspiele
Die "Nachher"-Version

Bitte ein Tusch, denn es folgt nun die nach dem Seminar verbesserte Fassung. Zusätzlich zu den erläuterten Änderungen enthält sie einige kleinere sprachliche Glättungen, die den Lesefluss verbessern sollen.
 
Das Überarbeiten hat Spaß gemacht. Und wie gut ist die neue Fassung geworden, wie erfolgreich war die "Operation", ist der Unterschied spürbar? Es mag ein jeder nach dem Lesen für sich entscheiden:

1 Tim lehnte an einer Metallsäule der langgezogenen Abflughalle und sah sich nervös um. Menschenmassen wuselten um ihn herum, geschäftig telefonierend, scherzend oder einfach nur eilig zu den Schaltern laufend. Eine Lautsprecherstimme verkündete, dass der nächste Gleiter zum Nachbarsystem Puritania in dreißig Minuten abflog. Diese dreißig Minuten musste Tim noch durchhalten, dann hatte er es geschafft. Zwei Meter von ihm entfernt saß ein Paar mittleren Alters auf einer Wartebank. Die Frau redete auf den Mann ein, der in einer 2 Zeitung las und eigentlich nur seine Ruhe wollte. „Hacker verunglimpft die Erde!“ prangte auf ihr dick und fett die Titel-Schlagzeile. Ach du meine Güte, die konnte man ja noch vom anderen Ende der Abflughalle aus lesen, dachte Tim. Der Mann soll endlich die Zeitung runternehmen. Tim sah sich erneut um. Hatten noch mehr Menschen dieses vermaledeite Blatt in der Hand? Und wenn er es richtig hörte, sprach die Frau auch noch von ihm. So laut, sie könnte gleich den Hallen-Lautsprecher benutzen. „Du kannst mir nicht sagen, dass man für so eine kleine Tat so eine hohe Gefängnisstrafe verdient hat, Eduard“, sagte die Frau und rutschte empört ein Stück von dem Mann weg.

Der hielt es nicht einmal für nötig, den Blick von der Zeitung zu erheben. „Es ist nicht die Größe einer Tat, sondern die Größe ihrer Wirkung, die die Strafe bestimmt. Das Einhacken in einen Firmencomputer mag für einen verantwortungslosen jungen Menschen die Arbeit von wenigen Minuten sein. Was dieser Kerl angerichtet hat, macht die Erde für die nächsten Jahre zum Gespött des halben Universums.“

„Aber ...“

„Wenn du mich jetzt bitte weiterlesen lässt! Du tust ja gerade so, als handelte es sich um deinen eigenen Sohn.“

Die Frau blickte traurig zu Boden. „Er könnte unser Sohn sein. Und wenn er es wäre, wüssten wir wenigstens, wo er ist.“

Ihr Mann ließ nun doch genervt die Zeitung sinken. „Nein, das wüssten wir nicht. Dieser Kerl ist nämlich flüchtig. Und würde er mir zwischen die Finger geraten, ich wüsste, was ich mit ihm anstellen würde!“

Tim hatte genug gehört. Mit einem Seitenblick auf die Frau ging er an dem Paar vorbei. Sie verstand ihn wenigstens. Warum wurde ausgerechnet er gejagt wie der Staatsfeind Nummer 1? 3 An der Uni hatten sie doch alle über Redox gelästert. Jeder hatte da mal seine Meinung losgelassen. Und was hatte er denn schon groß getan? Es ging doch nur um zwei Buchstaben. Zwei Buchstaben, nicht mehr! Sollten die nun sein Leben zerstören?

Sein 2 mobiles Komm-Gerät piepste. Eine Nachricht. Er schaute aufs Display. Susan. „Tim, hast du das getan? Melde dich bitte, ich stehe zu dir! Sus“ Auf einmal hatte er Tränen in den Augen. Verdammt, nicht hier. Er durfte kein Aufsehen erregen, nicht in der Nähe der Abflug-Terminals. Der letzten Hürde, bevor er in Sicherheit war. 9 Da drüben, der Kerl mit den grünen Stoppelhaaren und der unreinen Haut hatte schon zweimal zu ihm rübergeschaut. Sollte Tim Susan anrufen? Nein, er durfte sie da nicht mit reinziehen. Nicht, so lange er noch auf der Erde war, dem Eigentum der Firma Redox. War er erst auf neutralem Boden, konnte er sie vielleicht nachkommen lassen.

Tim löschte die Nachricht und verstaute das Gerät wieder in seiner Hosentasche. Es war besser so. Sie sollte ihr Leben nicht wie er leichtfertig aufs Spiel setzen. Er schluckte seine Gefühle für Susan hinunter. Jetzt musste er sich konzentrieren, Ruhe bewahren. Wichtig war es, an den Typen bei den Abflug-Terminals vorbeizukommen. Und das war für jemanden wie Tim viel schwerer, als in einen Firmencomputer 4 reinzukommen. Von Angesicht zu Angesicht tarnte es sich schwerer als mit einem Avatar oder einem Trojaner.

5 Tim hatte die Wahl zwischen drei Schlangen. Oh Gott, welche nur sollte er nehmen? Jetzt konzentrieren, bloß nicht daran denken, dass noch alles schief gehen konnte. Warum war er so nervös? Tim war sauer auf sich. Reiß dich zusammen! Wo war es am leichtesten? Schalter 1 wurde von einem Mann Mitte vierzig bearbeitet, streng gekämmtes Haar, kräftige Statur. Der Mann erinnerte Tim ein bisschen zu sehr an seinen Vater. Wenn der ihm eine scharfe Frage stellen würde, würde er sofort umkippen. Nein, er kam nicht in Frage. An Schalter 3 stand eine Frau. Wenn Frauen solche Jobs machen, dann haben sie 6 Haare auf den Zähnen. Sagte zumindest Benjamin aus seinem Mathe-Kurs, und der musste es wissen. Zumindest behauptete Benjamin immer, sich auf dem Gebiet der Frauen auszukennen. War ja auch egal, an Schalter 2 kontrollierte ein junger Typ, der war sicher am unerfahrensten. Den würde er nehmen.

Tim merkte schnell, dass das ein Trugschluss war. Der Typ von Schalter 2 trug zwar den harmlosen Namen Lenz auf dem Schild seiner Uniform und gleichzeitig ein Unschuldslächeln zur Schau, das jedem Lamm zur Ehre gereicht hätte. Aber der Typ war nicht zu unterschätzen: „Ihren Pass bitte, der Herr! Vielen Dank.“ Er studierte die Folienurkunde so lange, als würde er jeden Buchstaben einzeln kontrollieren. Wahrscheinlich tat er das sogar. „Sie werden verzeihen, wenn ich ein wenig Zeit brauche, mein Herr, aber wir müssen heute 8 alle Pässe genauestens kontrollieren!“ 7 Seine Höflichkeit raubte Tim den letzten Nerv.

„Kein Problem, ich habe nichts zu verbergen.“ Tim hörte das Zittern in seiner Stimme nur zu gut. Und überhaupt, was war das für ein Satz, ich habe nichts zu verbergen? Billiger ging es wohl nicht?

„Können Sie den jungen Mann mal etwas schneller kontrollieren? Unser Gleiter fliegt in einer Viertelstunde!“ 9 Hinter Tim stand der Typ mit den grünen Stoppelhaaren, der ihn vorhin beobachtet hatte. Er sah auf die Uhr und konnte anscheinend seine Ungeduld nicht länger zügeln.

„Mein Herr“, begann Schalter-2-Typ Lenz. Tim konnte dieses süßliche „Mein Herr“ nicht mehr hören. „Mein Herr, wir müssen sicherstellen, dass uns der 10 Rufmörder nicht durch die Lappen geht. Wenn der hier durchkommt, ist er auf und davon. Und dann Gnade uns allen, was dann passiert.“ Dabei machte Lenz ein Gesicht, als hätte man ihm gerade eine entsicherte Handgranate in die Hand gedrückt.

„Was denn für einen Rufmörder, von welchem Quatsch reden Sie da überhaupt?“ Tim war dem Mann dankbar. Offenbar wusste doch noch nicht die ganze Redox-Erde von seiner Tat. Und von dem Namen, den ihm die Medien verpasst hatten.

„Ich rede von dem Schreibtisch-Terroristen, der vor zwei Tagen die Ehre unseres Planeten und der Redox-Gesellschaft in den Schmutz gezogen hat. Der die Leuchtbotschaft im 11 Atlantik gewissenlos manipuliert und ins Lächerliche gezogen hat.“

Zwei Buchstaben, er hatte doch nur zwei Buchstaben gelöscht!

„Und wie hat er das getan?“ Der Mann hinter Tim sah Lenz verständnislos an.

„Er hat zwei Buchstaben gelöscht.“

„Nur zwei Buchstaben?“

„Zwei bedeutende Buchstaben. Das T und das H!“

Es dauerte, bis der Mann reagierte. Man konnte es in seinem Gehirn arbeiten sehen, als er den Text der Reihe nach durchging und nach den Buchstaben T und H absuchte: „Biggest earth of the universe – biggest earth of ... – biggest ...“

Klick, der Mann hatte sie verstanden, Tims kleine Manipulation mit großer Außenwirkung. Ein tiefes Lachen schüttelte ihn. „Biggest ear of the universe! Biggest ear, das ist gut, das ist wirklich gut!“ Sehr zum Befremden des Schalter-Typen und zur Verwunderung der Umstehenden, Tim eingeschlossen, reagierte der Mann nicht mit Bestürzung, sondern mit schallendem Gelächter. Tim fühlte sich erleichtert, wollte beinahe mitlachen. Ein Blick in das angespannte Gesicht von Lenz verhieß jedoch nichts Gutes. „Ihr Verhalten ist in äußerstem Maße unangebracht, mein Herr!“

(Sämtliche Rechte an diesem Text liegen bei Andreas Wolz)

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