Das Raumschiff EXTRABALL
Das Raumschiff EXTRABALL
Im
heutigen (sechsten) Artikel in der Making-Of-Reihe zu meiner
Sciencefiction-Serie INFININAUTEN
dreht sich alles um die EXTRABALL, das Raumschiff der
Infininauten.
Wie
im zweiten Artikel schon erläutert, konnte ich mich beim Zusammenstellen einer
Crew aus einem Fundus von über die Jahre von anderen, nie umgesetzten Ideen und
Projekten übrig gebliebener Charaktere bedienen, und fest stand von
vornherein, dass der Chemie halber mehrere Charaktere nötig waren, aber nicht
zu viele. Drei bis vier Offiziere (zu Lizz und Leetus hinzu) schien mir eine
sinnvolle und überschaubare Zahl. Bevor ich jedoch an die Selektion der Figuren
selbst ging (worüber der nächste Artikel berichten wird), musste ein Raumschiff
her, auf welchem die Figuren nach Lizz Athangets Willen Infinium und den
Mundlosen Sprechern hinterher jagen.
Ein Kriegsschiff, ein militärischer Flotten-Hintergrund
schied gleich mal aus, da sich derartiges weder in meinem Ideenfundus befand,
noch mich interessierte. Und im Prinzip wollte ich auch nicht ein riesiges
Schiff voll mit Rothemden, die von den Hauptfiguren in den Tod geschickt
werden, sondern eines, das zur Not auch wirklich von einer absoluten
Rumpfmannschaft betrieben werden konnte. Sprich ein eher kleines Schiff. Auch
wäre es unglaubwürdig gewesen, dass Leetus zuließe, die Mobilität und
Sicherheit Lizz an derart viele Abhängigkeiten zu koppeln.
Es sollte aber ein reines Raumschiff sein und nicht für
Atmosphäreneinsätze genutzt werden. Zu dem Zweck sollte es eine kleine Gondel,
quasi ein Beiboot geben. Als großer Freund geometrischer Körper ging ich die
Möglichkeiten im Kopf durch.
Würfel?
Nein, zu sehr
mit Borg belegt.
Pyramide?
Nee, zu
esoterisch belegt und auch zu sehr an Stargate erinnernd.
Zylinder?
Hmmm,
Walzenschiffe fand ich eigentlich immer schon etwas fade.
Tetraeder?
Um Gottes
Willen, nein! Zu sehr mit Sahne assoziiert. (In Österreich wurde früher Sahne
in dieser Form verpackt verkauft und Tetraeder haben sich mir in diesem
Zusammenhang fest ins Gehirn eingebrannt.)
Kegel?
Nö, irgendwie
unpraktisch, wenn man darüber nachdenkt.
Kugel?
Eigentlich ja
zu sehr mit Perry Rhodan belegt. Dachte ich. Anfangs . . .
Naja, dachte ich danach. Muss ja keinen Wulst haben und keine
Stelzen unten. Und auch sonst keinen Schnickschnack an der Außenhülle. Ganz
glatt außen, wie . . . Ja, wie eine Bowling-Kugel. Ach nein, die
hat ja Löcher für die Finger. Eher wie . . .
Ja, genau, wie eine Flipper-Kugel! Flipper-Kugel gefiel
mir. Und ganz von selbst kam dann der Name des Schiffes auch gleich: EXTRABALL.
Die EXTRABALL
trat in einen rotationsäquatorialen Orbit. Ja, das klang gut!
Würde es nicht seltsam wirken, in ferner Zukunft ein
Schiff nach einem Ding aus einem Zeitvertreib des 20. Jahrhunderts zu benennen?
Irgendwie nicht, fand ich. Und war überrascht, dass ich das so fand. Man
müsste nur eine entsprechende Erklärung dazu liefern, und übergangslos war dann
die Erklärung als Infinium-Traum-Flashback aus Lizz Kindheit szenisch in
meinem Kopf (und mittlerweile fix im Manuskript zu Band 1).
Blieb die Frage nach der Größe. Zehn Meter Radius? Nein,
zu klein. Hundert Meter? Nein, viel zu groß, wären ja dann zweihundert Meter
Durchmesser und Gigantomanie brauchte ich nun echt nicht. Zwanzig Meter
Radius, also vierzig Meter Durchmesser? Ja, das kam schon eher hin.
Vierzig Meter sind gar nicht mal so wenig. Ich machte in
meiner Straße mal vierzig große Schritte von der Kreuzung weg und fand das ganz
in Ordnung so. Aber man würde durch die Krümmung nun ja nicht wirklich bis in
die letzten Winkel kommen, ähnlich wie bei Mansardenwohnungen. War ja
schließlich eben kein Würfel mit 40 Metern Seitenkante, sondern eine Kugel.
Moment, dachte ich. Genau, im Inneren der Kugel ist ein Würfel,
der sich mit vierzig Metern Seitenkante darin ausgeht, also muss die Kugel
einen Durchmesser von etwa 56,6 Metern haben. Keine Runde Zahl, also mach ich
60 Meter Durchmesser, ergo 30 Meter Radius daraus. Bleibt noch etwas
"Spielraum" zwischen Würfel und Kugel, da die Hülle ja auch eine
gewisse Stärke haben musste.
Ja, das gefiel mir so! Und da die Außenhülle ganz glatt
sein sollte, musste sich das ganze Ding ja irgendwie öffnen lassen, damit man
zum Würfel in der Mitte kommt. Also einfach die Kugel per Hydraulik in der
Mitte horizontal teilen? Nein, eher vertikal. Aber Moment, wie vertikal? In
Flugrichtung oder normal dazu?
Hmmmm. Ja, warum nicht alle drei Teilungen? Machte Sinn. An
jeder der acht Ecken des Würfels war irgendeine Art Hydraulik befestigt, die
insgesamt acht gleichgroße Teile der Kugelhülle in jede der drei Richtungen
verschieben konnte.
Wie weit verschieben? Ästhetisch gefiel mir die
Vorstellung überhaupt nicht, dass die Hüllenachtel so weit vom Würfel
weggeschoben werden konnten, dass der zur Gänze sichtbar würde. Hätte irgendwie
zu fragil gewirkt, fand ich. Also wenn der Würfel vierzig Meter Seitenkante
hatte, und an jeder Seitenkante zwei Teile an den Enden hydraulisch
verschiebbar waren, durften die nicht zwanzig Meter weit verschoben werden,
weil sonst sähe man den ganzen Würfel. Also nur . . . 15 Meter weit, genau!
Dadurch sähe man maximal die mittleren 30 Meter des Würfels, was auch optisch
nett aussehen würde, da ja die Kugelachtel ebenfalls 30 Meter Radius hatten.
Und auf den letzten fünf Metern an jeder Ecke musste ja schließlich auch noch
die Hydraulik befestigt sein, und die sollte schon noch verdeckt sein.
Die Räume zwischen den Würfelflächen und der Kugelhülle
schweben mir als Frachträume und Treibstofftanks vor.
Bei geöffneten Kugelhüllenachteln könnte ein Energiefeld
zwischen den Rändern der Kugelhüllenachtel den potenziell zur Verfügung
stehenden Frachtraum noch deutlich erweitern. Das Schiff würde dann einem
Würfel mit abgerundeten Ecken gleichen, mit einer Höhe, Breite und Tiefe von 90
Metern.
Das Beiboot der EXTRABALL, welches ich ähnlich passend
HIGHSCORE nennen werde, findet im sogenannten Südpolhangar Platz, der mittig
quasi am Boden des Würfels liegt. Nach einiger Zeit des Überlegens und diverser
Skizzen entschied ich mich dafür, dass die HIGHSCORE ebenfalls kugelförmig sein
sollte, mit einem Durchmesser von zehn Metern. Ein größeres Beiboot hätte nicht
mehr realistisch Platz in der EXTRABALL gehabt. Außerdem sollten zehn Meter
Durchmesser reichen, einer Crew von maximal 16 Lebensformen im Notfall als Rettungsschiff
zu dienen.
Obgleich wohl eher selten bis nie volle 16 Mann Dienst
auf der EXTRABALL versehen werden. Neben Lizz und Leetus finden bis zu vier
Offiziere auf der oberen (der nördlichen) Etage des Würfels ihre Quartiere,
bis zu zehn Mann Mannschaft oder Passagiere finden zur Not in den Kajüten der
Südetage Unterkunft.
Auf beiden Etagen führt ein oktagonaler Korridor
rundherum, mit einem Bug-Heck und Backbord-Steuerbord Kreuzgang in der Mitte,
der zum Zentralschacht führt, einem Antigravtunnel, der vom Südpolhangar ganz
im Süden, bis zur Brücke ganz am Nordende des Würfels die EXTRABALL vertikal
mittig durchquert.
Die EXTRABALL in der hier beschriebenen Form versteht
sich als jene zur Zeit der aktuellen Handlung, also mit Lizz in einem Alter
von grob 800.000 Jahren. Das Schiff ist nicht das erste mit jenem Namen und es
wird wohl auch nicht das letzte sein. Für Lizz ist die EXTRABALL dennoch das,
was einem Zuhause am nächsten kommt.
Nicht zuletzt aus diesem Grund halte ich es für
realistischer, auf extreme Offensiv-Bewaffnung bewusst zu verzichten. Die
EXTRABALL ist sicherlich fortschrittlicher technisiert, als das allermeiste,
dem das Schiff begegnen könnte. Defensiv-Bewaffnung scheint mir daher
angebrachter, da Lizz sicher nicht ihr Zuhause blindlings Hals über Kopf
offensiv in Weltraumschlachten treiben würde.
Eines der vielen subtilen Dinge, die ich beim Schreiben
von INFININAUTEN vermitteln möchte, ist Lizz ganz besonderes Verhältnis zu
ihrem Schiff. Ohne zu viel verraten zu wollen, sei hier nur erwähnt, dass im
Auftaktband der Serie die EXTRABALL schwer havariert werden wird, was Lizz
beinahe schon körperlich wehtun wird.
Neben dem Seelenleben einer 800.000-jährigen prinzipiell
wird sicher auch das glaubwürdige
Beschreiben des Umstands, dass ein Mensch vieles jener Zeit in einem Raumschiff
zubringen kann, ohne einen Koller zu erleiden, eine der größten
Herausforderungen beim Verfassen der Serie werden. Die Annehmlichkeiten der
EXTRABALL leicht verdaulich beiläufig zu vermitteln, ohne sich in den Leser
langweilende Beschreibungs-Orgien zu ergehen.
Natürlich müsste
ich das alles nicht tun. Ich könnte diese Thematik (und weit mehr ähnlich
gelagerte, als man denkt) einfach als gegeben voraussetzen und unter den Tisch
fallen lassen, quasi auf die suspension
of disbelief im Leser setzen, also das wohlwollende Unterlassen kritischen
Hinterfragens.
Aber integraler Bestandteil meiner Konzeption für und
Herangehensweise an die Serie ist es, mich selbst wieder und wieder vor
derartige Herausforderungen zu stellen. Das ganze Projekt zu einer
schriftstellerischen tour de force zu
machen.
Mehr als damit brachialst auf die Schnauze fallen kann
ich ohnehin nicht, und was sind schon ein paar fehlende Vorderzähne unter
Nerds . . .
Nächste Woche widme ich mich den drei
Besatzungsmitgliedern der EXTRABALL im Offiziersrang, die neben Lizz und
Leetus die wichtigsten Figuren sein werden: Tsy-Ruusa
der Wissenschaftler, Lichterloh das
Energiewesen und Urgru der Empath.
Ich werde genauer erläutern, was genau ich mir von jeder dieser Figuren
erhoffe, in welcher Art und Weise sie ihre Eigenheiten und Stärken
mannschaftsdienlich einbringen können und welches dramaturgische Potenzial in
ihnen steckt. Auch wird es erstmals eine klitzekleine Leseprobe geben, in Form
einer Szene zwischen Lizz und Urgru.
In der darauf folgenden Woche geht es dann ganz um die
graphische Gestaltung des Projekts, Cover- und Rückseiten-Layout und
Rotaseiten-Gestaltung.
Bis dahin verbleibe ich mit infiniten Grüßen!
Wolfgang
Kommentare
Ich neige dazu, auch bei Heften, Emotionales in den Geschichten zu suchen, um eine Identifikation zu haben. Ich glaube, Du stellst Dich hier einer sehr grossen Herausforderung. Dass Lizz eine Art emotionale Bindung zu ihrem Schiff/ihren Schiffen herstellt, klingt für mich logisch und konsequent. Aber das allein wird es nicht sein.
Wir kleinen Menschen denken in der Regel in einem Rahmen von hundert, in der SF vielleicht von maximal tausend Jahren. Aber 800 000 Jahre? Wie entwickeln sich Charakter und Emotionen in einem solch für uns nicht denkbaren Zeitraum? Ich bin sehr gespannt, dieses zu lesen.
Mit der Defensivbewaffnung der EXTRABALL stimme ich überein. Es ergibt keinen Sinn, wenn eine Suchende sich vorsätzlich in Kriegshandlungen begibt.
Ich verfolge Deine Beiträge sehr interessiert. Einen Leser für Deinen ersten Band hast Du in mir schon gefunden. Ich hoffe nur, dass Du uns potentiellen Lesern auch mitteilst, wann er erscheint und wie er zu beziehen ist.
Alles Gute weiterhin. ich drücke die Daumen
Zum Thema: Auch in mir hat Wolfgang schon einen Leser gefunden. Ein sehr ambitioniertes Projekt, und ich bin gespannt, was rauskommt. Vor allem scheint es mir durchdacht und nicht einfach nach dem Drauf-los-Prinzip. Auf das Ergebnis bin ich gespannt.
Wie in einem Kommentar eines früheren Artikels schon kurz angeschnitten wird INFININAUTEN ab August erhältlich sein. Zumindest vorläufig über mich bzw. meine "Belegexemplare".
Prinzipiell wird durch die ISBN jede Ausgabe ganz regulär über den Buchhandel zu beziehen sein, oder Amazon oder was auch immer. Die "Erfassung" bei Amazon mag dann aber eventuell erst September oder so erledigt sein.
Norbert:
Die Thematiken des letzten, dieses und des nächsten Artikels überlappen sich teilweise, deshalb das von dir schon zuletzt Erwartete erst in diesem Artikel hier.
Ich habe mich mit Horst (Harantor) jetzt auf einen endgültigen "Fahrplan" für die Artikelreihe geeinigt.
Obenstehend ist der sechste Artikel. Im neunten (von insgesamt zwölf) wird das Thema sein: Vom schreiben eines ersten Bandes
Darin werde ich darauf eingehen, wie ich die Charakterisierung speziell von Lizz anzugehen gedenke. Speziell die Infiniumtraum-Flashbacks (teils aus ihrer Kindheit) werden in gewissem Kontrast zu dem Charakter und Seelenleben der 800.000-jährigen Lizz stehen. Der Leser wird somit großteils die Charakterisierung "indirekt" präsentiert bekommen, durch das Erkennen ebenjener Diskrepanz, ebenjener Veränderungen in Lizz' Wesen über diese Ewigkeit hinweg.
Captain Elch:
Bezüglich durchdacht und nicht einfach drauflos... Es ist auch für mich ungewöhnlich, etwas derart anzugehen. Wie bereits geschrieben, finden sich sehr viele "Ideenfragmente" in Infininauten. Ich schaue einfach, was sich davon sinnhaft, logisch, dramaturgisches Potenzial bietend und auch für mich als Autor herausfordernd kombinieren lässt.
Irgendwie ist es so, als würde man einfach den Kühlschrank aufmachen und schauen, welche Zutaten, die sich grade ohne vorab geplantes Einkaufen darin befinden, sich "kulinarisch verträglich" zusammenbrauen lassen. Sprich: es ist dann doch alles andere als einfach nur ein Eintopf aus allem und jedem. Da findet schon eine gewisse Selektion statt.
Natürlich glaubst Du daran. Wenn nicht, würde das ja diese ganzen Artikel ad absurdum führen, oder nicht
Vor einiger Zeit schrieb Lobo mal im Forum, er hätte etwas in Planung. Ich hoffte auf so eine Art Werkstattbericht. So etwas in der Art kommt jetzt von Dir. Ist doch schön zu lesen, wie etwas Schritt für Schritt entsteht. Ich hab´s von Anfang an gelesen und werde es weiter verfolgen. Und den ersten Band hab ich mir schon vorgemerkt.