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Advent der Bücher: Perfekte Charaktere

Der Advent der außergewöhnlichen BücherPerfekte Charaktere
Die Medizinthriller des kanadischen Autors Daniel Kalla

Wer auf der Suche nach außergewöhnlich guten und mitreißenden Thrillern ist, der sollte sich einen Namen merken: Daniel Kalla. Die Medizinthriller des kanadischen Notarztes und Schriftstellers gehören zweifellos zum Besten, was das Spannungsgenre zu bieten hat.

Dass ein Autor mehr als nur ein gutes Buch schreibt, ist ja nun wahrlich keine Seltenheit. Wenn mich dann aber die Werke besagten Autors samt und sonders regelrecht vom Hocker hauen, dann ist das doch schon ungewöhnlich. Daniel Kalla ist dieses Meisterstück gelungen. Jeder seiner Romane hat sich als echter Pageturner erwiesen, den ich gar nicht mehr aus der Hand legen wollte. So manches seiner Bücher habe ich innerhalb kürzester Zeit sogar ein zweites Mal gelesen.

Und nun habe ich die Qual der Wahl: Welchen Roman Kallas soll ich an dieser Stelle empfehlen? Denn außergewöhnlich sind sie alle, womit ein jeder das Motto des diesjährigen Zauberspiegel-Adventskalenders erfüllt.

Nach langem hin und her habe ich mich schließlich für den Roman entschieden, der mir letzten Endes noch ein ganz kleines Stückchen besser gefällt als die anderen Werke des Autors: für »Blood Lies«.

Worum geht es?
Blood Lies von Daniel KallaDer junge Notfallmediziner Benjamin Dafoe hat in letzter Zeit so einige Schicksalsschläge verkraften müssen. Sein Cousin Kyle erkrankte an Leukämie, und sein Zwillingsbruder Aaron verschwand vor zwei Jahren spurlos. Aufgrund des Fundes einer großen Menge an Blut, dessen DNS mit der von Aaron übereinstimmt, geht die Polizei trotz fehlender Leiche davon aus, dass er ermordet wurde.

Bens Leben beginnt gerade wieder, in geregelten Bahnen zu verlaufen, als ihn eine befreundete Polizeibeamtin zum Tatort eines Doppelmordes ruft. Hier trifft den Mediziner der nächste Schlag: Emily, seine Ex-Verlobte, wurde gemeinsam mit ihrem neusten Lover brutal erstochen.
Der wirkliche Schock steht dem Notarzt allerdings erst noch bevor: Am Tatort wird das Blut des Killers gefunden – sein Blut! Ben, der mit der grausamen Tat nichts zu tun hat, versucht verzweifelt herauszufinden, wer ein Motiv für den Mord an Emily haben könnte, denn nur so kann er seine Unschuld beweisen. Doch seine Erkenntnisse sind alles andere als beruhigend, denn er findet lediglich eine einzige, schlüssige Erklärung: Aaron ist noch am Leben und irgendwie in die Bluttat verwickelt.

Auf der Suche nach seinem tot geglaubten Zwillingsbruder begibt sich Ben auf die Flucht vor der Polizei, die davon überzeugt ist, dass er die Morde begangen hat. Die Jagd nach der Wahrheit führt Ben mitten hinein in einem Sumpf aus Lügen, Intrigen und finsterer Pläne...

Was »Blood Lies« so außergewöhnlich macht
Wer festhalten will, warum »Blood Lies« ein wirklich packender Medizinthriller ist, der kann hierfür eine ganze Reihe von Details nennen. So könnte man anführen, dass die Story von »Blood Lies« voll ist von Dramatik, Spannung und überraschenden Wendungen. Man könnte etwas über die schriftstellerischen Qualitäten Kallas sagen, oder über das gekonnte Verwirrspiel, mit dem er seine Leser immer wieder auf die falsche Fährte führt. All das würde zutreffen, doch im Endeffekt ist das nichts, was nicht schon unzählige andere (Medizin-)Thriller zu bieten haben.
Was »Blood Lies« und die übrigen Romane Kallas so besonders macht, ist das einzigartige Verständnis des Kanadiers von seinen Charakteren.
Um es kurz und schmerzlos auszudrücken: Ich habe eine Menge Bücher aus einer Menge Genres von einer Vielzahl von Autoren gelesen. Und so gut die dort jeweils agierenden Figuren auch dargestellt sein mögen, ich kenne kein Buch, das in der Zeichnung seiner Protagonisten auch nur annähernd mit den Werken Kallas mithalten kann.

Liegt es daran, dass der kanadische Autor zugleich in einer Notaufnahme arbeitet? Oder hat er einfach ein natürliches Gespür dafür, wie Menschen ticken? Ich weiß es nicht, und eigentlich ist es auch egal. Was zählt, ist folgendes: Die Charaktere in Kallas Romanen sind vielschichtig, unverwechselbar und wirken durch und durch lebendig. Im Gegensatz zu so manch anderem Schriftsteller reduziert Kalla seine Protagonisten nicht auf stereotype Abziehbilder, die beliebig austauschbar sind. Er bemüht sich aber auch nicht verzweifelt, möglichst ungewöhnliche oder einzigartige Personen zu erschaffen, die dank bizarrer Vorgeschichten mehr wie durchgeprügelte Sandsäcke wirken denn wie realistische Menschen (gerade das Thrillergenre ist ja reich an Helden mit derartigem Background...).

Stattdessen beschreibt Kalla seine Figuren so, wie echte Menschen nun mal sind: als Personen mit Stärken und Schwächen, die glückliche, aber auch weniger glückliche Zeiten durchlebt haben. Als Wesen mit Gefühlen, Eigenarten und einmaligen Handlungsweisen. Als Charaktere, die mal stark sind und mal schwach, die in großer Not über sich hinauswachsen, sich aber auch schon mal verstecken wie erbärmliche Feiglinge. Kurzum: Kallas Figuren wirken menschlicher als so manch in der Realität existierender Typ, den man beim nachmittäglichen Einkaufen im Supermarkt trifft.

Wenn es also eine Sache gibt, auf die sich der Autor versteht, dann sind es wirklich und wahrhaftig seine Protagonisten. Glücklicherweise scheint ihm dies auch bewusst zu sein, weshalb er sich in seinen Storys auch voll und ganz auf seine Darsteller konzentriert.

Es ist nicht so, dass Handlung, Schauplätze etc. in seinen Büchern unwichtig wären. Ganz im Gegenteil, auch mit weniger starken Charakteren wären die Romane alleine durch ihre übrigen Bestandteile noch immer packende Thriller. Doch durch die Fokussierung auf die handelnden Personen werden Kallas Manuskripte wirklich außergewöhnlich. Die spannenden Storylines, die dichte Atmosphäre, all das sind wichtige Elemente, die jedoch nicht die Hauptrolle in den Romanen spielen. Sie formen sich um die Personen herum, bilden also quasi den Hintergrund, vor dem die wahren Hauptdarsteller der Geschichten (die in diesem Fall tatsächlich die Personen sind) agieren. Alles in allem ergibt sich dadurch ein perfekt miteinander harmonisierendes Zusammenspiel, das Kallas Thriller zu Werken macht, die man unbedingt gelesen haben sollte.

Daniel Kalla ist ein Autor, der in meinen Augen in Deutschland viel zu wenig gewürdigt wird. Seine Romane erscheinen zwar auch in deutscher Übersetzung (beim Heyne-Verlag), doch viel zu schnell verschwinden sie wieder hinter dem übrigen Gemisch an oftmals nur mittelmäßigen, überbewerteten  Thrillern angeblich ach so talentierter Autoren (ich nenne jetzt keine Namen, hier kann sich jeder seinen Teil denken).

Ich kann nur hoffen, dass Kalla und seine Werke irgendwann auch im deutschsprachigen Raum die Beachtung finden, die ihnen gebührt. Gute Gründe, diese Romane zu lesen, gibt es jedenfalls zu Hauf. Wer neben einem fesselndem Plot auf wirklich, wirklich gut gezeichnete, überzeugende Protagonisten wert legt, der wäre verrückt, wenn er nicht mal einen Thriller von Daniel Kalla zur Hand nähme


Daten zum Buch:

Blood Lies
von Daniel Kalla
Forge Taschenbuch
erschienen: 2008 (USA)
314 Seiten, 7.99 $
ISBN: 978-0-7653-5792-2

Macmillan

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