# 151: Der geheimnisvolle Karton
# 151: Der geheimnisvolle Karton
Ich muss elf oder zwölf Jahre gewesen sein, als sich in unseren Haushalt eine Schreibmaschine verirrte. Die war noch mechanisch und brauchte schon einen gewissen Kraftaufwand, um einen Buchstaben aufs Papier zu zaubern. Das war gar nicht so einfach. Nachdem Versuche, mit mehreren Fingern zu schreiben, kläglich scheiterten (dabei sah das im Fernsehen so leicht aus), wich ich auf das System aus, das ich bis heute pflege und mit dem ich auch die Maschineschreibprüfung bestanden habe. Lächerliche 120 Anschläge pro Minute wurden verlangt. Ich schaffte zweihundert. Und in diesem System schreibe ich auch heute Romane. Auf dieser Maschine machte ich die ersten Schritte hin zum Nebenerwerbsschriftsteller, der ich heute bin. Daher wird mir diese Olympia in guter Erinnrung bleiben.
Ich hatte zuvor gelegentlich per Hand Geschichten geschrieben und mich bisher erst einmal in die Öffentlichkeit gewagt. Ich wurde dazu gezwungen, denn es handelte sich um einen der ersten Aufsätze im letzten Grundschuljahr. Als Fan von Heftromanen und Actionfilmen schrieb ich die Geschichte einer Flugzeugentführung, die meine Kumpel und ich in der Manier von Jerry Cotton und Kommissar X beendeten. Es war die einzige Geschichte, die mit Tod und ein bisschen jugendfreier Gewalt gewürzt war.
Mein Lehrer beschloss trotzdem, die Geschichte positiv zu beurteilen (eingedenk des Gespräches, das er mit meiner Mutter führte nach meinem Versuch, Dan Shocker's "Satans Mörderuhr" im Unterricht vorzulesen).
Aber dann kam die Schreibmaschine und ich meinte, dass es nun nicht mehr weit sei, bis ich erste Romane schreiben konnte. Und so begann ich Geschichten zu schreiben. Gott, waren die gut, wenn ich das Papier aus der Schreibmaschine zog. Gott, waren die schlecht, als ich sie Jahre später noch einmal las.
Ich schaffte es, den Plot eines Romans mit Dialogen auf drei oder vier Seiten zu drücken. Mein erster Versuch einer Trilogie waren drei halbseitige Geschichten. Heute würde man sie Ideenpapiere mit Dialogfetzen nennen. Ganz grausam und wirklich nur dem Verfasser dieser Zeilen zuzumuten.
Aber egal, ob mit der Hand oder mit der Maschine verfasst. Alles landete an einem Ort, den Blicken der Öffentlichkeit entzogen. Ich schrieb Sinclair-Klone. Geisterjäger namens Harry Morgan und Heinz Merk (Namen verwendete ich gern häufiger) jagten Vampire namens Darkos oder Werwölfe namens Lupus. Gott, die Höhenflüge meiner Fantasie kannten keine Grenzen ...
Nach und nach wurde ich besser und ich fand Gefallen am Schreiben. Auch wenn das, was ich schrieb, immer ziemlich gottserbärmlich war. Ich bin Gustav Gaisbauer immer noch dankbar dafür, die Kurzgeschichte "Darkos, Herr der Nacht" nicht im Clubletter des Dan Shocker's Fantastik Club Marlos abgedruckt zu haben.
Aber: Auch diese Geschichte lag an einem bestimmten Ort. Diese Geschichten waren meine Kinder, so ungeraten sie auch gewesen sein mochten. Und so hortete ich sie in einem Karton auf dem Boden hinter den Heuballen. Jede misslungene Zeile, jeden verratzten Plot, jedes auch mal gelungene Wort. Ich glaube, Norbert Aichele (der heute Geburtstag hat und dem ich auf diesem Wege meine Glückwünsche sende) war der Einzige, der mal hier und da was aus dem Karton gesehen hat. Aber ansonsten war das mein Schatz.
Als ich dann das Haus in Drochtersen-Nindorf verließ, übergab ich den Karton samt seines Inhaltes den Flammen. In meinem Herzen gibt es diese ersten Gehversuche auf dem Terrain des Geschichtenschreibens noch. Ich halte sie in Ehren. Sie waren die Stücke, die mich dahin führten, dass ich mich überhaupt voller Selbstvertrauen auf die Abenteuer von Truckern, Halblingen und Nibelungenkindern warf, die mich dahin führten, in Follow einen Fortsetzungsroman mit Petra Jörns zu schreiben, oder für den Zauberspiegel die Abenteuer des Manon-Reiters zu verfassen sowie den Hüter (zunächst allein, dann mit Oliver Fröhlich) zu kreieren.
Wie habt ihr denn mit dem Schreiben angefangen? Gab es da auch einen geheimnisvollen Karton mit Geschichten oder eine Ecke auf der Festplatte? Erzählt mal ...
Kommentare
Meine erste Geschichte schrieb ich kurz nach meinem Eintritt in den Dan Shockers Fantastik-Club - 1984. Ich hatte eine mechanische Schreibmaschine. Die Geschichte aber soooo schlecht, das ich sie verbrannt habe.
Richtig zu schreiben begann ich dann später 1990 während meiner Zeit beim DSFC. Diese Geschichten habe ich noch immer auf der Festplatte und als Papierkopie in einem Ordner.
Meine letzte Story war "Adria Black" hier in Zauberspiegel Online und "Tele-Phon, Tele-Phon" eine Scheibenwelt-Fan-Story, die ich bei Facebook hinterlegt habe.
Bis heute habe ich die Schreiberei noch als Hobby, komme leider aber nur selten dazu. Deshalb liegen bei mir noch ein paar halbfertige Bücher und Stories auf der Festplatte, ebenso noch Ideen und Exposés.
Irgendwann kamen dann einige schlechte bis mittelmäßige Storys, die im Marlos-Magazin erschienen sind, und im Magazin des Marburger Horror-Clubs. Bei W.A. Hary habe ich auch einmal eine Story in einem Kurzgeschichtenband publiziert.
Und wer bei Zauberspiegel-Online stöbert der kann "Wahnsinn" hier finden.
Richtig kommerziell wurde es nie. Mir fehlt leider die Zeit zum Schreiben - bisher. Und doch war es als Jugendlicher immer mein Traum, Schriftsteller zu sein. Heute weiß ich, dass man damit nicht reich werden kann. Ich zumindest nicht.
Danach kam dann auch gleich meine erste Veröffentlichung (1992) - in gut sortierten Antiquariaten findet man evtl. noch John Sinclair Band 246 (3. Auflage), in dem meine Kurzgeschichte "Heute nacht" erschien.
Das nächste Mal küßte mich die Muse dann so um 1999 herum, und ich gab guten Freunden kleine, lustige Geschichten zu lesen. Oder auch mal eine weniger lustige wie die mit dem Traumfänger. 2001 gab's den dritten Platz im englischsprachigen Fading Suns-Storywettbewerb. 2002 den ersten. Irgendwo auf einer MS-DOS-Festplatte könnten sogar noch Spuren davon sein ...
Also habe ich die mechanische Schreibmaschine in mein Zimmer geholt und darauf gehämmert, wenn keiner in Hörweite war. Es brauchte wirklich enorme Kraft in den Fingern, diesem Ding einen Buchstaben zu entlocken. Kaum kam meine Mutter dahinter, dass ich mich an der Maschine versuchte, ging es wieder los mit Gemecker, weil ich nicht mit 10 Fingern blind schrieb, sondern nach dem Adler-Such-System und dann nur mit Zeige- und Mittelfingern. Davon abgesehen hielt sie es für Zeit- und Papierverschwendung, was ich da betrieb, und sie versuchte, es mir zu verbieten. Ich war stur und hielt mich nicht dran.
Dass diese ersten Ergüsse nicht erhalten geblieben sind, ist nicht wirklich ein Verlust. Wegen der großen Mühen, die mit jedem Anschlag verbunden waren, blieben die Geschichten kurz.
Später, in der Höheren Handelsschule, hatte ich Schreibmaschinenunterricht. Dazu musste eine elektrische Maschine angeschafft werden und seitdem klappt das auch mit dem 10-Finger-System und seit ein paar Jahren auch ohne auf die Tastatur zu gucken.
Der erste PC, aus heutiger Sicht ein Dinosaurier, kam erst ins Haus, als ich schon verheiratet war. Da war auf einmal das Schreiben sehr viel einfacher, vor allem auch das Ändern und Korrigieren. Meine Güte, ich mache auch heute noch eine Menge Tippfehler, aber das ist ja am PC kein Problem, die wieder auszumerzen. Auch Textänderungen, Einfügen und Löschen, alles wie magisch einfach! Das war eine Offenbarung. Ich weiß gar nicht mehr, den wievielten PC ich inzwischen benutze. Die früheren Texte sind auch nicht übertragen worden, nur die vom letzten PC habe ich ich noch auf CD und kann sie bei Bedarf auf diesen jetzigen übertragen.
In die Zeit des ersten PC fielen auch ein paar zaghafte Vorstöße mit Texten im Fandom. Damals waren das noch Papierheftchen, die mit viel Aufwand erstellt, kopiert und verteilt wurden. Internet gab es noch nicht, also habe ich meine Beiträge auf Papier per Post an den jeweiligen Herausgeber geschickt. Ich bewundere heute noch den Fleiß und den Idealismus derer, die diese viele Arbeit auf sich genommen haben, auf die Weise diese die Hefte zu produzieren.
Heute ist das von der Technik her alles noch einfacher, zumal man sich leichter mit anderen austauschen oder im Internet recherchieren kann, aber leider fehlt meist die Zeit, sich wirklich mit der Thematik zu befassen.
Dafür muss ich mich nun wieder mit Schulaufsätzen herumplagen, nämlich den Kindern meiner Schwester die Schreibtechniken und Stile und dergleichen nahezubringen. Die Lehrer scheinen seit meiner Schulzeit nicht viel dazugelernt zu haben, die können das immer noch nicht wirklich lebendig und verständlich rüberbringen. Meine Nichte zeigt sich sehr interessiert und hat sogar schon die erste Veröffentlichung in einer Anthologie erreicht.
Der Zug steht auf dem Bahnsteig, dein Leben lang. Er fährt erst ab, wenn Du die Pfeife bläst und die Kelle hebst - und ob du einsteigst oder nicht, ist deine Sache ...
Das ist die m. E. wichtigste Lektion für/Eigenschaft von (künftig) erfolgreichen AutorInnen: GIB NIEMALS AUF!!!!!!
Ich habe mit 12 angefangen zu schreiben. Mein erstes Werk war eine handgeschriebene, 2 DIN A4 Hefte füllende Pferdegeschichte. Sie wurde trotz origineller Idee wegen der handwerklichen Mängel von meiner Mutter gnadenlos verrissen. (Reich-Ranitzki hätte es nicht besser gekonnt.) Ich bekam zu hören, dass ich kein Talent zum Schreiben hätte und überhaupt die Beschäftigung mit so einer "brotlosen Kunst" sich nicht schickt für eine Gymnasialschülerin (auch wenn sie aus einer soliden "Arbeiterfamilie" stammt ). Tat furchtbar weh, der Verriss. Aber in meinem Kopf waren so viele Ideen, dass ich sie einfach schreiben musste.
Mit dieser Erfahrung:
Zitat: Aber es waren MEINE "Babys", und ich liebte sie. (Ich habe meiner Mutter allerdings nie wieder eins davon gezeigt ... ) Sie landeten in der berühmten "geheimnisvollen Kiste", und da blieben sie. Aus einer Kiste wurden zwei, wurden drei. Dann stieg ich auf PC um (was für ein göttlicher Segen für alle SchriftstellerInnen!!!! ) und die "Kiste" wurde vom Umfang her kleiner = mutierte zu Diskettenboxen, die ein paar weitere Jahre später zu USB-Sticks schrumpften (umgekehrt proportional zum Inhalt, der immer mehr wurde). (Aus Nostalgie habe ich Kiste 2 und 3 noch aufgehoben, Kiste 1 landete leider irgendwann in der Mülltonne.)
Meine erste Veröffentlichung war ein Artikel in einer Schülerzeitung. Danach kam lange Zeit nichts, dann folgten über 15 Jahre hinweg insgesamt über 100 Storys und ein paar Gedichte in Fanzines, bis ich mich - rein formal (!!!) angeregt durch den "Herrn der Ringe" - auf Romane verlegte.
Mein erster Roman war ein Krimi. Die Rohfassung schrieb ich mit 18, und 32 (!!!) Jahre später wurde er in überarbeiteter Form veröffentlicht. Dazwischen liegen unzählige unveröffentlichte Romane (Stichwort "Kiste(n)"), von denen ich einige Ideen heute immer noch vielversprechend finde, aber die Umsetzung war mangels Beherrschung des schriftstellerischen Handwerkszeugs mangelhaft. Aber ich lernte mit der Übung im Laufe des Schreibens immer mehr dazu und wurde besser.
Eines Tages - ich war inzwischen 46 - schrieb der Bastei-Verlag einen Wettbewerb aus, mit welchem er neue AutorInnen für seine Heftromane suchte. Ich beteiligte mich mit einer Kurzgeschichte ("Nachtgeschöpfe"; die ich heute auch nicht mehr so schreiben würde wie damals) und machte zusammen mit anderen das Rennen.
Bereits ein Jahr später war ich Stammautorin bei "Sternenfaust" und konnte mich mit dem Schreiben selbstständig machen. Ein Traum wurde wahr!!! Es folgten nebenbei diverse Kurzgeschichten und Gedichte in Anthologien (durch Teilnahmen an Literaturwettbewerben), drei Jahre später die erste Romanveröffentlichung (besagter Krimi). Seitdem geht es stetig bergauf.
Heute arbeite ich mit insgesamt sieben verschiedenen VErlagen zusammen, die teilweise schon bis 2015 (einer sogar bis 2020) Romane von mir gebucht haben und habe mindestens 3 - 4 Romanveröffentlichungen pro Jahr (Vollromane, keine Hefte).
Krönung des Ganzen ist ein vor drei Wochen mit einem Krimi-Plot gewonnenes Literaturstipendium.
Mal sehen, was als Nächstes kommt!
PS: Hätte ich mich jemals entmutigen lassen und aufgegeben, säße ich aufgrund meines "Alters" von 54 wahrscheinlich Hartz-Iv-empfangend immer noch arbeitslos in der Ecke und würde meinem unerfüllten Traum nachweinen. Wie gut, dass das Wort "aufgeben" in meinem Wortschatz nicht existiert! (Nur in der Bedeutung "ein Paket bei der Post aufgeben" )
An Friedhelm: WORAUF WARTEST DU????
Steig in den verdammten Zug und fahr los! JETZT!
Wenn du das nicht versuchst, wirst du nie wissen, was möglich ist.
Ich kann natürlich nur für mich sprechen. Aber falls in mir Tausend-Seiten-Romane stecken (von Zigbändern will ich gar nicht erst anfangen), dann wollen sie jedenfalls derzeit noch nicht 'raus. Ja, die Ideen sind schon da und arbeiten, aber bis jetzt liegt meine Schallmauer noch deutlich unter hundert Seiten.
Aber hey! Nimm die Selbstkritik an die Leine. Sie hat ihren Nutzen, aber sie muss auch ihre Grenzen kennenlernen. Schreiben ist ein Handwerk, und da kommt natürlich zu Anfang jede Menge Ausschuß 'raus - aber auch der taugt immer noch zum Lernen. Der Schweißerlehrling legt doch auch nicht nach der ersten krummen Naht den Brenner und die Brille weg und schwört: "Aus mir wird nie was!"
Und wenn es dir hilft: auch die Ganz Großen haben mal klein und mickrig angefangen. Es gibt sogar ein Buch darüber mit dem spaßigen Titel: "Nach zwanzig Seiten waren alle Helden tot" ...
www.luise-berlin.de/lesezei/blz96_10/text47.htm
(Schreib deinen eigenen Fantasy-Roman) vom Piper Verlag hinweisen: www.piper-verlag.de/fantasy/buch.php?id=18927&page=suche&auswahl=a&pagenum=1&page=buchaz
-> Vorbestellungen nehme ich gerne entgegen.
Selbstkritk ist gut.. man darfs nur nicht übertreiben. Genausowenig wie mit der Selbstüberschätzung.
Aber das wichtigste ist: den innere Schweinehund bekämpfen wenn man mal keine richtige Lust hat zu schreiben.
2. Selbst wenn dem so sein sollte: Schreiben ist ein HANDWERK, das man lernen kann! (Und unbedingt sollte! Was dabei rauskommt, wenn man es nicht tut, zeigt die aktuelle Diskussion um einen gewissen 900-Seiter ) Also lerne! Es gibt gute (!) Online-/E-Mail-Kurse und Workshops und mittlerweile unzählige gute (!) Schreibratgeber, die einem weiterhelfen.
3. Manchmal ist Selbstkritik nur die als solche getarnte "Feigheit vor dem Feind" in diesem Fall vor dem Urteil von Testlesern. (Ich spreche aus Erfahrung ... )
ABER:
Wenn du es wagst, hast du eine 50 %ige Erfolgschance. Wenn du es nicht wagst, hast du eine 100 %ige Misserfolgsgarantie.
Also WAGE ES! Ich wette, deine Werke sind in jedem Fall schon jetzt besser als das o. g. Mammutwerk!