Der Zahn der Zeit Februar 2011
Der Zahn der Zeit
Februar 2011
Februar 2011
Kannst du uns einen Schnipsel aus deinem Ablagefach verraten?
: Etwas verraten? Seit je her sind sie Sklaven.
: Ja, auf alle Fälle. Mir ging es beispielsweise mit dem Nobelpreis-Buch Der Fänger im Roggen so, das ich erst 2002 gelesen habe. Zu seiner Zeit war das ein innovativer, skandalträchtiger Roman, und sehr gut erzählt. Aber die sozialen Auseinandersetzungen des damals Heranwachsenden sind heute fast spielerisch-naiv im Vergleich zu den Problemen, mit denen sich die Jugendlichen heutzutage herumschlagen müssen. Auch die Erzählweise wirkt heutzutage recht gediegen. Was damals ein bedeutender Generationenroman war, ist für mich heute zwar ganz nett, aber nicht weiter haftend zu lesen.
Der Alterungsprozess findet hauptsächlich in der Erzähl- und vor allem Ausdrucksweise statt, denn auf soziale Interaktionen bezogene Themen bleiben ja zumeist zeitlos. Und auch ein historisches Thema bleibt eher zeitlos, weil die Erzählweise der geschilderten Zeit angepasst sein muss. Bei der Science Fiction schaut es da schon wieder anders aus. Die Technik und auch Gesellschaftsform beziehungsweise Kritik daran werden schnell von der Wirklichkeit überholt. Hier braucht es schon ausgefallene Ideen und skurrile Beschreibungen, um über lange Zeit hinweg gern gelesen zu werden.
: Das ist schwer für mich zu sagen, da ich den Roman auch aus der längeren Distanz nicht als reiner Leser beurteilen kann. Ich persönlich hatte schon den Eindruck, dass Chandris Welt leicht gealtert war, weil ich aus heutiger Sicht den Focus hier und da etwas anders setzen und ein wenig mehr Dynamik reinbringen würde. Diese Aussage gilt aber nur für den Fall, wenn ich anhand der Idee heute das erste Mal den Roman dazu schreiben würde. Überarbeiten würde ich die Geschichte keinesfalls, denn so wie sie ist, ist sie harmonisch, stimmig und atmosphärisch. Altmodische Ausdrücke wurden ohnehin korrigiert. Beim nochmaligen Lesen nach so vielen Jahren hat mir die Geschichte gefallen, doch ich war nicht sicher, ob diese Erzählweise auch beim heutigen Leser gut ankommt. Es sind ja achtzehn Jahre bis zur Zweitveröffentlichung vergangen, und die Lesart hat sich seitdem natürlich verändert, weil eine neue Generation herangewachsen ist. Doch die Resonanz war durchwegs positiv; was sicherlich auch am Inhalt liegen mag, der die Geschichte zeitlos macht jemand strandet auf einer fremden Welt und muss sich zurechtfinden. Ein Thema, das immer passt.
Bis zur nächsten »Mail mit Uschi« im März