Leit(d)artikel KolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Der Zahn der Zeit – Februar 2011

Auf eine Mail mit Uschi ZietschDer Zahn der Zeit
Februar 2011

Jeder Autor sollte in irgendeiner Form einen Zettelkasten haben, in dem er Ideen, Bruchstücke, einzelne Szenen und Ähnliches sammelt, um ihn bei Bedarf durchschauen und als literarischen Steinbruch verwenden zu können. Michael Ende hat daraus sogar einmal ein eigenes Buch gemacht. Wie sieht dein Zettelkasten aus? 

 

Uschi: Ich habe ein Ablagefach – das zugleich mein Arbeitsfach ist, indem sich auch Recherche, Aufträge und Exposés befinden –, in dem sich bunte oder bereits bedruckte Papierschnipsel, Servietten, Tempos und ausgerissener Karton befinden. Weitere Schnipsel befinden sich überall im Haus, im Auto, in Handtaschen und Rucksäcken, und ich habe noch ein Notizbuch, das ich immer mit mir führe und in das ich alles hineinschreibe, auch Tagesgedanken oder etwa einen dringenden Einkauf, den ich nicht vergessen darf. Etwa einmal im Jahr suche ich alle Schnipsel zusammen und sortiere sie in meinem Ablagefach, einiges werfe ich auch weg, weil es sich schon erledigt hat. Außerdem habe ich auf meinem Computer einen Ordner „Recherche“, in den ich alles hineinstopfe, was ich an interessanten Artikeln, Mitteilungen, Stichworten usw. finde, sowie mehrere Ideensammlungs-Dateien zu z.B. Kurzgeschichten, auch nach Genre sortiert, oder schon auch Ideen, die zu Romanen ausgearbeitet werden könnten, die von ein paar Punkten bis zu Szenen oder gar Kurzexposés reichen. Damit hält sich die Papierflut auch noch in Grenzen.

Kannst du uns einen Schnipsel aus deinem Ablagefach verraten?

Uschi: Etwas verraten? „Seit je her sind sie Sklaven.“

Vielen Dank! Wo wir schon beim Thema „Archiv“ sind, hier noch eine Frage: 
Viele Menschen sehen sich ungern Schwarz-weiß-Filme aus der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts an, weil ihnen deren Erzählweise zu veraltet ist. Aber man muss gar nicht so weit zurückgehen, auch Filme aus den 80ern oder 90ern sind schon heute an ihrer etwas anderen Erzähltechnik gut zu erkennen. Altern geschriebene Texte auch?

Uschi: Ja, auf alle Fälle. Mir ging es beispielsweise mit dem Nobelpreis-Buch „Der Fänger im Roggen“ so, das ich erst 2002 gelesen habe. Zu seiner Zeit war das ein innovativer, „skandalträchtiger“ Roman, und sehr gut erzählt. Aber die sozialen Auseinandersetzungen des damals Heranwachsenden sind heute fast spielerisch-naiv im Vergleich zu den Problemen, mit denen sich die Jugendlichen heutzutage herumschlagen müssen. Auch die Erzählweise wirkt heutzutage recht gediegen. Was damals ein bedeutender Generationenroman war, ist für mich heute zwar ganz nett, aber nicht weiter haftend zu lesen.

Der „Alterungsprozess“ findet hauptsächlich in der Erzähl- und vor allem Ausdrucksweise statt, denn auf soziale Interaktionen bezogene Themen bleiben ja zumeist zeitlos. Und auch ein historisches Thema bleibt eher zeitlos, weil die Erzählweise der geschilderten Zeit angepasst sein muss. Bei der Science Fiction schaut es da schon wieder anders aus. Die Technik und auch Gesellschaftsform beziehungsweise Kritik daran werden schnell von der Wirklichkeit überholt. Hier braucht es schon ausgefallene Ideen und skurrile Beschreibungen, um über lange Zeit hinweg gern gelesen zu werden.

Als dein Roman „Chandris Welt“, ursprünglich 1992 geschrieben, letztes Jahr wiederveröffentlicht wurde, hast du dich erfreut gezeigt, dass er sich gut gehalten hat. Wo merkt man ihm sein Alter an?

Uschi: Das ist schwer für mich zu sagen, da ich den Roman auch aus der längeren Distanz nicht als reiner Leser beurteilen kann. Ich persönlich hatte schon den Eindruck, dass „Chandris Welt“ leicht „gealtert“ war, weil ich aus heutiger Sicht den Focus hier und da etwas anders setzen und ein wenig mehr Dynamik reinbringen würde. Diese Aussage gilt aber nur für den Fall, wenn ich anhand der Idee heute das erste Mal den Roman dazu schreiben würde. Überarbeiten würde ich die Geschichte keinesfalls, denn so wie sie ist, ist sie harmonisch, stimmig und atmosphärisch. Altmodische Ausdrücke wurden ohnehin korrigiert. Beim nochmaligen Lesen nach so vielen Jahren hat mir die Geschichte gefallen, doch ich war nicht sicher, ob diese Erzählweise auch beim heutigen Leser gut ankommt. Es sind ja achtzehn Jahre bis zur Zweitveröffentlichung vergangen, und die Lesart hat sich seitdem natürlich verändert, weil eine neue Generation herangewachsen ist. Doch die Resonanz war durchwegs positiv; was sicherlich auch am Inhalt liegen mag, der die Geschichte zeitlos macht – jemand strandet auf einer fremden Welt und muss sich zurechtfinden. Ein Thema, das immer passt.

Bis zur nächsten »Mail mit Uschi« im März

Der Gästezugang für Kommentare wird vorerst wieder geschlossen. Bis zu 500 Spam-Kommentare waren zuviel.

Bitte registriert Euch.

Leit(d)artikelKolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Wir verwenden Cookies, um Inhalte zu personalisieren und die Zugriffe auf unsere Webseite zu analysieren. Indem Sie "Akzeptieren" anklicken ohne Ihre Einstellungen zu verändern, geben Sie uns Ihre Einwilligung, Cookies zu verwenden.