Bücher beeinflussen Filme - Filme beeinflussen Hefte
Filme beeinflussen Hefte
Plötzlich fiel mir ein Bild auf, das mich sofort faszinierte. Es war die Zeichnung eines gewaltigen Monsters, das durch eine Stadt trampelte. Bisher hatte ich die Ecke mit den Romanheften nie beachtet. Nun aber musste ich unbedingt genau dort hin. Gruselige Geschichten? Und dann noch mit Monstern?
Man kann ruhigen Gewissens sagen, dass das Heft Nakor Die Echse des Grauens von Dan Shocker der wichtigste Roman meines Lebens ist, denn er brachte mich zum Lesen. Es war dieses Titelbild, eine nachgezeichnete Filmszene aus Beast from 20000 Fathoms (Panik in New York, 1953), das mich faszinierte. Der Roman, den ich überraschend schnell durchgelesen hatte, faszinierte mich. Eine Mischung aus dem vorgenannten Film und Elementen aus Curse of the Demon (Der Fluch des Dämonen, 1958), den ich zu jenem Zeitpunkt allerdings noch nicht kannte.
Der Effekt war klar. In der Folge suchte ich mir mehrere Romane von Dan Shocker zusammen. Lange Zeit las ich nur diesen Autor und wurde dadurch ein wenig versaut. Als ich später mir einen Überblick über andere Gruselhefte verschaffte, war die Enttäuschung oft recht gross, denn kaum eine Geschichte hatte, was die Plots anging, ein solch hohes Niveau. Dennoch war ich in diesem Universum gefangen. Bald traten die Comics in den Hintergrund und es gelang mir sogar einige Freunde mit meinem neuen Virus zu infizieren. Wir gründeten praktisch einen ersten örtlichen Fanclub. Wir trafen uns häufiger, tauschten Romane und Leseerfahrungen aus.
Ich blieb leider mit der Zeit als Einziger übrig, begann irgendwann mich mit der Materie tiefer auseinanderzusetzen. Mit der Gründung des Dan Shockers Fantastik Club Ende der 70'er und der zwar ungeordneten aber durchaus aktiven Clubszene der 80'er weitete sich das Interesse aus und ich traf endlich wirklich Gleichgesinnte.
Aber darum soll es hier nicht weiter gehen. Ich will jetzt auch nicht die Geschichte des Heftromans aufrollen. Das werden heute sicherlich andere Leute tun, zudem fehlt mir das Fachwissen dazu. Man bat mich, so etwas wie ein Grußwort zu schreiben. Nun, ich dachte mir ein Motto aus. Was mir immer wieder beim Lesen der Romanhefte auffiel, war die Tatsache, dass ich Handlungen und Bilder aus diversen Filmen der Geschichte vorfand. Ich meine dabei nicht jene Werke, die direkte Plagiate waren, sondern jene, die Filme als Grundlage benutzten.
In der Frühzeit des Horrorheftes war es eigentlich eine logische Konsequenz, dass die Autoren sich an den bekannten und beliebten Filmen orientierten. Es gab keinerlei Erfahrungswerte und literarisch waren derartige Geschichten zu jener Zeit auch eher rar (zumindest auf dem Deutschen Markt). Um aber den Lesern etwas bieten zu können, an dem sie sich orientieren konnten, verarbeiteten sie das, was sie gesehen hatten, sodass jeder etwas damit anzufangen wusste.
Dan Shocker begann Ende der 60'er unter dem Eindruck der immer noch sehr populären Edgar-Wallace-FilmeJames Bond und seinen ganzen Nachzüglern. Seine ersten Romane, die unter dem Gruselsignum (die Skeletthand) erschienen, waren zumeist nichts anderes als Abwandlungen der Handlungsstrukturen die man hinreichend aus den Wallace-Filmen gewohnt war. Er vermischte es mit ein wenig Bond-Flair, was die handelnden Figuren anging. Eine konzeptionell logische Mischung, die zumindest nahe legte, dass es ein Erfolg werden konnte. Die Romane erschienen mit griffigen Titeln, die direkt von Plakaten der Wallace filme hätten stammen können, wie etwa Das Grauen schleicht durch Bonnards Haus oder Der Dämon mit den Totenaugen. sowie unter
Als kurios im Übrigen empfinde ich den ersten Roman Das Grauen schleicht durch Bonnards Haus. Einmal abgesehen von den Hauptfiguren und dem Schnickschnack weist er einige Parallelen zu einem US-Film auf, der in Deutschland nie lief und einen ebenso klassischen wenn auch fragwürdigen Ruf aufweist, nämlich Blood Feast (1963) von Herschell Gordon Lewis. Das Handlungsgerüst ist über weite Strecken identisch. Ich glaube nicht, dass Dan ShockerDie Gedankenmörder kommen etwa ein halbes Jahr vor Erscheinen des Films Scanners (1980) bei uns dummerweise wurde der Roman erst viel später veröffentlicht, weshalb er sich mit dem Vorwurf des Plagiats auseinandersetzen musste. Ist ja auch nicht von der Hand zu weisen, er dürfte vorher zumindest von dem Film gehört oder gelesen haben. diesen Film gesehen hat, aber er dürfte davon gehört oder darüber gelesen haben. Interessant in diesem Zusammenhang ist weiter, dass der Autor auch später oft Stoffe aus Filmen verarbeitete, die in Deutschland noch gar nicht gelaufen waren. Zum Beispiel schrieb er den Roman
Man sollte im Übrigen nicht glauben, dass ich derartige Vorgehensweisen für verwerflich halte. Das Heft war und ist ein Massenprodukt, schnell und effektiv geschrieben. Manche Autoren wie zum Beispiel Jason Dark müssen wöchentlich mindestens einen Roman 'raushauen. Da soll einem mal immer etwas einfallen. Es ist durchaus legitim, sich daher von Sachen die man sieht oder liest beeinflussen zu lassen. Zudem muss das Heft die Massen ansprechen. Und wenn der potentielle Leser etwas sieht, was er wegen der Bekanntheit nachvollziehen kann, dann ist er eher bereit, das Produkt zu kaufen. Niemand sollte jetzt glauben, dass der normale Heftleser, der aus einer breiten Menge kommt und gar nicht tiefer in die Materie eindringen will, die Zusammenhänge erkennt. Er will es auch gar nicht wissen, denn er will nur etwas zum Zeitvertreib lesen. Die wenigen spezieller Interessierten, die solche Sachen dann merken, sind nicht von Belang.
Jason Dark ist, wenn man es genau nimmt, der viel größere Plagiator, übernahm er in seinen Romanen doch komplette Szenenfolgen aus meist sehr populären Filmen. Aber, wie gesagt, man kann es ihm und auch den anderen Autoren nur bedingt vorwerfen. Und welcher Mensch, der selbst hin und wieder eine Geschichte schreibt, will von sich behaupten, dass er nicht auch derartige Einflüsse aufnimmt (da schließe ich mich auch nicht aus). Und ich kann mir vorstellen, dass einem Massenschreiber manchmal keine andere Wahl bleibt. Er muss etwas schreiben, wenn er seinen Vertrag erfüllen will. Und nicht immer sprießen die Ideen nur so in seinem Hirn.
Und vielleicht ist es auch gerade diese Nähe zum Film, die mich all die Jahre bei der Stange gehalten hat. Während Buchautoren ständig genötigt sind, sich etwas Neues und Originelles einfallen lassen zu müssen (Sie haben deutlich mehr Zeit und stehen in einer ganz anderen Verantwortung dem Leser gegenüber), können Heftautoren weitestgehend drauflos schreiben. Natürlich haben auch sie eine Verantwortung gegenüber ihrer Leserschicht, aber jene ist eher bereit, für solche Fehler dieser Leute Verständnis aufzubringen.
Ich habe immer gern Hefte gelesen und kann auch heute noch dazu stehen. Man sollte sie als das sehen, was sie sind: Ein einfaches Unterhaltungsmedium.
Auf die nächsten 40 Jahre...
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