Und Lesen bildet doch...
Aber zurück zum Thema: Es muss 1982 oder 1983 gewesen sein, da trat zum ersten Mal so etwas wie Literatur in mein Leben, die ich nicht nur aus schulischen Gründen selbst konsumieren wollte. Klar, meine Comicleidenschaft war zu diesem Zeitpunkt schon voll entbrannt, und ich hatte bereits eine beachtliche Sammlung der guten, alten Williams-Marvels in meinem Kinderzimmer gehortet, aber Bücher ohne Bilder waren für mich genau so interessant, wie Weltmeisterschaften im Eiskunstlauf oder Einkaufstouren mit meiner Mutter ins C&A.
Doch eines schönen Tages kam ein spanischstämmiger Klassenkamerad bei mir zuhause vorbei und hatte einige Exemplare seiner neuesten Leidenschaft im Gepäck und Zack; ich war sofort begeistert. Allein schon das Cover versetzte mich in helle Aufregung: Grauenhafte Krallenhände, die sich aus einem Sumpf kommend ins freie reckten, und bereits erahnen ließen, welch namenloses Schrecken die dazugehörigen Körper wohl verbreiten würden, wenn sie der bräunlichen Masse erst entstiegen wären. Im Hintergrund war ein Geländefahrzeug zu sehen und der Mann auf dem Beifahrersitz schien ähnliche Befürchtungen zu haben, denn sein Blick wirkte nicht wirklich sonderlich gelassen. Dazu noch der Titel: Der Pesthügel von Shanghai. Das klang in meinen Ohren nach ganz großem Kino. Gerade kurz zuvor hatte ich, viel zu früh wie die FSK sagen würde, meine Leidenschaft für Horrorfime entdeckt und solche Perlen wie die Originalversionen von Dawn of the dead oder Blutgericht in Texas zum ersten mal gesehen.
Da kamen mir diese Heftchen aus dem Bastei-Verlag gerade zur rechten Zeit in die Hände, um meine Gier nach Blut und Gedärmen auch ohne die enorm hohen Hürden im Bereich der Neubeschaffung von geeigneten Filmen befriedigen zu können. Kenner der Szene werden natürlich gleich erkannt haben, um welche Serie es sich handelte. Geisterjäger John Sinclair. Sogleich war mir klar, das ich meine Sammelleidenschaft nur schwerlich würde zurückhalten können diese Serie musste ich einfach haben. Als mich mein Schulfreund an diesem Nachmittag wieder verlassen hatte, waren mir leihweise immerhin zwei Romane geblieben den Titel des zweiten weiß ich allerdings nicht mehr was ich allerdings noch sehr genau weiß, ist mein Versuch, meine Mutter davon zu überzeugen, das diese Romane genau das richtige für mich sind. Daran sollte natürlich eine leichte Erhöhung des Taschengeldes gekoppelt werden, denn immerhin und hier schließt sich der Kreis zum Titel meines Artikels bildet Lesen ja, und so erschien es mir nur logisch, dass ein Einstieg in die Welt von Jason Darks Geisterjäger auch im Interesse meiner Eltern sein musste.
Man wünscht sich ja wohl nichts anderes, als dass die eigenen Sprösslinge sich für Literatur und die schönen Künste interessieren. Leider war meine Mutter nicht ganz meiner Meinung, was einige leidige Diskussionen um den literarischen Wert der, wie sie so schön formulierte Schund- und Groschenromane, von mir jedoch als neue Lieblingslektüre erkorenen Sinclair-Hefte nach sich zog. Letztlich konnte ich weder Mutter noch Vater von der Dringlichkeit eines höheren Monatsbudgets zugunsten meiner Deutschnote überzeugen. Dies hinderte mich aber nicht daran fortan mittels Umschichtungen und Kürzungen in anderen Bereichen genügend Geld zusammenzukratzen, um mir die jeweils aktuelle Sinclair-Ausgabe doch leisten zu können.
Mein erstes selbst gekauftes Heft war dann die legendäre Nummer 250 (ja, die mit den schönen Aufklebern) und in den nächsten Wochen und Monaten war ich am Wochenende regelmäßig auf Floh- und Trödelmärkten in der Region unterwegs, um meine Sammlung nach und nach zu vervollständigen. Irgendwann knapp zwei Jahre nach meinem Start in Horrorheftromangenre war es dann tatsächlich soweit: Ich war stolzer Besitzer einer kompletten (bis auf die selteneren Gespenster-Krimi-Ausgaben) John Sinclair-Sammlung. Mein Sammeldrang war allerdings weitaus größer als der entsprechende, eigentlich zugehörige Lesedrang, was sicherlich auch mit der im Laufe der Zeit immer schlechter werdenden Qualität der Storys zu begründen ist. So kam es, dass ich von den ca. 500 Sinclair-Romanen (die sich übrigens noch immer in meinem Besitz befinden), wohl nur an die 100-150 Stück tatsächlich auch gelesen habe. Doch der Konsum der Sinclair-Geschichten hatte (und hier komme ich nochmals zurück auf die Überschrift) andere, noch immer nachhallende Auswirkungen auf mein damaliges, heutiges und auch zukünftiges Konsum-, Lese- und Spielverhalten.
Über Sinclair geriet ich zunächst an Stephen King, von diesem wiederum wechselte ich zu Lovecraft, von dem es zu Howard, und damit erstmalig auch in Richtung Fantasy-Literatur ging. Doch damit nicht genug. Sowohl die Lektüre von Lovecraft als auch Howard führten schließlich dazu, dass ich mich auch für eher aktivere Beschäftigung mit den Genres Horror und Fantasy zu interessieren begann. So kam ich zum Rollenspiel zunächst Cthulhu, dann DSA und etliche weitere Systeme, die sich seither in meinem Schrank zu Stapeln begannen. Auch das Interesse an Horror- und Fantasy-Filmen wurde, nicht zuletzt durch die Lektüre der genannten Autoren, immer größer. Und wenn man die Beschäftigung mit solcherlei Machwerken (sowohl Filmen als auch Romanen und Spielen) durchaus unterschiedlich bewerten kann, möchte ich für meinen Teil doch bemerken, dass ich glaube, dass letztlich Jason Dark und John Sinclair die Initialzündung bewirkt haben, dass das geschriebene Wort und der Spaß an spannenden Geschichten in mir geweckt wurden. Insofern denke ich, dass selbst der Konsum von Groschenromanen etwas Positives (abgesehen von dem Spaß, den man mit den Teilen haben kann) bewirken kann, und selbst wenn dies nicht so ist, möchte ich die Zeit, die ich mit John, Suko und Bill Connolly verbracht habe nicht missen. Und daher bleibt mir trotz der im Verhältnis zu den 40 Jahren Horrorheftroman ziemlich kurzen Zeitspanne, in der ich mich intensiver mit Diesen beschäftigt habe, nur noch zu sagen: Happy Birthday Horrorheftroman, alles Gute.
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