Ein Beitrag von Oliver Fröhlich und Stefan Albertsen
Olsen und Lobo
So ganz unter uns
Von der unerträglichen Seichtigkeit des Seins
Olsen: Hey, Lobo, mal so ganz unter uns: Der
Gruselheftroman wird 40 und hat uns zu seiner Feier eingeladen. Ich weiß aber
noch gar nicht recht, ob ich hingehen soll. So gut kenne ich ihn schließlich
auch nicht! Okay, wir sind fast gleich alt. Trotzdem wurde unser Kennenlernen
anfangs dadurch verhindert, dass er ab dem Tag seiner Geburt schreiben, ich
aber noch einige Zeit lang nicht lesen konnte! So hat es doch immerhin bis 1979
gedauert, bis wir uns das erste Mal über den Weg gelaufen sind. Ich weiß nicht
mehr woher, aber irgendwie hab ich ein zerfleddertes, zerlesenes Heft namens
Hexentanz in die Finger bekommen, in dem ein Geisterjäger mit seinem
chinesischer Partner drei Hexen gejagt hat. Bis heute blieb mir die Szene
unvergessen, in der der Chinese in den Keller gesperrt war, die Hände auf den
Rücken gefesselt hatte und sich trotzdem befreien konnte, weil er mit den
Beinen zwischen den gebundenen Händen durchgestiegen ist und so die Arme
wieder vor dem Körper hatte. Boah! Das hatte mich beeindruckt.
Das war großartig, genial, grandiose Literatur und
trotzdem hab ich das Heft nach der Lektüre weggeworfen und gedanklich abgehakt!
Es gingen noch einmal ganze zwei Jahre ins Land, bis ich wieder so ein
zerfleddertes Heftchen aus der Altpapiersammlung eines Nachbarn ergattern
konnte. Ich stellte fest, dass es sich dabei um die gleiche Serie handelte, mit
der ich schon zwei Jahre zuvor Bekanntschaft geschlossen hatte: Geisterjäger
John Sinclair. Diesmal handelte es sich um Satans Schloß (ja, das schrieb
man damals noch mit ß!), dessen düsterer Cover mich sofort in den Bann zog. Ich
habe heute keinen blassen Schimmer mehr, worum es darin ging, aber ich weiß
noch, dass Sinclair mit so faszinierenden Dingen wie einer gnostischen Gemme
und einer magischen Kreide rumgefuchtelt hat. Zwar wanderte das Heft wieder in
den Papierkorb, schließlich sah es ohnehin schon aus wie ein zerknülltes
Tempo-Taschentuch, aber die Folgen waren andere als beim Erstkontakt: Ich
pilgerte zum nächsten Kiosk und kaufte mir den aktuellen Band 156 Myxins
Entführung. Was ich ab diesem Tag jede Woche tat! Ohne schuldhaftes Zögern
vervollständigte ich dann mit der Zweitauflage mein Wissen und jubelte, als
auch endlich eine Drittauflage erschien, die mir dann die letzten wenigen
Lücken noch schließen konnte. Tja, so ging das 1981 bei mir los. So wie ich
dich kenne, warst du da schon tief in der Materie drin, oder?
Lobo: Also Olsen, ich fühle mich ja sehr geschmeichelt, und wenn
ich ein ein wenig unehrlicherer Mensch wäre, würde ich dir jetzt zustimmen,
aber tatsächlich lief das bei mir ganz anders. Nebenbei habe ich dieselbe
Einladung wie du erhalten, aber auch ich bin unschlüssig, ob ich hingehen soll,
denn da werden sich viele Persönlichkeiten tummeln, die ich noch gar nicht so
richtig kenne. Aber lass mich ausführen, wie
ich mich dem Horrorheftroman näherte und
weshalb ich überhaupt auf seiner Einladungsliste gelandet bin. Also, es war
1978 und ich war noch nicht ganz zehn Jahre alt (oh ja, ich bin direkt im Jahr
des ersten Horrorheftromans in Deutschland geboren worden) und ich befand mich
mit meinen Eltern auf Urlaub in Österreich. Aus Langeweile kaufte meine liebe
Mutti - in der Öffentlichkeit würde ich sie nie so nennen, aber diese Zeilen
bleiben ja unter uns, gell?
Olsen: Natürlich! Wer würde sich auch schon für unser Geschwätz
interessieren?
Lobo: Stimmt! Wo war ich? Ach ja, also meine liebe Mutti kaufte
sich eines dieser Groschen-Schund-Roman-Heft-Dingsbumse, wie mein Vater immer
so gerne zu sagen pflegte. Es war und das ist wirklich wahr
und kein Flachs John Sinclair Nr. 1 Im Nachtclub der Vampire. Mein Muttchen
hatte das Teil ziemlich schnell ausgelesen, was mich im Nachhinein verwundert,
denn sie schätzt eher einen guten Dr. Stefan Frank oder einen kernigen
Alpenland-Liebesroman (oder wie die Dinger heißen). Das Heft wanderte in ihren Koffer
und von dort stibitzte es sich ein kleiner, etwas pummeliger Junge heraus. Richtig, ich schnappte mir den
Roman und las ihn durch. In sage und schreibe weniger als anderthalb Stunden
hatte ich das Kontingent durchgepflügt, meinen Pulsschlag verdoppelt, meine
Mundhöhle vor Spannung ausgetrocknet und mir eine schlaflose Nacht eingeheimst,
denn überall vermutete ich nun rattenscharfe, aber gefährliche Vampirbräute,
die mir ans Leder wollten. Oh süße Jugend, bist so schnell
entschwunden aber egal, man war halt damals etwas sensibler und vor allem
leichter zu beeindrucken. Danach wurde es dann aber ruhig um den
Horrorheftroman, zumindest aus meiner Sicht, bis ich tadaaaa ... 1981
(merkwürdiger Zufall, was?) unter dem Bett meines Bruders ein weiteres Exemplar
dieser Gattung fand. Dieses Mal war es ein Heft, das ein
lilafarbener Rahmen einfasste und oberhalb
prangte in weißer Schrift der Name der Serie Gespenster-Krimi. Es war der Band 429 Im
Niemandsland des Bösen, in dem ein anderer Dämonenjäger namens Tony Ballard
(von seinen Fans scherzhaft John Sinclairs kleiner Bruder getauft) gegen einen
Schwarzmagier namens Mago antrat und sich dabei mächtig ins Zeug legte. Die kleine Glut, die seit knapp 3
Jahren in mir geschwelt hatte, brach nun durch, wurde zu einem Großfeuer der
Begeisterung und infolge einer kurzen namentlichen Erwähnung John Sinclairs in
dem Gespenster-Krimi, war ich es dann, der zwei Wochen später und von da ab
über 10 Jahre lang regelmäßig, wöchentlich seine Horrorheftroman-Dosis
benötigte. Tja, ich schimpfe immer über
Junkies, aber irgendwie war ich damals selber einer. Zumindest bezüglich dieses
Schunds. Der Rest ist schnell erzählt und
passt sich sehr gut an deine Ausführungen an.
2) Aufstockung der eigenen
Sammlung durch ältere Romane oder Exemplare von Zweit-, Dritt- oder Viertauflagen
3) Vehemente Verteidigung
der Serien, ihrer Helden und Autoren vor derjenigen, die dem nichts abgewinnen
konnten und das alles für absoluten Quatsch hielten.
Tja, so war es bei mir, doch diesen
Anfängen folgten noch andere Rattenschwänze. War bei dir doch bestimmt genauso,
oder?
Olsen: Nee, überhaupt nicht! Das isses ja! Ich saß mal an einem
schönen Sommertag mit meiner werten Frau Mutter (niemals, nicht mal so ganz
unter uns, würde ich sie Mutti nennen!) und deren Herrn Gemahl, welches
zugleich mein Vater zu sein pflegte, auf der Terrasse und schmökerte in einem
meiner Sinclairs. Da mein Daddy über akuten Lesestoff-Mangel jammerte, erbarmte
ich mich seiner und lieh ihm eines meiner geliebten Heftchen. Ich glaube, es
war Band 73 Der Satansfjord. Als er ein paar Seiten durch hatte, stellte ich
eine Ein-Wort-Frage: Und? Die Antwort meines Vaters war:
Dem sein Kreuz verschießt Blitze. Ich: Ja, cool, oder? Aber lies
nur weiter! Das wird noch besser. Er: Das bezweifle ich!
Lobo: Entschuldige, dass ich dich unterbreche, aber das war noch
eine nette Reaktion. Mein alter Herr genoss einen meiner Sinclair-Romane und
brach bereits nach der vierten oder fünften Seite in schallendes Gelächter aus. Das hatte auf mich die Wirkung, als
habe mir jemand einen ganzen Eimer mit eiskaltem Wasser über den Kopf gegossen,
denn es handelte sich um meinen damaligen Lieblings-John Sinclair Band 210
Drei Leichen im Garten. Ich fand den Roman einfach nur
geil, vor allem, weil John mit einem Fangeisen am Bein gegen einen Untoten
kämpfen musste und dann auch noch gewann. Und mein Vater? Der lachte! Lachte!
LACHTE! Damals lernte ich zweierlei:
1)
Geschmäcker sind
verschieden.
2)
Es gibt viel zu Wenige
von denen, die ernsthaft und regelmäßig Horrorheftromane lesen.
So, entschuldige, bitte erzähl doch
weiter, wie es dir nach diesem Erlebnis erging.
Olsen: Also von da an
war es bei mir vorbei mit der offenen Zur-Schau-Stellung meiner Lektüre. Ich
war schockiert von der Antwort meines Vaters und von dem angewiderten
Ausdruck in seinem Gesicht. War es vielleicht wirklich Schund, was ich da so
begierig verschlang? Musste ich mich womöglich dafür schämen? Ich meine, ich
war gerade in der Pubertät, und da schämte man sich ja ohnehin schon für
allerhand. Ich beschloss, meine Begeisterung für derlei Hefte fürderhin nicht
in der Öffentlichkeit breitzutreten. Und ganz sicher hätte ich die Serie nicht
verteidigt, wie du es so heldenhaft getan hast! Und von wegen Rattenschwänze!
Andere Serien gab es für mich nicht. Ich versuchte es wohl einmal mit einem
Professor Zamorra, das muss wohl so um Band 180 herum gewesen sein, der hat
mir aber gar nicht gefallen. Da gab es Raumschiffe. Raumschiffe, Herrgott noch
mal! In einer Gruselserie! Nee, das war nix für den kleinen Olsen. Das war aber
auch der einzige Versuch, einmal fremdzugehen. Ja, das ist das richtige Wort!
Irgendwie wäre es mir damals tatsächlich so vorgekommen, wenn ich neben meinen
Sinclairs noch andere Serien gehabt hätte. Eigentlich ist das merkwürdig,
denn die literarische ... na ja ... Zweifelhaftigkeit der Hefte ist mir schon
sehr früh aufgefallen. Ich kann mich noch gut an eine Szene erinnern, die
glaube ich aus Band 227 Stellas Rattenkeller stammte. Da öffneten John und
Suko eine Kellertür und starrten die sich anschließende Treppe hinab. Sie sahen
aber nichts, weil es unten finster wie im Bärenarsch war. Deshalb bediente der
kluge Suko den Lichtschalter. Das Kellerlicht ging an und im Schein dieses
Kellerlichts konnten unsere Helden am Fuße der Treppe Kerzenständer mit brennenden
(!!!) Kerzen sehen. Das war aber nicht das Einzige! So
wie Jason Dark heute so gerne das Wort verdammt benutzt, hat er sich früher
in der Verwendung von Und wie! gesuhlt. Außerdem haben sich alle andauernd
mit mein Lieber und meine Liebe angeredet. Und trotzdem: Irgendwie hat mich
das damals nicht gestört! Ich hielt Sinclair quasi für die Krone der
Romanheftschöpfung. Ich war mir bewusst, dass es schreiberisch nichts
Besonderes war, war aber zugleich der festen Überzeugung, dass andere Serien
auch nicht besser wären. Nun ja, und so entgingen mir damals Dämonenkiller,
Larry Brent, Macabros und was es sonst noch so alles gab. Tony Ballard war mir
nur dem Namen nach bekannt (aus seinen Cross-Over-Auftritten im
Sinclair-Universum). Aber jetzt erzähl mir nicht, dass
du dich da genauso festgefahren hattest wie ich!
Lobo: Ähem, eigentlich
schon! Ist mir richtig etwas peinlich, jedenfalls aus heutiger Sicht. Nun, dass ich die nachfolgenden
GKs mit Tony Ballard hegte und pflegte und dann später 1982 dessen
eigenständige Serie regelmäßig verfolgte, das brauche ich hier wohl kaum
anzuführen. Aber nichtsdestotrotz war John
Sinclair mit seinem Kruzifix und seinem Sinclair-Team für mich lange Zeit
auch die Spitze des Absolutismus hinsichtlich Horrorheftromane. Okay, mich haben die ständig
wiederholenden Anreden und Redewendungen damals ebenso wenig gestört wie Jason
Darks Vorliebe für alte Kalauer, die er seinen Helden in den Mund legte,
wodurch es ihnen dann möglich war, Freunde und Kollegen zum Lachen mit Tränen
in den Augen zu animieren. Auch den Umstand, dass, wann immer
Jungendliche oder Kinder mitspielten, deren Dialoge sich anhörten, als
unterhielten sich dort zwei Erwachsene, denen jegliches Gefühl für zeitgemäße
oder hippe Ausdrücke fehlte, veranlasste mich nicht dazu, das Sammeln der
John Sinclair Romane einzustellen oder mich anderweitig umzublicken.
Olsen: Oh ja, bei Sinclair liefen tatsächlich die
ältesten Kinder durch die Serie, von denen ich je gelesen hatte. Ich fand aber
auch die Dialoge unter den Erwachsenen zuweilen völlig weltfremd. In
irgendeinem Taschenbuch gab es mal ein unsäglich stussiges Gespräch zwischen
John und Glenda. Seitenlang wurden da Worthülsen gedroschen. Irgendwann
klingelte in der Szene das Telefon und es hieß sinngemäß: Das Läuten des
Telefons unterbrach unsere Flachserei. Und ich dachte: Wer auch immer du
bist, der da gerade anruft, ich danke dir von ganzem Herzen!
Lobo: Irgendwann fiel mir Ron Kelly auf, der neben einer
ebenso simplen, wie aber auch spannenden Geister- oder besser Schattenjagd das
Dr. Richard-Kimble-ich-bin-unschuldig-aber-auf-der Flucht-Rahmenelement
enthielt und sich deshalb schon ein wenig vom übrigen Angebot abhob. Aber der
legte sich ja noch vor Vollendung seines einjährigen Bestehens in die
Totenkiste für eingestellte Romanserien. Auch ich wandte mich dann mal
interessehalber der akademischen Schicht der Geisterjäger zu, doch Professor
Zamorra (es muss bei mir um die ersten 200er-Romane gewesen sein) überzeugte
mich nicht wirklich. Larry Brent ging mir, gelinde
gesagt, am A***h vorbei. Nicht etwa, weil ich mich wirklich damit
auseinandergesetzt hatte, aber Agentenstorys fand ich damals (heute längst
nicht mehr) doof. Macabros war mir zu fantasylastig. Überhaupt fand ich Dan Shockers
Schreibe damals (heute längst nicht mehr; ich weiß, ich wiederhole mich)
anstrengend. Von diesen Ausblicken enttäuscht
versuchte ich gar nicht erst, beim Dämonenkiller oder bei Serien wie Gordon
Black oder MacKinsey Fuß zu fassen und setzte weiterhin alles auf das eine As! John Sinclair (Gott bewahre, wie
simpel man in diesem Alter doch gestrickt ist). Aber schön war es schon, auch wenn
man heute über diese Engstirnigkeit nur den Kopf schütteln kann. Oder was
meinst du?
Olsen: Da gebe ich dir vorbehaltlos und vollinhaltlich Recht! Aber
ich muss gestehen, dass im Erwachsenenalter diese Engstirnigkeit zunächst in
die üblichen Vorurteile gegenüber Heftromanen übergegangen ist. Aber um dir das
verständlich machen zu können, muss ich dir erst mal erzählen, wie meine
Heftkarriere weiterging. Ich verlasse mich aber darauf, dass das unter uns
bleibt, denn das Ganze hat zuweilen Züge, bei denen sich ein Psychotherapeut
vor Freude die Hände auf die Schenkel schlagen würde. Also, ich hab gelesen, gesammelt,
gelesen, nachgekauft, gelesen, vervollständigt. Zu diesem Zeitpunkt hat mich
der Sammelwahn zwar noch nicht so fest in seinen Fängen gehabt, dass ich auch
unbedingt von jedem Heft die Erstauflage haben musste, aber auch wenn es mit
Zweit- und Drittauflagen war zumindest komplett musste es sein! Und dieses
Ziel hatte ich auch irgendwann erreicht. Blöd nur, dass so um Band 500 herum
meine Freude an der Lektüre langsam nachließ, während das Genervtsein wegen der
sprachlichen und inhaltlichen Mängel langsam wuchs. Aber dennoch war es wie
eine Droge! Man brauchte seine wöchentliche Dosis, obwohl man wusste, dass es
einem nicht gut tut! Und so hat es noch bis in die
frühen 600er Bände hinein gedauert, bis ich einen Schlussstrich zog und aus der
Serie ausstieg. Die Sammlung blieb natürlich unberührt im Schrank liegen, da
steckte schließlich jahrelange Arbeit dahinter! Sowohl in den späten 600ern,
als auch in den 700ern wurde ich noch mal kurz rückfällig. Als ich aber
feststellte, dass ich für die Lektüre eines Heftes länger als bis zum
Erscheinen des nächsten brauchte, endeten diese kurzen Episoden recht schnell
wieder. So weit, so gut. Ich führte ein
entspanntes, heftromanfreies Leben. Bis ihm Jahr 1996 ein Umzug anstand. Voller
Sorgfalt verpackte ich meine Bücher, meine CDs, meine Videokassetten und
stieß auf meine Sinclair-Sammlung. Mein Entschluss war schnell gefasst: Das
Zeug wird weggeschmissen oder zumindest verkauft. Für mich völlig überraschend
gingen meine damalige Lebensgefährtin und meine Mutter bei diesem Plan auf die
Barrikaden. Das kann man doch nicht machen, so eine schöne Sammlung weggeben.
Wer weiß, was die mal wert ist! Und so weiter, und so weiter, bla fasel sülz.
Beide hatten übrigens in ihrem Leben nie auch nur eine Seite Sinclair gelesen. Ich ließ mich schließlich
breitschlagen, die Sammlung in die neue Wohnung mit umzuziehen. Aber ich sagte
mir: Was nützt mir eine Sammlung, die in den 600ern endet, wo die Serie doch
gerade stramm auf die 1000 zumarschiert? Außerdem: Wenn ich den Kram schon behalte,
dann lese ich ihn auch wieder. Und: Ich fange aber nicht etwa mit den neuen
Heften an, dafür hab ich von dem alten Zeugs schon zu viel vergessen. Nein,
nein, nein, ich fange wieder ganz von vorne an! Das tat ich dann auch. Während ich
fleißig die neuen Hefte kaufte und die Lücken mithilfe der Romantruhe schloss,
zog ich mir die ollen Kamellen alle wieder rein. Und diesmal packte mich der
Sammelwahn vollständig. Soweit möglich versuchte ich nämlich, die ganzen Zweit-
und Drittauflagen durch die Originale zu ersetzen. Oh ja, das war geil! Ich
entdeckte eBay für mich eine verheerende Entdeckung für einen latent
Sammelsüchtigen. Ich steckte Unsummen in die Vervollkommnung meiner Sammlung,
nur um wieder etwa bei Band 600 feststellen zu müssen, dass mir die Serie
fürchterlich auf den Zeiger ging. Nun gut, ich stellte die Lektüre
wieder ein, räumte die Sammlung (von der ich die Hälfte der Hefte nicht gelesen
hatte!) zunächst in den Keller und dachte nach. Nach tagelangem Grübeln kam ich
zu dem Entschluss, die komplette Sammlung aus Selbstschutzgründen zu verkaufen.
Nicht, dass mir in ein paar Jahren wieder einfällt, ich könnte ja noch mal von
vorne anfangen und die inzwischen erschienenen Hefte auch gar kaufen. Also weg das Zeug! Ich glaube, die
Romantruhe hat damals ein gutes Schnäppchen mit mir gemacht (dafür mussten sie
Jahre später unter meiner enormen Wankelmütigkeit leiden diese Serie
abonniert, die nächste gekündigt, dafür die übernächste abonniert. Ich glaube
Joachim Otto kann da ein langes, trauriges Lied davon singen.)! Und wieder
vergingen Jahre der Zufriedenheit. Bis ich mich eines Tages entschloss, im Fitnessstudio
etwas für (oder besser: gegen) meine Wampe zu unternehmen. Ziemlich schnell
stellte ich dort fest, dass eine Stunde auf dem Cross-Trainer fürchterlich
langsam verging. Ach wäre es schön, wenn man was zu lesen dabei hätte. Die
Geräte in meinem Studio hatten da auch so eine praktische Ablage. Die ersten
Versuche scheiterten allerdings kläglich, da diese Ablage den Büchern, die ich
mitbrachte, nicht gewachsen war. Andauernd klappten diese blöden Dinger wieder
zu. Außerdem erwischte ich mich dabei, zuweilen zwar in regelmäßigen Abständen
umzublättern, aber gar nicht zu wissen, was ich gerade gelesen hatte. Zu häufig
war ich abgelenkt von Gesprächen an der Beinpresse, denen man lauschen musste,
oder den verzweifelten Bemühungen mancher Neukunden am Butterfly, die man
beobachten musste. Nee, Bücher waren für so etwas
nicht geeignet. Besser wäre da etwas Anspruchsloses, wo es auch nicht so schlimm
ist, wenn man mal ein paar Seiten nicht in sich aufnimmt. Außerdem darf es
natürlich nicht dauernd zuklappen. Irgendwie so etwas wie ein Heft! Ich komme zurück auf das, was ich
anfangs gesagt habe. Aus meiner Engstirnigkeit (Sinclair ist das Beste!)
waren inzwischen Vorurteile (Das ist doch eh alles der selbe Stuss!)
geworden. Aus diesem Grund kam ich nicht mal ansatzweise auf die Idee, eine
andere Serie anzutesten. Da ja ohnehin alles gleich schlecht war, griff ich
wieder zu Sinclair. Hier hatte ich wenigstens schon einen gewissen Background.
Außerdem war es doch sicher interessant zu erfahren, wie es dem guten John in
meiner Abwesenheit ergangen ist. Schade eigentlich, dass ich die Sammlung
damals verkauft habe. Vielleicht könnte ich sie ja noch einmal ... Halt! Diesmal dauerte es Gott sei
Dank nicht wirklich lange, bis mir Sinclair auf den Geist ging. Auf jeden Fall
war es früh genug, um nicht die komplette Sammlung noch einmal anzukaufen. Und nach langen, langen Jahren kam
ich endlich ins Grübeln. Vielleicht sollte ich ja doch mal einer anderen Serie
eine Chance geben? Lass es mich kurz machen. Ich will deine Zeit nicht über
Gebühr strapazieren. Ich versuchte es mit einem Perry
Rhodan-Band. Mitten in einem Zyklus. Ich verstand kein Wort und legte ihn nach
zehn Seiten auch wieder weg. Aber alleine diese zehn Seiten reichten, um zu
erkennen, dass literarische Welten zwischen einem Rhodan und einem Sinclair
lagen. Ein Arbeitskollege verkaufte mir seine PR-Sammlung, nämlich die ersten
500 Bände. Die restlichen lächerlichen (zu diesem Zeitpunkt) 1700 Hefte
besorgte ich mir über eBay und diverse Sammelbörsen bloß weil ich die
Sinclair-Sammlung nicht wieder aufgebaut habe, heißt das ja nicht, dass man
nicht etwas Anderes sammeln könnte, gelle? Und erst in diesem Augenblick
öffnete ich tatsächlich meine Augen auch für andere Serien. Rhodan zeigte mir,
dass eben doch nicht alles der selbe Stuss ist. Ich begann mit Maddrax, Torn,
Professor Zamorra, Dorian Hunter, Bad Earth, Sternenfaust und Macabros. Ich hatte
ja so viel nachzuholen! All die Jahre, in denen Sinclair meinen Geist verklebt
und meinen Blick für andere Serien getrübt hatte, mussten nun im Zeitraffer
aufgeholt werden. Na gut, ich musste mir
eingestehen, dass ich das in diesem Leben nicht mehr schaffen würde, deshalb
habe ich einige der Serien auch wieder aufgegeben. Aber so im Nachhinein ärgere
ich mich schon ein wenig, dass ich damals in meiner Jugend nicht gleich alle
Serien mal angetestet habe. Dann hätte ich heute nämlich viel mehr Zeit für die
unzähligen Bücher, die noch ungelesen in meinem Regal stehen.
Lobo: Oh mein Gott,
Olsen, da tut sich ja ein Drama von shakespearehaftem Ausmaß auf, wenn man
deine Horrorheft-Lebensgeschichte/-beichte liest. Ich sehe, du bist ein armer Tropf,
der jahrelang dem Sinclair-ist-der-Größte-Wahn verfallen war und mit den
dafür so typischen Scheuklappen durch die Gegend lief. Ja, ja und was noch viel trauriger
ist: Mir ist es ja annähernd gleich ergangen. Ich habe etwas länger beim alten
John durchgehalten und habe erst in der Mitte der 700er Romane (diese
unsägliche Assunga war schon im Spiel) meine Hühner gesattelt und bin von
dannen geritten. Die ständig wiederholenden Plots,
die fehlenden Höhepunkte und die eintönig nervende Sprache der Serie haben mir
in dieser Hinsicht und bildlich gesprochen das Genick gebrochen. Ich war es leid mich rückwärts zu
bewegen und wollte mich weiterentwickeln. Ich möchte hier einmal gehörig
anmerken, dass ich Jason Dark nach wie vor für seinen Fleiß und sein
Durchhaltevermögen sehr bewundere, aber damals (es waren die frühen 90er)
musste etwas geschehen. Also brach ich meine Sammelei von
einem Tag zum anderen ab und musste erkennen, dass ich nichts misse. Das mag auch daran gelegen haben,
dass ich zu dieser Zeit mit der Bundeswehr fertig war und meine Ausbildung zum
Physiotherapeuten (Physio nicht Psycho, gell?) antrat und fürs Lesen keine Zeit
mehr hatte (abgesehen von fachlicher Literatur, versteht sich). Als das Thema ausgestanden war,
kehrte ich nicht zum Horrorheftroman zurück, sondern wandte mich erneut meinem
alten Freund, dem Comic zu, was zur Folge hatte, dass diese Sammlung in den
nächsten Jahren genauso groß wurde (oder wahrscheinlich noch größer) wie die
meiner Horrorheftromane. Aber dann sah ich irgendwann doch
noch vereinzelte Exemplare von GKs, PZs, LBs, Macabros(es?) herumliegen und
in mir erwachte auch der Wunsch, selbst zu schreiben erneut, was ich dann als
Aufhänger nutzte, um mir diese bereits erwähnten Exemplare zu kaufen. Zwar investierte ich nun keine Unsummen
mehr (die Zeiten waren seit Geburt meiner Töchter vorbei), aber ich hielt doch
mal wieder auf Flohmärkten und auch bei eBay und Konsorten die Augen auf, um
mir mal das eine oder andere Schmankerl, wie z. B. Der Hexer von W. Hohlbein
zu gönnen und kleinere Reihen, in denen sich Lücken gebildet hatten,
auszufüllen. Ich las dann Vampire (die ich
nicht ganz übel fand), Torn (den ich sehr gut fand, zumindest in der
Heftromanzeit) und gelegentlich mal einen John Sinclair (den ich mittlerweile
richtig schlecht fand). Meine Rezis bei www.gruselromane.de zeugen von diesen
Erfahrungen und auch ich hatte dieses Gefühl, dass die frühen Jahre nicht
vollkommen verloren gewesen sind, aber dass man halt doch einiges verpasst hat,
weil man nun mal seinen Favoriten auf ein ziemlich hohes Podest gestellt hat. Tja, und aus diesen genannten
Gründen sehe ich dem 40. Geburtstag des Horrorheftromans mit etwas gemischten
Gefühlen entgegen.
Olsen: Geht mir ähnlich. Das wäre, als hätte eine Familie
Geburtstag, von der man über lange, lange Jahre nur den missratenen Sohn
kannte. Würde man da auf die Feier gehen wollen? Na ja, ganz so isses auch
wieder nicht, und ich gebe dir mit deiner Einschätzung vorhin ausdrücklich
Recht: Man muss Jason Dark für seine Leistung und für seine Disziplin, jede
Woche so ein Heft rauszuhauen (von den früheren Taschenbüchern etc. ganz zu
schweigen), wirklich Respekt zollen. Dennoch: Ich glaube, ich werde zu dieser
Geburtstagsfeier lieber nicht gehen. Horst von Allwörden hat mich ja
gebeten, dann wenigstens eine Glückwunschkarte in Form eines Beitrags für den
Zauberspiegel zu schreiben, aber wie du gerade schon bemerkt haben wirst, habe
ich zu diesem Thema eigentlich überhaupt nichts zu sagen. Klar, wenn der Horrorheftroman uns
gerade zuhören würde, könnte ich ihm meine Glückwünsche zurufen. Ich könnte ihm
Gesundheit und ein langes Leben wünschen, müsste ihm aber auch sagen, dass er
für sein Alter schon ziemlich mitgenommen aussieht. Unheimlich viele Familienmitglieder
sind schon gestorben, viele davon sogar in jungen Jahren, also vor Erreichen
des hundertsten Bandes. Aber dennoch wünsche ich ihm natürlich das Allerbeste,
insbesondere dass dem studierten Teil der Familie (also diesem Professor Zamorra,
du weißt schon) noch ein langes Leben beschieden sein möge. Na ja, aber es hört
uns ja ohnehin keiner zu! Und weil ich nichts zu sagen habe,
wird wohl auch Horst auf den Beitrag verzichten müssen. Was solls? Kann ich
auch nicht ändern. Aber soll ich den Leuten etwa davon erzählen, wie ich mit
den Heften angefangen habe und welche bizarren Auswüchse das im Laufe der Zeit
angenommen hat? Nee, das interessiert doch keinen! Deshalb lass ich es lieber
bleiben. Aber dir danke ich für dein offenes Ohr. Auch wenn du nur Physio und
nicht Psycho bist, hat mir das schon sehr geholfen.
Lobo: Freut mich Olsen,
freut mich wirklich. Manchmal muss ein Physio auch ein bisschen, ein Psycho
sein (also nicht so, wie es jetzt klingt sondern , okay ich habs verrissen.
GRRRR). Tja, es ist wirklich nicht leicht,
Freudentänze über diesen 40sten aufzuführen, wenn es einem eher so vorkommt,
als läge der Jubilar (und nun verzeih meine schonungslose Ausdruckweise)
tatsächlich in den letzten Zügen. Das mit den vielen Familienmitgliedern
aus dem Clan derer von und zu Horrorheftroman, die ein blitzschneller und somit
doch irgendwie gnädiger Tod ereilte, kann ich nur voll und ganz unterstützen,
das hast du sehr schön ausgedrückt. Und diese Sache mit dem missratenen
Sohn schlägt in mir auch eine zustimmende Saite an. Hier möchte ich noch hinzufügen,
dass diesem Sohn ein schnelles Ende vorenthalten wurde, so dass er schon seit
geraumer Zeit dahinsiecht. Klingt ganz schön morbide, was? Aber es ist nun einmal so, wie es
ist. Der Höhepunkt des Horrorheftromans
liegt weit zurück, die verbliebenen Spuren stellen offensichtlich nur ein
schales Überbleibsel des vergangenen Ruhms dar und selbst die hoffnungsvollsten
Anhänger müssen allmählich erkennen, dass der Niedergang nicht aufzuhalten ist
und einen bisweilen schon besorgniserregenden Stand erreicht hat. Von den gewaltigen Auflagezahlen,
die Mitte der Achtziger bei den Herausgebern und Mitverantwortlichen die Augen
haben leuchten und die Brieftaschen haben anschwellen lassen, ist ja heute
nicht mehr allzu viel übrig. Wenn es dich interessiert, frag mal
Hotte von Allwörden, der hat bestimmt genauere Zahlen. Gelegentlich versucht irgendjemand,
der noch am Drücker oder Drucker sitzt, ein Aufbäumen zu bewerkstelligen, aber Tatsache bleibt,
dass in solchen Fällen kaum mehr als Eintagsfliegen fabriziert werden (wobei
das nichts über die Qualität der durch die Autoren geleisteten Arbeit aussagen
soll). Es stimmt mich persönlich, der ich
in den Achtzigern den Hype so begeistert mitgetragen habe, schon sehr traurig,
wenn ich auf die Rudimente dessen blicke, was von damals übrig geblieben ist. Andererseits jedoch ja ja, ich
will ehrlich sein: Anderseits bin ich ein Mensch, der die Hoffnung niemals so
richtig und endgültig aufgeben will. Vielleicht sollte man den guten
Horrorheftroman doch noch nicht als sterbend ansehen. Eventuell sollte man verhalten
optimistisch sein, dass durch Erwachsen einer neuen Generation von Autoren und
Lesern dieses Genre zu neuer Blüte gebracht wird. So etwas hat es immer wieder
gegeben. Man sehe sich das Fandom von Star
Trek an, das sich jetzt, nach einigen mageren Jahren, wieder auf einem im
Moment noch zaghaften aber durchaus bemerkenswerten Vormarsch befindet. Hmmmm, also ich werde auch nicht
zur Geburtstagsfeier gehen. Nein, das lasse ich schön bleiben. Aber ich werde es mir Zuhause schön
gemütlich machen, ein Schlückchen Sekt oder auch Bier auf das Wohl des Jubilars
gönnen und mir dann, im stillen Gedenken an die schönen Zeiten die hinter mir
liegen, meinen damaligen Lieblings-Sinclair zu Gemüte führen. Und wer weiß, vielleicht widme ich
der Hoffnung auf eine Zukunft des Horrorheftromans eine kleine Schweigeminute. In diesem Sinne, mein Alter! Bis denne!
Sehe ich genauso! Habe mich zwar selten über den guten DäKi hinausgewagt (John Sinclair ist für mich noch ziemlich unentdecktes Land) aber das mit der "Abhängigkeit" kann ich sogar heute noch gut nachempfinden. Schöner Beitrag! Sehr erheiternd und erhellend!
Haha...zwei Klassische Fälle...und man merkt diese Sinclair-Hörigkeit dem Beitrag an! Lauter offene Fragen! Was wurde mit Mutti und der damaligen Lebensgefährtin? Haben sie jemals einen Sinclair gelesen? Und die Fitnessstudiobesuche? Gehören die immer noch zum Leben wie Shao zu Suko?
Aber im Ernst - es ist vielen so ergangen! Ich kannte auch etliche, die alles andere mit dem Satz 'Das kann doch nicht so gut sein wie Sinclair' ad acta legten...
Die Lebensgefährtin ist seit langen, langen Jahren eine gewesene. Die Mutti existiert noch. Beide haben aber immer noch keinen Sinclair gelesen. Das Fitnessstudio muss inzwischen auch ohne meine Beiträge auskommen. Allerdings dient nun der Hometrainer als Ort des Literaturstudiums (neben dem stillen Örtchen natürlich ...)
Der Gästezugang für Kommentare wird vorerst wieder geschlossen. Bis zu 500 Spam-Kommentare waren zuviel.
Wir verwenden Cookies, um Inhalte zu personalisieren und die Zugriffe auf unsere Webseite zu analysieren. Indem Sie "Akzeptieren" anklicken ohne Ihre Einstellungen zu verändern, geben Sie uns Ihre Einwilligung, Cookies zu verwenden.
Kommentare
Habe mich zwar selten über den guten DäKi hinausgewagt (John Sinclair ist für mich noch ziemlich unentdecktes Land) aber das mit der "Abhängigkeit" kann ich sogar heute noch gut nachempfinden.
Schöner Beitrag! Sehr erheiternd und erhellend!
Aber im Ernst - es ist vielen so ergangen! Ich kannte auch etliche, die alles andere mit dem Satz 'Das kann doch nicht so gut sein wie Sinclair' ad acta legten...
Das Fitnessstudio muss inzwischen auch ohne meine Beiträge auskommen. Allerdings dient nun der Hometrainer als Ort des Literaturstudiums (neben dem stillen Örtchen natürlich ...)