Von objektiven Kriterien und subjektiven Ansichten - Teil 1: Ist Objektivität überhaupt möglich?
Von objektiven Kriterien und subjektiven Ansichten
Teil 1: Ist Objektivität überhaupt möglich?
Teil 1: Ist Objektivität überhaupt möglich?
Wie dem auch sei: Im ersten Teil dieses, nennen wir es einmal, Specials möchte ich mich der Überlegung stellen: Ist so etwas wie echte Objektivität bei Rezensionen überhaupt möglich?
Sehen wir uns dazu zunächst einmal an, was Objektivität überhaupt meint.
Wir müssen uns nicht absichtlich dumm stellen. Jeder von uns weiß, dass so etwas wie vollkommene Objektivität nicht möglich ist. Jeder wird von seiner Umwelt, seinen Vorkenntnissen, seinen Vorlieben und was weiß ich sonst noch beeinflusst, und diese Beeinflussung wirkt sich immer auch auf Rezensionen aus, die wir schreiben. Da kann man noch so sehr versuchen, eine durch und durch sachliche, unabhängige, neutrale Rezension zu schreiben, die sich jeglicher Meinungsäußerung und jeglicher persönlicher Note enthält es geht schlichtweg nicht!
Kleines Beispiel gefällig? Nehmen wir an, die Protagonisten des Buchs ABC wären allesamt sehr einfach gezeichnet. Sie sind unkompliziert, werden vor allem über ihr Äußeres charakterisiert (das zudem noch gängigen Stereotypen entspricht) und machen im Verlaufe der Geschichte absolut keine charakterliche Entwicklung durch.
So weit, so gut. Als Rezensent kann ich so etwas ganz genau festhalten, oder?
Weit gefehlt! Denn dass die Personen unkompliziert sind, dass ihr Aussehen klischeehaft ist und sie von Anfang bis Ende keinerlei Charakterwandlung erleben, weiß ich nur dann, wenn ich schon einmal Geschichten gelesen habe, in denen andere Darstellungen vorkamen. Stellt Euch vor, ich habe mir bislang nur Erzählungen zu Gemüte geführt, in denen das Äußere einer Figur schon alles über ihren Charakter aussagt. Dann werde ich eine solche Darstellung für vollkommen normal erachten und es weder positiv noch negativ vermerken.
Mag ja sein, wird der eine oder andere von Euch jetzt sagen, aber immerhin werde ich es vermerken und festhalten können, dass die Personen eben so sind, wie sie sind. Und wenn ich das dann einfach so, ganz ohne jegliche Wertung, niederschreibe, dann ist das auch objektiv.
Diesen Aussagen möchte ich aus drei Gründen widersprechen.
Zum einen: Wenn ich nicht weiß, dass Figuren auch über andere Aspekte als Äußerlichkeiten beschrieben werden können, wie sollte ich jemals auf die Idee kommen, dass so was erwähnenswert ist? Es ist eine schlichte, unumstößliche Tatsache. In eine Rezension gehört ein solcher Aspekt erst, wenn er eine Eigenart des besprochenen Werks ist. Ich meine: Keine Filmrezension wird mir sagen, dass ich bewegte Bilder zu sehen bekomme. Das ist für alle Beteiligten, ob nun Kritiker oder Zuschauer, selbstverständlich.
Zum zweiten: Angenommen, ich habe stets Bücher gelesen, in dem die Figuren so charakterisiert waren wie in besagtem Buch ABC (eine ziemlich naive Vorstellung, ich weiß, aber, wenn auch sehr, sehr unwahrscheinlich, durchaus vorstellbar). In so einem Fall käme ich gar nicht erst auf die Idee, dass die Protagonisten viel zu simpel dargestellt sind. Wie auch??? Meiner Leseerfahrung nach ist das die ganz gewöhnliche Art und Weise, Figuren zu beschreiben. Auf den kleinsten Nenner gebracht heißt das: Die Darstellung ist nicht einfach und oberflächlich, sondern genau so, wie sie eben sein muss. Als einfach würde ich sie also nie im Leben umschreiben.
Und zum dritten: Stellt Euch nur mal vor, was nun geschieht, wenn ich mein erstes Buch lese, in dem Figuren auch über ihr Innenleben charakterisiert werden. Das ist für mich etwas vollkommen Neues, und ob ich es nun mag oder nicht, ich werde diesen Fakt in die Rezension aufnehmen müssen. Als Rezensent ist es immerhin meine Aufgabe, meine Leser über Eigenarten des besprochenen Werkes zu informieren. Und für mich, der ich eine solche Darstellung nicht kenne, ist die Charakterisierung über das Innenleben eine ebensolche Eigenart. Und gerade weil es (für mich) eine Besonderheit ist, werde ich dem Fakt sehr viel Raum widmen und versuchen, dieses mir bislang unbekannte Phänomen ausführlich zu beschreiben nicht ahnend, dass alle anderen das schon wissen und sich über meine Begeisterung oder meine Skepsis wundern, da es für sie eben normal ist, dass das Innere von Figuren zentral ist für einen Roman.
Kurzum: Wahre Objektivität ist nicht möglich. Alter, Vorerfahrungen, andere kürzlich konsumierte Werke, Geschlecht, soziales Umfeld all das und noch viel mehr wirkt sich unmittelbar auf mich und damit auch auf meine Rezensionen aus, ob ich es nun will oder nicht.
Objektive Rezensionen legt man die zu Beginn genannte Definition zugrunde, ist es nicht möglich, eine solche zu schreiben. Was aber nicht automatisch heißt, dass es nicht möglich wäre, eine objektive Rezension zu schreiben.
Paradox, nicht wahr?
Aber machbar. Und zwar dann, wenn man sich klar macht, dass eine objektive Rezension nicht gleichzusetzen ist mit einer Rezension, ist, die vollkommen unabhängig ist von persönlichen Bezügen zu demjenigen, der sie verfasst hat. So etwas ist, wie ich zu zeigen versucht habe, nicht möglich.
So viel für heute. Bevor jetzt das Protestgeschrei losgeht: Ja, ich weiß, dass wir uns ab sofort von dem allgemeingültigen Begriff der Objektivität entfernen. Würden wir dies nicht, so könnten wir an dieser Stelle Schluss machen und die Sache auf sich beruhen lassen.
Doch wenn objektive Rezensionen nicht objektiv im Sinne von vollkommen unabhängig meint, was bedeutet diese Umschreibung dann. Dieser Frage wollen wir uns in der kommenden Ausgabe widmen. Bis dahin wünsche ich eine fröhliche (und gerne auch kontroverse) Diskussion ...
Sehen wir uns dazu zunächst einmal an, was Objektivität überhaupt meint.
Objektivität Was heißt das?
Das Online-Lexikon Wikipedia bietet zum Begriff Objektivität folgende Definition an:Objektivität ist die Unabhängigkeit der Beschreibung eines Sachverhalts vom Beobachter.Quelle: Wikipedia
Schön und gut. Doch: Was bringt uns diese Definition für die Beantwortung der Frage, ob es objektive Rezensionskriterien gibt?
Nun, im Grunde genommen: Nicht besonders viel!Wir müssen uns nicht absichtlich dumm stellen. Jeder von uns weiß, dass so etwas wie vollkommene Objektivität nicht möglich ist. Jeder wird von seiner Umwelt, seinen Vorkenntnissen, seinen Vorlieben und was weiß ich sonst noch beeinflusst, und diese Beeinflussung wirkt sich immer auch auf Rezensionen aus, die wir schreiben. Da kann man noch so sehr versuchen, eine durch und durch sachliche, unabhängige, neutrale Rezension zu schreiben, die sich jeglicher Meinungsäußerung und jeglicher persönlicher Note enthält es geht schlichtweg nicht!
Kleines Beispiel gefällig? Nehmen wir an, die Protagonisten des Buchs ABC wären allesamt sehr einfach gezeichnet. Sie sind unkompliziert, werden vor allem über ihr Äußeres charakterisiert (das zudem noch gängigen Stereotypen entspricht) und machen im Verlaufe der Geschichte absolut keine charakterliche Entwicklung durch.
So weit, so gut. Als Rezensent kann ich so etwas ganz genau festhalten, oder?
Weit gefehlt! Denn dass die Personen unkompliziert sind, dass ihr Aussehen klischeehaft ist und sie von Anfang bis Ende keinerlei Charakterwandlung erleben, weiß ich nur dann, wenn ich schon einmal Geschichten gelesen habe, in denen andere Darstellungen vorkamen. Stellt Euch vor, ich habe mir bislang nur Erzählungen zu Gemüte geführt, in denen das Äußere einer Figur schon alles über ihren Charakter aussagt. Dann werde ich eine solche Darstellung für vollkommen normal erachten und es weder positiv noch negativ vermerken.
Mag ja sein, wird der eine oder andere von Euch jetzt sagen, aber immerhin werde ich es vermerken und festhalten können, dass die Personen eben so sind, wie sie sind. Und wenn ich das dann einfach so, ganz ohne jegliche Wertung, niederschreibe, dann ist das auch objektiv.
Diesen Aussagen möchte ich aus drei Gründen widersprechen.
Zum einen: Wenn ich nicht weiß, dass Figuren auch über andere Aspekte als Äußerlichkeiten beschrieben werden können, wie sollte ich jemals auf die Idee kommen, dass so was erwähnenswert ist? Es ist eine schlichte, unumstößliche Tatsache. In eine Rezension gehört ein solcher Aspekt erst, wenn er eine Eigenart des besprochenen Werks ist. Ich meine: Keine Filmrezension wird mir sagen, dass ich bewegte Bilder zu sehen bekomme. Das ist für alle Beteiligten, ob nun Kritiker oder Zuschauer, selbstverständlich.
Zum zweiten: Angenommen, ich habe stets Bücher gelesen, in dem die Figuren so charakterisiert waren wie in besagtem Buch ABC (eine ziemlich naive Vorstellung, ich weiß, aber, wenn auch sehr, sehr unwahrscheinlich, durchaus vorstellbar). In so einem Fall käme ich gar nicht erst auf die Idee, dass die Protagonisten viel zu simpel dargestellt sind. Wie auch??? Meiner Leseerfahrung nach ist das die ganz gewöhnliche Art und Weise, Figuren zu beschreiben. Auf den kleinsten Nenner gebracht heißt das: Die Darstellung ist nicht einfach und oberflächlich, sondern genau so, wie sie eben sein muss. Als einfach würde ich sie also nie im Leben umschreiben.
Und zum dritten: Stellt Euch nur mal vor, was nun geschieht, wenn ich mein erstes Buch lese, in dem Figuren auch über ihr Innenleben charakterisiert werden. Das ist für mich etwas vollkommen Neues, und ob ich es nun mag oder nicht, ich werde diesen Fakt in die Rezension aufnehmen müssen. Als Rezensent ist es immerhin meine Aufgabe, meine Leser über Eigenarten des besprochenen Werkes zu informieren. Und für mich, der ich eine solche Darstellung nicht kenne, ist die Charakterisierung über das Innenleben eine ebensolche Eigenart. Und gerade weil es (für mich) eine Besonderheit ist, werde ich dem Fakt sehr viel Raum widmen und versuchen, dieses mir bislang unbekannte Phänomen ausführlich zu beschreiben nicht ahnend, dass alle anderen das schon wissen und sich über meine Begeisterung oder meine Skepsis wundern, da es für sie eben normal ist, dass das Innere von Figuren zentral ist für einen Roman.
Kurzum: Wahre Objektivität ist nicht möglich. Alter, Vorerfahrungen, andere kürzlich konsumierte Werke, Geschlecht, soziales Umfeld all das und noch viel mehr wirkt sich unmittelbar auf mich und damit auch auf meine Rezensionen aus, ob ich es nun will oder nicht.
Objektive Rezensionen legt man die zu Beginn genannte Definition zugrunde, ist es nicht möglich, eine solche zu schreiben. Was aber nicht automatisch heißt, dass es nicht möglich wäre, eine objektive Rezension zu schreiben.
Paradox, nicht wahr?
Aber machbar. Und zwar dann, wenn man sich klar macht, dass eine objektive Rezension nicht gleichzusetzen ist mit einer Rezension, ist, die vollkommen unabhängig ist von persönlichen Bezügen zu demjenigen, der sie verfasst hat. So etwas ist, wie ich zu zeigen versucht habe, nicht möglich.
So viel für heute. Bevor jetzt das Protestgeschrei losgeht: Ja, ich weiß, dass wir uns ab sofort von dem allgemeingültigen Begriff der Objektivität entfernen. Würden wir dies nicht, so könnten wir an dieser Stelle Schluss machen und die Sache auf sich beruhen lassen.
Doch wenn objektive Rezensionen nicht objektiv im Sinne von vollkommen unabhängig meint, was bedeutet diese Umschreibung dann. Dieser Frage wollen wir uns in der kommenden Ausgabe widmen. Bis dahin wünsche ich eine fröhliche (und gerne auch kontroverse) Diskussion ...
Kommentare
So erspart man sich Arbeit ...
Nee, mal ganz im Ernst: Ich stimme voll und ganz mit dem überein, was Hermes und Pisanelli in den ersten beiden Kommentaren sagen. Und auch Mainstream (Kommentar 4) kann ich nur beipflichten; die Objektivität, wie sie in Lexika definiert wird, kann man nicht auf Rezensionsobjektivität übertragen; hier greift vielmehr das, was Hermes gemeint hat.
Ich kann diesen Ausführungen nur zustimmen.
Von daher werde ich mich in der kommenden Ausgabe dieser Kolumne wohl auch mit einem anderen Thema beschäftigen ? ganz einfach weil ich
a) nicht wüsste, was ich großartig neues zu dem Thema bringen sollte, außer meiner Meinung dazu, und die ist hier weitestgehend abgedeckt, und
b) einfach nicht die Zeit habe, Andrews sehr vernünftiger Bitte (Kommentar 11) zu folgen und mir alles mögliche anzueignen, was zu dem Thema schon gesagt wurde; das wäre aber notwendig, um diese Artikelreihe weiterzuführen, doch, wie gesagt, zeitlich ist da nix zu machen.
Insofern werde ich es wohl (zumindest fürs erste) bei dieser Diskussion belassen. Wer weiß, vielleicht komme ich irgendwann noch mal drauf zurück, wenn mir eine Möglichkeit eingefallen ist, das Thema ?Objektivität ? Gibt es sie überhaupt?? ein für alle mal zufriedenstellend zu klären
Ich hoffe ihr versteht das. Ich wüsste einfach nicht, was ich noch Sinnvolles schreiben soll. Aber wenn ihr noch Anmerkungen habt ? weitere Diskussionen sind immer willkommen!