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Den Zugang einfach nicht gefunden

Jochen und
 der (phantastische) TellerrandDen Zugang einfach nicht gefunden

Nachdem ich die letzten Ausgaben dieser Kolumne dazu verwendet habe, meinen Senf bezüglich diverser Themen abzugeben, möchte ich den heutigen Beitrag wieder einmal nutzen, um Ratschläge und Meinungen von Eurer Seite einzuholen.

Die Sache ist die: Vor kurzem habe ich den Roman »Kinder der Ewigkeit« von Andreas Brandhorst gelesen. Wirklich überzeugen konnte mich das Buch im Gegensatz zu Brandhorsts vorherigem Werk »Äon« leider nicht. Genau das wollte ich in einer Rezension begründet zum Ausdruck bringen. Ich setzte mich also an meinen Schreibtisch, öffnete das Schreibprogramm meines Laptops und machte mich dran, eine ausführliche Kritik zu »Kinder der Ewigkeit« abzutippen.


Andreas BrandhorstNa ja, sagen wir besser: Ich habe versucht, eine ausführliche Kritik zu »Kinder der Ewigkeit« in zu tippen. Nach mehr als einer Stunde war ich noch immer nicht über eine simple Inhaltszusammenfassung hinaus gekommen.

Es ist verblüffend. »Kinder der Ewigkeit« hat mir nicht wirklich gefallen. Die Lektüre des Romans war zwar keine Qual, aber als wirklich unterhaltsam erwies sich das Buch auch nicht. Als ich allerdings versuchte, diesen Eindruck zu begründen, fiel mir mit Ausnahme meiner Abneigung gegen die Darstellung einer Nebenfigur nichts ein, was meine mäßige Begeisterung gegenüber Brandhorsts Werk erklären könnte.

Ist das Buch schlecht geschrieben? Nein, ganz im Gegenteil, es lässt sich sehr gut lesen. Ist die Story langatmig, verwirrend oder sonst in irgendeiner Art und Weise negativ auffällig? Eigentlich nicht. Gut, man benötigt ein wenig Zeit, um sich an den farbenprächtigen Kosmos der Erzählung zu gewöhnen, doch die Story an sich ist okay und kann durchaus als spannend bezeichnet werden. Die Darstellung der Protagonisten ist, mit der erwähnten Ausnahme, recht ordentlich ausgefallen, und das Setting im Grunde faszinierend genug, um das Sense-of-Wonder-Bedürfnis eines SF-Fans voll und ganz zu befriedigen.

Und doch: Der Roman hat mir einfach nicht gefallen! Zu keiner Zeit verspürte ich, trotz meines Faibles für phantastische Spannungslektüre mit gut gezeichneten Charakteren und vor ausgefallenem Hintergrund, ein besonderes Interesse an der Geschichte – und das, obwohl ich mich im Vorfeld sehr auf das Lesen des Buchs gefreut habe.

Kinder der EwigkeitDa saß ich nun also. Vor mir mein aufgeklappter Laptop, in meinem Kopf die Entschlossenheit, mir meinen doch eher negativen Eindruck von »Kinder der Ewigkeit« in Form einer Rezension von der Seele zu schreiben. Doch eine passende Begründung wollte mir auch nach langem Nachdenken einfach nicht einfallen.

Ich weiß nicht, warum, aber ich habe schlicht und ergreifend keinen Zugang zu Brandhorsts Roman gefunden.

An dieser Stelle hätte ich nun gerne Euren Rat: Was soll man als Rezensent tun, wenn man auf ein solches Problem stößt? Reicht es aus zu sagen, dass man einfach keinen Zugang zu dem gerade rezensierten Roman gefunden hat, auch wenn man das sachlich nicht begründen kann? Andererseits sollte eine Rezension für den Leser ja schon nachvollziehbar sein, und eine Aussage wie: „Irgendwie hat mich Buch XYZ nicht bekommen.“ ist alles andere als besonders aussagekräftig. Also doch besser komplett auf eine Rezension verzichten?

Ich gebe es zu: Im Moment bin ich ein wenig ratlos. Von daher bin ich sehr gespannt auf Eure Kommentare – die hoffentlich dafür sorgen, dass ich und alle anderen Rezensenten, die irgendwann einmal vor einem solchen Problem stehen, dieses in Zukunft lösen können, ohne stundenlang auf einen reichlich leeren Monitor zu starren ...

Kommentare  

#1 blu 2010-04-17 02:52
Oh, wie gut kenne ich das. Totale Kopfleere sozusagen, als ob einem die Worte abhanden gekommen wären...

Ich finde allerdings, daß Du Dir die Antwort im Grunde vielleicht schon selbst beim Schreiben dieses Artikels gegeben hast.

Warum sollte man als Rezensent nicht sagen können, dass man persönlich keinen Zugang zum Stoff hatte? Ich denke nicht, daß es immer zwingend nötig ist alles im kleinsten Detail niederzuschreiben, jeder der Zauberspiegel-Leser kennt sicher das Gefühl dieses "Nicht-Hineinkommens" und wird nachvollziehen können, was Du (oder wir anderen Rezenten) damit meinen. Du hast ja trotz allem Einiges über den Roman zu sagen, wie Du ja jetzt (in diesem Artikel) bewiesen hast.

Da Du ein Buch weder empfehlen noch verkaufen *musst*, finde ich das eigentlich ausreichend. Ein Interessierter wird mit "dem Wenigen" schon was anfangen können denke ich.

Was ich allerdings mache wenn ich mir gar nicht zu helfen weiss: Ich erlaube mir die Artikel anderer Rezensenten zu überfliegen - natürlich nicht um abzukupfern - manchmal findet man allerdings einfach Ansätze um sich selbst besser ausdrücken zu können. Ein Wort, ein Satz den man festnageln und anschließend im Kopf selbst weiterspinnen kann.

Im Übrigen sind Deine Rezensionen immer hervorragend, da darfst Du auch zwischendrin mal Deine innerste eigene Meinung vorenthalten. ;-)
#2 Norbert 2010-04-17 08:25
Im Grunde hast Du mir da etwas von der Seele geschrieben. Ich kenne das Problem nur allzu gut, wenn auch nicht unbedingt auf literarischer Ebene. Wie oft habe ich vor einem Film gesessen, der eigentlich gut ist, dem ich aber ums Verrecken nichts abgewinnen konnte. Werde ich dann auf das Werk angesprochen, dann kann ich lediglich sagen, dass ich das Ding "einfach nicht mochte". Das geht genau so gut anders herum. Es gibt Filme/Bücher, die wirklich grottig schlecht sind, die man aber trotzdem mag. Eine echte Begründung lässt sich in vielen Fällen nicht finden, weil es im Guten wie im Schlechten auf einer rein emotionalen Ebene stattfindet. Auch hier kann man sich nur darauf zurückziehen, indem man sagt: "Ich mag es halt."
In solchen Fällen verzichte ich auf eine Rezension. Wie Du richtig beschrieben hast, sitzt man sowieso nur davor und es fällt einem nichts Sinnvolles ein, mit dem man das Problem bewältigen könnte. Es nützt dem Leser einer Rezension nichts, wenn man nur mit irgendwelchen Allgemeinheiten um sich wirft (man selbst kann damit auch nicht zufrieden sein).
Ha! Ich hatte kürzlich doch auch so ein Buch. Das war "Flavia de Luce - Mord im Gurkenbeet" von Alan Bradley, ein international abgefeierter Roman. Er ist grossartig geschrieben, hat hübsche Charaktere, einen mit vielen Augenzwinkereien geschilderten Handlungsablauf. Dennoch habe ich nach 2/3 abgebrochen. Ich mochte das Buch ganz einfach nicht und ich werde im Leben nicht erklären können, warum es so war/ist. Also habe ich auch darauf verzichtet, es zu rezensieren.
#3 a3kHH 2010-04-17 08:58
Wenn Du keinen emotionalen Zugang zum Roman gefunden hast : Warum nicht ? Was unterscheidet "Kinder der Ewigkeit" von den brillianten Triologien, die Andreas Brandhorst vorher veröffentlicht hat ? Inwiefern ist der mechanisch, fast schon roboterhaft agierende und fühlende Esebian als Protagonist für den Nicht-Zugang verantwortlich ? Das Setting ist daran zweifelsohne unschuldig, das ist so faszinierend, wie man es von Brandhorst gewohnt ist. Der Plot - der Plot ist Schweigen.
Du siehst, ich habe es auch gerade gelesen.
:lol:
#4 Frank Rieger 2010-04-17 11:06
war es Goethe der sagte: "das Leben ist zu kurz für schlechten Wein" ?
Das beschriebene Phänomen kenne ich von Büchern, Filmen, Spielen... Immer wieder gibt es z.B. Bücher die nicht wirklich schlecht sind, die man liest aber zu denen man am Ende immer noch keinen Zugang gefunden hat.
Ich bin inzwischen soweit, dass ich diese Bücher und Filme für mich einfach "sterben" lasse. D.h. ich geb sie in der Mitte einfach auf. Auf meinen Bücher und DVD Stapeln liegen noch so viele schöne Sachen... und es werden nie weniger :-)
Und eine Rezi schreibe ich nur wenn ich emotional berührt wurde (klingt irgendwie kitschig). Entweder weil ich was gut finde oder was wirklich übel. Der Rest, und dass sind die von Dir erwähnten, wird nicht mehr beachtet.
Es gibt einfach sooo viel Mittelmas. Das ist oft die Mühe nicht wert.
#5 Hermes 2010-04-17 12:48
Also diese Momente, wo mir etwas nicht gefällt, ich aber nicht so recht ausdrücken kann, woran es eigentlich liegt, kenne ich auch. Nach meiner Erfahrung ist es allerdings nur eine Frage der Zeit. Wenn ich mich lange genug damit befasse, finde ich früher oder später auch heraus, welche Elemente für meinen Eindruck letztendlich verantwortlich sind. Hilfreich ist dabei für mich gegentlich, das Werk einfach erst einmal für ein paar Tage zur Seite zu legen und mich mit etwas anderem zu befassen. Ein erneuter Blick ins Werk offenbart dann oft, wo die Ursache für die Ablehnung liegt.
#6 Laurin 2010-04-17 23:50
Ob man zu so einem Werk nun eine Rezi schreiben soll, lieber Jochen, würde ich mal verneinen. Gut, wenn ich benennen kann woran es liegt, dann kann ich aus meiner Sicht kritisch schreiben, aber das ist in deinem Fall ja noch nicht mal so. Ich schließe mich da denn auch Noir (#4) an. Mir ist es selbst schon passiert, das ich zu einem Buch keinen Zugang fand. Das war "Der Exorzist" von William Peter Blatty oder der Roman "Schreckensnacht auf Burg Frankenstein" von Dan Shocker (aus VAMPIR Band 1./Zaubermond-Verlag). Beides eigendlich flüssig geschrieben und Dan Shocker zählt zu einen meiner Lieblingsautoren schlechthin, doch irgendwie fehlte mir der Zugang. Bei mir äußert sich das darin, das ich beim lesen mit meinen Gedanken einfach nicht mehr bei der Sache bin und eigendlich anfange mich durch die Wörter zu quälen. Was soll ich sagen, irgendwann habe ich es aufgegeben und so blieben diese Romane unvollendete Geschichten für mich.
PS: Komischerweise kann ich mir den Film "Der Exorzist" immer wieder mit Begeisterung ansehen.
#7 Gabriel Adams 2010-04-19 15:56
Hallo zusammen,

vielen Dank für Eure Kommentare. Schön zu sehen, dass ich nicht der Einzige bin, der mitunter Probleme hat, einen Eindruck begründet in Worte zu fassen ...

@blu
Vielen Dank für das Lob meiner Rezis. So was geht runter wie Öl :D

@Norbert
Das mit dem "Lassen" von Rezis ist zwar schade, aber tatsächlich kaum anders zu machen, wenn man nicht nur leere Phrasen dreschen will. Im Falle von "Kinder der Ewigkeit" halte ich es deshalb ganz mit dir und lasse die Rezi ausfallen.

@a3kHH
Ich kenne von Brandhosrt nur "Äon", aber das mit dem Vergleich von anderen Werken (vielleicht auch einfach von Autoren, die etwas ähnliches geschrieben haben) ist ein guter Hinweis, den ich das nächste Mal, wenn mir mal wieder nix einfällt, beherzigen werde.

@Noir
Tja, das mit dem "sein lassen" ist nicht so einfach gewesen ... Das Buch war ja, wie ich geschrieben habe, nicht schlecht, und irgendwie wollte ich schon wissen, wie die Handlung weitergeht ...

@Hermes
Tja, liegen lassen und später noch mal reingucken endet bei mir meist damit, dass ich vollkomen die Lust auf das Buch verliere und es doch nie wieder zur Hand nehme ... Werde deinen Rat vielleicht aber doch mal beherzigen und in einigen Monaten wieder einen Blick in "Kinder der Eewigkeit" werfen.

@Laurin
So was ist immer dann besonders ärgerlich, wenn man ein Werk von einem Autor hat, dessen Romane man normalerweise toll findet. Ich zumindest überlege dann immer ewig, warum mir gerade dieses Werk im Gegensatz zu den anderen nicht gefällt.
#8 Des Romero 2010-04-21 15:35
Bei aller wünschenswerten Objektivität bleibt eine Rezension stets subjektiv und spiegelt Lust oder Frust des Rezensenten wider. Den Nutzen für den Leser/Zuschauer kann ich nicht erkennen, da die Bewertung eines Werkes lediglich die Momentaufnahme eines Gemütszustandes ist. Ich gebe allerdings zu, dass Rezensionen im Marketing durchaus einen (zählbaren) Wert besitzen. 8)
#9 Laurin 2010-04-21 17:17
Da gebe ich dir durchaus Recht, Des Romero. Eine Rezension sehe ich daher immer als eine Art Hilfestellung und nicht als unumstößliche Weißheit!
So manche Rezension hat mich hier durchaus Neugierig auf ein Buch oder einen Film gemacht und ich muß sagen, die Enttäuschungen hielten sich bisher sehr in Grenzen. Andere Rezensionen loben vielleicht ein Buch in den höchsten Tönen, ich merke aber durchaus an manchen kleinen Einblicken eines Rezensenten in den Inhalt, daß gerade dieses Buch und die in der Rezension enthaltenen Informationen mich wenig reizen! Wie gesagt, eine Rezension sollte man nicht als die einzige Wahrheit betrachten, sondern immer als eine kleine Hilfestellung.
#10 Beverly 2011-12-28 23:38
Mir hat der Anfang von "Kinder der Ewigkeit" viel Freude bereitet und ich hoffe, dass der Roman hält, was er verspricht.
Den Zugang zu dem Buch findet man, wenn man sich von fantasievollen fiktiven Welten faszinieren lässt und auch keine Scheu vor zu ihrer Beschreibung erdachten Worten und Begriffen hat. So gibt der Beginn von "Kinder der Ewigkeit", was die Handlung um den ehemaligen Profikiller betrifft, nicht so viel her, lockt dafür als Einstieg in eine fasznierende Welt viele Jahrtausende in der Zukunft. Gut zu erzählen und sich bizarre Welten auszudenken sind für die Stärken von Andreas Brandhorst. Da hat mir auch "Die Stadt" gefallen, während ich um den Kantaki-Zyklus einen Bogen machte, weil mich da weder das Setting noch die Handlung (soweit ich sie aus Rezensionen kenne) reizten. Ebenso wenig zieht es mich zu "Äon", während ich auf "Das Artefakt" gespannt bin.

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