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Son of Kong

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Mein Kino war das Roxy. Es war nicht wirklich meines, aber ich hatte zumindest das Gefühl, dass es das war, weil ich unendlich viel Zeit darin verbrachte und dabei unendlich wenig verdiente. Das Roxy liegt nicht nur in einem kaum zu erreichenden Stadtteil, sondern war zu meiner Anfangszeit zu allem Überdruss auch noch ein Nachspielkino. Nachspielkinos waren diese Pleitegeier, die kaum in Technik investieren konnten und wenig Publikumsverkehr hatten. Weil anno dazumal die Verleiher noch eine gewisse Langlebigkeit zelebrierten, beschränkte sich die Kopienzahl selbst bei großen Filmen. Man zwang quasi das Publikum dazu, wieder nach Hause zu gehen, weil Vorstellungen ausverkauft waren. Wochenlang! Wenn da ein Film 25 Wochen in ein und demselben Kino lief, war das durchaus normal. Es gab also nicht genügend Kopien, die anderen Kinos dank der Eintrittsgelder wirklich gut getan hätten. Diese armen Schlucker warteten daher, bis die A-Listen-Kinos den Film aus dem Programm hauten, und durften sich dann im Nachspielen gütlich tun. Was halt noch zu holen war. So geschehen auch bei meinem Roxy.

Von meinem Vorführfenster aus konnte ich den Saal des großen Kinos gut überblicken. Menschen und ihre Reaktionen von hinten beobachten, wie zum Beispiel die meines Neffen. Seinen Namen lasse ich hier mal außen vor, weil er mittlerweile 20 Jahre älter ist, 70 Kilo zugelegt hat und mit Tätowierungen übersät wurde. Ich zeige also nur ehrfurchtsvollen Respekt. Ich nahm meinen damals noch nicht tätowierten Neffen mit auf die Arbeit, was also heißt, dass ich ihn in einen Film gesetzt habe, während ich Filmschlaufen durch Projektoren ziehen ließ. Mein Roxy zeigt in der Kindervorstellung Feivel, den Mauswanderer, natürlich waren wir Nachspieler. Ich konnte vom Vorführfenster aus gut meinen Neffen beobachten, leider auch bei der Szene, als Feivel vom Sturm gebeutelt über Bord geht und sich nur mit einer leeren Flasche retten kann. Die arme Maus, auf weitem Ozean ganz allein. Und wie sie da nach ihrer Schwester ruft, und ruft, und ruft, aber vergeblich. Mein Neffe wurde kleiner und kleiner. Sowieso noch nicht mit Masse gesegnet, verschwand das Häuflein Elend mehr und mehr hinter der Stuhllehne. Ich amüsierte mich prächtig über diese Reaktion. Ich bin ja auch kein guter Onkel. Was diese gezeichneten Wolken, angedeuteten Blitze und eine ohnehin nicht reale Maus für einen Einfluss auf das kindliche Gemüt zeigten, fand ich sehr interessant. Dass die Wahrnehmung bei Erwachsenen und Kindern vollkommen anders funktioniert, wurde hier nur allzu deutlich.

Szenenfoto aus SON OF KONGAls ich Son of Kong das erste Mal sah, musste ich an jenen Samstagnachmittag denken, als mein Neffe verängstigt beinahe unter den Stuhl rutschte. Heute wirft man ja den großen Studios gerne verächtlich die große Geld-Geilheit vor. RKO war da 1933 schon ein guter Vorreiter, denn kaum sechs Monate (!) nach dem Start von King Kong war Son of Kong schon abgefilmt und in den Kinos. Man sieht es dem Film auch an und es verwundert nicht wirklich, dass er in Deutschland nie veröffentlicht wurde. Aus dem gewissenlosen Carl Denham hat man einen reuigen Sünder gemacht, der nur schwer mit der Schuld an Kongs Tod zurechtkommt. Schwups entflieht Denham der wütenden Presse auf einem Boot. Schwups ist er wieder mit Captain Englehorn unterwegs. Und schwups ist wieder ein hübsches Mädchen an Denhams Seite. Es wird hier niemanden überraschen, wenn ich verrate, dass die unerwartete Expedition wieder auf Skull Island endet.

Das Drehbuch umschifft dabei jede Art von Logik und Erklärung. Der Landetrupp auf der Insel teilt sich in zwei Gruppen, was weder einen Grund hat noch Sinn ergibt. Vierzig Minuten lang dümpelt der Film dahin, ohne Charaktere auszuloten oder Spannung aufzubauen. Bei einer Laufzeit von nur siebzig Minuten ist dieser Vorlauf nicht gerade förderlich. Dann endlich kommt der Titelpatron und die Effektshow kann beginnen. 30 Minuten Rückprojektion und Stop-Motion-Viecherei. Erster Höhepunkt ist eine ausdauernde Keilerei zwischen Kongs Sohn, mit 6 Metern nur halb so groß wie Papa, und einem Bären. Der Bär ist von selber Größe und Statur, und in dieser Figur steckt ganz offensichtlich dasselbe Skelett, das man für die Affenpuppen benutzte. Der Kampf ist dennoch beeindruckend. Und lang. Stop-Motion ist heutzutage nur noch ein Spleen der Aardman Studios oder von Tim Burton. Zweifellos war King Kong ein technisches Meisterwerk, das zwar heute nur lediglich überzeugte Cineasten beeindrucken kann, damals aber mächtig Eindruck hinterließ.

Szenenfoto aus SON OF KONGWiederverwertung war das A und O bei dieser schnell zusammengeschusterten Produktion. Aus dem Skelett des Brontosaurus von King Kong fertigte man die Seeschlange für Son of Kong. Sehr sorgfältig wurde dabei nicht gearbeitet. In den Nahaufnahmen des Affen fällt die schlampige Arbeit an Fell und Haut besonders auf. Sofern man überhaupt noch zusehen kann. Dem Filmfreund wird es nicht leicht gemacht, wenn er sieht, wie der Sohn des Königs Kong mit witzig gemeinten Drehbucheinfällen in seiner ohnehin kurzen Auftrittszeit zum Kasper gemacht wird. Als maßgeblicher Kopf der Produktion war Special-Effects-Mann Willis O’Brien sehr unzufrieden mit dieser schludrigen Produktion und überwarf sich ständig mit den Produzenten. Das anfängliche Budget von 650.000 Dollar wurde auf magere 250.000 zusammengestrichen.

Es war also kein günstiger Stern, der der Fortsetzung des damals schon als Klassiker angesehenen Films den Weg wies. Zudem hatte kurz zuvor die Frau von Willis O’Brien unter Einfluss von Drogen die beiden gemeinsamen Kinder erschossen. Ernest B. Schoedsack mochte wohl der Regisseur gewesen sein, letztlich steht und fällt eine derart ausgerichtete Produktion aber mit den Leistungen einer Koryphäe wie Willis O’Brien, der schließlich auch durch Trauer und Trotz immer öfter den Dreharbeiten fern blieb und seinem Assistenten E. B. Gibson die Aufgaben übergab.

Son Of KongSehr viel Eindruck hat Son of Kong nicht hinterlassen. Nur ein halbes Jahr nach King Kong reagierten die Menschen nicht wieder verschreckt und ängstlich auf das Leinwandgeschehen. Und ich möchte mir gar nicht ausmalen, wie heutzutage ein 28-jähriger Zwei-Zentner-Typ, übersät mit Tätowierungen und einem Hang zu gewaltigen Motorrädern, auf dieses Spektakel zu sprechen wäre. Ganz sicher ist die Zeit vorbei, als er stark beeindruckt tiefer und tiefer in seinen Sessel rutschte. Dramaturgie ist eben ein nicht zu unterschätzendes Gut bei jeder Art von Produktion, noch dazu wenn diese sich selbst diesem Anspruch verschreibt. Und besonders dann, wenn sie Kinder zum Bibbern bringen soll. Die Maus Feivel hat im Kampf mit dem Meer gesiegt. Der Sohn des Kong hingegen ist letzten Endes im wahrsten Sinne des Wortes abgesoffen.

Son of Kong
Darsteller: Robert Armstrong, Helen Mack, Frank Reicher, John Marston u.a.
Regie: Ernest B. Schoedsack; Geschichte: Ruth Rose; Musik: Max Steiner; Kamera: Edward Linden, J.O. Taylor, Vernon Walker; Bildschnitt: Ted Cheesman; Spezial-Effekte: Willis O’Brien, Harry Redmond Jr., Harry Redmont Sr.; Visuelle Effekte: Juan Larrinaga
USA / 1933; circa 70 Minuten




Bildquelle: helenmack.us; dinosaur-museum.org
 

Kommentare  

#1 Thomas Rippert 2008-12-21 12:32
Also etwas das man nicht unbedingt gesehen haben muss...

Zitat:
Das Roxy liegt nicht nur in einem kaum zu erreichenden Stadtteil, sondern war zu meiner Anfangszeit zu allem Überdruss auch noch ein Nachspielkino. Nachspielkinos waren diese Pleitegeier, die kaum in Technik investieren konnten und wenig Publikumsverkehr hatten.
Solche "Roxys" gab es wohl überall. In "meinem" Roxy (Solingen) machte ich erste Bekanntschaften mit Leuten wie "Infra-Superman", "Godzilla" oder anderen Dinge welche die größeren Kinos nicht anpacken wollten. :-)
#2 Mainstream 2008-12-21 13:25
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Nicht zu vergessen der "Ultra Sonic-Man". War glaube ich ein italienisches Produkt und die haben sich nicht maldafür geschämt.
Oder noch besser die "Star Wars" Imitate. Ich war zwar erst 13, liess mich aber trotzdem nicht verarschen. Das waren richtige Kanonen damals.

Son of Kong wäre mal ein Sehen wert, wenn er grade in einer freien Zeit irgendwo gerade umsonst laufen würde. Ist erstaunlich was für Fortschritte die Tricktechnik allein in diesem halben Jahr zwischen "King Kong" und "Son of Kong" machte. Aber man hat einfach nichts daraus gemacht, eben wegen Unlust und Geldmangel.

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