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Monolith Monsters

Mainstreams MatineeMonolith Monsters

Vorführräume sind staubige dunkle Löcher. Leicht verschmutzt, mit diesem steten Geruch alten Maschinenöls und furchtbar stickiger, warmer Luft. Zudem sind sie extrem laut, mit diesem monotonen, nicht enden wollendem Rattern.

Gut, das war früher. Aber früher war eben auch alles besser. Wer etwas auf sich hielt, hielt auch seinen Projektionsraum sauber, räumte Werkzeug schnellstmöglich wieder auf und kümmerte sich liebevoll um die ihm anvertrauten Filme. Zu diesen Maßnahmen war man regelrecht gezwungen, wenn die baulichen Gegebenheiten den Vorführraum direkt neben die Kasse legten, wie dies in unserem Kino der Fall war. Es gab immer neugierige Zuschauer, die ungefragt ihre Nase hereinsteckten, und da wäre ein dreckiges, unaufgeräumtes Loch etwas peinlich. Es roch dennoch stets nach altem Maschinenöl, es war stickig, und zweifellos trug man trotz aller Vorsicht genug Straßenschmutz an den Schuhen herein.

Für jeden Kinobesitzer war es natürlich die höchste Freude, einen Gast mit den Worten des Weges zu schicken, "tut uns leid. Ausverkauft!" Doch eine weit höhere Freude war es, auch wirklich jeden zahlungswilligen Gast unterzubringen. Und dazu ließ sich unser Chef etwas Besonderes einfallen: Da Kopien knapp waren, war an eine zweite nicht zu denken.

Und mit gerade 260 Plätzen verteilt auf drei Kinos war man sowieso nicht des Verleihs liebster Kunde. Doch die Projektoren von Kino Eins und Kino Zwei befanden sich zusammen in einem Vorführraum. Mit einem Gewirr von an Decke und Wände montierten Umlenkrollen sah der Plan vor, mit Hilfe eines extrem langen Startbands den jeweiligen Film zuerst in den Projektor von Kino Zwei und dann über das Rollensystem in den Projektor von Kino Eins einzulegen.

Jetzt konnten wir zweimal 100 Eintrittskarten verkaufen und ein nach Action lechzendes Publikum befriedigen. Der Film war Die Wildgänse kommen, und weil alles perfekt zusammen passte, durfte man trotz erhöhter Sitzplatzzahl sagen, "tut uns leid. Ausverkauft!". Die Wildgänse kommen war ein Hit, wie wir ihn in unserem Hause äußerst selten gespielt hatten. Wäre die Produktionsfirma nicht kurz vor dem Amerikastart pleitegegangen, hätte dieser Actionkracher viel mehr Geld einspielen und damit seinen weltweiten Stellenwert durch die erhöhte Aufmerksamkeit immens steigern können. Einen ebenfalls viel zu geringen Stellenwert in der Filmgeschichte hat Das Geheimnis des steinernen Monsters. Das war ungefähr 31 Jahre vor den Wildgänsen. Wobei sich die künstlerischen Ambitionen beider Filme durchaus die Hand geben können. Beides sind Werke, die als reine Unterhaltung konzipiert wurden und dennoch über ein unaufdringliches Maß an Tiefgang verfügen.

Monolith MonstersDas Monolith Monster ist ein auf die Erde gestürzter Meteor, der bei Berührung mit Wasser zu gigantischen Formationen anwächst. Anfangs sind sich die Bewohner von San Angelo gar nicht bewusst, was für sonderbare Gesteinsbrocken da in der Wüste verstreut liegen. Bis einige Menschen, die in körperlichen Kontakt mit den Meteortrümmern kommen, selbst zu Stein erstarren. Das steinerne Monster wächst turmhoch an, als es zu regnen beginnt. Unter ihrer eigenen Last brechen diese Monolithen zusammen, die Trümmer wiederum wachsen zu bedrohlichen Giganten, die alles auf ihrem Weg zerstören. Der Wissenschaftler Dave Miller findet nach zähem Forschen die Erklärung für das Monolith Monster, das schon in Richtung San Angelo wächst. Dem steinernen Monster Einhalt zu gebieten, ist allerdings eine ganz andere Sache...

Fälschlicherweise wird dieser überaus gut gemachte Streifen immer gerne als Jack-Arnold-Film bezeichnet. Der Meister des B-Filmes hat zum Monolith Monster allerdings nur die Geschichte zusammen mit Drehbuchschreiber Jack Fresco entwickelt. Da die Monster- und Katastrophenfilme der Fünfzigerjahre ein Gleichnis für die gesellschaftlichen Ängste waren und der Kalte Krieg besagte Ängste fleißig schürte, hob Jack Arnold in seinen Klassikern auch gerne die militärische Überlegenheit der Großmacht vor, die den Aggressor letztlich zur Strecke bringt. Im Gegensatz zu seinen Genre-Kollegen setzte Arnold seinen Geschichten allerdings immer die außer Kontrolle geratene Wissenschaft voran, was stets mit der Entwicklung der Atombombe gleichzustellen ist.

Das Monolith Monster rückt näherDem Geheimnis des steinernen Monsters hingegen nähern sich die Helden rein wissenschaftlich. Einer der Gründe, die diesen Film etwas über den Durchschnitt heben. Grant Williams ist dieser junge und besonnene Held, den der geneigte Zuschauer bestens als schrumpfenden Mister C in Erinnerung haben sollte. Lola Albright steht ihm blond und gutaussehend zur Seite. Sie darf viel Sinnvolles tun, weil Frauen der 50er Jahre durchaus tapfer und schlau sein durften, die Heldentaten allerdings den Männern überlassen mussten. Alles in allem sieht dieses Geheimnis also aus wie ein sehr typischer Vertreter dieser Gattung Film, die vor fünfzig Jahren so beliebt war. Sein angezogenes Tempo und der stete Spannungsaufbau bereiten kurzweilige 77 Minuten.

Doch richtige Klasse erreicht das steinerne Monster durch seine Spezial Effekte, die von Clifford Stine unter der Leitung von Kameramann Ellis Carter geschaffen wurden. Die sich in den Himmel auftürmenden Monolithe und deren Zusammenbrechen ist atemberaubend umgesetzt. Für die damalige Zeit. Natürlich locken solche Arbeiten heute keinen pickligen Golf-Fahrer mehr hinter dem Ofen vor, aber die würden auch diesen langen Text nicht einmal bis zur Hälfte durchstehen. Wie diese überzeugenden Modell-Effekte umgesetzt wurden, war nie zu erfahren, was wiederum die ,Experten' auf den Plan rief. Man geht davon aus, dass das Wachsen der Steine gegenüber der Modell-Landschaft mit der sogenannten verschobenen Perspektive erreicht wurde. Während die Steine mechanisch in Richtung Kamera geschoben wurden, fuhr die Kamera darauf zu, um gleichzeitig im gleichen Tempo wegzuzoomen.

Aber das wurde wie gesagt nie bestätigt und ist natürlich alles Technik-Kram, der wenige Leute interessieren dürfte. Doch wer in Filmgeschichte aufgepasst hat, erinnert sich, dass genau diese Kamera-Technik eigentlich als Erfindung Alfred Hitchcocks gehandelt wird und als Vertigo-Effekt bekannt wurde. Doch die Produktion vom Geheimnis des steinernen Monsters fand ein Jahr früher statt. Und damit sollten sich mal einige Filmstudenten auseinandersetzen. Selbst wenn die Kamera-Tricks vom Monolith Monster gewahrt bleiben sollten, stellt sich womöglich bei näheren Untersuchungen heraus, dass die Experimente mit der verschobenen Perspektive ihren Ursprung schon in den 1930ern bei irgendeinem durchgeknallten Filmemacher hatten. Wäre nicht das erste Mal.

Bei Die Wildgänse kommen gab es jedenfalls keine Kamera-EinZeitungsanzeigen zum Filmstellung mit verschobener Perspektive, dafür jede Menge Krawall und menschlichen Tiefgang. Das wollten die Leute sehen und wir sorgten dafür, dass sie es sahen. Das Experiment der zwei gekoppelten Projektoren setzte große Pfützen voller Angstschweiß voraus. An jedem Projektor stand eine Person, weil die Projektoren ja gleichzeitig gestartet werden mussten, und eine weitere Person rannte aufgeregt im Raum umher und überwachte, ob das Startband auch in den zahllosen Umlenkrollen blieb. Drei, zwei, eins, die Maschinen liefen an, das Bild wurde in den Saal geworfen, der Ton toste aus den Lautsprechern, wir atmeten erleichtert durch. Es war vollbracht.

Bis wir merkten, dass eine der Maschinen eine kleine Besonderheit aufwies. Ein anständiger, gesunder und würdiger Projektor lief, und läuft noch heute, mit einer Geschwindigkeit von 24 Bildern in der Sekunde. Der Projektor von Kino Zwei, also die erste der beiden gekoppelten Maschinen, schoss ein halbes Bild mehr in der Sekunde durch. Dies bedeutete natürlich, dass die zweite Maschine gar nicht schnell genug den Film weg brachte und sich so im Gewirr von Umlenkrollen im gesamten Vorführraum immer größer werdende Schlaufen bildeten. Anfangs versuchten wir diese Schlaufen noch mit der Hand abzufangen, damit sie nicht über den Boden gezogen wurden. Ein sinnloses Unterfangen. Bald liefen die Wildgänse ungeniert über den staubigen Boden und über den Dreck, den wir von der Straße hereingetragen hatten. Die nagelneue, jungfräuliche Kopie sah nach dieser ersten Doppelvorstellung unserer Geschichte aus, wie man nie einen Film sehen möchte.
Gott sei Dank war ich viel zu jung, als dass man mich für diese Aktion hätte mitverantwortlich machen können.


The Monolith Monsters - Das Geheimnis des steinernen Monsters
Darsteller: Grant Williams, Les Tremayne, Lola Albright, Trevor Bardette, William Flaherty, Phil Harvey u.a.
Regie: John Sherwood; Drehbuch: Norman Jolley, Robert Fresco nach einer Geschichte von Jack Arnold und Robert Fresco; Kamera: Ellis W. Carter; Bildschnitt: Patrick McCormack; Musik: Irving Gertz, Henry Mancini, Herman Stein; Spezial-Effekte: Clifford Stine

USA / 1957; circa 77 Minuten
 
Bildquelle: Universal Home Entertainment
 

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