Leit(d)artikel KolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Robin und Marian

Mainstreams MatineeRobin und Marian

Meiner Schwester sei Dank. Nicht nur einfach mal so, sondern weil sie damals Mitte der Siebziger Mitglied im Bertelsmann-Buchclub war. Dieser elitäre Verein, von dem man gezwungen wurde, Bücher zu kaufen. Das sind eben die Vorteile einer Mitgliedschaft. Selbst war ich ja viel zu jung, um dem Bertelsmann-Buchclub beitreten zu können, außerdem hielt sich meine Affinität zum Lesen doch etwas in Grenzen. Aber Kino war absolut angesagt. Und dafür danke ich meiner Schwester, denn die konnte mir immer Karten kaufen für die besten Filme der Welt.

"Die besten Filme der Welt" war eine Reihe von wer weiß wie vielen Filmen, die in ausgewählten Kinos liefen. Ein Film und eine Vorstellung pro Woche, bei uns Donnerstagabend im City-Filmpalast um 20 Uhr. Das war noch zu der Zeit, als das wöchentliche Filmprogramm Donnerstag auf Freitag wechselte. Lange Zeit her. Und der jeweilige Film aus den "besten Filmen der Welt" schloss das Ende der alten Kinowoche ab.

Das Plakat war gelb mit schwarzer Schrift, das Logo der "besten Filme der Welt" war rot gedruckt. Ach, Stunden stand ich vor dem Plakat, habe es studiert, Pläne geschmiedet und mich in den dunklen Saal geträumt. Vater sah es natürlich nicht sehr gerne, wenn ich zu einer Zeit ins Kino gehen wollte, zu der ich eigentlich im Bett sein sollte. Doch ich konnte mich glücklich schätzen, einen verständnisvollen Papa zu haben. Alleine durfte ich im zarten Alter zwischen 10 und 12 Jahren nicht gehen, worunter wiederum meine Schwester zu leiden hatte, weil die ja ihren Club-Ausweis hatte. Aber für vier Deutsche Mark! Da musste man doch ins Kino gehen, da sparte man doch eine Mark fünfzig.

Ich habe nie begriffen, warum andere Menschen meinen Spleen für das Kino nicht teilten. Noch dazu, weil es nicht irgendwelche Filme waren, sondern "die besten Filme der Welt". Auf die Filme von Antonioni verzichtete ich freiwillig, weil der Kunst-Kram natürlich überhaupt nicht meinem Naturell entsprach. Aber Zorro! Eine sehr nette Arbeitskollegin meiner Schwester, verspürte den mir bis heute nicht erklärbaren Drang, einmal mit mir ins Kino zu gehen. Ich wählte dafür Zorro aus, einen der "besten Filme der Welt", mit Alain Delon in der Hauptrolle.

Alain Delon als Zorro? Wunderbar, es war eine dieser italienischen Produktionen, in denen italienische Darsteller mexikanische Bauern ebenso spielten wie amerikanische Viehbarone, und in denen das spanische Hinterland als New Mexico oder Kalifornien herhalten musste. Ich war damals absolut begeistert und kann mich heute an gar nichts mehr erinnern. Eine Schande. Nur eine einzige Szene, die mir das Herz stocken ließ, hat sich bei mir derart eingebrannt, dass der Rest im Lokus des Unterbewusstseins verschwand: Als der Held Zorro das erste Mal die Szene betritt, ist das Bild ganz unscharf, er nähert sich dem Bösewicht in extremer Zeitlupe und läuft dabei immer mehr in die Schärfe. Und dann steht er da, ausgerechnet Alain Delon, dessen Namen ich damals kaum aussprechen konnte, und er trug diese schwarzen Klamotten. Was war ich begeistert.

Vor wenigen Wochen gab es bei einem Discounter diesen Zorro im Angebot, den ich seit jener für mich legendären Vorstellung nicht mehr gesehen hatte. Ich habe nicht zugegriffen – zu spät reagiert ist auch verloren. Aber zugegebenermaßen hatte ich auch ein klein wenig Angst, dass mich die Vergangenheit dann doch enttäuschen würde. Das tut sie ja mitunter. Doch dieser Moment, als Zorro aus der Unschärfe heraus kommt...

Mit solchen Szenen kann Robin und Marian nicht aufwarten. Auch wenn er bei den "besten Filmen der Welt" gelaufen sein kann. Daran erinnern kann ich mich jedenfalls nicht, auch wenn das nichts zu bedeuten hat.

Richard HarrisRobin und Marian ist einer dieser Überraschungsfilme, von denen man selten etwas im Vorfeld hört, die einfach da sind und dir dann beim ersten Ansehen eine schallende Ohrfeige verpassen. Zwanzig Jahre lang hat Robin of Sherwood seinen König Richard Löwenherz bei den Kreuzzügen begleitet. Die Länder sind geplündert, die Kreuzritter müde und Löwenherz hat den Verstand verloren. Als der König stirbt, kehrt Robin mit seinem treuesten Gefährten Little John nach England zurück, desillusioniert von den Plünderungen und dem Wahnsinn seines verstorbenen Königs. In England hat sich scheinbar nichts geändert. Der Sheriff von Nottingham regiert mit Brutalität, und die Wälder des Sherwood Forest sind nach wie vor undurchdringlich. Halt, aber wo ist Maid Marian?

Bald haben sich die alten Recken wieder zusammengefunden und Robin erfährt von Friar Tuck sowie Will Scarlett, dass er zur Legende geworden ist. Und dass der Sheriff gedenkt, Maid Marian einzusperren, die sich in den letzten zwanzig Jahren als Äbtissin in einem Kloster verdient gemacht hat.

Sean Connery Und Audrey HepburnGeniale Drehbucheinfälle und eine augenzwinkernde Regie belebten Mitte der Siebziger die Legende des Robin of Sherwood mit Bravour noch einmal. Robin und Marian funktioniert dabei wie eine glaubwürdige Fortsetzung aller bisheriger Robin-Hood-Geschichten. Man ließ die Helden einfach altern, machte sie reifer und stellte das edle Heldentum ein klein wenig in Frage. Zwischen Kampf und Geselligkeit mischen sich auch kritische Reflexionen über Robin und Marians Leben: was wäre wenn?

Aufgelockert wird dieser kurzweilige Film von Regieeinfällen, die für Richard Lester typisch sind. Da gibt es Kreuzritter, die sich die Finger am Katapult zwicken. Da ist Robin und Little Johns Ausbruchversuch. Um nur zwei Beispiele zu nennen. Es wird jedes Klischee bedient, dasselbe aber auch gerne karikiert. Doch seinen Helden bleibt der Film treu. Vielleicht bis auf Richard Löwenherz, aber bei dem liefert Richard Harris eine kurze, nichts desto trotz in Erinnerung bleibende Vorstellung, wie sich dieser Sagenkönig vom Irrsinn beseelt dem Wundbrand hingibt und von dannen geht. Bei Molly Maguiers – Verflucht bis zum jüngsten Tag waren Connery und Harris noch ungerechtfertigterweise das Kassengift im Doppelpack.

Bei dem erneuten Versuch mit Robin und Marian sah der finanzielle Erfolg nur geringfügig besser aus. Vielleicht lag es einfach an der steten Ironie, mit der Lester seine Protagonisten durch die Höhen und Tiefen ihrer letzten Tage begleitete. Oder an der Vorstellung, dass Männer wie Robin Hood gar nicht altern können?

Sean Connery im DuellDie Actionsequenzen sind allemal temporeicher gestaltet und realistischer als Lesters unglaublich behäbige zwei Musketier-Filme. Es ist schon erstaunlich, wie stimmig Robin und Marian waren und auch noch heute sind. Sicherlich entlarven Farbton und Musik diesen Film als typischen Vertreter der Siebzigerjahre, doch mit seinen überzeugenden und für ihr Alter sehr attraktiven Darstellern gewinnt der Film durchaus diesen Hauch, den man "zeitlos" nennen kann. Connery und Hepburn erlauben zu gleichen Teilen einen Blick auf zwei Menschen, die sich tatsächlich lieben, und deren Wissen und Weisheit über die Jahre an ihrer Liebe gewachsen ist. Sie schmachten sich nicht an, und doch ist da diese Chemie zu spüren. Sie streiten und sind dennoch sichtlich füreinander bestimmt. Was Hepburn und Connery auf der Leinwand vermitteln, schafft sehr viel Raum für einen gut portionierten Actionfilm, bei dem sich die tränenreiche Schnulze angenehm im Hintergrund hält, sich aber stets im Spiel der Protagonisten manifestiert.

Robin and MarianSpannend, witzig, ein bisschen albern, herrlich gespielt und eine mal wirklich ganz andere Legende, die dennoch ganz dem Klischee entsprechen darf. Nur das extrem melodramatische Ende will so ganz und gar nicht zu diesem Film passen. Meint man. Doch eigentlich ist es ein logischer Schritt, der in all seinen unschönen Facetten genau so sein musste. Das ist exakt ein Film, der meiner ganz eigenen subjektiven Meinung nach zu den "besten Filmen der Welt" gehört.

Als ich Robin und Marian einmal wiedersah und mich auch an diesen in die Schärfe tretenden Zorro von Alain Delon erinnerte, schrieb ich an den Bertelsmann-Buchclub, den man heute eigentlich nur unter dem Namen „Der Club“ kennt. Höflich fragte ich per E-Mail an, ob es irgendeine Möglichkeit gäbe, an Informationen über die Mitte der Siebziger veranstaltete Kinoreihe "Die besten Filme der Welt" zu kommen. Sehr schnell und noch viel höflicher kam prompt die Antwort, dass mir durchaus geholfen werden kann: Mit dem neuen Buch „Die hundert besten Filme der Welt“ für schlappe 14,95.

Robin and Marian
Darsteller: Sean Connery, Audrey Hepburn, Richard Harris, Nicol Williamson, Denholm Elliott, Ronnie Barker und Robert Shaw u.a.
Regie: Richard Lester; Drehbuch: James Goldman; Kamera: David Watkin; Bildschnitt: John Victor-Smith; Ausstattung: Gil Parrondo; Musik: John Barry
USA / 1976¸ circa 107 Minuten

Bildquelle: Columbia TriStar
 

Kommentare  

#1 Larandil 2009-02-15 11:40
Lobende Erwähnung verdient m.E. aber auch Robert Shaws Sheriff von Nottingham, der einzig kompetente Mann auf der Gegenseite, der nur kopfschüttelnd zusehen kann, wie die anderen sich zum Narren machen - und immer noch im selben Rang, denn wie er selbst so schön sagt (auf IMDB):
Sheriff of Nottingham: No advancement. You see, I can read and write. Makes you suspect. Not a duke in twenty reads a word.
[to Sir Ranulf]
Sheriff of Nottingham: Correct, milord?
Sir Ranulf: Books are for clerks.
#2 Mainstream 2009-02-15 11:50
-
Dem ist wahrlich nichts hinzu zu fügen!

Der Gästezugang für Kommentare wird vorerst wieder geschlossen. Bis zu 500 Spam-Kommentare waren zuviel.

Bitte registriert Euch.

Leit(d)artikelKolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Wir verwenden Cookies, um Inhalte zu personalisieren und die Zugriffe auf unsere Webseite zu analysieren. Indem Sie "Akzeptieren" anklicken ohne Ihre Einstellungen zu verändern, geben Sie uns Ihre Einwilligung, Cookies zu verwenden.