Mutanten, Mutanten, Mutanten
Ein paar Gedanken zu (Überraschung!!!) Mutanten
Vor kurzem hat Wolfgang Trubshaw
in einer anderen Kolumne des Zauberspiegels einen äußerst interessanten Artikel
über die Vor- und Nachteile des Einsatzes hoch entwickelter Technologien in
SF-Stoffen geschrieben. Eine der hier aufgestellten Thesen lautet (in etwa),
dass zu viel Technologie wie ein Storykiller wirkt, da sie jegliche Spannung
aus der Handlung nimmt.
Bestes Beispiel dafür sind die Beamvorrichtungen des Star Trek-Universums. Dem Beamen sei dank wären Außeneinsätze diverser Crewmitglieder ungefähr so aufregend und dramatisch wie das Sparprogramm einer Waschmaschine. Gefahr im Anzug? Pff, was soll's, beamen wir unsere Jungs und Mädels halt aus dem halb zerstörten Shuttle raus. Spannung? Gleich Null.
Da ist es nicht weiter verwunderlich, dass die Beamer überraschend häufig den Geist aufgeben...
Technologie kann also wirklich ein Storykiller sein. Gleiches gilt eigentlich auch für die Mutanten in PRA. Rhodan, von feindlichen Truppen eingekesselt? Egal, Gucky ist schon zur Stelle und teleportiert den Großadministrator in Sicherheit. Hinter einer verschlossenen Tür könnte Gefahr drohen? Dann bedient man sich ganz einfach mal der Fähigkeiten eines Wuriu Sengu und blickt durch die ein oder andere Wand.
Was für Rhodan und den Rest der Menschheit eine tolle Sache ist, ist für den Leser ein Albtraum. Schnell laufen die Romane nämlich Gefahr, in bodenloser Langeweile zu versinken.
Doch jeder, der PRA liest und die Serie so zu schätzen weiß wie ich, wird mir zustimmen können, dass die Reihe, trotz jeder Menge Mutanteneinsätze, alles andere als langweilig und spannungsarm ist.
Woran liegt's? Vor allem an einer Sache, wie ich finde: Trotz ihrer besonderen Fähigkeiten sind die Mutanten eben keine Überwesen, sondern waschechte Menschen aus Fleisch und Blut (bzw. waschechte Mausbiber, und vielleicht sollte man das Fleisch und Blut durch Ideen von Autoren und Druckerschwärze ersetzen, aber egal). Wie stark sie auch sein mögen, wie gut sie ihre Gaben auch beherrschen und in entscheidenden Momenten einzusetzen wissen, allesamt haben sie ihre Schwächen und Grenzen.
Gucky und Tako bekamen dies im Laufe der Mini-Serie in besonderem Maße zu spüren. Der Japaner hatte von Heft eins an keinen leichten Stand. Nicht nur, dass er sich mehr als einmal völlig verausgeben musste und dem Tode näher gewesen ist als dem Leben. Ausgerechnet in dem Moment, als es wirklich darauf ankam, versagten seine Fähigkeiten, und er musste hilflos mit ansehen, wie ein Regent der Energie seine Geliebte brutal ermordete. Und was den Mausbiber betrifft: All seine Kräfte konnten nicht verhindern, dass eine Gruppe von Magadu, deren Mitglieder ihm vertrauten und in den Kampf folgten, einen raschen, unrühmlichen Tod starben.
Die Mutanten in PRA sind Lebewesen, die ihre Grenzen haben, besondere Fähigkeiten hin oder her. Sie haben Gefühle wie normale Menschen auch, sie machen Fehler und manchmal helfen ihnen selbst ihre einzigartigen Talente nicht weiter. Die Mitglieder des Mutantenkorps wirken daher ganz und gar nicht als Storykiller. Sie sind nun mal keine Überwesen und bekommen das immer wieder zu spüren. Statt die Handlung zu stören bereichern die Mutanten die Story ungemein. Gerade wenn ihnen etwas nicht gelingt, wirkt das nämlich umso tragischer, ist man als Leser doch meist der festen Überzeugung, ihre Gaben müssten ihnen in jeder Situation von Nutzen sein.
Und wenn dann doch mal über einen gewissen Zeitraum hinweg alles gut geht, stört das auch nicht weiter: Was wäre PRA denn bitte ohne durch die Luft fliegende Androiden und Not-Teleportationen in allerletzter Sekunde?
Eine wirklich tolle Idee der
Macher war es, dafür zu sorgen, dass nicht nur Rhodan und seine Verbündeten über
Individuen mit besonderen mentalen Kräften verfügen. Die Regenten der Energie
haben selbst das ein oder andere Ass im Ärmel (oder besser: im Gehirn), allen
voran ihre Fähigkeiten zu teleportieren und Dinge per Telekinese zu bewegen.
Ein kluger Schachzug, der hier vollzogen wurde, gleicht sich so doch der vermeintliche Vorteil Rhodans weitestgehend aus. Die Mitglieder des Mutantenkorps sehen sich nicht nur seelenlosen Robotern gegenüber, sondern müssen auch gegen Feinde antreten, die ihnen teilweise weit überlegen sind, so dass sie den Kampf gegen die Regenten nur mit vereinten Kräften bestehen können. Spannende Zweikämpfe jenseits zermürbender Schusswechsel und anstrengender Boxkämpfe sind da vorprogrammiert, Zweikämpfe, die einen guten Teil des Flairs von PRA ausmachen. Ohne die Duelle zwischen mental begabten Menschen und Außerirdischen wäre die Serie einfach nicht die, die sie zur Zeit ist, und das wäre sehr, sehr schade.
Und da sage noch einer, Mutanten wären Storykiller...
Okay, die Sache mit den Mutanten
ist zwar gut und schön, aber taugen sie wirklich was für eine gute Story? Als
Waffen im Kampf sind sie ja recht zweckdienlich, und wenn sie wie Gucky den ein
oder anderen dummen Spruch loslassen, sind sie zeitweilig auch ganz amüsant.
Doch sind sie darüber hinaus für irgendetwas zu gebrauchen? Oder anders
gefragt: Können Mutanten eigentlich Gegenstand einer richtigen, echten Handlung
sein, die jenseits von actionreichen Kämpfen liegt?
Die Antwort liefert Marc A. Herren in seinem Roman Der Zündermutant.
Titelgebende Figur des Romans ist der zweiköpfige Mutant Iwan Iwanowitsch Goratschin. Der riesige, unheimlich anzusehende Terraner verfügt über eine ganz besondere Fähigkeit, die ihn geradezu prädestiniert für große Schlachten: Er kann dafür sorgen, dass sich die Atome in den Körpern seiner Gegner spalten, wodurch sich diese in lebende Bomben verwandeln. Dass der doppelköpfige Mutant da so manche Actionszene durchzustehen hat, ist kein Wunder.
Doch wieder zeigt sich: Auch der mächtigste Mutant ist, mit Ausnahme seiner besonderen Geisteskraft, nur ein ganz gewöhnlicher, fühlender und atmender Mensch mit Stärken und Schwächen. Wie jedes normale Lebewesen auch hat er seine Geschichte, und die ist es, bei aller Konzentration auf seine einmaligen Gaben, durchaus Wert, erzählt zu werden.
Und genau das macht Herren mit der Figur des Goratschin. Natürlich lässt er den Zündermutanten den ein oder anderen Kampf durchleben, doch solche Actioneinlagen sind eher die Ausnahme. Den Großteil der Handlung verbringt Goratschin nicht kämpfend und seine Gegner in die Luft jagend, sondern nachdenklich und ohne jeglichen Einsatz seiner Fähigkeit. Trotzdem ist die Storyline, die dem Mutanten gewidmet ist, alles andere als langweilig. Das Schicksal Goratschins fesselt nicht weniger, als es die übrigen Handlungsbögen tun und beweist damit: Auch jenseits actiongeladener Kämpfe sind Mutanten Handlungsträger par excellence.
Perry Rhodan und Mutanten
das ist eine klasse Kombination! Die Mitglieder des Mutantenkorps sind eine
echte Bereicherung für die Serie; ohne sie wäre die Atmosphäre in PRA einfach
nicht die, die sie im Moment ist, und ich bin mir sicher: Ohne Mutanten würde
mir die Serie nur halb so viel Spaß machen.
Gucky, Goratschin, Yokida und wie sie alle heißen mögen, sie sind, wenn man so will, das Salz in der Suppe. Ihre Geschichten und ihre Fähigkeiten machen einen Gutteil des Vergnügens aus, das ich beim Lesen der Romanhefte empfinde. Mit dieser Meinung stehe ich nicht alleine: Viele Leser sind begeistert von dem starken Einsatz der Mutanten, die in der Mutterserie (viel) zu kurz kommen.
Dass Christian Montillon da ankündigt, dass die Mutanten auch in der zweiten Staffel von PRA eine tragende Rolle spielen werden, freut einen doch ungemein. Ich bin gespannt, ob mir die mental begabten Männer und Frauen bis dahin immer noch so gut gefallen wie im Moment, aber wenn sie auch weiterhin so beschrieben werden wie bisher, also als Menschen (und, ja, als Mausbiber...) mit Stärken und Schwächen, Grenzen und eigenen Geschichten, dann habe ich daran eigentlich keinen Zweifel.
So viel zum Thema Mutanten. Bis in zwei Wochen, wenn Timothy Stahl mit
Falkans Verderben
ein weiteres Kapitel von PRA aufschlägt.
Kommentare
Eigentlich zieht der Hightech-Spruch nicht, denn abhängig vom Setting kann auch ein Segelschiff Hightech sein und die Art des Erzählens (und des Einsatzes von Technik als Handlungselement) unterscheidet sich kaum, ob wir nun über Paddel oder Quantenantrieb reden (nein, ich meine kein Fahrrad ).
Die Frage ist vielmehr, ob ein Autor kann und will. Man hat manchmal den Eindruck, der Gedankengang lautet: "au weia, ich muss was mit Mutanten (Transportern, Hyperraumantrieben) machen", statt "cool, ich darf was mit Mutanten (Transportern, Hyperraumantrieben) machen!"
Ich denke, die Liste der angeblichen Handlungskiller ist fast beliebig erweiterbar, abhängig von Präferenzen und Fähigkeiten von Autoren.
p.s.: Und dem Universum, in dem die Handlung spielt.