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Tolkien – Ein Schriftsteller?

Foto„Beende alles was Du begonnen hast.

Verkaufe alles was Du beendet hast.“

Robert. A. Heinlein

Tolkien – Ein Schriftsteller?

Was soll das Fragezeichen? Tolkien kein Schriftsteller? Spinnt der? Viel hat er ja nicht geschrieben, aber er war doch wohl Schriftsteller.

Das werden sich vielleicht einige fragen. Und dabei auch zumindest einem Irrtum aufsitzen. Nämlich dem, Tolkien habe nicht viel geschrieben.

Nun: Man schaue sich Tolkiens Schaffen an. Mit der Heinlein’schen Theorie und der landläufigen Auffassungen vom Bestseller-Autor, der ein Buch nach dem anderen schreibt, wie es Leute vom Schlage eines Ken Follett und Stephen King oder aus der Fantasy die George R.R. Martins, Tad Williams, Wolfgang Hohlbeins oder Robert Jordans tun, hat Tolkien nicht soviel gemein. Dabei geht es nicht um Wertungen des Geschriebenen, sondern nur um die Tatsache, dass diese in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen neue Romane vorlegen.

Sicherlich kann man ihn grundsätzlich einen Schriftsteller nennen, weil er publiziert hat. Aber im Grunde war der Autor von „The Lord Of The Rings“ keiner im erweiterten Sinne, jedenfalls keiner der einen Roman nach dem anderen produzierte, um der Veröffentlichung und des Honorars willen.

Was war er dann?

Tolkien war kein Autor, der sich hingesetzt hat, um einen Roman zu schreiben und ihn dann einem Verlag zu verkaufen, der nun seinerseits versucht möglichst viele Kopien davon an Leser zu verscherbeln.

Der Oxford-Professor war vielmehr jemand, der sein ureigenstes Hobby zu Papier gebracht hat. Der darin lebte, es versuchte zu eine Welt mittels Sprache zu ‚schöpfen’. Mehr als ein Jahrzehnt hat er damit zugebracht die Fortsetzung eines Kinderbuches zu schreiben. Für heutige Maßstäbe lächerlich.

Auch schon in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts gab es viele Autoren, die ein Buch schneller beendeten. Aber es war weniger eine Fortsetzung die er schrieb. Er verwob ein Kinderbuch mit etwas, dass älter war, dem von ihm geschaffenen Mythos: Mittelerde, der gut zwei Jahrzehnte war als durch die Welt reisende Hobbits.

Tolkien hat, um den Irrtum einmal zu korrigieren, dabei sehr viel geschrieben, aber das Geschriebene oft wieder verworfen. Dann neu gefasst, wieder verworfen und noch mal geschrieben. Mehr als zwanzig dickleibige Bände füllen die nur die ausgewählten Variationen zum Thema, die sein Sohn Christopher in mühe- und liebevoller Kleinarbeit gesichtet und herausgegeben hat.

Ein weiteres Indiz, dass Tolkien mehr wollte, als nur einen ‚verkäuflichen’ Roman zu verfassen, der den Leser durch seinen Inhalt und den Verlag und ihn selber durch Verkäufe erfreuen sollte. Hier ging es vielmehr darum, etwas zu verfassen, das ihn selbst erfreute. Seine Träume aufs Papier brachte. An diesem Punkt scheitern auch viele Kritiker, die an das Werk mit der Auffassung herangehen wie an jedes andere von einem kommerziell orientierten Schriftsteller verfassten Text.

Mittelerde, entstanden aus der Schrulle eines Linguisten seine eigene Sprache zu entwickeln und diese mittels (selbst erdachten) Mythen mit Leben zu erfüllen, ist viel mehr als nur der Schauplatz eines Romans.

Daher sollte ein jeder, wenn er den „Herrn der Ringe“ liest oder gar kritisch betrachtet, von er Vorstellung Abschied nehmen, er läse einen konventionellen Roman, wie er schon viele las. Vielmehr hat der Leser und Kritiker die Möglichkeit an den lebenslangen Träumen eines leicht verschrobenen Menschen teilzuhaben.

Ich glaube, dass ist ein Teil der Faszination dieses Buches. Wohl auch eines der Dinge, die dieses Buch so seltsam zeitlos und magisch macht.

Im Übrigen jährt sich heute am 2. September der Todestag des Autors. Vielleicht eine gute Gelegenheit mal wieder in den abgegriffenen grünen Bänden zu blättern und zu schmökern.

Kommentare  

#1 blu 2008-06-16 02:18
Wenn auch arg verspätet kann ich Dir eigentlich nur Recht geben. Ich muss gestehen, daß ich bevor die Filme ins Kino kamen noch nie vorher etwas vom Herrn der Ringe gehört, geschweige denn gelesen hatte. Da mich aber der 1. Teil der Verfilmung neugierig gemacht hatte, lieh ich mir die Bücher eines Freundes um sie noch vor dem Kinogang zu lesen.

Schon nach nur ein paar Seiten wurde wir sehr schnell klar, daß dies kein gewöhnlicher Roman sein kann, und daß der Autor wie ich es damals spontan ausdrückte "ein Genie" sein muss. Für mich ist er das übrigens heute noch, denn etwas Vergleichbares habe ich seither nicht wieder zu Lesen bekommen. Sicher gibt es eine Unmenge an tollen, faszinierenden Romanen, aber Tolkien bleibt für mich unerreicht - auch wenn grade der Herr der Ringe einen zuerst einmal erschlägt und auch sicher nicht ganz einfach zu lesen ist, bei all den Informationen.

Man taucht ein in diese Welt, verschmilzt beim Lesen regelrecht mit ihr, und glaubt trotz all besseren Wissens, das alles sei wirklich echt. Als liest man ein Geschichtsbuch dass über die graue Vorzeit erzählt. Und jedesmal wenn man es zuschlägt, wünscht man sich es würde nicht enden - mir geht es zumindest jedesmal so.

Man spürt einfach die Zeit, Arbeit, Leidenschaft und Liebe die Tolkien in diese Seiten gesteckt hat, und für seine scheinbar unendliche Fantasie kann ich ihn einfach nur bewundern.

Neben dem Herrn der Ringe habe ich mittlerweile auch "Der Hobbit" und "Der Elbenstern" genossen - als Hörspiel/Hörbuch zwar, aber auch diese Geschichten sind sehr empfehlenswert. Und das waren sicher auch nicht die letzten Male, in denen ich mir eine Tolkien'sche Erzählung gönne.

Gruss, Tina
#2 Dolmial 2008-07-05 19:54
"Ihr nahr euch wieder, schwankende Gestalten, die früh sich einst dem trüben Blick gezeigt. Versuch´ ich wohl Euch diesmal festzuhalten, fühl´ ich mein Herz noch jenem Wahn geneigt? Ihr drängt euch zu, nun gut, so mögt ihr walten."

Meine Nachforschungen über Professor Tolkien haben ungefähr dasselbe ergeben; nur wusste ich nicht, dass er in Oxford war.
Die Freiheit, die ich beim Lesen der Geschichte um den Ringkrieg fand, lässt sich schwer beschreiben (ich habe mich gefreut endlich ein Buch in Händen zu halten, das nicht so bald enden würde), trotzdem habe ich mich jahrelang nicht getraut mir ein Exemplar zu kaufen. Erst mit der Geschichte um die Silmaril fand ich den Einstieg.
Heute noch stehe ich diesem faszinierenden Thema mit Respekt gegenüber, denn Tolkien ist keine leichte oder gefahrlose Kost. Man verliert sich leicht darin, besonders in der Geschichte um den Ringkrieg. "Verlasse dich nicht auf deinen Kopf, Sam Gamdschie, er ist nicht dein edelster Teil", zum Beispiel ist so ein grandioser Satz, der nur von einem Professor kommen kann.
Ein Träumer war Professor Tolkien wohl nicht, eher ein nüchterner Realist, der sich gut in der Geschichte der Menschheit auskannte und dies in einen einzigen Rahmen fasste, in dem für kleinliches kein Platz war, wohl aber für die Menschen.

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